Burger. Barock. Bourbonen – 4. Station: das Kornhaus und der Staatsmann

Wir stehen vor dem Kornhaus. Es ist der prächtigste barocke Profanbau in der Stadt. Gebaut wurde er, während Johann Willading Schultheiss war und das Staatsverständnis in Stadt und Republik Bern veränderte.

Das Kornhaus
Gebaut hat man das Kornhaus zwischen 1711 und 1718. Die Gebrüder Dünz, die es planten und bauten, waren Berner, die ein kunstvolleren Architektur als im Frühbarock zugetan waren.
Die Front ist wie im Hochbarock typisch dreigeteilt. Der Mittelteil ist herausgehoben, Risalit genannt. Säulen, wie an der Heiliggeist-Kirche, gibt es noch keine, aber Pilaster, angedeutet Stützen. Zudem gliedern gliedern Lisenen oder strukturierte Steine die drei Teile der Fassade. In der Waagrechten erkennt man verschiedenartige Gesimse.
Alles überragend ist aber das Dreieck auf der Höhe des Daches, welches den Mittelteil überrascht. Darin repräsentiert sich der Staat mit Wappen und Bären. Das war neu. Erstmalig war auch der Park mit einer Allee vor dem Kornhaus.

Paternalismus zwischen Absolutismus und Selbstverantwortung
Genutzt wurde der repräsentative Bau als Lagerraum für Wein und Korn. In guten Zeiten verwendete man beides, um die städtischen Beamten zu entlöhnen. In schlechten ernährte man damit die notleidende Stadtbevölkerung.
Paternalismus oder alterväterlich nennt man das . Es war fürsorglich, aber auch kontrollierend. Es unterschied sich vom autoritäre Absolutismus in Frankreich, aber auch von der Eigenverantwortung, wie es die bürgerliche Gesellschaft noch erfinden wird.

Der lernende Staat entsteht
Der Umbruch geschah in einer Zeit, die man heute kleine Eiszeit nennt. Die Gletscher in den Alpen wuchsen. Es war regelmässig kalt, und es regnete viel.
Für die Umwelthistoriker dauert die kleine Eiszeit mit Unterbrüchen von 1350 bis 1850. Die die Kulturgeschichte seiht das enger, beschränkt auf die Phase von zirka 1570 bis etwa 1720.
Das änderte vorherrschende Deutungsmuster. Katastrophen wurden nicht mehr als Schicksal gesehen, dem man ausgeliefert war. Stück für Stück erkannte man, dass Hungersnöte benennbare Ursachen hatten, die der Staat angehen müsse. Vorreiter waren dabei Künstler, welche in Bern und anderswo das eisige Klima bildlichen Thema machten.

So setzte die Auswanderung von Berner Familien nach Uebersee ein, während man das Kornhaus baute. New Bern in North Carolina entstand, um den Bevölkerungsdruck abzubauen. Zur gleichen Zeit setzte auch die Korrektion der Kander im Oberland ein. Denn der Fluss sorgte immer wieder für Ueberschwemmungen von Thun bis Bern.

Schultheiss Johann Friedrich Willading
Ueberragender Schulheiss dieser Zeit war Johann Friedrich Willading, der in Bern zwischen 1708 und 1718 regierte. Seine Karriere begann 1694, als Frankreich die Ausweisung der Hugenotten verlangte. Willading erwirkte eine fünfjährige Fristerstreckung. Derweil kümmerte er sich um Aufnahmen wie durch Hessen.

Willading organisierte auch die antifranzösische Partei in der Gesellschaft. Die stellte seit 1693 auch den Niederlanden eine feste Truppen, Regiment von Mülinen genannt. Ein Jahr später kam auch das Regiment von Tscharner hinzu. Das waren wilde Aktionen, die der Rat vorerst duldete. Erst um 1700 gab er seinen Segen dazu. Damit schuf man ein Gegengewicht zum Regiment Erlach für Frankreich. Denn der niederländische Gesandte in Zürich hatte sich bei der Eidgenossenschaft beklagt, die Begünstigung Frankreichs sei alles andere als neutral.
Sein Gesellenstück liefert Willading 1707 in Neuenburg ab. Denn das dortige Herrscherhaus war erloschen. 15 Adelshäuser interessierten sich. Darunter war auch ein Günstling von Louis XIV. Willading setzt jedoch auf Friedrich I. aus dem Haus Hohenzoller, dem König von Preussen. Und der setzte sich durch.
Der erboste Franzosen schickte Truppen an die Grenzen, Willading vermittelte erfolgreich. Vorgezeichnet war damit seine Karriere als Schultheiss. 10 Jahre versah er das höchste Amt, während denen Bern die wichtigen Entscheidungen traf, mit denen man die Lebensbedingungen verbesserte.

Anne-Margarete Willading wird zur Schlüsselfigur in Bern
Willading gilt bis heute als bernischer Staatsmann. Zu seiner Zeit war er auch der reichste Berner. Grosse Ländereien in Urtenen und Mattstetten gehörten ihm. Vor allem aber hatte er keinen Sohn. Das machte in der patriarchalen Gesellschaft seine einzige Tochter Anne-Margarete zur entscheidenden Person in Bern.
Weiter!

Burger. Barock. Bourbonen – 3. Station: die Französische Kirche, die Hugenotten und die Spionin

Wir stehen vor der Französischen Kirche. Sie ist eine im einfachen Barockstil umgebaute gotische Kirche. Von besonderem Interesse ist sie aber, weil sie das Zentrum der geflüchteten Hugenotten in Bern war.

Die französische Kirche
Die französische Kirche war ursprünglich das Gotteshaus des Dominikaner-Klosters. Sie wurde kurz nach 1300 gebaut – der damaligen Zeit entsprechend im gotischen Stil. Den erkennt man am besten an den hohen und schmalen Fenstern, die in einem Spitzbogen enden. Sie sind aus farbigem Glas. Betont wurde damit die Ausrichtung des Lebens am Himmel, dessen Licht die Innenräume erleuchteten.
1405 sind grosse Teile des Klosters abgebrannt. Die Kirche wurde wieder aufgebaut und wiederkehrend renoviert. Die jetzige Form lässt einen spätbarocken Stil des 18. Jahrhunderts mit bemalten Wänden erahnen. Besonders ist daran nicht viel!
1660 entfernte man übrigens die grosse Darstellung des Totentanzes an der Klostermauer. Sie soll 100m Lang gewesen sein. Reformator Niklaus Manuel hatte damit 1520 die Vergänglichkeit des Lebens öffentlich thematisiert.
Kloster und Kirche wurden nach der Reformation 1528 geschlossen resp. als Lagerräume verwendet. 1623 wurde das Gotteshaus wieder hergestellt. Es wurde zur Kirche der Hugenotten, die mit dem Schanzenbau nach Bern kamen. Deshalb wurde die Messe hier auf französisch gehalten.

Die hugenottischen Flüchtlinge
Ueberstürzt haben sich die Ereignisse allerdings Mitte der 1680er Jahre. König Louis XIV. hob 1685 das Toleranzedikt von Nantes auf, das Henri IV. erlassen hatte. Es ermöglichte den Hugenotten, in Frankreich zu leben. Jetzt wurden sie verbannt.
Das löste eine gewaltige Flüchtlingsbewegung aus. Man schätzt heute, dass eine Million Menschen Frankreich verlassen mussten. 60000 davon seien auf das Gebiet der Eidgenossenschaft gekommen. 20000 liessen sich hier nieder. Hinzu kamen kleinere Gruppen Waldenser aus Italien mit vergleichbarem Schicksal. .
Genf und Lausanne waren Sammelplätze. Teilweise soll es da mehr Flüchtlinge als feste Einwohner gehabt haben. Zudem waren die äusseren Umstände schlecht. Das Klima war kalt und nass. Hungernöte brachen in der Waadt, der Kornkammer Berns, aus. Es kam zu fremdenfeindlichen Aktionen, nicht zuletzt weil die Hugenotten ihre eigenen Pfarrleute mitgenommen hatten.
Bern übernahm die Leitung der Flüchtlingsverteilung in der Eidgenossenschaft. Die katholischen Orte verweigerten sich, die reformierten mussten die Herausforderung alleine stemmen. Bern nahm die Hälfte der Schutzsuchenden auf. Die andere Hälfte ging an die übrigen reformierten Orte.
Die Belastungen waren hoch. 1690 machten die Kosten für die Verbannten einen Fünftel aller Ausgaben der Stadt Bern aus. Dreh- und Angelpunkt war die französische Kirchen.
1687 hatte sich König Louis XIV. geweigert, eine reformierte Delegation aus Zürich und Bern zu empfangen, um die Flüchtlingsfrage zu verhandeln. Die Stimmung kippte!
1688 kam eine veränderte europäische Lage. In England probte das Parlament seit langem den Aufstand gegen die Monarchie. Wilhelm III. von Oranien, Statthalter der Niederlande, setzte über den Aermelkanal, anerkannte die Bill of Rights der Opposition und bildete mit der reformierten Königstochter Marie II. eine neue Monarchie. Sie sollte die doppelte Souveränität von König und Parlament begründen, die heute noch gilt. Diskriminiert wurde hier die Katholiken.

Catherine Perregaux de Wattewyl als Spionin
Bern eröffnete die neue Lage eine Alternative. Weg von Frankreich wurde zur Losung! Berns Schultheiss sympathisierte offen mit den Niederlanden.
König Louis XIV. sah seinen Einfluss in der Aarestadt schwinden. Er intensivierte den geheimen Nachrichtendienst. Zentrale Figur wurde Katharina von Wattenwyl. In erster Ehe war sie Pfarrfrau, vorerst an der Heiliggeistkirche, dann in Därligen. Als ihr Mann früh starb, heiratete sie nochmals , jetzt den Bürgermeister Perregaux im neuenburgischen Valangin. Da wurde Catherine aus bester Berner Familie vom französischen Botschafter als Informantin angeheuert, um den König mit Insiderinformation aus Bern zu beliefern.
Ihr Dienst flog auf, sie wurde verhaftet, gefoltert, gestand verurteilt. Der drohenden Todesstrafe konnte sie sich nur dank ihrer angesehenen Verwandtschaft und der Fürsprache durch die Franzosenpartei entziehen. Doch musste sie die Stadt Bern für immer verlassen.
Heute schätzt man, dass sie weder die einzige Spionin war noch Wesentliches vermittelt habe. Doch geriet die Frau mit unkonventionellem Leben zwischen die Fronten, die immer unversöhnlicher wrden.

Berns verzwickte Lage
1694 erhöhte Frankreich den Druck auf Bern und verlangte die Ausschaffung der Flüchtlinge. England blockte dies ab. Die Lage der Stadt wurde noch komplizierter.
Es brauchte einen neuen Ansatz mit einer neuen Persönlichkeit.
Das an der nächsten Station!

Burger. Barock. Bourbonen – 2. Station: der Käfigturm und die Militärunternehmer

Wir stehen vor dem Käfigturm. Es ist das älteste Gebäude in Bern, das als barock gilt. Mit ihm begann auch der Aufstieg der Familie von Erlach, die dem französischen König treu ein Regiment stellte.


Der Käfigturm von Bern

Der Käfigturm

Gebaut wurde der Käfigturm zwischen 1641 und 1644. Das war mitten im 30jährigen Krieg. Er ersetzte den baufälligen Vorläufer aus dem 13. Jahrhundert. 200 Jahre lang war er das äussere Stadttor gewesen. Danach nutzte man ihn als Gefängnis. Das war auch nach dem Neubau so. Daher kommt auch der Name.
Der Baustil wird unterschiedlich zwischen später Rennaissance und frühem Barock beurteilt. Barock ist die Glockenhaube, die der der Heiligeistkirche gleicht. Das obere Ende ist halb so hoch wie der Turm des Münsters. Die sehr einfache Fassade ist dagegen späte Renaissance. Die Schattenseiten Fenster verstärken den Eindruck eines Wehrturms, obwohl das Gefängnis nie dafür verwendet wurde. Es macht den Anschein, dass man die Gefangenen von der Aussenwelt abgeriegelt haben wollte.
Natürlich steht der Triumphbogen im Zentrum. Er ist auffällig fein gearbeitet. Überragt wird er von einer Hochwacht, die schlicht gehalten ist.
Gebaut wurde der Turm, von Joseph Plebb, Werkbaumeister, der kurz vor der Fertigstellung verstarb.


Mittelalterliche Stadtmauer, der früherer Käfigturm in der Mitte

Von Johann Ludwig von Erlach zu Jean-Louis d’Erlach
Der 30jährige Krieg brachte nicht nur eine einfache funktionale Architektur. Er prägte auch eine neue Generation von Amtsinhabern vor. Hervorragend geeignet dafür ist Johann Ludwig von Erlach.
Schon jung wurde von Erlach in Kleinen Rat gehievt und mit der Reform des bernischen, dann des eidgenössischen Wehrwesens betraut. Das qualifizierte ihn als General, als sich die schwedischen Verbände dem Rheinknie nahten.
Doch wurde von Erlach schon bald von der österreichischen Gegenseite der Parteinahme für das reformierten Schweden bezichtigt. Er musste sich vor der Tagsatzung rechtfertigen und zog es vor, den Dienst zu quittieren.
Dafür schloss er sich Herzog Bernhard von Weimar-Sachen an, der im Kaiserreich General in schwedischen Diensten war. Nach der Eroberung von Breisach wurde von Erlach Gouverneur der Stadt. Noch vor seinem Tod, bestimmte ihn Herzog Bernhard zum Testamentsverwalter.
Von Erlach glaubte allerdings nicht, Breisach alleine halten zu können. Er suchte Kontakt zu Frankreich. Das übernahm Breisach. Und von Erlach wurde Franzose. Nun hiess er Jean-Louis d’Erlach. In der Armee stieg er bis in die Generalität auf.
Bei seiner Verabschiedung erhielt d’Erlach eine fürstliche Abfindung. Mit der baute er am Ende seines bewegten Lebens in der Landvogtei Schenkenberg das barocke Schloss Kasteln.


Johann Ludwig von Erlach (1595-1650)

Die Geschichtsschreibung sieht mit von Erlach das Aufkommen des Militärunternehmers, der den aus dem Mittelalter Söldnerführer ablöste. Der Militärunternehmer beschaffte in seiner Heimat nicht nur Truppen, er lieferte auch Material, um im Krieg bestehen zu können. Aber er machte das für einen fremden Herr.
Daa professionalisierte von Erlachs Sippe. Ab 1671 bis zur französischen Revolution stellte sie den Bourbonen Königen dauerhaft eine Armee zur Verfügung. Das Regiment blieb stets im Familienbesitz, die es vererben und verkaufen konnten. Es war einer eigenen Gerichtsbarkeit unterstellt, und es führte eine eigene Fahne. Die Tamburen waren mit dem Berner Bär geschmückt.
Herr war König Louis XIV. Er privilegierte seinen Klienten, der loyal zu ihm halten musste, dafür gut verdiente. Doch verschaffte sich der König so Einfluss in Bern.
In der Tat entstand rund um die Familie von Erlach eine eigentliche Franzosenpartei im Berner Magistrat, die treu zum König hielt. Doch war das Sprengstoff für die statt, denn man diente einem mächtigen Katholiken.


Schloss Kasteln im Schenkenbergertal

In der Eidgenossenschaft den katholischen Orten unterlegen
Innenpolitisch verlief es nach dem Westfälischen Frieden 1648 nicht so glatt. Beim Aufstand der Landschaft im Bauernkrieg 1653 setzte sich die Stadt durch, wenn auch nur militärisch und Unterdrückung der Aufstände.
Doch drei Jahre später kam es jedoch zur grossen Schmach. Die Reform des Bundes nach Vorstellungen von Bern und Zürich scheiterte am Widerstand der Katholiken. Sie gewann auch den ersten Villmergenkrieg.
Bern war an der Wende zum 18. Jahrhundert nicht nur vom katholischen Frankreich abhängig. Auch in der Eidgenossenschaft waren die reformierten Orte zweiter Klasse.

Stadtwanderer

Burger. Barock. Bourbonen: 1. Station Heiliggeist-Kirche und der Hochbarock

Wir stehen hier vor der Heiliggeist-Kirche. Es ist der prächtigste sakrale Barock-Bau Berns. Und er steht symbolisch für unsere Stadtwanderung zu “Burger – Barock und Bourbonen”.

Der Berner Barock
Wer von barocken Kirchen in der Schweiz hört, denkt unweigerlich an Einsiedeln, nur wenig später fertiggestellt wie die Heiliggeist-Kirche in Bern. Und der Unterschied ist frappant. Dort die üppige Ueberschwang, da die nüchterne Einfachheit!
Der Berner Barock ist eigen. Wie fast alles, was zwischen dem 14. und 20. Jahrhundert in Bern gebaut wurde, besteht er aus Sandstein. Gut bearbeitbar, aber auch wenig beständig. Und er ist von der Reformation aus dem 16. Jahrhundert geprägt.
Den Zeitgenossen war der Begriff übrigens nicht geläufig. Verwendet wird er erst seit den 1750er Jahren, um den entstehenden Klassizismus der Aufklärung von allem, was vorher war, abzugrenzen. Dafür verwendete man in Frankreich den portugiesischen Begriff «barocco», der für eine unvollendete Perle!

Was an der Heiliggeist-Kirche barock
Die heutige Heiliggeistkirche geht auf eine Bauidee des Berner Architekten Albrecht Stürlers zurück. Realisiert wurde sie aber vom Stadtwerkmeister Niklaus Schiltknecht – wohl ohne Plan, denn keine Skizze entspricht dem finalen Bau. Vielleicht ist er auch deshalb der eigenwilligste unter den Barockbauten.
Dominant ist der Kirchturm, der das Satteldach durchstösst. Er eine Welsche Haube mit Glockentürmchen mit Spitzhelm krönt ihn. Gut sichtbar sind die Zifferblätter auf allen vier Seiten. Am Dach befindet sich eine Balustrade mit Obelisken und Vasen.
Typisch barock am Hauptgebäude sind die schlanken Rundbogen-Hochfenstern. Die Fassade kennt richtige und angedeutete Säulen, Pilaster genannt. Auf dem richtigen Säulenpaar thront ein Segmentgiebel. Barock ist das horizontale Gesimse und die vertikalen Lisenen, welche die Fassade klar gliedern.

Früh-, Hoch- und Spätbarock in Bern
Den Barock teilt man meist in drei Phasen auf: den frühen, den hohen und den späten Barock. Das kann man auch in Bern verwenden, wenn auch zeitversetzt.
Der frühe Barock dauerte von 1640 bis 1700. Der hohe Barock geht von 1700 bis 1730. Der späte Barock beginnt danach und endet um 1780.
Die Heiliggeist-Kirche markiert den Uebergang vom hohen zu späten Barock. Geweiht wurde sie Ende 1729.
Das Burgerspital gegenüber entstanden 15 Jahre danach. Es gehört zum Berner Spätbarock. Die farbigen Fassaden künden unzweifelhaft davon.
Heute steht die Heiliggeistkirche frei. Dafür musste die Stadt ab den 1830er Jahren im Zeichen des Liberalismus entfestigt werden. 1865 fiel auch der prächtige Christoffelturm, der letzte Teil der Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert.

Burger, Patriziat und Rebellion
Der Baldachin für die Euro08 zwischen der Heiliggeist-Kirche und Burgerspital ärgerte die Berner Burgergemeinde erheblich. Er zerschneide den barocken Stil am Platz, argumentierte sie.
Entstanden war die Burgergemeinde 1833. Doch reicht die Geschichte ihrer Vorläuferorgane bis ins 13. Jahrhundert zurück.
Geprägt wurde sie von der Burgerversammlung, der reformierten Zunftverfassung, ihrer Aristokratisierung im Patriziat und von Rebellion, die das alles durch eine Gemeindeversammlung ersetzen wollte. Davon werden wir noch einiges hören, auch wenn man vieles nicht mehr sieht.
Heute weitgehend unsichtbar sind auch die Schanzen, mit deren Bau Bern 1623 angesichts des 30jährigen Kriegen zwischen dem Kaiser und den Königen von Böhmen, Dänemark, Schweden und Frankreich begann. Denn auch sie wurden in den 1830er Jahr im Namen des Fortschritts geschleift.

30jähriger Krieg, Schanzen und Bourbonen
Dabei hätten die Schanzen so gut zur Beziehung Berns und den Bourbonen in Frankreich gepasst.
Henri IV., seit 1589 König in ganz Frankreich, beendete die jahrzehntedauernden Hugenottenkriege. Er war der erste und einige Calvinist auf dem Thron, 1610 wurd er ermordet, doch begründete er die Bourbonendynastie. Seine Nachfahren waren wieder katholisch, und sie herrschten, einzig von Napoleon unterbrochen, bis 1830 über Frankreich.
Die Idee zu den Schanzen hatte Théodore Agrippa d’Aubigné, ein Gefolgsmann von König Henri IV. Er sah sie als reformiertes Verteidigungswerk gegen katholische Aggressionen. Und mit ihnen kamen 1623 auch die ersten Hugenotten nach Bern.
Halb-Brüder im Glauben, müsste man heute sagen: reformiert, aber calvinistisch, nicht evangelisch wie man es in Bern gewohnt war.
Mit Folgen!

Auf geht’s zur nächsten Station!

Burger. Barock. Bourbonen: Das Programm der neuen Stadtwanderung

Das ist meine neue Stadtwanderung. Sie feiert am 5. Mai, 18 Uhr 15, Premiere.


Berner Kebes Tafel zu Tugenden und Laster von 1633

Glanz und Dekadenz stehen in Bern des 17. und 18. Jahrhunderts nahe beisammen. Sie bilden die Kulisse für meine neue Stadtführung quer durch die Altstadt. Sie ist gleichzeitig eine Architektur- wie auch eine Sittengeschichte der Burger und des Barock. Und sie zeigt den riesigen Schatten, den der grosse Bourbonenkönig Louis XIV. auf die Stadt wirft.
Wer gerne die Fassaden der Altstadt Berns studiert und vor allem gerne wissen möchte, was damals dahinter steckte, kommt hier voll auf seine/ihre Rechnung!
Das sind meine Stationen:
1. Station: Heiliggeistkirche: wichtigster Sakralbau des Berner Barocks und was ihn auszeichnet
2. Station: Käfigturm: frühbarocker Profanbau – Johann Ludwig von Erlach, Berner General in eidgenössischen, schwedischen und französischen Diensten
3. Station: Französische Kirche: ältester gotischer Sakralbau – Hugenotten-Flüchtlinge und die Spionin Catherine Perregaux-de Wattwyl
4. Station: Kornhaus: wichtigster hochbarocker Profanbau – Schultheiss Johann Friedrich Wilanding, Anführer der antifranzösischen Partei
5. Station: Fischerpost: frühbarocker Profanbau – Beat Fischer, Postunternehmer
6. Station: Unteres May Haus: Bürgerhaus im Renaissance-Stil – Gabriel Mays schrecklicher Schlachtensieg über Hans Rudolf May und 8000 tote aus Berner Landen
7. Station: Gesellschaft zu Kaufleuten: Wirre Architektur – Berns grosse Bankenkrise
8. Station: Von Wattenwayl Stadtpalais: prachtvoller Régence-Bau in Erwartung von Louis XV. – erbaut von Alexander von Wattenwyl, General in niederländischen Diensten
9. Station: Erlacherhof: Höhepunkt des spätbarocker Profanbaus – Schultheiss Hieronymus von Erlach, schillernde Figur überlebt den Skandal, Samuel Henzi, aufrechter Rebell, stirbt durch das Schwert
10. Station: Beatrice von Wattenwyl-Haus: hochbarocker Profanbau mit der schönsten Gartenanlage Berns – heute im Besitz des Bundes

An der Premiere mit dabei ist unser Bundeskanzler Walter Thurnherr, Hausherr des Beatrice von Wattenwyl-Hauses.
Es hat noch einige Plätze am Premieren-Rundgang frei.
Interessierte melden sich direkt bei mir!

Der Start ist auf dem Bahnhofplatz vor der Heiliggeistkirche.

Stadtwanderer

Oesterlicher Besuch im Kloster Muri

Es ist ein Kloster von europäischem Format. Es ist unzertrennbar mit dem Haus Habsburg verbunden. Und es blieb in der Geschichte nicht unbestritten. Bis heute ist das Kloster Muri das eigentliche Zentrum des oberen Freiamtes.

Die Habsburger
Das Kloster Muri wird bald es tausendjährig. Denn es wurde 1027 gegründet. Stifterin war Ita von Lothringen, die Stammmutter der Habsburger. Sie war mit Radbot von Habsburg verheiratet, Graf im Klettgau, der zur gleichen Zeit die Burg bei Brugg erbauen liess.
Die Habsburger war das führende Fürstengeschlecht der europäischen Geschichte. Sie waren Könige im Hl. Römischen Reich, später auch in Spanien, und sie herrschten so auch über ein Kolonialreich. 1700 endete die Herrschaft über Spanien und damit in Uebersee. 1740 starb auch die österreichische Linie aus, wurde aber von Habsburg-Lothringen bis 1806 mit der Kaiserwürde fortgeführt. 1804 fand das im österreichischen Kaisertum eine Neugründung, ab 1867 in der Doppelmonarchie Oesterreich-Ungarn. 1918 endet auch das.
Die Herzen der beiden letzten Habsburger mit dem Kaisertitel, Karl und Zita, sind hier im Kloster in der Loretto-Kapelle bestattet.
Der Aufstieg vom aargauischen Grafengeschlecht zum Königshaus geschah im 13. Jahrhundert und dem späteren König Rudolf I. Dabei ging es um die Erschliessung von Norden nach Süden. Ziel war es quer durch die heutige Schweiz ein gesichertes Gebiet zu bekommen, durch das man nach Rom gelangen konnte. Dabei spielten Luzern und die Innerschweiz aber auch der Gotthard-Pass eine zentrale Rolle. Als König war Rudolf an der Osterweiterung seines Machtgebiets interessiert. Das führte seine Nachfahren nach Wien.

Die Benediktinerregel
Im Kloster Muri folgte man stets der Benediktinerregel. Die entstand im 6. Jahrhundert in Italien, als sich das westliche Mönchstum herauszubilden begann. Leitspruch ist «Ora et labora», «Arbeite und bete», bisweilen ergänzt durch «et lege», «und lese.» Gemeinhin wird das mit strengem, gehorsamem Lebenswandel verbunden.
Das Kloster ist nach Osten ausgerichtet. Über die Jahrhunderte ist sie äusserlich zu einer Einheit aus Romanik, Gotik und Barock verwachsen. Das Gebäude selber wird durch kubische Strenge geprägt. In der Mitte befinden sich das Oktogon, ein Achteck mit der Klosterkirche, abgeschlossen mit einer mächtigen Kuppel. Mit wenigen Ausnahmen entstammt die Innenausstattung dem Rokoko der 1740er Jahren. Seit 1701 war man ein Reichskloster, das als reichste kirchliche Stätte der Eidgenossenschaft galt.

Der Niedergang und der Neuanfang
Das Kloster aus dem 11. Jahrhundert begründete erstmals Schulen im Kanton Aargau. Es bildete Mönche aus, die auch andere Klöster bedienen sollten. Die Macht blieb nicht umbestritten. Mit der Reformation wurde das Kloster ab 1530 von Zürchern beschädigt. Die Franzosen entzogen ihm 1798 die Rechte auf Ausbildung und Bussen, was den Abstieg einleitete. Im Aargauer Klosterstreit von 1841 schlossen die Radikalen um Augustin Keller das Kloster. Die meisten Mönche gingen nach Sarnen. 1845 bekam das aufgehobene Kloster zudem am Stadtrand von Bozen mit Muri-Gries eine Nachfolge.
Während dem französisch-deutschen Krieg 1870/71 kam es zur Internierung der französischen Bourbaki-Armee in der Schweiz. Ein Teil wurde hier in Muri untergebracht. Entstanden ist in der Folge ein Pflegeheim, das es heute noch gibt. Ferner dienen die Gebäude der Verwaltung und als Schulen. Bis heute ist es das Zentrum des oberen Freiamtes.

Die erste Demokratie in der Schweiz aus eigener Kraft

Ich war heute mit #Swissinfo in Lugano, um die zweite Folge der Videos zu „Brennpunkte der Schweizer Demokratie“ zu drehen. Etwas Hintergrund.


Bild: Denkmal für die Reform vom 4. Juli 1830 im Rathaus von Lugano

Die liberale Tessiner Reform
Am 4. Juli 1830 nahmen die Kreisversammlungen im Kanton Tessin die neue liberale Verfassung an. Es war eine herbe Niederlage für die alte Oligarchie um den regierenden Landammann Giovanni Battista Quadri. Er hatte im Geiste des Wiener Kongresses den Kanton autokratisch regiert.
Und es war der Aufstieg des radikal gesinnten Lehrers und späteren Bundesrats Stefano Franscini, der sich publizistisch unermüdlich für das Projekt eingesetzt hatte.
Eingeführt wurden zentrale Elemente der Demokratie: Gewaltenteilung, allgemeines (Männer)Wahlrecht und verfassungsmäßig garantierte Pressefreiheit. Die anschließenden Wahlen brachten dem Bürgertum den politischen Sieg.

Die Erneuerungsbewegung

Heute weiß man: Das war der Startschuss für demokratische Reformen in elf weiteren Kantonen. Innert Jahresfrist wandten auch sie sich vom Regime des Wiener Kongresses von 1815 ab. Heute nennt man das Regeneration. Widersprochen haben ihr namentlich die Kantone mit Landsgemeinden.
Selbst Europa ging man im Tessin voraus. Erst am 23./24. Juli 1830 kam es in Frankreich zur zweiten Französischen Revolution. Es folgten Umstürze in Belgien, Polen und Italien. Nur Griechenland war schneller als die Tessiner gewesen. Doch da vereitelten die konservativen Monarchen Europas den Durchbruch zu demokratischen Verhältnissen. In der Schweiz getrauten sie sich das nicht, selbst wenn sie immer wieder insistierten, beim Bundesvertag von 1815 zu bleiben.

Misslungene Reformen
Auch die kantonalen Reformen in der Schweiz liefen 1832 beim Versuch auf, über den Kantonen einen modernen föderalen Bundesstaat zu schaffen. Den Radikalen ging der Plan Rossi, wie man das Projekt damals nannte, zu wenig weit, und die Konservativen wollten bei der kantonalen Souveränität bleiben. Schließlich stimmte die Stadt Luzern, die als Hauptstadt vorgesehen war, gegen die Übernahme der neuen Aufgabe.
Misslungen war in den 1830er Jahren auch die Gründung einer Nationaluniversität. Dafür wurden die Hochschulen in Zürich und Bern gegründet. Sie waren die ersten laizistischen Hochschulen der Welt.
Die erste nationale Hochschule entstand 1855 mit dem Polytechnikum in Zürich, als übrigens der Tessiner Stefano Franscini Bindesrat und Bildungsminister der Schweiz war.

Pfade durch den Berner Barock

>Der barocke Baustil Berns ist eigenartig. Der Sandstein prägt ihn. Er ist auch ausgesprochen nüchtern, protestantisch eben. Und der 30jährigen Krieg brachte ihm die Strenge, die erst mit der Zeit verloren geht.


Bilder: 1 Käfigturm=Frühbarock, 2 Kornhaus=Hochbarock, 3 Erlacherhof=Spätbarock, 4 Hotel de Musique: Uebergang zum Klassizismus

Der Berner Barock ist das Gegenteil von dem, was der Name eigentlich meint. “Barroco” ist Portugiesisch und bezeichnet eine unregelmäßig geformte Perle. Der Barock ist das oppulente Lebensgefühl der katholischen Welt zwischen Gegenreformation und Aufklärung.
Die Urformen im Berner Frühbarock (1640-1690) sind ausgesprochen schlicht. Das Viereck der Fenster bestimmt die Fassade. Die Fotos 1-3 belegen das.
Der Hochbarock (1690-1730) entwickelte sich mit dreigeteilten Fassaden, auffälligen Giebeln, aber auch mit den ersten Stadtgärten. Das macht erste französische Einflüsse sichtbar.. Man sieht das auf den Bildern 4-6.
Der Spätbarock (1730 bis 1780) kennt nochmalige Verfeinerungen der Hausfronten. Die Fenster erhalten gerundete Abschlüsse nach oben. Die Fassaden werden künstlerischer, und es wird farbiger. Die führenden Architekten machen ihr Ausbildungen in Ausland, allen voran in Paris. Meine Bilder 7-12 stehen dafür.
Die Zeitgenossen selber kannten den Begriff „Barock“ nicht. Er wird erst in den 1750er Jahren gebräuchlich, um den damals vorherrschenden Architektur-Stil als vergangen zu kennzeichnen und vom aufkommenden Klassizismus abzugrenzen. Damit erwachte auch die Aufklärung.
So überrascht es nicht, dass der Barock in vielen verschiedenen regionalen Formen existiert. Nicht nur in Bern! In der Schweiz sind der Barock in Einsiedeln oder Solothurn ebenso eigen wie in Bern.

Anzeige: Burger – Barock – Bourbonen. Neue Stadtwanderung durch Bern

Das Ende des 30jährigen Krieges (1618-1648) bringt die volle Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft vom Kaiserreich. Und er führt in die Abhängigkeit von Frankreich. Es ist Zeit, sich damit vertieft zu beschäftigen.

Bern versteht 1648 sich als führender Teil des souveränen Staatsbundes und nennt sich stolz «Stadt und Republik Bern». Das sollte dauern, bis die revolutionären Franzosen 1798 kamen und dem Ancien Régime ihren einen modernen Staat gegenüberstellten.
Bis heute schwankt die Beurteilung der Epoche zwischen «goldener» und «dekadenter» Zeit Berns!

Burger
1651 wurde die damalige Burgerschaft in Burger, Ewige Einwohner und Hintersässen unterteilt. Nur die Burger besassen alle wirtschaftlichen und politischen Rechte. Ihr innerster Kreis, das Patriziat, bestand 1798 noch aus 76 tatsächlich regierenden Familien.

Bourbonen
Während der ganzen Zeit der souveränen Stadtrepublik beherrschten die Bourbonen Frankreich. Ihr Königreich stieg zur globalen Kolonialmacht auf und expandierten in Europa. Und es nahm erheblichen Einfluss auf das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben in Bern.

Barock
Das zeigt sich auch im vorherrschenden Baustil der Epoche, selbst wenn er anders war als in Paris und Versailles. Denn der Berner Barock besteht aus Sandstein. Und der wurde nüchtern gestaltet. Doch dringt der künstlerische französische Einfluss schrittweise in die Fassaden und Gartengestaltung ein, bis die Mischung massgeblich das Bild der heutigen Berner Altstadt bestimmt.

Eine Architektur- und eine Gesellschaftsgeschichte
Meine neue Stadtführung ist gleichzeitig eine Architekturreise und eine Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt Bern im 17. und 18. Jahrhundert. Selbstverständlich kommt die Politik nicht zu kurz.
Die Tour zeigt, was den Berner Früh-, Hoch- und Spätbarock unterscheidet. Sie beleuchtet das wechselhafte Leben mit dem dominanten Soldwesen, den Aufbau der mächtigen Berner Post, die Aufnahme hugenottischer Flüchtlinge und den Bau des Kornhauses als städtische Vorratskammer. Sie zeigt, wie verschiedene Privatbank untergingen und macht deutlich, wie mit dem Reichtum der Stadt prächtige Stadtpalais Einzug hielten, aber auch soziale Spannungen entstanden. Schliesslich waren es Bibliotheken und Konzertsäle, welche zaghafte Ansätze zur Aufklärung und bürgerlichen Kultur in die Stadt brachten. Bevor die Franzosen direkt in die Stadt kamen!

Termine
Die Tour beginnt im Hof des Burgerspitals und endet vor dem Hotel de Musique. Sie dauert rund 2 Stunden von 18-20 Uhr.
Denkbare Termine: 28.April, 5. Mai, 12. Mai. Das definitive Datum der Premiere wird bald bekanntgegeben. Je nach Anmeldungen finden auch mehrere Führungen statt.
Interessierte können sich bis am 18. April mit möglichen Daten bei mir anmelden (claude.longchamp@gfsbern.ch).

Der Tag der Republik

Am 12. April ist der “Tag der Republik”. Erinnert wird an das Ende des Ancien Regimes im 18. Jahrhundert. Es war auch der Anfang des modernen Staates mit der Helvetischen Republik.


Das Aarauer Rathaus mit der Trikolore der Helvetischen Republik

Da der entscheidende Moment in Aarau spielte, hat sich da 2019 ein Komitee um Ivica Petrušić gebildet, das daran erinnern will. Nach zwei Jahren des corona-bedingten Unterbruchs will man das 2022 mit einem Fest wieder aufnehmen. Es gibt am abend eine Stadtwanderung, Reden von Patti Basler und Stadträtin Suzanne Marcley sowie Essen und Musik des kroatisch-vegetarischen Vereins.

Ein tiefer Einschnitt
Der 12. April 1798 war zweifelsfrei ein tiefgreifender Einschnitt in der Schweizer Geschichte. Davor war man zuerst kaiserliches Untertanengebiet gewesen, aus dem sich im 14. Jahrhundert ein Bündnis von Städte- und Länderorten entwickelte, das stufenweise als regionaler Gesprächspartner der Habsburger akzeptiert wurde. 1648 wurde die Eidgenossenschaft aus dem Reich ausgenommen, war ein Staatenbund, souverän, wenn auch stark vom Reich resp. Frankreich abhängig.
Erst die Französische Revolution sollte dem Ancien Regime, wie man die Zeit des 18. Jahrhundert heute nennt, ein Ende setzten. Galt davor das Prinzip der Ungleichheit, der Vorrechte durch Herkunft und soziale Stellung, hielt nun die Gleichheit (der Männer) und der neu gebildeten Kantone Einzug.
Zum Bundesstaat von 1848 brauchte es aber noch einiges. Der neue Staat musste von unten wachsen, der Liberalismus über den Konservatismus siegen, und die Zivilgesellschaft mit Vereinen, Parteien und Interessenverbänden mussten erst noch entstehen. Dafür brauchte es drei grosse Anläufe, von denen 1798 der erste, aber nicht bleibende Durchbruch war.

Warum Aarau?
Aarau stand 1798 wie seit 1415 noch unter bernischer Herrschaft. Man hatte zwar keinen bernischen Vogt wie in Lenzburg, war eine Munizipalstadt, aber Bern untertänig. 1712 war man Ort des Friedensschlusses im 2. Villmergenkrieg gewesen, der die definitive Gleichstellung der reformierten mit den katholischen Orten und damit das Ende der Konfessionskriege in der Eidgenossenschaft brachte. Aufschwung nahm im 18. Jahrhundert auch die Wirtschaft, namentlich das Tuchgewerbe. Damit überholte man selbst das zünftisch reglementierte Bern.
Doch blieb Aarau als Untertan politisch rechtlos. Die Diskrepanz zwischen wirtschaftlicher Stärke und politischer Schwäche nährte den Geist der Veränderung. Das erhöhte sich als der „Sauerländer“, ein Verlag, den es heute noch gibt, nach Aarau kam. Er brachte mit Heinrich Zschokke eine Aufklärer mit, eine Art Voltaire für die Schweiz, der sich der Bildungs- und der Staatsreform annahm.

Die Revolutionierung
1797 versammelte sich die seit der Reformation erstmals wieder vereinigte Tagsatzung, um angesichts der französischen Bedrohung die alten Bündnisse unter Eidgenossen zu beschwören. Zuerst besetzten Stadt und Republik Bern die Stadt, dann waren die revolutionären französischen Truppen an der Reihe.
Frankreich erhob Aarau nach französischem Vorbild zur ersten Hauptstadt der Schweiz. In Aarau hatten das Direktorium, die erste Regierung der Helvetischen Republik, sowie der Senat und der Grosse Rat, das Parlament des neuen Staates, ihren festen Sitz. Peter Ochs, Basler mit französischem Ursprung, Verfasser der ersten Verfassung der Schweiz und Senatspräsident, hielt seine Rede in Aarau, um das neue Zeitalter zu begründen. Allerdings zügelten die Institutionen bald schon nach Luzern.

Der Kanton Aargau
Auch die helvetische Revolution war nicht bleibend. Sie versprach zahlreiche Reformen, setzte einige wie neue Schulen durch, während andere wie die Bodenreform scheiterten. Zudem kam der europäische Krieg der Koalition gegen Frankreich auf unser Territorium. Die revolutionäre Stimmung kippte, die patriotische Regierung der ersten Stunde wurde mehrfach gestürzt, bis sich ein mehrheitlich republikanisch gesinntes Direktorium durchsetzte. Selbst ein Plebiszit, von Frankreich organisiert, stabilisierte die Republik nicht. Ein Bürgerkrieg zwischen Modernisten und Traditionalisten wurde unvermeidlich, sodass Frankreich 1803 eine neue, gemässigt zentralistische Staatsform einführen müssten. Mit der Niederlage von Kaiser Napoleon auf den europäischen Schlachtfeldern war es auch damit aus.

Die vorübergehenden Restauration
1815 führte der Wienere Kongress der Staatenbund von 1648 wieder ein, beliess aber die Kantone, ergänzte sie sogar um drei weitere und hielt auch an ihrer Gleichheit fest. Erlaubt wurden Konkordate, das heisst überkantonale Bündnisse. Verordnet wurde zudem die Neutralität, auch wenn sie die Bewaffnung zuliess. Die Tagsatzung aus dem Mittelalteralter wurde wieder eingeführt. An ihrer Spitze stand eine dreiköpfige Exekutive, gebildet aus gemässigten Aristokraten und Bürgerlichen aus den sechs Vororten Freiburg, Bern, Solothurn, Luzern, Basel und Zürich. 1815 erhielten wir auch unseren heute noch gültigen Namen in Wien: Schweizer Eidgenossenschaft.
Weitgehend wiederhergestellt wurden so die vorrevolutionären Verhältnisse, wenn auch nicht für immer. Denn das Jahr 1830 sollte einen zweiten Durchbruch zur modernen Republik bringen, der 1848 mit dem Bundesstaat vollendet wurde.