von berta zu simonetta

feier für simonetta sommaruga in königlichen köniz – ein willkommener anlass, dem volk die freude über die kommende herausforderung zu erklären.

SCHWEIZ EMPFANG SOMMARUGA
bundesrätin sommaruga, einst gemeinderätin mit dem ressort feuerwehr bei der heutige feiern in köniz

einst war schloss köniz eine der legendären wirkungsstätten der burgundischen königin berta, die im 10. jahrhundert lebte. die prinzessin, die aus dem schwäbischen kam, wurde mit dem burgundischen könig rudolf ii. verheiratet, nachdem sich die stämme bekriegt hatten. die heirat sollte den frieden zwischen schwaben und burgund sichern. berta regierte lange recht allein im aaretal, denn ihr mann war während jahren in oberitalien als feldherr und herrscher engagiert. diese zeit hat den ausgezeichneten ruf der burgundischen königin begründet, die für katholiken, später auch für protestanten ein vorbild war, und es bis in die jüngste zeit im aare-, aber auch broyetal geblieben ist.

nun könnte berta eine nachfolgerin gefunden haben. denn mit simonetta sommaruga wurde vor einer woche eine könizerin zur neuen bundesrätin gewählt. die populäre konsumentInnenschützerin und berner ständerätin begann ihre politische karriere in der berner vorortsgemeinde, notabene der grössten schweizer stadt, die nicht im zentrum einer agglomeration liegt. zugezogen ist sommaruga mit ehemann lukas hartmann vor 14 jahren. bereits nach einem jahr wurde sie in die gemeindeexekutive gewählt. dann gelang ihr 1999 der sprung in den national- und 2003 schliesslich schaffte es die konkordanzpolitikerin auch, in den ständerat gewählt zu werden.

der auflauf im könizer schlosshof heute abend war riesig. es gab musik, ein paar ansprachen, dann wurde der apéro mit dem kalten buffet eröffnet. viel prominenz war da, aber auch viel volk. denn die könizerInnen mögen ihre neue bundesrätin, die zahlreiche gratulation von jung und alt, schweizerinnen und ausländern, taxichauffeuren und müttern mit kindern, parteigängerInnen und politischen gegnern entgegen nehmen durfte.

simonetta sommaruga machte heute einen glücklichen eindruck. sie strahlte ganz anders, als man das bundeshaus seit der departementsverteilung vom montag erlebt. alle, die gekommen waren, erwarten von ihr natürlich eine stellungnahme. doch ihre rede handelte von allem, nur nicht von dem. das dachte man wenigstens, bis sie zum schluss eine treffende anekdote erzählte. als sie vor 13 jahren in den gemeinderat, wie die stadtregierung von köniz genannt wird, gewählt wurde, übergab man ihr feuerwehr und zivilschutz. nicht wenige stimmen meinten, man habe sie dorthin abgeschoben. jetzt, wo alles vorbei sei, dürfe sie auch sagen, welche departement sie damals gerne gehabt hätte. “die polizei”, sagte sie voller stolz, um beizufügen: “jetzt habe ich sie, und freu mich darauf.” die erheiterung im publikum war gross.

eine pointe mit aussage und stil, dachte ich mir, kaum mehr wie die einer taffen feuerwehrpolitikerin, aber fast schon wie die einer sympathischen königin.

stadtwanderer

lüge, list und leidenschaft

eigentlich müsste christian levrat das buch “lüge, list und leidenschaft” kennen. den geschrieben wurde es von seinem noch-bundesrat moritz leuenberger. und er versteht genau diese drei sachen als basis für sein plädoyer für die politik.

index.htmlich will es gleich sagen: die rochade überraschte – auch mich. denn es kam anders. in der ersten verteilung wechselten die bisherigen aufgrund des gewohnheitsrechts dem amtsalter nach. von doris leuthard und von eveline widmer-schlumpf wusste man um ihre präferenzen. vielleicht dachte man, sie würden es nicht machen, den es war viel von stabilisierung die rede. doch dann machten sie es. aus eigeninteresse, wahrscheinlich. so blieben das evd und das ejpd. hätte man weiterhin nach anciennität entschieden, wäre sommaruga jetzt evd-chefin, und schneider-ammann bundesrat im ejpd. das hat man nicht, und das ist ohne zweifel ein regelverstoss. das unschönste am ganzen ist, dass man das per mehrheitsentscheid von 5 zu 2 oder von bürgerlich vs. sozialdemokratisch bewerkstelligte. das verärgert, verletzt, verhärtet. damit war der anfang der neuen regierung um keinen deut besser als das ende der alten.

nun gibt es sachfragen, die man in der politik allgemein verbindlich regeln muss. da sind die allianzen generell auf auf der links/rechts-achse, auch auch auf der zwischen moderne und tradition polarisiert: aussen- und europapolitisch geht es in der regeln nicht ohne mitte/links. da hat die sp unverzichtbar ihren platz. teilweise gilt das auch bei infrastruktur und bildungsfragen, die uns bestehen im vergleich zum ausland bestimmen. innenpolitisch, vor allem in wirtschafts-, finanz- und sozialfragen regiert dagegen mitte/rechts. und das nicht erst seit vorgestern.

es gibt aber auch machtfragen. denn politik ist das ringen um die macht. demokratische politik hat an den regeln der machteroberung zu halten. das heisst nicht, dass sie nicht leidenschaftlich sein soll. das heisst auch nicht, dass sie nicht mit list betrieben werden. es heisst jedoch, dass man nicht lügen soll! vor allem nicht unter partnern!

fulvio pelli ist vielleicht kein politiker der leidenschaft. ein taktierer ist er jedoch mit sicherheit, wohl auch ein listiger. christian levrat steht ihm da in nichts nach, und er kann leidenschaftlich sein, im guten und weniger guten, wie er am montag bewies. die frontalattake auf die person vom montag abend liess erahnen, dass sie nicht ohne folgen bleiben würde. doch das ist letztlich die sache der beiden, denn pelli hat die türe zugeschlagen, aber auch einen spalt offen gelassen. das kann man nutzen oder auch nicht. wenn man sie nutzt, muss man harte beweise haben, oder risikiert für sich und sein partei viel.

simonetta sommaruga im ejpd ist für die sp mit sicherheit eine herausforderung. das war auch bei otto stich im finanzdepartement so. denn das volk will sparen, die bürgerlichen schauen eine genau finger und trotz allem wurde aus stich ein anerkannt guter kassenwart. warum soll aus sommaruga keine gute justizministerin werden? weil sie keine juristin ist! das mag nach innen ein problem sein, doch dafür hat man beamte. frau widmer-schlumpf wurde mitunter gerügt, zuviel juristin zu sein, etwa bei der minarettsinitiative, die politische dimension der debatte zu verkennen, weil sie in der frage nur ein bauproblem für untergeordnete behörden sah. eine nichtjuristin im ejpd könnte auch mehr sinn entwickeln für asylfragen, wo es auch, aber nicht nur um verfahren geht. von links kritisierte man lange genug den mangel an integrationspolitik. diese zu realisieren gehört beispielhaft zur genannten herausforderung der sp im ejpd.

wenn man vexiert ist, nur “unwichtige” departement zugestanden zu bekommen, muss man aus ihnen mehr machen. das uvek galt lange als unbeliebtes einsteiger-departement. heute ist es eines zentralen. das gleiche gilt eingeschränkt für die aussenpolitik – lange die nebensache der schweiz. heute weiss jede und jeder, dass es das potenzial hat, eine zentrale schaltstelle zu werden. ich mag das geheul nicht, die sp habe nur das eda und ejpd, wann wolle keine nützlichen iditoten sein. denn man hat spielräume in jedem departement- und man hat die gleich stimme im bundesrat.

ich rate christian levrat, zu sachfragen zurück zu kehren: hart zu fordern, und etwas flexibler als bisher auf angebote einzusteigen. immer nur pokern wie bei staatsvertrag, kann auch verhärten und zum bumerang werden. ich rat dem sp-präsidenten auch, das programm zu verbessern, denn die sp zog keinen nutzen aus der krise, verliert aber wählerInnen in die mitte. ich rate ihm schliesslich auch, die machtfragen etwas sensibler zu analyiseren, dann die zeit der einfachen polarisierung von links oder rechts ist vorbei, seit es im bundesrat wie unter den parteien eine allianz der mitte unter ausschluss von sp und svp gibt. diese wurde lange genug belächelt, in sachfragen hat sie sich schon mal bewährt, und jetzt hat sie machtvoll zugeschlagen!

mit leidenschaft – ganz sicher!
mit list – ohne zweifel auch!
ob auch mit lüge, wird man sehen.

denn den vorwurf hätte man auch neutraler ausdrücken können. denn auch moritz leuenberger spricht in seinem buch nur in recht allgemeiner form über die lüge und lügner – um abrechnungen zu vermeiden und für politik plädieren zu können. zum beispiel für vor den nächsten wahlen, um dann zu entscheiden, wer drinnen sein darf und wer aussen vor.

stadtwanderer

piano – forte (musikalisch und politisch)

“piano, piano”, hiess es in den letzten wochen des öfteren, wenn man über die alpen hinweg vom bundesrat sprach. zu viel geschirr sei zerschlagen worden, bald gehe es ums familiensilber. wer davor zurückschrecke auch das zu verscherbeln, müsse sich ums kitten der kaputten teller und tassen bemühen – stück für stück. wohl auch deshalb wählte man vor einer woche eine pianistin in den bundesrat, eine, die weiss, dass der ton die musik macht.

18952f81-4a82-4bf9-b777-5c6667aeaf16begleitmusik spielen oder in die tasten hauen? bundesrätin sommarugas entscheidung für die zukunft.

und nun dies: der bundesrat entschied heute über die departementsverteilung mit einem aufwühlenden mehrheitsentscheid. doris leuthard geht ins uvek, eveline widmer-schlumpf ins efd. calmy-rey wiederum durfte, obwohl amtsälteste, nicht finanzministerin werden, genauso wie man nicht zuliess, dass maurer sich vorzeitig aus dem vbs abmelden konnte. burkhalter wiederum, gerade mal ein jahr im amt, muss sich zuerst einmal im edi bewähren, bevor er neues ins auge fassen darf.

dann holte man die beiden neuen hinzu, sommaruga und schneider-ammann. jene ist formell amtsälter, denn sie wurde zuerst gewählt, dieser amtsjünger, sodass er als letztes wählen konnte. zu haben waren das evd und das ejpd. da sagte die konsumentInnen-schützerInnen, die volkswirtschaft, das würde ihr liegen. und der unternehmer stand nicht zurück, auch ihm käme das gerade recht. so musste man abstimmen, womit statt an der berner harmonie gearbeitet wurde, unüberhörbare misstöne quer durchs bundeshaus ausgesendet wurden.

vergeigt ist es für maurer, sommaruga und calmy-rey. jener bleibt im vbs in gut bewachter isolationshaft, ohne dass er dort eine autochtone volksarmee aufbauen darf. sommaruga droht ähnliches im ejpd, sollte sie auf die idee kommen, linke integrationspolitik zu betreiben. calmy-rey wiederum durfte nicht, was widmer-schlumpf durfte, was nur eines heisst: eine der beiden darf noch länger im bundesrat bleiben.

gewonnen hat heute die allianz der mitte. in der sachpolitik gibt es dafür einige gründe, denn in der politik braucht man mehrheit, die am besten aus der mitte heraus entstehen. die verbindung des zentrums basiert indessen nicht auf einer parlamentarischen mehrheit. zwar haben fdp, cvp und bd im ständerat eine komfortable mehrheit, wenn sie sich arrangieren, im nationalrat können sie aber von svp, sp und grünen jederzeit blockiert werden. in der ubs-frage zeigte sich schon mal, was sich bei der 11. ahv-revision wiederholen und bald schon generell schule machen könnte.

anstatt an der konkordanz-strategie weiter zu arbeiten, lautet die devise der zentrumsverbindung: die svp wird ins probejahr geschickt und die sp auf strafbank gesetzt. mit piano-melodien hat das wenig zu tun. denn es kam kräftig, stark und laut zum ausdruck, was der neue tarif ist. in der musiksprache nennt man das klar und deutlich “forte”.

nun wird sich zeigen, wer am besten klavier spielen kann. denn das instrument heisst nicht piano, wie viel gerne meinen und dabei den wahren namen übersehen, der schon immer pianoforte lautete.

stadtwanderer

freude herrschte!

die macht des bildes wird durch das lächeln bestimmt. eine geschichtliche betrachtung zu drei phasen schweizer bundesratsbilder.

bundesraete_teaserFullPicture_1_7673878_1285331437quelle: nzz (alle fotos im original an- sehen)

vor genau fünfzig jahren duellierten mit richard nixon und john f. kennedy zwei amerikanische präsidentschaftskandidaten erstmals live im fernsehen. zahlreiche mythen ranken um diesen sendung, denn in der wahl obsiegt der demokrat kennedy vor dem republikaner nixon. zu diesen gehört, nixon habe die wahlen nur wegen des tv-auftritts verloren.

was auch immer: politik wurde damit zum ereignis – zur medial verdichteten handlungsabfolge, von der man erwartet, dass sie eine konsequenz haben würde. mit der handlungsabfolge verlagerte sich die beurteilung von der sache zum bild, vom verbalen zum non-verbalen und vom inhalt zur form. damit stieg die bedeutung der person als kommunikator, ihr visuelles profil begann das politische zu konkurrenzieren.

es waren schon damals die printmedien, die das ganz verstärkten, die im nachgang zu fernsehduelle von den usa bis zum leutschenbach beschäftigt sich der boulevard vor allem mit dem äusserlichen: dem fahlen nixon gegenüber den sunnyboy kennedy, dem gepudertem gegenüber dem geschminkten und dem unrasierten gegenüber dem rasierten. und immer gewann der demokrat über den den republikaner.

seither die macht des bildes selbst in der so textlastigen nzz gelegentlich ein thema. denn wir reagieren anders auf politische botschafter als auf politische botschaften. heute ist man sich einig, dass die personalisierung der politik bei wahlen entscheidend ist. die person steht aber nicht einfach für sich. deshalb wählen wir nicht nur politikerInnen, die dem gegenwärtigen schönheitsideal entsprechen. man schaue nur in die parlamente. vielmehr vermittelt die person die glaubwürdigkeit des inhalts. sie wird zur vermittlerin der werte hinter den inhalten, denn diese vergessen wir oft zu schnell, während uns das gesicht mit der lebenswelt des menschen, den images von kandidatInnen und den idealen oder ideologien ihrer parteien bleiben.

denn männer mit brille erinnern uns nicht an die gleichen hintergründe wie männer mit schnauz. ihr blick verrät etwas über ihren geisteszustand, ihre frisur aber etwas über ihre vorbilder. das alles wird verstärkt durch durch kleidungsstücke, weil uniformen, anzüge, halsbinden, krawatten und fliegen trägt man nicht ohne, dass man etwas stilisieren will. und sei es nur schon, dass man damit seine ländliche verbundenheit oder urbane kultur zur schau tragen will. das alles wird durch das geschlecht der politikerInnen verstärkt. nicht nur, weil männer anders auf frauen reagieren als frauen – und umgekehrt. nein, immer auch, weil ihr geschlecht eine botschaft über den sozialen wandel und dessen verarbeitung in einer partei ist.

mehr als 1000 worte sagt schliesslich das lachen auf bildern. die bundesräte in der gründungszeit des bundesstaates, die noch kaum abgebildet wurden, bemühten sich, mit einer strengen miene ernsthaftigkeit mitzuteilen. mit ihrer medialisierung vor 50 jahren entstand eine zweite generation von politikerInnen. denn nichtlachen wurde jetzt zur langeweile. die gesichter müssen seit mehr ausdrücken, aufmerksamkeit erheischen, gewinnend im wahrsten sinne des wortes werden. friedrich traugott wahlen, einer der sieben in der ersten zauberformel-regierung von ende 1959, wusste das am besten. der populäre agronom, der erfinder der anbauschlacht, war schon vor seiner zeit als politiker zur legende geworden, denn der professor stand wie kein anderer für durchhaltewillen im zweiten weltkrieg, der es uns erlaubte, mit vorteilen in die nachkriegszeit aufzubrechen. die so gewonnene zuversicht drückte sich in einem verheissungsvollen lächeln auf dem offizielle bundesratsfoto aus, das ihn als ersten so klar von der griesgrämigkeit seiner vorgänger abhob. ruedi gnägi, dem die soldaten das einzig positiv stimmende kleidungsstücke unter den armeeuniformbestandteilen, den olivfarbenen rollkragenpullover (“gnägi-liibl”) verdanken, war der erste, der fröhlichkeit zur hauptbotschaft seiner visuellen kommunikation machte, während die kunst des lachens als bestandteil der politischen kommunikation mit micheline calmy-rey ihren höhepunkt erreichte. einigen vor und nach ihr missriet der hochgezogene mundwinkel auf dem staatsmännerbild gründlich. zum beispiel georges-andré chevallaz, der bis heute leicht angeheitert wirkt, oder hans-rudolf merz, der schon damit zur kultfigur des comics avancierte.

doch könnte aus dem freude herrscht von adolf ogi, dem medienbundesrat à la kennedy par excellence, ein freude herrschte geworden sein. denn es scheint so, dass wir heute eine dritte generation von politikerInnen vor uns. das mindestens kann man vermuten, wenn man sich die drei jüngst gewählten bundesrätInnen per fotoo ansieht. nach der hypermedialisierung im bundesratswahlkampf scheint das lachen didier burkhalter, simonetta sommaruga und johann schneider-ammann abhanden gekommen zu sein. das ist schon bald unser halber jetziger bundesrat, sodass ich gespannt bin, was wir dereinst daraus über die genannten, ihre politik und unsere zeit lernen.

stadtwanderer

politzentrum bern gestärkt

es war mit sicherheit ein berner tag gestern. zuerst schaffte es simonetta sommaruga in den bundesrat, und dann zog johann schneider-ammann mit ihr gleich. sp und fdp sicherten sich damit ihre beiden sitze in der bundesregierung. die neuen kommen aus köniz und langenthal, beides mittelgrosse städte im kanton bern.

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die beiden neuen bundesrätInnen: aus köniz und langenthal, zwei berner städten

das ist ohne zweifel ein novum, dass zwei bernerInnen gleichzeitig im bundesrat sitzen. denn seit der einführung des proporzwahlrechtes und der umgestaltung der parteienlandschaft. war die bgb resp. svp darauf abonniert – und kurz profitierte auch die bdp davon. bis das alte machtzentrum des kantons zerfiel. nun hat die berner fdp ihren bundesrat aus dem 19. jahrhundert wieder zurück, und die sp des kantons erstmals eine direkte vertretung in der regierung. mit simonetta sommaruga stellt sie auch die erster berner bundesrätin. gestärkt wurden damit jedoch weder nationale noch kantonale siegerparteien, sondern persönlichkeiten mit übersicht, die über dem kleinklein der rechner und taktiker stehen.

auch wenn man die entwicklung der wahl und wahlgänge verfolgte, kam man nicht zum schluss, dass es strategie war, zwei bernerInnen durchzudrücken. beide gewählte setzten sich gegen starke parteiinterne konkurrenz durch, und ihre wahl galt bis kurz vor schluss als unsicher. erst gestern während der wahl zeichnete sich ab, dass die beiden die favoritInnen sein würden: wegen ihrem erfahrungsschatz, ihrer kompetenz, ihrem bisherigen auftritt und ihrer ausrichtung auf sozialpartnerschaft und konkordanz, würde ich mal sagen.

ich bin froh, dass das berner-argument gestern kein negatives mehr war. gewisse zürcher medien hätschelten den einwand mit vorliebe, und übersahen gefliessentlich, dass bei einer wahl von fehr zwei zürcherInnen im bundesrat gewesen wären. es überraschte, mit welcher hartnäckigkeit an der kantonsklausel festgehalten wird, obwohl sie mit der neuen bundesverfassung eliminiert worden ist, weil sie den entwicklung des 21. jahrhunderts nicht mehr angemessen ist. zwar gibt es unverändert eine aufgabenteilung zwischen bund und kantonen, doch wächst das politikgeflecht lokal, national und internationel zusehends zusammen. nicht einmal mehr bei den parteien wird die ausrichtung auf kantone privilegiert. die sp ist schon länger (intern)national, die grünen denken gar global, die fdp ist bundesstaatsgründerin, die cvp wäre es gerne, und die svp macht allen vor, wie man ein land aus einer hand steuern kann.

die geltende bundesverfassung hält nur noch die sprachregionen als kriterium für die repräsentation im bundesrat fest. das macht wohl unverändert sinn, denn von da geht die grösste kulturelle fragilität der willensnation schweiz aus. doch selbst da wurde in der formulierung eine weiche anforderung gewählt, müssen doch die vertretung angemessen sein. in der regel interpretiert man das als proportional über die zeit. damit ist auch gesagt, dass die regionen, die üblicherweise in bundesratswahlkämpfen kreiiert werden, keinen anspruch auf repräsentation haben. dass ist beim arc lémanique gegenüber der romandie so, wohl auch beim tessin gegenüber der italienischsprachigen schweiz, und die nordwestschweiz oder ostschweizer oder das bündnerland sind alles teile der deutschsprachigen schweiz.

wenn gestern zwei bernerInnen zum zug kamen, hat diese wohl eher mit ihrer biografie und ihrer entwicklung zu tun, die extremen polarisierung aller art mied. denn mit sommaruga wurde die konsumentenschützerin der schweiz gewählt, die es fertig gebracht hatte, als vertreterin dieses teils der wirtschaft populär zu werden, politisch links fuss zu fassen, und an die notwendigkeit des staates glaubt, ohne ihn zu vergöttern. und mit schneider-ammann setzte sich einer der vorzeigunternehmer des landes durch, der sich bewusst ist, dass man als das interessen hat und vertreten muss, der politik aber nicht darauf reduziert, und selbst als freisinniger punktuelle distanz zu den herrschenden ansichten seinen verbänden markierte.

bern soll sich, jenseits der kantönlidenkens, als politzentrum positionieren, fordere ich seit langem in der metropolitandebatte. diese geht ausdrücklich nicht mehr von kantonen aus, sondern funktionalen räumen, welche die wirtschaftliche basis des erfolgsmodell schweiz legen. sie weiss zwischenzeitlich aber auch, dass es eine politische einbindung der kraftfelder braucht, in der auch andere überlegungen als wirtschaftsinteressen ein rolle spielen. die geschichte des landes, ihre vielgestaltigkeit, ihre gewachsenheit mit strukturen, die dem föderalismus und der direkten demokratie rechnung tragen, gehören genauso zu schweizerischen eidgenossenschaft wie die zürcher banken, die basler pharma und die genfer uhren.

wenn gestern zwei aus bern gewählt wurden, dann deshalb, weil es zwei sind, die weder die wirtschaft noch die politik verabsolutieren, sondern, je aus ihrer sicht, den blick aufs ganze suchen. genau das ist es auch, was mich am politzentrum bern in der metropolitanen schweiz reizt. unverändert und wieder etwas optimistischer.

stadtwanderer

gewählt ist … simonetta-jacqueline schneider-sutter

der abend begann stimmungsvoll auf der terasse des alten tramdepots mit einem bier. die sonne verschwand hinter der stadt, zauberte noch ein wenig licht in den himmel, vor dem wenige wolkenschwaden gemächlich tanzten. nur das berner münster stand gerade in der landschaft, schon ganz dunkel, sodass keine details ersichtlich wurden.

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helles münster in dunkler stadt, die in allen farben den morgigen wahltag für den bundesrat erwartet

weniger schön war die aussicht im bellevue. zwar hatten sich viele leute zur vorwahlparty eingefunden. die parteipräsidenten waren da, das fernsehen, die radioreporter, die chefredaktoren der sonntagszeitungen, lobbyisten aus allen verbänden, soviele politologen wie noch nie, und unzählige politikerInnen aller couleur. doch auf die frage, was morgen geschieht, wusste niemand eine verbindliche antwort zu geben.

die cvp-frauen stritten darüber, welches die richtige strategie gewesen wäre. auf einen wahlsieg 2011 zu hoffen, erneut mit einem kandidaten anzutreten, oder der svp zu einem zweien bundesrat zu verhelfen? der konjunktiv verweis darauf, dass man sich nicht einig geworden war. nicht einmal urs altermatt, der grosse regierungsexperte der schweiz, der cvp nahe stehend, wusste diesmal rat. besser hatte es da hans grunder von der bdp. man sei für die beiden berner, sagte er wohlwissend, dass der rosstall, den er dafür in ordnung bringen musste, noch kein nationales gestüt ausmacht. “glauben sie wirklich”, dass das parlament zwei berner wählen wird, gab doris fiala von der zürcher fdp zu bedenken. mein einwurf, morgen hätten wir entweder 3 welsche, 2 berner, 2 züricher oder 5 frauen im bundesrat, erstaunte sie. so habe sie sich das noch nie überlegt, sagte sie und machte klar, dass sie für karin keller-sutter als wahllokomotive der fdp sei. die wiederum war ein der wenigen kandidatInnen im epizentrum der symbolischen politik des heutigen abends. elegant und eloquent wie immer stand sie radio und fernsehen in allen sprachen red und antwort. ganz anders als jean-françois rime, ihr möglicher herausforderer von morgen, der bekannte, ein echter welschfribourger zu sein. wenn er auf deutsch etwas nicht verstehe, habe das aber nichts mit der sprache zu tun, sondern mit der mentalität. von mentalität sprach man auf der linken seite nicht, eher vom wandel. denn bei den sozis war man sich sicher, eine der beiden kandidatinnen ins ziel zu bringen. selbst wenn man leise präferenzen für die eine oder andere hatte, fast alle beschworen die parteieintracht, wonach es wichtig sei, als gleichstellungspartei morgen für die erste frauenmehrheit im bundesrat besorgt zu sein. bei den grünen gab man sich etwas kleinlauter. man wähle wyss solange frau könne, bekundete jo lang, und wenn sie scheitere, sei vieles offen wie bei alec von graffenried. der sei einen tag für und eine gegen schneider-ammann, und dasselbe auch bei sommaruga. da war bastien girod ehrlicher, als er sagte, er könne sich auch rime als bundesrat mit grünen stimmen vorstellen.

ich war den ganzen abend mit blogger mark balsiger uf dr gass. es musste den coolen prognostiker der morgigen wahl permanent geschüttelt haben, soviel unanalytisches aufnehmen zu müssen. und so schwört er weiterhin auf seine 17 faktoren, die eine person zur bundesrätin oder zum bundesrat machen würde. konkret setzt er auf fehr und schneider-ammann. das ist, wie ich an diesem abend unschwer erkannte, die eine der häufigen prognosen für morgen. die andere lautet schön komplementär sommaruga und keller-sutter. selber wurde ich den eindruck nicht los, dass heute abend niemend wirklich den überblick hatte, weil die wichtigste partei die katze nicht aus dem sack liess: die svp will erst am mittwoch morgen um viertel nach sieben entscheiden, was sie macht, wenn ihr kandidat, der freiburger nationalrat rime ausscheiden sollte. gehen die 66 stimmen der grössten fraktion unter der bundeskuppel auf geschlossen eine der sp-frauen oder der fdp-kandidatInnen, dann ist diese person sicher gewählt. wenn nicht, gehen die wahlpräferenzen quer durch alle fraktionen hindurch, sodass der einzige sichere tipp für morgen ist: gewählt ist simonetta-jacqueline schneider-sutter.

wenigstens an der bellevue bar, fasse ich meine erkenntnisse zusammen, als ich heraustrete und die ganz eingedunkelte stadt sehe, die sich schlafen legt. nur der münsterturm ist erhellt, doch schweigt der, denn er hat morgen nichts zu sagen …

stadtwanderer

die macht der langen formeln

um es gleich zu sagen, den begriff der “nacht der langen messer” mag ich nicht. vielleicht ist das der grund, warum ich nach einem neuen terminus für den letzten moment vor bundesratswahlen suche.

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einsteins formel für energie – die berühmteste aller formeln der welt. mark balsiger macht sich auf den weg, eine solche für schweizer bundesratswahlen zu entwickeln – auch wenn es etwas länger dauert und sie etwas länger ausfällt.

die wortbedeutung der “nächtlich langen messer” ist in deutschland tod-ernst: denn 1934 liess hitler die sa-spitze ausschalten. anlass war die unterstellung, ernst röhm plane einen putsch gegen ihn. 200 menschen starben, als hitler seine vermeintlichen feinde des nachts kaltschneuzig ermorden liess.

was in der schweizer ausgabe der “nacht der langen messer” geschieht, nimmt sich demgegenüber gerade zu harmlos aus. denn es geht darum, ob die offiziellen bundesratskandidatInnen im letzten moment noch gestürzt werden, durch wilde bewerberInnen, durch herausforderer oder durch konkurrentinnen, die schliesslich obsiegen.

legendär ist vorwahlnacht des jahres 1983. damals lancierte der baselbieter freisinnige felix auer die wahl des solothurner sp-vertreters otto stich in den bundesrat. auf der strecke blieb lilian uchtenhagen, die favoritin der partei. die düpierte führungsriege der sp erwog, in die opposition zu gehen. helmut hubacher versprach, schampar unbequem zu werden. die parteibasis folgt ihm nicht, denn für sie war der direkte zugang zu entscheidungen wichtiger als der kampf um grosse worte.

unbestrittenes epizentrum ist seither die bellevue-bar. das fernsehen ist da, das radio auch. spekuliert wird in allen landessprachen. wer den tarif durchgeben oder ihn mit gerüchten einnebeln will, trifft gegen halb zehn ein. denn in der sendung 10vor10 ist man life mit der fernsehnation verbunden, und was dann nicht gesagt ist, dreht in der nacht nicht weiter. wer das richtig zu interpretieren weiss, kommt der sache schon nahe.

doch bei weitem nicht jedes mal kommt es zum sichtbaren coup: insbesondere in der nacht vor der abwahl von christoph blocher blieb fast alles ruhig in der bundesstadt. in keine bar tat sich was. bis es am anderen morgen in windeseile aus dem welschen radio drang, es gäbe einen plan gegen christoph blocher.

hochspannend war die nacht vor der bundesratswahl 2008. damals ging es um die frage, wer nach der selbstgewählte opposition neuer vertreter der svp werden würde. die spekulationen schossen mächtig ins kraut, bis sich hansjörg walther als möglicher wilder kandidat gegen die parteikandidaten maurer und blocher outete. natürlich wusste er, dass er die stimmen weitgehend aus den anderen reihen bekommen würde, sodass er sich am ende nicht getraute, für sich selber zu wählen. schliesslich fehlte ihm genaus (s)eine stimme. bundesrat wurde ueli maurer.

wer morgen schon wissen will, ob rime chancen hat, zweiter svp-bundesrat zu werden, oder wen es wunder nimmt, ob sich sp und grüne wirklich in den haaren liegen, beginnt die nachtwanderung in den hochburgen der parteien. die svp ist traditionellerweise im hotel kreuz oder im hotel bären. die fdp zieht das café fédéral vor, während die cvp gleich nebenan bei chez edy gastiert, allenfalls auch einen flügel in der casa di’italia hat. rotgrün wiederum tummelt sich am liebsten im café diagonal. erst dann geht zur schönen aussicht ins bellevue.

einen wird man dort kaum sehen. wahlkampfforscher und pr-berater mark balsiger verzichtet ganz auf das stimmungsbild vor ort. dafür lässt er seinen computer rechnen. den füttert er zu 17 faktoren, die den wahlausgang bestimmen sollen, mit daten zu allen kandidatInnen. die macht seiner langen formel übertrifft alles, was man in der nacht der langen messer erfahren kann: denn gewählt sind gemäss wahlkampfblog jacqueline fehr und johannes schneider-ammann …

stadtwanderer

bettag ohne beten

es war 1963. am abend, als wir erfahren hatten, dass john f. kennedy ermordet worden war, betete die ganze familie. für den amerikanischen präsidenten. für den leader der freien welt. für den katholiken. wahrscheinlich waren es nur ein oder zwei vater unser gewesen. eine besonderheit war das nicht. dass vater, mutter, schwester und ich gemeinsam beteten, und dass das gebet einem politiker galt, war jedoch unüblich. soweit ich mich erinnere, lag ein gefühl von krieg in der luft, von weltkrieg. wie ich später erfuhr, wohl eher von verhindertem krieg in der kuba-krise. ich war damals sechs jahre alt, ging in den kindergarten. es gab nur wenige momente in meiner bubenzeit, die mir so direkt geblieben sind. st. nikolaus in fribourg vielleicht, die studenten aus afrika ebenfalls, und die expo mit dem u-boot in ouchy dazu.

447px-Aufruf_bernbettagsmandat von 1832 der tagsatzung

die entstehung des eidgenössischen buss- und bettages ist nicht eindeutig. sicher, 1832 gab es das erste bettagsmandat der tagsatzung, damit das öffentliche leben ruhe. und 1848, ein jahr nach dem bürgerkrieg von 1847, gab es auch einen markanten tag der besinnung. die tradition der bettage ist jedoch älter, stammt aus den 17. jahrhundert und hängt höchstwahrscheinlich mit der bewusstwerdung der eidgenossenschaft als souveräner staat zusammen. noch älter sind gedenktage mit konfessionellem hintergrund, die sich mit der erfahrungen des 30jährigen krieges, von dem die schweiz weitgehend vorschont blieb, zum überkonfessionellen gemeinschaftstag entwickelten. seither ruft sich die eidgenossenschaft nebst der kirche in erinnerung. das kam in der krise von 1797 besonders zum ausdruck. als das ancien régime an der inneren immobilität zusammenzukrachen drohte, war der gedenktag besonders gefragt.

denkt man heute noch an bettag, wie er in meiner jugendzeit kurz und bündig genannt wurde, weil eidgenössischer dank-, buss- und bettag definitiv zu gestelzt war? ich bin mir nicht sicher, denn die bedeutung des gedenktages ist mächtig in den hintergrund gerückt. die schlagzeilen von heute gelten den anstehenden bundesratswahlen, dem amokgelaufenen rentner und der pannen im internet. alles medienaktualitäten von heute. vom versuch, zwischen christen und muslimen, die einander so wenig kennen, dass es schon beängstigend wirkt, ist nirgends die rede. auch nicht, dass die schweiz ohne bankgeheimnis nur so tut, als stecke sie nicht zutiefst in einer identitätskrise. und kaum ein thema, wo die schweiz im ausland vorbildlich wirkt, wird heute diskutiert.

so mache ich mich nach einem kurzem blog auf, hinaus, in den wunderbaren herbsttag. es geht auf den schafmattpass, im grenzgebiet zwischen solothurn und baselland. dort werde ich gebraucht, als grillmeister, nach dem feldgottesdienst am bettag, den die naturfreundInnen für die wandervögel veranstalten. beten werden ich nicht, singen vielleicht, den menschen ein wurst auf den weg geben schon, und sie vielleicht werde ich sie auch ein wenig zum inne halten bewegen.

stadtwanderer

ps:
ein schönes wortspiel gabs heute während der feldpredigt. wanderer seien nicht nur in bewegung, im wanderer steckt auch der andere. und so suchen, folgere ich, stadtwanderer auch andere in der stadt …

“mehr war da nicht dran …”

morgen, samstag abend, erscheint die neueste gesamtdarstellung der schweizer geschichte. autor thomas maissen gibt in der “zeit” dieser woche eine übersicht. zentral ist seine (neu)interpretation der folgen des westfälischen friedens, mit dem der 30jährige krieg beendet wurde.

DIG_3524_babschluss des soldvertrages 1663 zwischen könig louix xiv. und den eidgenossen, angeführt vom zürcher bürgermeister waser (bild: schweizer landesmuseum).< man erinnert sich vielleicht noch an den geschichtsunterricht. da lernte man: im schwabenkrieg von 1499 sei die schweiz de facto unabhängig vom kaiserreich geworden, und 1648, nach dem 30jährigen krieg, auch de jure. an diesem "bis heute mächtigsten Mythos ist nichts dran", sagt thomas maissen, bündner, schweizer, europäer, der in heidelberg geschichte lehrt. jahrelang hat sich maissen mit dem werden der republic beschäftigt, wie sich die eidgenossenschaft seit dem 17. jahrhundert definierte. ein voluminöses buch ist daraus geworden, dank dem der historiker professor in luzern wurde, bevor er nach heidelberg wechselte. morgen abend soll eine handliche buchfassung erscheinen, welche den neuen blick auf die ganze schweizer geschichte ausbreiten soll.

tatsächlich gewährte der kaiser 1648 den 13 orten der eidgenossenschaft die exemption. damit trat die schweiz nicht aus dem kaiserreich aus, sagt maissen; sie bliebt bis zur auflösung 1806 ein bestandteil von ihr. doch sie wurde von der reichsgerichtsbarkeit ausgenommen – ein privileg, wie es zahlreiche im reich gab, und sie der eidgenossenschaft auch schon früher zu teil geworden waren.

druck machten damals vor allem frankreich und schweden. letzteres setzt sich für die volle gleichstellung der reformierten gegenüber den katholiken ein, eine der leistungen am ende des 30jährigen krieges, die in der schweiz jedoch erst 1712 voll eingeführt wurde. frankreich wiederum war an der schwächung des kaiserreiches interessiert, um selber profitieren zu können.

schrittweise setzte sich in der eidgenossenschaft des 17. jahrhunderts die französische souveränitätslehre als alternative zur reichsidee durch. 1674 erklärt sich die tagsatzung erstmals zum “neutralen standt” im reich. was früher als lauheit in gerechten kriegen zwischen gut und böse interpretiert worden war, wurde so zum völkerrechtlichen prinzip erhoben. souverän zu sein hiess, das recht zu haben, tradierte treuepflichten gegenüber dem kaiser nicht mehr beachten zu müssen.

das war durchaus im französischen interesse und geschah auf druck des hofes in versaille hin: denn damit verbunden war, dass die eidgenossenschaft ihre damals wichtigste exportware, die söldner, frei an den französisch könig und damit den feind des kaisers liefern durfte. viel geld gabs dafür, dass der könig nun 16000 mann ausheben durfte, seine truppe durch die eidgenossenschaft marschieren konnten, und er bei händeln war schiedsrichter. sein vertreter war der berühmte ambassadeur solothurn.

angefangen hatte alles mit der schlacht von st. jakob an der birs im jahre 1444, als im alten zürich krieg 1500 eidgenossen 40’000 französischen armagnaken unterlagen, die den kaiser im kampf gegen die eidgenossen unterstützten. der heerführer, dauphin louis, der spätere könig ludwig xi., leitete daraus erstmals das recht der französischen krone ab, in der eidgenossenschaft trotzreichszugehörigkeit söldner rekrutieren und sich in die inneren verhältnisse der eidgenossen zu dürfen. dieser anspruch erlebte im burgunderkrieg von 1475 bis 1477 seinen ersten höhepunkt, fand seine fortsetzung während der italienfeldzügen der franzosen, denen die eidgenossen von 1494 bis 1515 beistanden, und wurde mit dem soldvertrag 1663 zwischen dem sonnenkönig louix xiv. und den eidgenossen zum wesentlichen element der aussenbeziehungen.

zu thomas maissen neuinterpretation gehört, dass die neutralität der schweiz, nicht 1515 mit der niederlage in der schlacht von marignano begann. vielmehr wurde die neutralität 1691 vom schwyzer tagsatzungsschreiber im rahmen der soldpolitik der eidgenossen mit frankreich einprägsam besungen – wobei der liedanfang ins frühe 16. jahrhundert zurückverlegt wurde. mehr noch: mit dem neutralitätsverständnis, das sich im 20. jahrhundert angesichts der weltkriege so wichtig wurde, hatte das neutralitätsprinzip des 17. jahrhunderts kaum etwas gemein.

maissen beklagt das nicht lautstark, berichtigt es aber – verbunden mit dem hinweis, man sei damals nicht neutral, sondern handlungsunfähig geworden. denn das defensivbündins unter den eidgenossen, das sich zwischen 1353 und 1513 so spektakulär erweitert hatte, wäre angesichts der wachsenden spaltungen zwischen ost und west, stadt und land, alt-und neugläubigen schlicht auseinander gebrochen, hätte man sich am krieg zwischen kaiser des heiligen römischen reiches deutscher nation und französischem könig beteiligt. gleichzeitig bedeutet diese abstinenz aber auch, dass man an der idee, ein gemeinsamer, frühneuzeitlicher flächenstaat zu werden, nicht mehr weiter arbeitete, sondern die struktur der autonomen orte in einem militärbündnis belies.

wie gesagt: mehr war da nicht dran. weniger aber auch nicht.

stadtwanderer

hymne als geburtstagsgeschenk?

ist das nun das leicht verspätete geburtsgeschenk an die schweizerischen eidgenossenschaft: parlamentarier-singen zur schweizer hymne?


symbol- statt realpolitik: fussballer, mädels und kinder, die patriotisch mitsingen, sind die neuen vorbilder, statt gewählte, debatten und entscheidungen zum wohl aller, die in der schweiz leben?

für historiker ist klar: monarchien basieren auf der ehre, für die adelige ihr leben risikieren. republiken basieren auf der furcht der subjekte vor dem allgemeinen willen. und demokratie stützen sich auf den patriotismus der bürgerInnen.

doch ist all das heute ein wenig in verrruf geraten. fast wäre man gewillt zu sagen, der staat der gegenwart baut auf dem nutzen seiner mitglieder auf – und ist deshalb so schwach (geworden).

genau das will eine vorstoss, der heute nach dem ständerat auch den nationalrat passierte, wieder wettmachen. denn die parlamentarierInnen werden zur eröffnung von sessionen inskünftig wieder die schweizer hymne vorgespielt bekommen, wie das newsnetz vermeldet. ob sie mitsingen oder nicht, wird ihnen überlassen.

nachdem vor jahresfrist war ein solcher vorstoss aus den reihen der svp gescheitert, weil alle zum gesang verpflichtet wurden. nun hat man darauf verzichtet, und die sache von der waadtländer sozialdemokratin ada marra lancieren lassen. das sei unverdächtig, wurde heute im bundeshaus argumentiert. dafür freut man sich schon auf youtube zu sehen, wer nicht singen kann.

zum unverhofften geburtstagsgeschenk für die schweizerische eidgenossenschaft erlaube ich mir aber eine frage zu stellen: ist das nun die national-, bundes- oder landeshymne, zu der man da mitbrummen wird?

stadtwanderer

der heutige geburtstag der modernen schweizerischen eidgenossenschaft

abgestimmt hatte man eigentlich schon am 6. juni 1848. gemäss protokoll waren 15,5 kantone dafür, 6,5 dagegen. an stimmen zählte man 145’584 auf der ja- und 54’320 auf der nein-seite. doch erst am 12. september hielt die tagsatzung fest, die neuen bundesverfassung sei angenommen. seither gilt dieser tag als gründungstag der zeitgenössischen schweizerischen eidgenossenschaft.

P1010765dr. jonas furrer, der erste bundespräsident der schweizerischen eidgenossenschaft 1848, erinnerungsstatue in seiner geburtsstadt winterthur

das vergessen

von einer geburtstagsfeier ist heute allerdings nichts zu spüren. gut, die heutige “sternstunde geschichte” behandelte wenigstens das thema der nationalen souveränität und der internationalen einbindung der schweiz als staat und volkswirtschaft. kein wort verlor indessen bundespräsidentin doris leuthard heute zum thema, und auf der website des bundesrates findet man ebenso wenig dazu. funkstille, wie schon in den vorjahren!

vielleicht ist es die scham über die art, wie die erste volksabstimmung, mit der die schweizerische eidgenossenschaft zustande gekommen war. bis heute weiss man nicht, wie viele stimmberechtigte es damals gab. man kennt auch die beteiligung nicht. einzig, dass 199’904 gültige stimmen registriert wurden, ist belegt. doch zählte man nicht einmal in allen kantonen gleich. in luzern addierte man die abwesenden zu den befürwortern, ganz nach dem motto, wenn man schon nein sagen durfte und es nicht tat, kam das einem ja gleich. krasser noch war die entscheidung im kanton freiburg. der mehrheitlich liberale grosse rat fürchtete das konservative nein des volkes, sodass er entscheid, die neue verfassung auch ohne volksabstimmung gutzuheissen.

das erinnern
hintergrund dafür war der sonderbundeskrieg von 1847 gewesen. zur verteidigung der föderalistischen eigenheiten souveräner kantone gegen die zentralistische vereinheitlichung zur nation schweiz hatten sich die mehrheitlich katholischen kantone zur wehr gesetzt. nach zwei schlachten der liberalen freischärler gab man den plan auf, in luzern mittels putsch ein liberales regime zu installieren. dafür schlossen sich die kantone luzern, schwyz, uri, nid- und obwalden, fribourg und valais zu einem geheim gehaltenen schützbündnis, dem sonderbund, zusammen. als dies 1846 bekannt wurde, kam es zu proteststürmen in den liberalen kantonen. die stimmung radikalisierte sich. kantone wie st. gallen kippten auf ihre seite, sodass man die nötige mehrheit hatte, den sonderbund per tagsatzungsentscheid aufzulösen.

der luzerner konstantin siegwart-müller appelierte nun ans ausland, insbesondere an die adresse österreichs. im innern machte er vorschläge, die kantonsgrenzen neu zu ordnen: so sollten das berner oberland und das simmental obwalden und resp. dem wallis, die katholischen bezirke des aargaus luzern angegliedert und glarus zwischen schwyz und uri aufgeteilt werden. zudem war ein eigener kanton pruntrut vorgesehen. damit war die konfessionalisierung des konfliktes komplett.

die tagsatzung ordnete darauf die kanton luzern, schwyz, fribourg und valais an, ihre jesuiten, sichtbare aushängeschilder der katholischen, auszuweisen. nach erfolglosen verhandlungen intervenierte sie unter dem genfer general henri dufour in luzern und fribourg militärisch. nach gut 3 wochen bürgerkrieg hatten sie noch vor weihnachten 1947 gesiegt.

im revolutionsjahr 1848 machte sich ein ausschuss der tagsatzung daran, auf den liberalen und radikalen kantonsverfassungen der regenerierten kantone eine bundesverfassung auszuarbeiten. das reformwerk wurde in kürzester zeit fertiggestellt und zur entscheidung vorgelegt, um eine grundlage für einen bundesstaat auf parlamentarischer ebene gründen zu können. anders 1798 war es diesmal keine ausländische macht, die eingegriffen und eine verfassung diktiert hatte. doch handelte man auch diesmal revolutionär: genauso wie der bundesvertrag von 1815 den aufgelösten sondernbund nicht zugelassen hätte, weil er sich gegen andere kantone wendete, hätte der bundesvertrag nur einstimmig aufgelöst werden dürfen.

der krieg und der sieg der liberalen und radikalen hatte dies alles obsolet gemacht. mit der volksabstimmung aber sicherte mobilisierte man die kraft der bürgerschaft und sicherter sich mit ihr auch die legitimation, den bund auf einer neue verfassung aufbauen zu können. der bundesvertrag von 1815, den der wiener kongress verordnet, aber auch garantiert und den die tagsatzung unter einem wechselnden vorsitz zu vollziehen hatte, endet mit der feststellung des abstimmungsergebnisses über die bundesverfassung am 12. september 1848. die unregelmässigkeiten der abstimmung in luzern und fribourg übersah man genauso grosszügig wie die opposition der sonderbundskantone, verstärkt durch ablehnungen der verfassung in appenzell ausserrhoden, zug und tessin. es waren eben revolutionäre zeiten.

aus dieser schweizerischen revolution gingen fünf zentrale institutionen des neuen bundesstaates hervor: die stände, das volk, die bundesversammlung, der bundesrat und das bundesgericht. der nationalrat repräsentierte das volk, und der ständerat machte das für die kantone. und: der austritt aus der schweizerischen eidgenossenschaft war nicht mehr möglich!

die historische würdigung
die historikerInnen würdigen den schritt von 1848 als mutigen fortschritt, der sich neu an der amerikanischen bundesverfassung mit den zwei parlamentskammern ausrichtete. einen eigentlichen präsidenten wählte man indessen nicht. abgestimmt wurde in der bundesversammlung einzeln über sieben mitglieder des bundesrates, die dann, für ein jahr, einen präsidenten aus ihrer mitte bestellten. zum sitz der bundesbehörden wurde bern erklärt. politisch wurde man keine nation wie frankreich, verabschiedete man sich aber auch von den souveränen kantonen nach österreichischem geheiss. über krieg und frieden entschied nun der bund, ebenso über staatsverträge und streitigkeiten im innern. wirtschaftlich orientierte man sich am gemeinsamen raum, und mit dem bundesgericht sollten die rechtshändel letztinstanzlich einheitlich beurteilten werden.

geboren war die schweizerische eidgenossenschaft als bundesrepublik, ohne dass sie diese bezeichnung je angenommen hätte. denn die orientierung an staatsrechtlichen begriffen war nicht das wichtigste, was es jetzt brauchte. vielmehr stand die konsolidierung des bundesstaates nach aussen und innen im vordergrund, denn der revolutionäre funke, der 1848 in halb europa ausgebrochen war, erschloss angesichts der konservativen reaktion der monarchen rasch, sodass die schweiz der einzige staat ist, der von dauer aus ihr hervor gegangen ist.

stadtwanderer

von urbanen halb- und hauptkantonen

die städte sollen via ständerat nicht besser in den willensbildungsprozess des bundes einbezogen werden, sagt die staatspolitische kommission des nationalrats. sie will keine städtischen halbkantone schaffen, schreibt im medienkommunique aber, sie wolle nicht, dass urbane “hauptkantone” entstünden …

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schweizer städte – ohne direkte vertretung in eidgenössischen parlament

die geschiche der städte in der (schweizerischen) eidgenossenschaft ist bewegt. im bündnissystem der alten eidgenossen spielten sie keine besondere rolle, konnten doch landgebiete, flecken und städte orte sein. mit der reformation änderte sich das schrittweise, denn diese reform hatte vor allem im urbanen gebiet von zürich, bern, basel, lausanne und genf erfolge, isolierte die städte aber von den katholischen umländern, später auch von den eigenen landgebieten. erst im 18. jahrhundert wurden bei konfessionen gleichgestellt, was den höhepunkt der städte im gefüge der alten eidgenossenschaft einleitete.

hätte sich die französisch inspirierte helvetische republik durchgesetzt, wäre die schweiz ein zentralistisch geführtes land mit städten als basis geworden. man weiss es: es kam anders, die liberalen bewegungen des 19. jahrhunderts waren von den kleinen städten und den landschaften getragen, vereint durch den willen, die vorrechte der städte zu brechen. sie prägten unsere gemeindevorstellung: egal ob es sich um einen weiler oder um eine stadt handle, alle seien sich gemeinden, die gleich behandelt werden sollten. der staatsaufbau seither ist föderalistisch: von der gemeinde, zum kanton, und vom gliedstaat zum bundesstaat, bestehend auf volk und kantonen, die gleichberechtigte sind, wobei das nicht nur auf die beiden institutionen angewendet wird, sondern auch auf alle 23 kantone, egal wie gross sie sind, und wann sie entstanden sind.

mit diesem system möchte der historiker hansjürg fehr, schaffhauser sozialdemokraten und seit vielen jahren im nationalrat erneut brechen. mit einer parlamentarischen einzelinititive verlangt er, dass die städte mit mehr als 100’000 einwohnerInnen neu den status von halbkantonen bekommen, und bei den volksabstimmungen als halb standesstimmen gezählt werden. zürich würde so zu 2 neuen ständerätinnen gelangn, nämlich zwei wie bisher für den kanton, und je einen für zürich und winterthur. der kanton würde gleichfalls zwei standesstimmen erhalten. eine für den kanton wie gehabt, und je eine halbe, welche die beiden genannten grossstädte determinieren würden. in bern, baselstadt, der waadt und genf gäbe es eine analoge veränderung, wenn auch moderater.

nun hat die staatspolitische kommission des nationalrats, die gestern tagte, diesem vorschlag eine absage erteilt. mit 17 zu 9 stimmen beantragt sie, der initiative keine folge zu leisten. anders als es die vertreter der metropolitanregionen sehen, die vor allem auf die demographische wie auch wirtschaftliche bedeutung der urbanen räume insistieren, welche politisch nicht repräsentiert seien, hält die vorbereitenden gruppe der volksvertretung fest, “dass dadurch das Gleichgewicht des schweizerischen Föderalismus gestört würde. Dieser beruht auf einem dreistufigen Aufbau von den Gemeinden über die Kantone zum Bund. Der direkte Einbezug der Städte in den bundespolitischen Entscheidungsprozess würde neue Ungleichheiten schaffen.”

das sind die offiziellen begründungen. staatspolitisch streng durchdacht, um vom bewahrenden geist geprägt. in der medienmitteilung schimmert an einer stelle aber die als angst durch, welche die diskussion wohl hintergründig blockiert – und zwar in einem hübschen tippfehler. denn, so steht geschrieben, würden die grossen städte neu nicht als “halbkantone” gezählt, sondern als “hauptkantone”.

stadtwanderer

krise der demokratie – kraft der demokratie

martin schaffner, emeritierter professor für geschichte an der universität basel, stellte seine eröffnungsrede zur heutigen tagung “wege zur direkten demokratie in den schweizerischen kantonen” unter das generalthema der “krise der demokratie” – und verkürzte damit die sache gerade als historiker.

843c13b33bangeregt wurde schaffner durch den europarat, der unter der leitung des schweizer politikers andreas gross jüngst ausgiebig über das gleiche thema debattiert hat. drei anlässe hätten den rat der euorpäischer völker alarmiert: die entpolitisierung der bürgerInnen, die sich nicht mehr beteiligen wollten, die demokratiepolitisch ambivalente rolle der medien und die institutionellen defizite der demokratie im zeitalter der globalisierung.

auch in der schweiz gibt es zwischenzeitlich eine kritische demokratiediskussion, konstatierte schaffner. so werde die intransparenz der parteienfinanzierung beklagt. partizipationsrechte blieben weitgehend an das bürgerrecht gebunden, und die relativierung des nationalstaates höhle die souveränität auch einer direkten demokratie aus.

das war eine harte einleitung – nicht zuletzt für einen historiker! denn die globale demokratiegeschichte verweist zurecht auf die spektakuläre ausdehnung der demokratie als regierungsform seit 1848. in mehreren schüben entwickelte sie sich zum weltweit verbreitetstes politischen system. sicher, zwischen den schüben gab es immer wieder krisen in der quantiativen ausbreitung, genauso wie in der qualitativen vertiefung der demokratie. und höchstwahrscheinlich befinden wir uns historisch gesehen in einer solche phase.

doch ist dies kein grund, sich auf den aufstieg und niedergang der demokratie einzustellen. eher zutreffend ist es, sich eine treppe vorzustellen, auf der phasen des aufstiegs solchen der stagnation folgen. damit wären wir heute auf einem solche plateau.

mir jedenfalls gefällt diese rhetorik besser als die des niedergangs. zwar sagt der plitikwissenschafter in mir, dass fast alle genannten symptome nicht falsch sind, doch treffen sie von mir aus den kern nicht. typisch dafür war heute, dass keiner der referentInnen in den panels auf die diagnose von schaffner wirklich einsteigen mochte. historikerInnen, die sich mit der demokratie beschäftigen, gehen generell davon aus, dass sich diese staatsform in der moderne, welche die amerikanische und französischen revolutionen begründete, ausbreitete und ausbreiten wird. vielleicht hat sie sogar vormoderne ursprünge, und ist sie unzerstörbar, denn sie bewältigt krisen durch selbstbeobachtung, und echte fehlentwicklungen korrigiert sie mit ihrer eigenen kraft letztlich seber. das ist ihre stärke.

stadtwanderer

einander auf augenhöhe begegnen

der kanton bern entscheidet am 26. september 2010 über das ausländerstimmrecht in seinen gemeinden. klaus armingeon, mitglied des initiativkomitees “zäme läbe – zäme schtimme” erklärte der bz von heute, warum er sich dafür einsetzt.

82021835-28289590neuenburg ging 1848 voraus, es folgte der jura bei der kantonsgründung. seither haben fribourg, genf und waadt das ausländerstimmrecht auf kommunaler ebene in ihre verfassung eingeführt. jetzt entscheiden bern und basel darüber.

heute gabs einen grossen bahnhof in bern. der neue deutsche bundespräsident christian wulff war im bundeshaus staatsgast. für den kleinen bahnhof verantwortlich war klaus armingeon, gebürtiger stuttgarter, der in thun lebt, seit 1994 an der berner universität professor für politikwissenschaft ist, und sich nach 12 jahren in der schweiz einbürgern liess.

die ausländerdebatte sei bisher entweder rechtspopulistisch oder sozialpädagogisch geführt worden. beides sei falsch, sagt armingeon und plädiert für eine emotionslose bestandesaufnahme: ein fünftel der bewohnerInnen in der schweiz sind ausländer. unter den erwerbstätigen ist es gar ein viertel. oder etwas vereinfacht ausgedrückt: jeder vierte franken in der schweiz werde von einem ausländer erwirtschaftet. doch damit nicht genug: die schweiz beschäftigt im europäischen vergleich überdurchschnittlich viele hoch qualifizierte ausländer, deren ausbildung im ausland erfolgte. die wirtschaft, das gesundheitswesen und die bildungsanstalten des landes würden ohne diese nicht mehr funktionieren, und die finanzierung der sozialwerke wäre gefährdet. so seine analyse.

die einbürgerung in der schweiz sei anspruchsvoll, meint der eingebürgerte. man müsse lange hier gelebt haben, hat viel aufwand und zahle dafür kräftig. das sei so und es werde wohl auch so bleiben. gerade deshalb ist er für eine beschleunigung der politischen teilnahme. die initiative schlage das mit dem stimmrecht auf gemeindeebene vor.

ihre annahme im kanton wäre ein positives signal, hofft der initiant. die gemeinden könnten dann selber entscheiden, was sie machen wollten. wer das stimmrecht ausdehne, könnte die ausländer mit der einbindung in die lokalen entscheidungsprozesse besser integrieren. damit könnte auch eine sachliche diskussion über ausländer in der schweiz angestossen werden. dies sein höchste zeit!

politischen zuspruch bekommt das komitee mit solchen argumenten von links, aus deren kreisen das volksbegehren stammt. widerspruch findet es auf der rechten seite. der grosse rat war mit 80 zu 71 recht knapp dagegen. zur meiner grossen überraschung, sprach sich auch die berner zeitung, die das interview führte, für die vorlage aus. sollte es am 26. september ein ja geben, ist damit zu rechnen, dass die grösseren städte des kantons das ausländerstimmrecht einführen, während dies auf dem land wohl nur zögerlich der fall sein dürfte.

doris leuthard, die bundespräsidentin der schweiz, meinte heute mit einem augenzwinkern zu ihrem kollegen wulff: die schweiz sei nicht nur die kleine schwester deutschland. die gute positionierung in zahlreichen rankings belege, man begegne deutschland auf augenhöhe. gerade das möchten zahlreiche ausländerInnen, die hier gut integriert sind, mit den schweizerInnen bald auch tun können, wenn es um fragen der schulen, des verkehrs, der fürsorge und der umwelt geht. denn steuern zahlen sie jetzt schon.

stadtwanderer

was für ein asterix!?

den schlauen asterix kennt man. den starken obelix auch, und idefix, den hund fürs übersinnliche, muss man einfach gerne haben. doch wo für stehen sie eigentlich: für unsere vorstellung der geschichte? für das leben im kulturellen kunterbunt der gallier? oder für frankreich als nation?

die geschichten der unschlagbaren gallier hat man zwischenzeitlich intus. man geht auf reise, irgendwo auf dem kontinent, um im fremden das eigene zu entdecken, und findet sich so nicht nur in der vergangenheit, sondern auch in der gegenwart wieder.

der film
in “asterix bei den olympischen spielen” geht es von der bretagne nach griechenland. alafolix, ein hübscher jüngling aus gallien, will die olympischen spiele gewinnen, um die bezaubernde prinzessin irina aus athen heiraten zu können. asterix und obelix, dem vorhaben gegenüber anfänglich skeptisch, begleiten ihn, unterstützt von miraculix, damit das vorhaben nicht im desaster endet. mit dem abgeschlagenen brutus, sohn von gaius iulius caesar, haben sie indessen nicht gerechnet. denn auch er will sieger der olympioniken werden. auch ihn treibt der gedanke, die venus der griechen zu bekommen. doch sieht er das alles nur als vorspiel für sein lebensziel, dier machtergreifung in rom, gegen seinen vater.

in diesem wettlauf um sieg und ruhm schenken sich die römer und gallier nichts – genauso wenig wie die helden der olympischen spiele der gegenwart. tolle sportliche leistungen werden geboten, doch ist auch doping mit im spiel, und korruption beherrscht die schiedsgerichte. als das speerwerfen an die griechen geht, setzt brutus aufs ganze. vom ringen bis zum rennen – überall gibt es nun gekaufte siege für die römer. das jedoch ist die stunde von des cleveren sternchens aus gallien, das, vom irritierten publikum unterstützt, die schiebungen vor caesar beklagt, sodass dieser einen ultimativen vergleich ausrufen muss. das legendäre wagenrennen im oval des stadions soll alles entscheiden, sodass hochgerüstet wird, mit technik, taktik und dem berühmten trank der druiden. den nutzen diesmal aber nicht die gallier, sondern die römer, die jedoch nicht merken, dass man ihnen so eine fall stellt. denn der siegreiche brutus wird am ende disqualifiziert, abgeführt und in eine galeere verfrachtet, während der zweite alafolix zu seiner erhofften ehre kommt und irina heiratet, derweil idefix mit ihrem pudel kuschelt, und obelix mit asterix von der nächsten wildschweinjagd träumt.

der streifen, vor gut einem jahr erstmals in den kinos, zählt, gemäss prospekten, zu den aufwendigsten produktionen der europäischen filmgeschichte. in der tat erlebt man die welt der antiken metropolen hautnah, sieht man sich riesigen römischen soldatenheeren gegenüber, und das wagenrennen gleicht fast schon einem grand-prix der formel 1. dafür sorgen promis der gegenwart wie michael schumacher, zinédine zidane und adriana karembeu in nebenrollen, während clovis cornillac (astérix), gérard depardieu (obélix), alain delon (jules caesar), benoit poelvoorde (brutus), stéphane rousseau (alafolix) und vanessa hessler (irina) die hauptfiguren spielen. asterix-vater uderzo wurde beim kinostart vorgeworfen, eine seiner populärsten geschichten für einen lächerlichen action film freigegeben zu haben. in der tat, einige der szenen wirken etwas kitischig, doch das stört die hauptaussage des filmes nicht. denn mit “asterix bei den olympischen spielen” wird der ganze mythos der ruhmreichen gallier gegen alle andern aufs trefflichste zelebriert.

der mythos
entstanden ist der mythos, wie die nzz von gestern erinnert, 1858 im second empire von napoléon iii., als seine archäologen den ort entdeckten, wo die gallier 52 vor christus von caesar definitiv besiegt wurden. “alesia” war den lesern der “commentarii de bello gallico” stets ein begriff gewesen, doch war die stelle der schlacht ums ganze vom siegreichen statthalter roms nur ungenau beschrieben worden. luftaufnahmen der 1990er jahren machten klar, dass es sich tatsächlich um alise-sainte-reine handeln muss, genauso, wie seinerzeit vom grabenden kaiser vermutet.

vercingetorix ergab sich seinerzeit angesichts seiner verhungernden gefolgsleute auf dem mont auxois und wurde als kriegsgefangener in rom erdrosselt. napoléon iii. liessen ihm zu ehren eine überlebensgrosse statue, ja den galliern insgesamt errichten. seither kommen weder populärhistoriker noch franzosen an ihren ersten gemeinsamen helden nicht vorbei, – vergleichbar einem karl martell, charlemagne, philipp ii. auguste, jeanne d’arc, louis xiv. und napoléon bonaparte.

die national ausgerichtete geschichtserzählung zieht eine direkt linie von der vergangenheit in die gegenwart, um die zukunft historisch zu sichern. in frankreich hing sie stark mit der rivalität von frankreich und deutschland des 19. jahrhunderts zusammen, die sich zu kriegsförderndenen gemeinschaftsbildung mit herleitungen von den galliern resp. germanen zu legitimieren suchten. dem hat der archäologe und historiker jean-louis brunaux in seinem buch “Nos ancêtres, les Gaulois” entgegnet, es handle sich um sagenhaften geschichte, sich in erzählungen, comics und filmen eingespielt habe, die historische realität aber übel verkürze.

die aktualität
das alles spiegelt sich, wie die aktualität zeigt, bis heute im verhältnis von sport und politik. zidanes weltmeistertruppe stand einmal symbolisch für die erfolge der integrationspolitik im migrationsland frankreich. seit den blamagen der blauen auf dem fussballfeld, dramatisiert durch einen der migranten, der gerne mit den schönen des süden flirtet und sich ebenso wohl in der wärme des staatspräsidenten sonnt, wenn er nicht gerade ausweisungen der romas anordnet, inszeniert man lieber wieder projektionen der reinen und tapfern gallier, die jede einmischung durch fremde zu bekämpfen wissen, und dabei unschlagbar sind.

stadtwanderer

sprachgrenzschlängeln

von weitem gesehen spricht man gerne vom klaren und tiefen röstigraben. von nahem ist das ganze viele komplizierter. erfährt man beim wandern in der grenzregion oder im buch “Die Röstigrabenroute“.

26435786zjean-françois bergier, der kürzlich verstorbene doyen der schweizer historiker, war skeptisch, wenn man vom röstigraben sprach. denn ein loch entlang der sprachgrenze sah er nie. vielmehr zog er die französische metapher des vorhangs vor, in realität bestehend aus sprachen, mentalitäten und weltdeutungen. der röstigraben kam für ihn vor allem im fernsehen vor, das ihn mit seiner auf sprache und region beruhenden eigenheiten vertiefe, meinte er. für die deutschschweizerInnen wurde die französischsprachige schweiz zur romandie, obwohl genf und sitten, lausanne und fribourg, porrentruy und neuchâtel nur beschränkte gemeinsamkeiten haben. genau das gilt auch umgekehrt, wenn die französischsprachigen via fernsehen auf die deutsche schweiz schauen, und die mit dem allgegenewärtigen zürich gleichzetzen oder von den finsteren kräften aus der suisse profonde bestimmt sehen.

an dieser kritik ist einiges richtig. denn es gibt in der schweiz auch andere gegensätze als die sprachregionen. zum beispiel die der städte, ihrem umland, der berge und der täler. zum beispiel die der offenen und verschlossen kulturen. zum beispiel die der konfessionen, die kollektiv oder individuell ausgerichtet sind. zum beispiel die der schichten, die vermögend oder arm sind. überall, und auch entlang der sprachgrenzen.

der journalist christoph büchi, der viel über die verschiedenen verhältnisse in den schweizer regionen nachgedacht hat, glaubt, die alltagskulturen seien entscheidend, die sich in dialekten und kleidungen zeigten, aber auch im humor, der phantasie und der kunst äusserten. das zentrale an den sprachregionen erkennt er einzig in den grössenordnungen: die deutschsprachige schweiz hat viel mehr einwohnerInnen als alle sprachminderheiten zusammen, die ihrerseits ungleich zahlreich zusammengesetzt sind. das lässt verbreitet eine mischung aus ignoranz- dominanzgefühlen genauso wie abwehrreflexe dazu. deshalb existierten die sprachgrenzen vor allem im alltag der minderheiten.

das mag auch erklären, weshalb traditionelle sprachmischungen seit dem 20. jahrhundert vor allem auf der französischen seite am verschwinden sind. einwanderungen aus der deutschsprachigen schweiz – ein phänomen, das mit der uhrenindustrie zusammen hing – gingen wegen des rückgang an arbeitsstellen zurück. wer blieb, passte sich spätestens in der zweiten generation an, und wer das nicht wollte, bekam den politkulturellen druck der lokalen mehrheit zu spüren, wie es der neuenburger sprachforscher frédéric chiffelle ausdrückt. umgekehrt wird die sprachliche integration in der deutschsprachigen schweiz erschwert, weil man sowohl le bon allemand wie auch das patois, die standardsprache wie auch den dialekt, lernen müsste. spätestens an diesem scheitern die meisten einwandererInnen. begründet werden konnte das lange mit der suprematie des romanischen über das germanische, die sich namentlich bei den französischsprachigen mitbürgerInnen erfreute und wenig integrativ wirkte.

biel/bienne ist die einzige stadt, die ganz generell auf ihre zweisprachigkeit in der mehrsprachigen schweiz setzt, sich kulturellen einflüssen aus paris, zürich, basel und – wenn es sein muss auch bern – offen zeigt, eine verbindung zwischen juratälern und mittelland sucht, reichtum wie armut kennt und verschiedene konfessionen, nationalitäten und ideologien achtet. die stadt ist denn auch das eigentliche zentrum der sprachgrenzregion im westen der schweiz. deren vielfalt zwischen neumühle an der elsässisch-schweizerischen grenze und dem matterhorn im übergangsgebiet der schweiz zu italien kennen zu lernen, ist das ziel des sprachgrenzschlängelns, wie es philipp bachmann in seinem ebene erschienen buch im rotpunktverlag vorschlägt. 22 routen hat er ausgeheckt, die interessierte wanderer stück für stück mal dies-, mal jenseits der sprachgrenze fgehen können, die einen über berge führen und in tälern rasten lassen, die einen mal landschaften geniessen und mal auch städte im kulturmix entdecken lassen.

ich habe das buch “Die Röstigrabenroute” heute in murten gekauft, und es mit gewinn in morat gelesen, auprès du lac, wie man die dortigen gestade am murtensee nennt.

stadtwanderer

nom de dieu!

“adolf muschg. sax. buchvernissage. leben. politik. tod. gott. nom de dieu!”, steht auf meinem spickzettel zum bericht des heutigen besuchs in zürich.

9783406605178_coveran diesem abend im kaufleuten werden erinnerungen wach. am 6. dezember 1992 scheiterte der ewr-beitritt der schweiz in der volksabstimmung. erst 1995 nahmen die schweiz und die eu wieder verhandlungen auf, um mit den bilateralen einen ausweg zu suchen. im jahr 2000 wurde das erste paket dieses vertragswerkes in einer volksabstimmung gutgeheissen.

während den 90er jahren diskutierten im schweizer ableger des ceps, des centers for european policy studies, einer denkfabrik in brüssel, ausgewählte bankiers, unternehmer, politiker, intellektuelle und medienschaffende unter ausschluss der öffentlichkeit über mögliche strategien der schweiz in europa. dabei waren so unterschiedliche grössen der zeitgeschichte wie hans-rudolf dörig, mario corti, christoph blocher und adolf muschg, alle moderiert von roger de weck, denen ich als junger politologe jeweils mit einigem staunen zuhörte. wortgewaltig waren sie alle, mächtig auf ihre art auch und gescheit ebenso. doch zogen sie an den verschiedensten stricken: direkt in die eu wollten die einen, eine neuauflage der ewr-entscheidung die anderen. schliesslich gab es die überzeugten des helvetsichen alleingangs – bis sich schrittweise der weg der bilateralen herausbildete, auf dem immer mehr wanderten, während wenige auf distanz dazu blieben.

sax, das ist ein adelsgeschlecht aus dem rheintal, das im 12. jahrhundert im gefolge der passpolitik, welche die stauffer als kaiser des heiligen römischen reiches betrieben, mitmachten und dabei gross wurden, sodass sie kaiserliche güter und ämter im st. gallischen und im bündnerland anhäufen konnten. “sax” heisst auch der neue roman von muschg, durch den die mumie eines der freiherren von hohensax, an der die tödliche schädelwunde bis heute sichtbar ist, ebenso geistert wie seine mitgift, die berühmteste minnehandschrift des mittelalters. und das, obwohl alles in der gegenwart spielt! denn das erzählte leben wird hier vom tod her gedacht, und so endet der roman im jahre 2013, und beginnt er 1970, – just der zeit, in der der autor professor für deutsche literatur an der eth zürich, präsident der akademie der künste in berlin und darum herum erfolgreicher schriftsteller war und es wohl auch noch eine weile bleiben wird.

adolf muschg las an der buchvernissage nur gerade die erste halbe seite seines jüngsten werkes vor, um sein thema spielerisch zu lancieren: den spuk. eingeführt wurden dabei der nebel an der nordsee, die nächtlichen friedhofbesuche, die seancen in gespensterhäusern mit tischen an der decke. all das waren grenzerfahrungen, die einen schon früh auf den tod vorbereiten, meinte muschg. was für ein leben auch immer man geführt habe, dem tod entrinne man nicht, und deshalb sei er, der tod – ganz wie philosoph ernst bloch es gesagt habe – das letzte der erlebnis, das ultimative abenteuer, das jede und jeder noch vor sich habe.

der 76jährige schriftsteller erzählte an diesem abend offensichtlich aus seinem leben, zitierte auffällig häufig literaturgott goethe. er berichtete auch aus seinen roman, um sich über einige der figuren wie thomas schinz, dem privatbankier, dr. fanny moser, der geisterforscherin, dem anwaltskollektiv mit büro in einer dachwohnung und herrn schiess, dem bundesrat, auszulassen. den künftigen leserInnen von “sax” versprach er, in diesem roman von karriereplanungen bis liebesgeschichten vieles mitzuerleben und dabei die dünne wand zwischen leben und tod zu durchbrechen, was der klappentext zum buch aus dem c.h.beck verlag ein einladung nennt, mehr über ungelebtes leben und den gelebten tod zu erfahren.

roger de weck, der auch heute die veranstaltung moderierte, in der ich, etwas gealtert zwar, wiederum staunender gast war, versuchte hartneckig, das politische in muschgs leben und romanen zu umreissen. so sprach man von blocher (alias bundesrat schiess), den muschg ein wenig auf die schippe nahm, weil jeder mensch einen anker brauche, aber nicht jeder davon überzeugt sein, notfalls sälber id hose steigen zu müssen. sein urteil über den kontrahenten von damals fiel aber einiges milder aus, als man es erwartet hatte. letztlich war auch das ein lob auf die zweideutigkeit oder ambivalenz, die alle stoffe des lebens, so auch blocher, interessanter mache, als die einsilbigkeit oder reduktion der medialen berichte darüber. dabei frotzelte muschg, sei in seiner jugend – ganz anders als heute – ein medium ein frau mit verbindungen ins jenseits gewesen. das wiederum sei nicht sein ziel in seinem nächsten medium, konterte der designierte srg-generaldirektor auf der bühne.

animator roger de weck reizte an diesem abend nebst der politik auch das thema gott. denn adolf muschg war in den 70er jahren mitglied der furgler-kommission gewesen, dem 40köpfigen gremium, das vorschläge für eine neue bundesverfassung macht und auch eine neue präambel dazu diskutierte. man weiss es, die schweiz gehört mit irland und spanien bis heute zu den einzigen, die sich im vorwort zum grundgesetz auf gott berufen, was muschg, der damals für verschlankung dieser ganzen symbolik aus dem 19. jahrhundert plädierte, heute weniger stört als auch schon. immerhin, sein “sax” endet mit dem wortspiel “In Gottes Namen, fügte Hubert bei. Nom de dieu, vollendete Jacques.”

vielleicht weiss ich nach der lektüre, ob das das politische vermächtnis des schriftstellers ist!

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