veloturm zu hinterkappelen

ich bin schockiert. wenn ich in die stadt gehe, fahre ich seit anfangs woche am veloturm von hinterkappelen vor. einem mahnmal für umweltsünden.

(foto: stadtwanderer)

jedes jahr einmal putzt der schutzverband “seinen” wohlensee. was da zwischen mühleberg und hinterkappelen herausgeholt wird, ist fast unvollstellbar: 40 fahrräder waren es alleine am letzten wochenende. doch damit nicht genug. einkaufwagen, verkehrsschilder, schuhe, lederwaren, handtaschen mit portemonaies und gültigen personalausweisen, ja selbst aufgeknackte tresore fischten die freiwilligen aus dem stausee.

dieses jahr haben sie den seeunrat nicht einfach weggeworfen. auch wenn er teilweie unansehnlich ist: er wurde ausgestellt. vor dem neuen alters- und pflegeheim hausmatte hat man alles aufgehängt, an einem grossen holzmasten.

ein wenig wirkt das ganze wie den turm zu babel. nur ist es der turm zu hinterkappelen. beim turmbau zu babel bestraft gott den versuch, ihm ein ebenbild zu setzen. in allen gebiete der erde wurden die erbauer verteilt, wo man ihre sprache nicht verstand. eigentlich müsste man in hinterkappelen – und weiss der teufel wo es sonst noch nötig ist – die umweltsünder für ihr handeln bestrafen, das sich gegen jede ökologische vernunft wendet.

stadtwanderer

den pass abgeben

ich habe meinen schweizer pass abgegeben. den alten wenigstens. und einen neuen bekommen, den amerika-tauglichen biometrischen. allerdings nicht ohne umstände!

kernstück des neuen passes ist die biometrisch geeignete passfoto. wenn sie im erfassungszentrum (in bern) gemacht wird, schaut man in einen spiegel, der kopfhaltung und augenposition vorgibt. denn das garantiert, dass die alles entscheidende iris meiner augen ins richtige licht gerückt wird.

um diese neuartige foto zu erhalten, muss man vorerst eine normale passfoto von sich selber machen lassen. am besten bei der einwohnerkontrolle der wohngemeinde. denn nur diese stellt das passgesuch mit allen formalitäten an das regionale erfassungszentrum aus. dort muss man sich jedoch selbständig melden, wenn man behandelt werden will. und eine kontrolle über sich ergehen lassen, ob man in der wohngemeinde vorkontrolliert worden ist.

in meinem fall ging das schlecht aus, denn meine wohngemeinde hatte mich unter einer falschen nummer registrieren lassen. und so wollte man mich im erfassungszentrum vorerst nicht fotografieren.

warum es zu diesem fehlermeldung kam, weiss ich nicht. dafür ist mir unvergesslich, welcher streit zwischen mir und meiner gemeinde dem ganzen vorausgegangen war. denn die wohngemeinde hatte darauf bestanden, meinen alten pass in wohlen entwerten zu lassen, obwohl man den neuen pass nur in bern beziehen kann. da ich mich schlicht weigerte, abschliessend noch einmal vor der einwohnerkontrolle wohlens zu erscheinen, schlug man mir vor, meinen pass sofort entwerten zu lassen. allerdings entnahm ich dem ausgehändigten formular, das man mir ausgehändigt hatte, dass ich keinen anspruch habe, vor 30 arbeitstagen den neuen pass zu erhalten.

also hätte ich meinen schweizer reisepass effektiv abgegeben!

meinen verweis, dass ich dann eigentlich passloser bürger der schweiz, des kantons bern und der gemeinde wohlen gewesen wäre, der vielerorts gar nicht hätte einreisen können, konnterte man in wohlen mit dem vorschlag, ich könnte, nun wiederum in bern, für diese einen notpass beantragen gehen.

meine grimasse verriet ganz offenbar, dass ich demnächst mit oder ohne pass abheben würde, sodass man sich stillschweigend darauf einigte, per fax ein gesuch von wohlen nach bern, von der gemeinde an den kanton, von der einwohnerkontrolle an die erfassungsstelle zu senden, mit der höflichst-untertänigen bitte, meinen pass, ausnahmeweise!, im berner erfassungszentrum zu entwerten.

was schliesslich auch anstandslos geschah, als man mein falsch gemeldete erfassungsnummer korrigiert hatte, ich in bern erschienen war, mich hatte fötelen und biometrisch registrieren lassen, und 7 tage auf die ausstellung des so heiss begehrten neuen dokumentes gewartet hatte!

so sieht mein alter pass nun wie eine kreuzung aus emmentaler- und edamerkäse aus: aussen rot, innen gelöchert. der rest vergelbt!

ich wiederum sehe im neuen pass so schrecklich wie noch nie in einem pass aus. farblos war man ja schon immer in amtlichen dokumenten. neuerdings bin ich aber auch ganz falsch belichtet abgelegt, und habe ich wegen der verlangten augenpositionen einen ganz steifen blick. im vorauseinlenden gehorsam ist mir dabei das lachen vergangen …

ich habe zwar meine reisefreiheit wieder! ich bin um 260 franken ärmer, aber um eine grenzerfahrung reicher. doch repräsentiere ich ab sofort für alle grenzbeamtInnen jene spezies schweizerInnen, die so lange wie ein tölpel behandelt wurden, bis sie unweigerlich auch so aussehen!

stadtwanderer

der ursprung der geschichte

der anruf aus hinterkappelen (ein haarsträubender fall für philip maloney)

ich sass in meinem bürostuhl, als das telefon klingelte. die füsse hatte ich dem pult, während meine lippen am wiskyglas klebten. so ist das, wenn man schon länger ohne arbeit ist.

bibliothek hinterkappelen feierte ihr 20 jähriges bestehen (foto: stadtwanderer)
bibliothek hinterkappelen feierte ihr 20 jähriges bestehen

erwartungsvoll hob ich den hörer und sagte einfach “ja”.
– “ist das maloney?”, fragte eine frauenstimme, die ich gerne kennen gelernt hätte.
– “ja”, erwiderte ich, denn das ganze machte mir sofort den eindruck, sich zu einem lukrativen auftrag entwickeln zu können. deshalb schob ich nach: “philip”.
das wiederum hatte ich in einem kurs der regionalen arbeitsvermittlungsstelle gelernt, zudem man mich verknurrt hatte, als ich die letzte steuerrate, die angesichts der schlechten konjunktur in unserer branche übersetzt hoch ausgefallen war, nicht wirklich bezahlen konnte. da hatte man mir gesagt, ich sei jetzt eine ich-ag, und ich müsste versuchen, bei möglicher kundschaft für meine dienste sofort vertauen zu schaffen.
– “mein name ist stadler, marie-louis stadler”, tönte es weiblich-interessant aus dem apparat. das bewies mir, das man sich näher kam.
– “schön, und was kann ich für sie tun?”, fragte ich nach. das machte schon früher so, als ich noch nicht staatlich ausgebildeter arbeitsloser detektiv war. denn hie und da hatte auch das zu aufträgen geführt.

schauspieler michael schacht leiht philip maloney seine unverwechselbar gewordene stimme (foto: stadtwanderer)
schauspieler michael schacht leiht philip maloney seine unverwechselbar gewordene stimme (foto: stadtwanderer)

– “ich möchte sie engagieren, maloney!”
umgehend war ich überzeugt, dass mein unwiderstehlicher köder in der amtlichen anordnung gewirkt hatte.
– “um was geht es denn?”, versicherte ich mich, um nicht ungesehen in einem unlösbaren fall zu rasseln.
– “ich bin bibliothekarin”, bekam ich fast schon einladend zur antwort. das befügelte meine phantasie sofort: ein fall für mich, sagte meine innere stimme, denn seit meiner jugend habe ich alle kriminalgeschichten mit privatdetektiven gelesen, welche die gesamte weltliteratur bietet. das hatte es mir erlaubt, mich so zu positionieren, wie das seit neuestem auch bei uns heisst, dass mir kein kollege in die quer kommen würde. genau genommen, hatte mich das zwar nicht reich, aber berühmt gemacht. den maloney zu engagieren, ist seither eine geschichte für sich.
– “und wo steht ihre bibliothek?”, erkundigte ich mich. denn ich wollte wissen, mit welchem studienkollegen aus den zwei semester, in denen ich juristerei studiert hatte, ich kontakt aufnehmen sollte. die meisten waren heute bei der presse – nicht unbedingt mein fall – und die musste ich unbedingt für mich beginnen. eine reportage in der lokalzeitung erhöht die aufmerksamkeit und kann das geschäft eines privatdetektiven beleben.
– “in hinterkappelen”, erhielt ich unvermittelt zur antwort.
meine hirnzellen, die den gestrigen abend an der bar überlebt hatten, wurden ohne verzug aktiviert.
– “das ist zwischen bern und wohlen”, konterte ich nach einer kleinen kunstpause. “da kann man gut rudern, auf dem wohlensee jedenfalls”, schob ich nach, um ins gespräch zu kommen. denn in gedanken versuchte ich mir vorzustellen, wie der huber heute aussehen mochte. “örsu”, hatte er sich immer vorgestellt, wenn er zum bier in die studentenkneipe kam. heute ist er, wie ich weiss, chefredaktor bei der bümplizwoche. sollte ich nicht nur ins gespräch, sondern auch ins geschäft kommen mit der frau stadler, würde ich den huber gleich kontaktieren, ihn für meine person interessieren und ihn bitten, meine telefonnummer gleich neben dem foto von mir zu plazieren. zwei oder drei anfragen müssten schon herausschauen, um die horrenden rechnungen für das hotelzimmer bezahlen zu können, das ich mieten würde, um den fall der bibliothekarin zu lösen.
– “und was geht schief in ihrer bibliothek?”, trieb ich das acquisitionsgespräch nun auf die spitze.
– “nichts, gar nichts”, antwortete die dame. ihre stimme, die mir schon so vertraut gewesen war, bekam eine ungewohnt helle färbung.
ich zuckte zusammen, legte das wiskyglas, das ich immer noch in der linken hand hielt, zur seite und hiess meine füsse, wieder am boden platz zu nehmen.
– “was führt sie dann zu mir”, widerholte ich, den grad der verbindlichkeit unserer beziehung, die sich so gut angelassen hatte, mit der tiefe meiner stimme betonend.
– “unsere bibliothek ist sehr erfolgreich. und jetzt soll etwas unerwartetes passieren”, liess mich frau stadler wissen.

schriftsteller roger graf erfand in den letzten 19 jahren an die 300 haarsträubende fälle, die sein maloney zu lösen hatte (foto: stadtwanderer)
schriftsteller roger graf erfand in den letzten 19 jahren an die 300 haarsträubende fälle, die sein maloney zu lösen hatte (foto: stadtwanderer)

– “unerwartetes?”, fragte ich nach, während mein herz schneller klopfte, erste schweissperlen meine stirn schmückten und meine füsse eilends die herumliegenden schuhe suchten, um sich, wie immer etwas gequält, darin aufzumachen.
– “ich kann den intercity von 3 uhr am hauptbahnhof erwischen, wenn ich alles gebe. dann bin ich kurz vor 5 in hinterkappelen. reicht das?”
– “wunderbar, unsere bibliothek wird nämlich heute 20 jahre alt. und das wollen wir feiern. zu gerne hätte ich eine lesung mit roger graf und michael schacht organisiert. man kennt sie in hinterkappelen vom radio. doch ich kann die beiden, die jung und alt jeden sonntag mit ihren kriminalgeschichten erfreuen, nicht ausfindig machen. da habe ich gedacht, das ist ein fall für maloney.”
wirklich widersprechen konnte ich bei der stringente logik meiner neusten mandatin nicht. und so resümierte ich für mich: einen tag in bern, kein fremdes hotelzimmer, nicht schlecht! kontakt zu huber, dem kollegen aus studentenzeiten, ganz gut! und werbung auf der frontseite der bümplizwoche, ohne eine einzigen fall lösen zu müssen, genial!
– “sie können mit mir rechnen”, sagte ich marie-louise stadler. ich werde in meine geheimsten datei nachschauen und sie informieren. notfalls bringe ich das gewünschte gleich selber mit. schauen sie, dass es ein paar leute hat, wenn die jungs in ihre bibliothek kommen, um das haarsträubende missverständnis des philipp maloney zu lösen. so geht das!

stadtwanderer

marie-louise stadler, michael schacht und roger graf haben sich tatsächlich in hinterkappelen getroffen (foto: stadtwanderer)
marie-louise stadler, michael schacht und roger graf haben sich tatsächlich in hinterkappelen getroffen (foto: stadtwanderer)

roger graf und michael schacht treten heute, dem 24. august 2008, um 17 uhr an der 20-jahr-feier der bibliothek in hinterkappelen auf. ihr “philip maloney”, selber erst 19, freut sich, das publikum jeden alters zu beglücken.

spinnst du auch?

2465733106_0c01ec848f1.jpg“klar”, antwortet bärbi, stellvertretend für die spinngruppe frienisberg. und sie ist stolz darauf. zurecht, meine ich.

der mühlentag im benachbarten hofen gab dieses jahr erstmals einblick das handwerk des spinnens. bärbi, hedi, rösli und andere frauen kamen auf ihrem spinnrad vorgefahren. im nur waren die wunder-instrumente betriebsbereit, sodass der feste fuss rhythmisch gas geben und der faden aus den flinken fingern fliessen konnte. nein, lärm wie beim autofahren, macht das nicht! es erzeugt nur leise schwingungen, die einen sofort angenehm ziehen.

spinnen ist nicht nur ein traditionelles handwerk. es ist auch meditation und unterhaltung gleichzeitig. bisweilen sieht man die frauen wie wild treten, fleissig spinnen und toll schwatzen, – und dann ist eine von ihnen alleine, und man merkt wie sie es still und leise geniesst, etwas mit hand&fuss zu machen.

die ganztägige vorführung in hofen der spinnerinnen vom frienisberg war die attraktion des tages. sofort bildeten sich menschentrauben rund um die spinnräder, und mann&frau war interessiert zu erfahren, wie man kardet und färbt, sodass am schluss bunter faden für mancherlei sachen von hut bis strumpf entsteht.

ich kann da nur eines sagen: bärbis idee, die mühlen- mit den spinnrädern zu kombinieren, war eine runde sache. beides hat gefallen und das seine zum stimmigen tag beigetragen.

stadtwanderer

mehr bilder zum hofener mühlentag 2008 hier.

ps: bärbi will nun auch bloggen. über die vogelwelt, aus der fernen slowakei. und das in wenigen tagen. ich glaube, jetzt spinne ich auch …

schweizer mühlentag 2008 in hofen …

die geschichtsträchtige hofenmühle in wohlen bei bern öffnet morgen samstag ihre pforten. es hat für gross und klein etwas: das Angebot reicht von brotbacken im holzofen bis zum spinnen mit spinnrädern.

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mühle hofen in wohlen bei bern, wo die familie baumgartner bald schon hochwertige energie produzieren will (foto: stadtwanderer, anclickbar)

die hofenmühle ist die einzige mühle meiner wohngemeinde, die noch erhalten ist. die häusergruppe aus dem 18. jahrhundert ist weitherum eine der imposantesten. bevor die aare 1920 zum wohlensee gestaut wurde, lag unterhalb der hofenmühle die kleine gewerbesiedlung “Hofensäge” mit knochenstampfe, hanf- und flachsreibe, sägerei und käserei. bis zu dieser zeit drehten sich sechs grössere und kleinere wasserräder im weiler. ernst baumgartner war der letzte müller, der jedoch 1994 den betrieb einstellen musste. die familie baumgartner lebt seither von der landwirtschaft.

die baumgartners haben grossen vor: sie haben die mühleanlage renoviert. namentlich wurde der wasserzufluss saniert, damit wieder genug wasser fliesst. denn die ehemaligen müller planen, ein kleines, modernes kraftwerk einzurichten. am morgigen mühlentag, der gesamtschweizerisch stattfindet, kann man den stand der arbeiten besichtigen.

der tag der offenen türe bei den baumgartner lässt auch einblicke in die verarbeitung von wolle zu. karden, spinnen, färben, filzen – alle diese schritte der wollproduktion werden vor ort von der spinngruppe “Frienisbärg” gezeigt und können auch selber ausprobiert werden.

der hofener mühlentag 2008 dauert von 9 bis 17 uhr. der eintritt beträgt 8 franken, kinder können gratis hinein. die anreise von bern erfolgt am besten mit postauto bis wohlen, dann sind es 15 minuten zu fuss hinunter nach hofen an den see.

selbstverständlich wird auch der stadtwanderer anwesend sein.

stadtwanderer

mein bericht vom mühlentag 2007 in hofen