svp an bdp-siegesfeier

am sonntag abend ging es in berns krone hoch zu und her. die bdp hatte die bar des restaurants gemietet, um quasi über die gasse den ebenen im rathaus verkündeten grosserfolg der partei bei den regierungs- und grossratswahlen zu feiern.

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plötzlich wieder vereint: bdp- und svp-protagonisten während des wahlkampfes, in dem sie sich nichts geschenkt hatten, feierten gegen mitternacht gemeinsam sieg und niederlage bei den wahlen (foto: stadtwanderer)

die stimmung war schon ziemlich ausgelassen, als ich nach erledigte arbeit gemeinsam mit mark balsiger (“wahlbistro”) auf ein bier wollte, und wir in der kronen-bar ordentlich hängen blieben. beatrice simon, frisch gewählte regierungsrätin des kantons bern, gab dem parteieigenen tv gerade noch auskunft, als wir eintraten. dann sprach sie noch einige worte mit uns, bevor ihr man sie ins heimatlich seedorf lotste. gerne hätte ich noch mehr gehört, über die schlammschlachten, die in ihrer früheren parteiumgebungen bis in den letzten moment vor der wahl angezettelt wurden. doch haben alle verständnis, als sie gehen will.

lorenz hess, im hauptberuf pr-berater, grossrat und kommunikationschef der bdp analyisierte den erfolg der bdp wie folgt: in jeder partei gibt es wählerInnen, die enttäuscht sind, weil man mit maximalforderungen position beziehe, ohne an sachliche lösungen zu denken. genau die habe man mit einem konsequenten auftritt angesprochen. gelb-schwarz, die farben des erfolgreichen berner fussballclubs yb, habe man gewählt, um unverwechselbar zu sein in einer zeit, wo alles auf hellblau und hellgrün mache. darüber hinaus habe man den strassenwahlkampf gepflegt, weil der mehr überzeuge und mobilisiere als teure werbung und zeitaufwendige internetauftritte.

der schweizerische parteipräsident hans grunder lief gerade zur hochform in seinem überblick zu den 25 bestätigten und eroberten sitze im berner grossen rat auf, als die türe aufging – und ausgerechnet die rechte konkurrenz in den saal drängte. einige versprengte stadtberner svpler drängten in die bar, und es war nicht klar, wer über wessen anwesenheit mehr erstaunt war. jedenfalls markierte die bdp sofort kampfbereitschaft und hielten ihre vertreter am zentralen tisch die guten plätze für besetzt, sodass thomas fuchs und erich hess nichts anderes als das stehen im zweiten glied übrig blieb.

dennoch verging das lachen den protagonisten beiden parteien, die sich im wahlkampf unter hopp-rufen der bernerzeitung bekämpft, gleichzeitig aber auch hochgeschaukelt hatten, nicht. ganz anders war das bei reto nause, cvp-gemeinderat in bern, der hinter seinem nicht ganz ersten burgdorfer bier sass, und sich beklagte, dass er den boden vorbereitet hätte für die neue bürgerliche mitte, doch jetzt die bdp erbe. als die wahlanalytiker gehen wollten, riet er zum bleiben, die arbeit morgen sei keine ausrede zum nach hause gehen, denn auch er müsse um 0730 beginnen, um beim stadtpräsidenten seine video-kameras zu verteidigen.

ich hoffe nur, in der kronen-bar hatte es nicht schon eine versteckte kamera, denn da geschah noch so manches, das sich für eine youtube-filmchen von der bdp-siegesfeier eignen würde.

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hochrechnen wie bei den regierungsratswahlen 1986

am sonntag bin ich wieder hochrechner bei den kantonalen wahlen – wie vor 24 jahren. eine erinnerung an die erlebnisse während der erstmalige durchführung vor dem grossen moment vom wochenende.

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1986 war die spannung vor den berner wahlen riesig. die existenz schwarzer kassen, mit denen der berner regierungsrat die berntreuen jurassier in den volksabstimmung unterstützt hatte, löste verbreiteten unmut aus. die freie liste entstand, und gemeinsam mit der sp errang sie die mehrheit im bernischen regierungsrat. viel hätte aber nicht gefehlt und die svp hätte diese mehrheit für sich alleine beanspruchen können. ganz aus der regierung gekippt wurde dabei die fdp, – ein novum in der berner geschichte.

der journalist hans räz, damals verantwortlicher des “regi” bei radio drs, fragte angesichts der spannenden ausgangslage die uni bern an, eine hochrechnung zu realisieren. das forschungszentrum für schweizerische politik, wie das heutige institut für politikwissenschaft damals hiess, war in einer schwierigen übergangsphase, – und nahm die herausforderung an.

zusammen mit hans hirter bereitete ich unsere erste hochrechnung vor. der interessierteste kandidat war ueli augsburger, der svpler, der neu in die regierung drängte. am liebsten wäre er selber vor dem compi gesessen, denn er glaubte, alles noch besser zu können. das war auch nach seiner wahl so, bis er über werner k. rey, den finanzspekulanten, den er nach bern gelotst hatte, stolperte und sein milliardenloch die steuerzahlerInnen stopfen mussten. gar nichts hielt markus ruf, jungtürke der schweizer demokraten und ewiger student an der uni, von der neuerung. dahinter steckten unausgegorene soziologische theorien, die stets versagt hätten, wandte er am mikorphon ein. pierre rom, der damalige parteisekretär der fdp, nahm das dankbar auf, als er die ersten ergebnisse sah, welche die fdp-kandidatInnen auf die plätze ausserhalb der regierung verwies.

in der tat schwankten unsere hochrechnungen bis in den abend zwischen einem sieg für die svp resp. einem möglichen durchbruch für rotgrün. schliesslich war es klar: die svp hatte vier der damals neun sitze gemacht, und die sp kam auf drei. die freie liste und die fdp mussten in einen zweiten wahlgang, denn ihre bewerberInnen verpassten das absolute mehr.

bis der stattfand, wurde nicht nur in bern staub aufgewirbelt. in tschernobyl explodierte der atommeiler und versetzte halb europa in angst und schrecken. genau das, vor dem die grün angehauchten freien immer gewarnt hatten, und ebenso genau das, was die fdp stets für unmöglich gehalten hatte. von dem moment an wussten alle, dass nicht nur radioaktivität aus der ukraine in der luft lag, sondern auch eine politische sensation im staate bern.

die hochrechnung zum zweiten wahlgang machte schnell alles klar. auf sich gestellt, war die fdp zu schwach, ihre regierungsbeteiligung zu verteidigen. denn die svp trat zum zweiten wahl gar nicht mehr an. dafür unterstützten die sozialdemokratInnen die bewerbungen der freien. zusammen schafften sie die erste rotgrüne mehrheit in einer berner regierung.

pierre rom kritisierte die hochrechnung an diesem tag nicht mehr. vielmehr nahm er zur kenntnis, was er befürchtet hatte, und verabschiedete sich schon früh aus dem rathaus. er habe im wahlkampf seine familie vernachlässigt, zu der er voll und ganz stehe, sagte er mit, als er ging.

vor dem rathaus feierte die freie liste ein fest mit ihrer jamaika-band. leni robert und benjamin hofstetter waren die beiden neuen freien regierungsrätInnen. hofstetter verirrte sich nach dem sieger-interview im radio drs in der obersten etage des rathauses in den zahllosen gängen des parlamentsgebäudes, bis er wenigstens den weg zurück zu uns fand. gerne führten wir ihn aus dem haus, um mit seinen leuten sein konnte.

was an diesem sonntag in den ehrwürdigen hallen alles geschieht, erzähle ich nicht erst in einem halben jahrhundert, sondern gleich auf hier.

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der zentrale wert der demokratie

es war die speziellste begegnung des tages. und ein lehrstück in demokratie. und das mitten im berner bahnhof.

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eine begegnung am liftschalter mit überraschender wendung

ich wollte nach hause. eben hatte ich meinen einkauf im bahnhof beendet. ich wartete vor dem lift, der mich zu poschi-station bringen sollte. zwei, drei mal drückte ich die test, doch der lift kam nicht.

ein älterer herr sprach mich an. ich müsse länger drücken, bis das rot aufleuchte. nur dann hätte ich den kontakt hergestellt.

den kontakt mit mir hatte der hilfsbereite so schon mal mit mir gefunden. wahrscheinlich hätte ich keine zeit für solche sache, fuhr er fort. er kenne mich, vom fernsehen, dann begrüsste er mich ordentlich, und stellte sich als einwanderer aus siebenbürgen in rumänien vor. er schätze meine analysen, fügte der mann an.

der lift war zwischenzeitlich gekommen, und wir stiegen beide mit dem ziel im ersten stock ein.

das gespräch entwickelte sich rasch. hier herrsche demokratie, ganz anders als in seiner ehemaligen heimat. warum er das so sicher wisse, fragte ich ihn mit leichtem unterton.

sofort blühte mein gesprächspartner auf. als sein vater in die schweiz kam, sei gängi noch bundesrat gewesen. ohne jede begleitung sei er auf der strasse spazieren gegangen. kein bodyguard habe ihn begleitet, und kein mensch habe ihn bedroht.

das habe bei seinem vater einen tiefen eindruck hinterlassen, und er habe ihm das beispiel immer wieder erzählt, um ihm, dem heranwachsenden klar zu machen, was freiheit sei.

zwischenzeitlich sind wir oben angekommen, und steigen wir gemeinsam aus.

ich müsse wissen, in seiner heimat sei das nie so gewesen wie hier. das kleinste parteisekretärchen sei mit blaulicht vorgefahren, von der polizei eskortiert, und habe arrogant auf die einfachen menschen geschaut. das sei diktatur, ganz anders als hier.

ich bedanke mich, eine spannende beschreibung erlebter demokratie erhalten zu haben, und reiche dem älteren mann höflich und freidfertig die hand.

so begegnungen braucht es immer wieder, um nicht zu vergessen, was die zentralen werte der demokratie sie. denn wenn man ohne fremde augen hier so lebt, hat man immer wieder den eindruck, genau das gehe vergessen oder sei den leuten schon ganz egal.

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gemeindegrenzen neu bepflanzen

meine leserInnen kennen harald jenk als fleissigen besucher und kommentator auf dem stadtwanderer. jetzt nimmt er gemeinsam mit anderen politikerInnen eine idee auf, von der hier auch schon die rede war: wenn die beiden städte bern und köniz mehr kooperieren würden, hätte das zentrum der agglomeration bern mit 175000 einwohnerInnen schlagartig mehr gewicht.

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die drei musketiere der neuorganisation des berner raums pflanzen heute schon neue ortsschilder: die hauptstadtregion ist ihr gemeinsames ziel.

michael aebersold, giovanna batagliero und harald jenk posierten heute gemeinsam an der grenzen zwischen bern und köniz. die beiden stadtparlamentarierInnen und der grossrat hoben dabei die gemeindegrenzen schon mal symbolisch auf, indem sie ein ortsschild mit dem aufdruck “hauptstadtregion” einpflanzten.

gemeint ist damit das projekt, den grossraum bern neu zu strukturieren: die zu schaffende hauptstadtregion soll die grossflächigen, kantonsübergreifenden vorhaben wie die des verkehrs vorantreiben und koordinieren. die seit kurzem bestehende regionalkonferenz bern-mittelland will die gemeinden der berner agglomerationen unter der obhut des kantons enger miteinander verbinden. und der verein “bern neu gründen” beabsichtigt, die zusammenarbeit der kerngemeinden soweit zu intensivieren, dass auch zusammenschlüsse von bern und umliegenden gemeinden möglich werden.

letzteres wurde von michael aebersold und giovanna battagliero im berner stadtrat exemplarisch bearbeitet. man wollte wissen, wie der stand der kooperationen zwischen bern und köniz ist, und wo der berner gemeinderat ausbaupotenziale sieht. ihnen hat sich nun der grossrat aus köniz angeschlossen. auf seinem eigenen blog schreibt er: “Das Wichtigste ist, dass die Hauptstadtregion Schweiz und die Hauptstadtregion Bern für die Bürgerinnen und Bürger an Sichtbarkeit gewinnen, damit sich diese mir ihr auch identifizieren können.” genau deshalb schritten die drei sp-politikerInnen heute mit der neubepflanzung der gemeindegrenzen heute zur tat.

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die hauptstadtregion macht einen weiteren entscheidenden schritt

die kantone wallis, freiburg, neuenburg und solothurn sowie 15 städte wollen mit stadt und kanton bern die hauptstadtregion bilden. damit will man die drei metropolitanregionen der schweiz politisch und infrastrukturell vernetzen.

2008 lancierte das bundesamt für raumplanung seinen bericht zu den metropolitanregionen in der schweiz. zürich, genf/lausanne und basel wurden darin als zentren der wirtschaftlichen entwicklung in der schweiz mit internationalem anspruch empfohlen. bern jedoch blieb aussen vor.

mitte 2009 traten der berner stadtpräsident alexander tschäppät und der berner volkswirtschaftsdirektor andreas rickenbacher an die öffentlichkeit und lancierten die idee, der grossraum bern solle zur hauptstadtregion werden. ein grundlagenbericht hierzu erschien anfangs 2010 und ging in die vernehmlassung. diese ist jetzt abgeschlossen, und das erhoffte interesse hat sich konkretisiert. bis ende 2010 soll der verbund nun verbindliche gestalt annehmen, sodass die hauptstadtregion als äquivalent zu den drei metropolitanräumen dem bund präsentiert werden kann.

die stärke der hauptstadtregion liegt zweifelsohne im politzentrum bern. das hielt vor einer woche auch die berner geografieprofessorin heike mayer in der bernerzeitung fest. sie verglich den grossraum bern mit jenem von washington. ökonomisch rangiert dieser deutlich hinter den zentren wie new york, boston oder san francisco. und dennoch ist washington für die politische koordination unentbehrlich.

jetzt macht sich auch bern mit verbündeten auf diesen weg. anders als der espace mittelland erwartet man nicht mehr, dass kantone und ihre zentren exklusiv beitreten. vielmehr will man ein netzwerk werden, dass die anderen einheiten mit ihrer aussenperspektive im innern zum beispiel verkehrstechnisch verknüpft. das ist ein neues, und vielversprechendes modell.

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speisegeschichte im speisewagen

ich habe einen tag in st. gallen verbracht. unterichten an der hsg, der universität st. gallen, war angesagt. die überraschung des tages ergab sich aber auf der heimfahrt nach bern.

0.60FE!OpenElement&FieldElemFormat=jpgauf der rückfahrt verspürte ich nach zürich einen hunger. mit bärbi, eben zugestiegen, ging ich in den speisewagen. wir setzen uns an einem tisch hinzu und starten unvermittelt den gedankenaustausch über den tag.

die hsg sei eigentlich keine uni, beginne ich. eher ein schmuckes college für wirtschaft und einige verwandte fächer. international ausgerichtet sei man schon, aber schweizerisch-klein …

die dame gegenüber scheint aufmerksam zuzuhören, bis sie sich outet. sie heisse corinne pernet und sei assistenzprofessorin an der universität st. gallen …

upperla, denke ich mir schon. doch dann lacht unser gegenüber. sie habe sofort verstanden, von welcher hochschule ich erzählt habe, meint die kollegin. die hsg sei in der tat ein spezialfall im vergleich zur massenuniversität. mit vielen vorteilen, fügt sie an, so seien die entscheidwege kurz, das klima unter den professorInnen offen, und die zusammenarbeit untereinander sei konstruktiv. das habe sie während ihren 14 Jahren in den usa kennen gelernt, und in der schweiz nicht überall wieder gefunden.

seit dem 1. februar 2010 unterrichtet corinne pernet an der hsg internationale geschichte. den angehenden ökonomInnen soll ihm rahmen des kulturprogramms die vielheit der welt eröffenet werder. ihre forschungsschwerpunkt sei die südamerikanische geschichte. am meisten interessiert sie sich für die ernäherungsgeschichte mit ihren folgen für die kulturspezifischen modernisierungsprozesse.

darauf stossen wir schon mal an. und beginnen ein Gespräch über die stationen des werdeganges der historikerin. schnell sind wir bei ihrem schweden-aufenthalt an der universität uppsala. es sei wunderbar gewesen, erzählt die mutter von zwillingen. für die kinder sei gesorgt gewesen, und sie habe frei forschen können. in zürich, wo sie auch arbeitete, habe sie dann viel administratives erledigen müssen. so dass sie sich auf ihre neue herausforderung in st. gallen ganz besonders freue.

eine wirklich nette begegnung, die wir da im speisewagen mit der weltgewandten speisehistorikerin bei suppe und käse hatten …

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der geburtstag des stadtwanderers

herzlichen glückwunsch zum geburtstag, werter stadtwanderer, sag ich da!

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benedikt loderer, der passionierte stadtwanderer in biel/bienne, geht heute, 65jährig in pension.

durch sein biel/bienne ist der stadtwanderer jüngst marschiert, und zeigte er interessierten die architekturgeschichte dieser spannenden stadt. wie keine andere ist sie im 19. jahrhundert gewachsen. verzehnfacht hat sich die bevölkerung in einem jahrhundert, ein phänomen, das man sonst in der schweiz nicht kannte, anders als in den usa, wo die industrialisierung die urbanisierung schnell vorantrieb. das beförderte die stadtentwicklung gewaltig, und schenkte benedikt loderer anschauungsmaterial zuhauf.

benedikt loderer studierte auf dem zweiten bildungsweg architektur an der eth zürich, erwarb daselbst einen doktortitel, ging aber bald in den journalismus. während den “saure gurken”-zeiten im sommer schickte ihn die redaktion des tagesanzeiger in die quartiere, um berichte als stadtwanderer in die zentrale zurückzubringen. das gefiel der leserschaft, und benedikt gefiel das spazieren in den schweizer städten. so wurde er stadtwanderer.

doch der loderer berichtete nicht nur über architektonische sehenswürdigkeiten in den schweizer städten. er kritisierte liebend gerne auch die raumplanung, die zersiedelung des schweizer raum infolge der hüüsli-schweiz. das machte ihn zum gefürchtete, aber auch geachteten zeitgenossen der architekten-szene.

der curti-verlag ermöglichte loderer und einigen seiner gesinnungsgenossen anfangs der 90er jahre, mit einer fachzeitschrift in die architektonischen trends direkt einzugreifen. profilierter chefredaktor war er während jahren, bevor er sich entschied, als einfacher berichterstatter und stadtwanderer immer wieder von neuem auf entdeckungsreise zu gehen und ganze hefte und beilagen mit seinen treffenden schilderungen zu füllen.

nun nimmt benedikt loderer abschied vom journalismus als beruf. frisch verheiratet, lebt benedikt neurdings in biel/bienne, feiert er heute seinen 65 geburtstag, und frönt er als pensionär hoffentlich noch lange seinem hobby stadtwandern.

stadtwanderer

ps:
zwei sachen haben benedikt und ich gemeinsam: wir sind beide stadtwanderer aus passion, und wir haben heute beide geburtstag!

bären als cashcows?

sie sind supersüss. doch rentieren sie nicht, sagt man in bern. und ich frage mich: müssen bären wirklich einen finanziellen gewinn bringen?

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tolles bild vom bebilderer von urs, berna und björk ..

meine ganz persönliche freude am neuen bärenpark habe ich ja schon mehrfach öffentlich gemacht. mit der geburt von urs und berna ist diese nicht minder geworden.

umso mehr stutze ich über anschauungen, die man am bärenpark gelegentlich hört, und die eingang gefunden haben in die lokale presse.

der bund beklagte im winter, die bären würden sich zu wenig zeigen, die attraktion, die von ihnen ausgehe, würde sich mindern und die zuschauerströme gingen schon wieder zurück. dass bären winterschlaf halten, und björk trächtig war, wurde kaum thematisiert.

die bz nun stört sich, dass die beiden jungbären keinen gewinn bringen würden. die zuschauerströme hätte zwar schon wieder zugenommen, würden aber nicht richtig vermarktet. so bleibe es beim jööh-effekt, ohne dass man damit kasse mache.

bin ich nun ganz falsch gewickelt, oder sind solche auffassung nicht schlicht und einfach deplatziert?
haben wir den bärenpark nicht als tolles erlebnis verdient, muss er auch gleichzeitig rentieren?
sind bären keine bären mehr, sondern die melkkühe der stadt?
und: wie weit sind wir eigentlich schon fortgeschritten, in unserer ökonomisierung der welt, welche die erwartungen an tiere schon total unterandert hat?

bitte, helft mir, mit meinen zweifeln umzugehen!

stadtwanderer

bvg-abstimmungsinterna

es war ein arbeitstag in zürich. ganz schön anstrengend. nationale abstimmungen sowie kantonale und städtische wahlen standen im zentrum des interesses. vieles ging mir an diesem nachmittag und abend durch den kopf, vor allem zum bvg.

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peter salvisberg, mein gesprächspartner vom k-tipp, der bei seinem tod von der kanzel verkündet haben will, die erfolgreiche bvg-nein-kampagne initiiert zu haben.

nach 16 uhr hatte ich eine verschnaufpause. die verbrachte ich am buffert im studio leutschenbach.

dem hat man letztes jahr ein sparrunde verordnet. seither gibt es keinen wein mehr. ramseier-apfelsaft, cola-zero und blötterliwasser müssen genügen.

ich stand hinter ruedi rechsteiner und rita schiavi an, die eben den linken sieg in der bvg vorlage vor laufender kamera gefeiert hatten. die nette dame hinter der theke freute es offensichtlich. sie wandte sich kurz ab, und zog eine flasche guten roten hervor, den sie breitwillig ausschenkte.

als aus dem studio ging, merkte ich, heute kaum die sonne gesehen zu haben. am morgen früh, als ich im zug nach zürich fuhr, schneite es unentwegt. am abend dann wikte die sonne nur noch im gegenlicht. einige kamine schloteten über der stadt, die eben eine verstärkt rotgrüne regierung gewählt hatte.

auf der rückfahrt nach bern erinnerte ich mich an eine begegnung im abstimmungskampf mit peter salvisberg. früher war der studierte ökonom romandie-korrespondent von radio drs gewesen, dann stieg er bei swissinfo hoch hinauf und wechselte schliesslich als geschäftsführer zum k-tipp.

bei dieser auflagenstarken konsumentInnen-zeitung war er für die lancierung des referendums gegen die senkung des bvg-umwandlungssatzes an vorderster front tätig gewesen. die gewerkschaften hätte er zuerst überzeugen müssen, hier opposition zu machen, erklärte er mit selbstbewusst. die politische kraft gehe heute nicht mehr von den parteien aus, vielmehr von den medien, die themen lancieren und entwickeln können.

und, fügte er bei, für den fall, dass er am abstimmungssonntag recht bekommen sollte, wolle er, dass dereinst der pfarrer von der thuner kanzler bei seiner grabrede verkünde, niemand anders als der verstorbene hätte seinerzeit die bewegung ausgelöst, welche die verringerung der rentenleistungen mindestens aufgehalten habe …

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die mutter aller städte

früher war sie meine büronachbarin, jetzt ist sie die mutter aller städte.

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renate amstutz, die direktorin des schweizerischen städteverbandes

renate amsutz kommt aus köniz. in bern studierte sie wirtschafts- wissenschaften und soziologie. letzteres brachte uns ein erstes mal näher. 1980/1 waren wir als kleine hilfsassistentInnen büronachbarn im institut für soziologie der uni bern. dann trennten sich die wege. ich wechselte in die politologie und in die forschung. renate ging in die privatwirtschaft, dann zur sbb, schliesslich zum kanton bern. jetzt ist sie direktorin des schweizerischen städteverbandes.

da haben sich unsere wege via “stadtwanderer” wieder gekreuzt. bei der neupositionierung des verbandes habe ich ihr ein wenig geholfen. denn renate wurde 2008 die chefin der interessenorganisation der schweizer städte.

nun sagt sie: drei viertel der schweizerInnen leben in einer agglomeration. 84 prozent der ökonomischen wertschöpfung werden dort generiert. doch in der politik ist es umgekehrt. die 14 kleinen, mehrheitlichen ländlichen kantone können via ständerat blockiert, obwohl sie nicht mehr einwohnerInnen haben als die 13 grössten stadtgemeinden zusammen.

und das ist typisch: für den bund sind die kantone fast ausschliessliche ansprechpartner. die wiederum wenden sie an die gemeinden. zu denen die städte gehören. immerhin sie sind nicht mehr einfach im gemeindeverband organisiert. sie haben den städteverband gegründet. und sie wollen jetzt ihr lobbying gegenüber bundesbern erhöhen.

der “handelszeitung” dieser woche verrät die engagierte städterin, dass sie bei amtsantritt im vorvorjahr glaubte, die landwirtschaft und das militär können sie gleich von ihrer agenda streichen. doch oha lätz: der erste anruf, den sie als direktoriun von einem medium bekam, betraf den umgang der städte mit dem neuen wachbefehl der schweizer armee vor botschaften. und renate wäre keine bernerin, würde sie nicht auch einen link zur landwirtschaft finden. “ohne land gibt es keine stadt” formuliert sie, “und ohne stadt kein land.”

sekundäre urbanisierung nannten wir das in den seminarien für soziologie, die wir gemeinsam besuchten. gemeint war, dass sich bei alle differenz im landschaftlichen vor allem via medien die lebensweise in den zentren immer mehr in die peripherie verlagert. dabei ändert sich aber der blickwinkel, der in der schweiz so typisch vom land ausgeht und auf die städte schaut. mit der sekundären urbanisierung blickt man auch von der stadt aufs land, weil sich alles dem leben in den städten angleicht.

wenn das mal überall bewusst sein wird, wird der mutter aller städte ihre aufgabe in der schweiz erfüllt haben.

stadtwanderer

heikle begriffe richtig verwenden

in seiner kritik der reinen vernunft schreibt der deutsche philosoph immanuel kant: “Ohne Sinnlichkeit würde uns kein Gegenstand gegeben, und ohne Verstand keiner gedacht werden. Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.”

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nichts gehört und nichts gesagt … und nichts gedacht, wenn’s doch einmal passiert. die stiftung gegen rassismus klärt uns über heikle begriffe auf.

kant ging es um die zusammenhänge zwischen erscheinungen und begriffen einerseits, die wir haben und verwenden, wenn wir über dinge sprechen, und den anschauungen, die dahinter liegen und unsere kategorien des denkens in raum und zeit bestimmen.

genau diesen nimmt die zürcher stiftung gegen rassismus und antisemitismus (gra) in ihrem neuesten glossar auf. dabei geht es um politisch begriffe, deren hintergründe heikel sind und deren verwendung nur reflektiert erfolgen sollte.

selbstredend gehören jude/jüdin, endlösung und nazi dazu. doch es finden sich auch wörter, die heute geläufiger sind behandelt, wie asylant, islamismus, kosmopolit, mischling, rasse oder selektion.

erstellt wurde das elektronische wörterverzeichnis für journalistInnen, lehrkräfte, schülerInnen, studierende, politikerInnen und politisch Interessierte, wozu stadtwandererInnen selbstredend zählen. mit dem glossar können sie die herkunft, aktuellen bedeutungen und konnotationen von historisch und aktuell belasteten oder vermeintlich belasteten wörtern schnell und einfach abfragen.

die einträge sind kurz und knapp gehalten und beschränken sich auf die wesentlichsten angaben zum jeweiligen Begriff. doch genau das macht das kleine wörterbuch als rasche informationsquelle besonders nützlich.

die definitionen werden von erfahrenen medienschaffenden, historikerInnen in zusammenarbeit mit der universität basel erstellt und können unter gra-glossar bequem abgerufen werden.

sodass man sich in heiklen sachen keine patzer durch selbstverschuldete unmündigkeit mehr leistet!

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“Das ist Schönfärberei.”

der konter zur attacke von volkswirtschaftsdirektor andreas rickenbacher auf die bernischen wirtschaftsverbände liess nicht lange waren. adrian haas, direktor der handels- und industrievereins wirft der rotgrünen mehrheit regierungsrat in der heutigen berner zeitung schönfärberei vor.

1nestbeschmutzer nannte regierungsrat rickenbacher (sp) gestern seine kritiker. sie würden den kanton schlecht reden, und das auf ungeischerter basis. adrian haas (fdp), der verfasser der kritisierten broschüre meint in der heutigen bz dazu: “Wenn man die Leute, die schonungslos aufzeigen, wo die Probleme liegen, als Nestbeschmutzer bezeichnen will, kann man das.”

eine ursache des zwists zwischen regierung und verbänden basiert auf unterschiedlichen quellen. die regierung liess die einkommensbelastung durch steuern durch die bak basel abklären. dabei wurden mittelwerte berechnet. der hiv berücksichtigt dagegen die belastung einer speziellen familie mit zwei kindern und 150’000 chf einkommen. im ersten fall ist der kanton im mittelfeld, ohne dass man wirkliche trends kennt. im zweiten fall figuiert er im schlussdrittel, tendenz sinkend.

einig ist man in beiden expertisen, dass die verkehrserschliessung der kantons in den letzten jahren gelitten hat, was die standortattraktivität mindert. gross sind dagegen die differenzen in der sichtweise auf die steuerpolitik. die regierung verweist auf fortschritte, die bürgerlichen exponenten auf verhinderte vorhaben. beim interkantonalen finanzausgleich stelle die regierung auf die pro-kopf-zahlungen, während die verbände auf die gesamtsumme insistieren.

adrian haas weiss, der eine bürgerliche regierung nicht alles anders machen würde, doch glaubt er an eine bessere stimmung, wenn es eine andere mehrheit in der regierung gäbe. o-ton in der bz: “Ich sage nicht, dass mit einer bürgerlichen Regierung alles realisiert werden könnte. Aber ich wehre mich, wenn man sagt, im Kanton Bern sei alles wunderbar und die Standortbedingungen seien besser geworden. Das stimmt einfach nicht.”

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“Das ist Nestbeschmutzung”

huch, da habe ich mich zu früh über den lahmen wahlkampf im kanton bern beklagt. heute liesst volkswirtschaftsdirektor andreas rickenbacher von der sp den bernischen wirtschaftsverbände gehörig die leviten.

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andreas rickenbacher weist gut bernisch den weg nach links, die wirtschaftsverbände sehen das genau umgekehrt

«Was man sagt, muss wahr sein», zitiert die berner zeitung in ihrem heutigen portrait regierungsrat rickenbacher. und was die wirtschaftsverbände dieser tage in die bernischen haushalte verschicken lässt, verstösst arg dagegen. o-ton des sozialdemokraten: die verbände der arbeitgeber, der unternehmer, der hauseigentümer und der bauern «schummeln und machen den Standort Bern wider besseres Wissen schlechter, als er ist»,

ihr gemeinsamer prospekt propagiert die wahl der fünf bürgerlichen kandidaten für die regierungsratswahlen vom 28. märz. damit treten sie geeinter auf als die parteien, die nominiert haben. um ihrer forderung nachdruck zu verleihen, legen die verbände dar, wo rot-grün dem kanton geschadet habe.

andreas rickenbacher hält kräftig dagegen. bei der steuerbelastung werde mit zahlen operiert, deren herkunft unklar sei. der unterstellte 23. rang im eidgenössischen vergleich stimme nicht. dafür verweist er auch die jüngste studie von der bak basel, die bern bei der Belastung des einkommen auf platz 15 aller kantone aufführt.

und der erboste regierungsrat ergreift gleich die offensive: unter den bürgerlich dominierten regierungen von 1994 bis 2006 seien die steuern in einer legislatur nie so stark gesenkt worden wie jetzt unter der rot-grünen.

rickenbacher weiss, dass der kanton bern strukturschwäüchen hat, jedoch nicht erst, seit die regierungsmehrheit gekehrt habe. sein fazit: «Dass aber die Wirtschaftsverbände für den kurzfristigen Wahlerfolg unser Ansehen aktiv beschädigen, verstehe ich nicht. Das ist Nestbeschmutzung.»

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