bär beisst löwe

hund beisst katze ist eine schlechte geschichte. besser ist es, wenn die katze den hund kneift.

katze-beisst-hunddie heutige sonntagspresse vermeldet, dass der berner wirtschaftsförderung ein überraschungscoup gelingen könnte. die berner regierung will sich für den swiss innovation park bewerben. wie andreas rickenbacher, berner volkswirtschaftsdirektor vermeldete, ist biel/bienne als standort vorgesehen.

auf einer grossen, ungenutzten fläche soll der campus der fachhochschule entstehen, der gleichzeitig kern der forschungsparks werden soll. gehofft wird darauf, dass auch die swatch group ihre forschung in biel/bienne konzentriert.

das nachsehen hätte dübendorf. der militärflugplatz war ursprünglich hierfür vorgesehen. doch zeigt der kanton zürich bisher wenig interesse an der realisierung. und so will nun biel/bienne in die lücke springen.

der zürich fdp-nationalrat ruedi noser lobt: «Bern ist einmal mehr schneller als sein Ruf und überrascht positiv», lässt er sich zitieren. da freut sich der berner bär für das schnippchen, dass er dem zürcher löwens schlagen könnte.

stadtwanderer

paradoxe intervention

eins ist schon länger klar: der entscheidende part in einer fusionsbewegung in der agglomeration bern kommt der stadt köniz zu. jetzt wird köniz ausgerechnet durch bern angestachelt, aktiv zu werden.

836c3617-eb89-4032-b005-0299ad749f95köniz kann in sachen fusionen zuwarten und damit bremsen. die stadt risikiert aber, das bern aktiv wird, und die zweite stadt in der agglomeration aussen vor lässt.
köniz kann umgekehrt ausschliesslich mit bern verhandeln, damit das zentrum verstärken, und so den druck auf die aussengemeinden erhöhen.
und köniz kann die grossen nachbargemeinden berns auf ihre seite ziehen, um mit mehr gewicht bern gegenüber auftreten zu können.

letzteres ist für köniz am attraktivsten. 40000 einwohnerInnen bringt man selber ein. fast ebenso viele haben die grossen agglomerationsgemeinden zusammen. das gibt eine tolle verhandlungsmacht gegenüber der hauptstadt mit 130000 einwohnerInnen.

die idee, die köniz auch schon herumgeisterte, nimmt nun ausgerechnet stadtpräsident alexander tschäppät ein. mit einer paradoxen intervention schlägt er vor, köniz, ittigen, ostermundigen und muri sollten zuerst untereinander fusionieren, damit die kernstadt mit der neuen agglostadt kooperieren könnte. das würde in der zusammenarbeit vieles vereinfachen. und im fall einer grossfusion zwischen beiden städten entstünde im zweiten schritt eine neue stadt grossbern mit mehr 200000 einwohnerInnen. diese wäre dann die nummer 2 unter den schweizer städten.

eine gute idee, die da im erlacherhof geboren wurde? – reaktionen sind gefragt, denn jetzt wird’s eins konkreter als bisher!

stadtwanderer

der stadtnomade

1921 kam robert walser 43jährig nach bern. an 15 verschiedenen adressen der bundesstadt sollte er in den folgenden 5 jahren wohnen. das murifeld gehörte ebenso dazu wie die elfenau oder die thunstrasse. ja selbst an der gerechtigkeits-, kram- und junkerngasse hauste der in biel geborene schriftsteller vorübergehend. weil er nie nirgends sitzleder hatte, nannte man ihn auch den stadtnomaden.

morlang_bernrobert walser, schweizer schriftsteller, in bern lebend, bevor er in die waldau eingeliefert werden musste

gelebt hatte der junge walser in vielen städten. gelernt hatte er das kaufmännische gewerbe. gereizt hätte es ihn, schauspieler zu werden. bei der probe durchgefallen, sattelte er um und begann zu schreiben. büroangestellte waren sein thema, die er der damaligen zeit folgend “commis” oder auch “gehülfe” nannte und die er als soziologische kategorie in die deutschsprachige literatur einführte.

in bern hatte walser in der person von joseph victor widmann, dem grossen literaturkritiker bei der zeitung “Der Bund”, eine gewichtige stütze, die sich wähnte, den wenig bekannten schriftsteller entdeckt und unter die grossen der deutschen literatur der zwischenkriegszeit eingeführt zu haben.

doch walser konnte davon nicht leben. sein versuch, im berner staatsarchiv ein geregeltes einkommen zu erzielen, scheiterte schnell. dazu schrieb er:

“Mein Bureauchef war neulich riesig artig zu mir, er sagte mir, ich könne nichts. Durft’ ich mir solches gefallen lassen? ‘Ei was’ erweiderte ich, ‘ich kann allerlei, ich kann zum Beispiel abdanken.’

und so war walser wieder auf der gasse, suchte nach dem romanfaden für “Die Räuber”, und verfasste daneben das, was man von ihm heute noch kennt: 1600 texte von literarischem gehalt. alles aus dem werk walsers ist das bei weitem nicht, denn vieles ging verloren, blieb in den anfängen liegen oder erschien irgendwo in einer zeitung, ohne dass jemand noch den überblick hatte.

robert walsers leben und wirken in bern beschreibt nun werner morlang in einem kleinen buch, das jüngst im zytglogge verlag erschienen ist. darin macht sich der ehemalige leiter des robert-walser-archivs auf die spuren des stadtnomaden. fotografien aus der berner zeit des schriftstellers hat er gesammelt, kontroverse zeugnisse über den eigenwilligen menschen hat er niederschreiben lassen, und ein einfühlsames tableau aus dem leben des dichters hat er selber verfasst.

wer das alles liesst, merkt, wie walser ende der 20er jahre litt. die wirtschaftskrise machte ihm zu schaffen, der zeitgeist änderte sich rasch und inspirierte den schriftsteller immer weniger. die strengen konturen der stadt, die walser anfänglich halt geboten hatten, lösten sich auf, der soziale kitt, den er mit kumpanen in den beizen hatte, verflüchtigt sich. und seine psyche erkrankte

von halluzinationen schwer geplagt, von angstzuständen mächtig getrieben, bricht er 1929 erschöpft in sich zusammen.

seine schwester rät ihm, in die waldau, die heilanstalt für nervenkranke, einzutreten. er folgt dem rat, und findet ein neues zuhause. kleinstgeschriebene texte, mikrogramme bezeichnet, verfasste er noch, bis er, 1933 nach herisau übersiedelt wird, wo er aufhörte zu schreiben.

nur noch wanderungen unternahm er am fusse des säntis, bis er 1956 auf einer seinem geliebten, unendlich langen spaziergänge starb.

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obwohl gerüchte faszinieren, ist es besser, sie zu ignorieren

das plakat enthält leerstellen, die zu einer mehr oder weniger losen kommunikationskette verknüpft werden. was dabei herauskommt ist, das gerücht, das uns immer wieder von neuem fasziniert, das wir aber besser ignorieren sollten.

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plakat zur ausstellung: wie ein gerücht entsteht, wovon es lebt, und warum es nichts taugt (foto: stadtwanderer)

eigentlich ist es ein museum. eines für kommunikation. unweigerlich verbinden wir damit eine gesamtschau grosser leistungen. des redens, hörens, schreibens, malens und sehens. die ausstellung “schon gewusst?” des berner museums für kommunikation geht aber nicht dem, sondern mit der fama den niederungen des alltagsgesprächs, den zeitungsenten und den filmsuggestionen nach.

wo menschen miteinander kommunizieren, taucht früher oder später das gerücht auf, heisst es in der ausschreibung zur ausstellung. das ist am familienfest genauso der fall wie im sportklub, im treppenhaus, am stammtisch, auf dem marktplatz, im büro, auf dem pausenhof, im coiffeursalon, am börsenring oder im parlamentssaal.

das gerücht ist weder richtig noch falsch, erfährt man am angang zur ausstellung. hauptsache ist, dass es durch seine flüchtige, vergängliche, unberechenbare form nur schwer kontrollierbar ist. denn genau eröffnet den für gerüchte nötigen raum für interpretationen. und das ist es, was das gerücht nicht wahrer macht, aber warm hält.

ein experte für verschwörungstheorien erklärt in der ausstellung via videobotschaft, warum dieser form des gerüchts nicht verschwindet. gott hat die welt geschaffen, behaupten die religionen. weshalb gibt es dann neben dem guten auch das schlechte in der welt, ist eine häufig gestellte frage. der antworten sind zwei: weil es gott nicht gibt, sagen die atheisten. oder weil es jemanden gibt, der den plan gottes durchkreuzen will, sagen die gläubigen. deshalb brauchen religionen die verheissung und den teufel, der zuschlägt, wenn es zu einem attentat auf würdenträger kommt oder wenn der mensch übergöttliche leistungen erbringt. und das ist die geburtsstunde der verschwörungstheorien.

es gibt auch profanere erklärungen von gerüchten: demnach wurzelt der ursprung des gerüchts in uns selber. denn kommunikation besteht immer aus einem sender und einem empfänger. dass dabei missverständnisse fast unvermeidlich sind, ist eine binsenwahreheit. denn die kommunikation kann die menschlichen empfänger überfordern. und die menschlichen sender können bewusst darauf setzen, falsch verstanden zu werden. je mehr sensation in der luft liegt, je mehr betroffen sein können und je prominenter der durch missverständnisse geschädigte ist, desto schneller verbreitet sich das gerücht, in unseren reden, aber auch in unseren medien, lehrt uns zwischenzeitlich die gerüchteforschung.

gerüchte sind denn auch das älteste medium, das die menschen geschaffen haben.

symbolisch für die absicht der gerüchte-präsentation in bern ist, dass das tragende gerüst der ausstellung aus einem gestell mit dünnen balken und viel luft besteht. es zieht sich durch den ganzen museumsraum wie eine wolke, die zuerst konturen zu haben scheint, doch je näher man kommt, aus lauter löchern besteht. nicht inhalte füllen die wolke im ausstellungsraum, über die man so oder so denken könnte und über deren richtigkeit man sich verständigen könnte. nein, es ist das zischen vieler stimmen auf tonbänder die einem beim rundgang begleiten, deren botschaften man über kopfhörer abhören könnte, ohne dazu wirklich motiviert zu sein.

denn wenigstens in der ausstellung weiss man, dass die verdichteten erzählungen nicht mehr als gerüchte sind.

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die fortgesetzte geschichtsklitterung

geschichte ist der bericht über vergangenes mit den augen der jeweiligen gegenwart. das vergisst die neueste publikation aus dem bernischen historischen museum, die der gründung der stadt bern gewidmet ist.

993945_Glanzlich_Nr20_UG_(001_001).pdf, page 1 @ Preflight (2)humbert mareschet ist den meisten meiner leserInnen wohl kein begrifft. historikerInnen dürften ihn schon kennen. denn der lyoner maler verfasste zwischen 1584 und 1586 im auftrag der stadt gemälde zur gründung der zähringersiedlung, die in der burgerstube des rathauses ausgestellt wurden. in den 1830er jahren wurden sie als zeugen des ancien régimes entfernt, und sind seither im bernischen historischen museum ausgestellt.

regula luginbühl wirz, kovervatorin an eben diesem museum, hat jüngst ein buch zu diesem zyklus herausgegeben. vorgestellt werden die grossen themen der lokal- und weltgeschichte: die stadtgründung, die rütlischwur, das urteil von könig salomon und anderes mehr. die kunsthistorikerin ist ganz in ihrem element, denn die lebensnahen und symbolträchtigen bilder von mareschet geben zu vielen interpretationen anlass.

und dennoch verfehlt das buch die wichtigste aufgabe der geschichte: zu zeigen, dass gewesene geschichte, die später festgehalten wurde, vor allem über die zeit des festhaltens etwas aussagt, weniger über die, aus dem das festgehaltene stammt. denn genau darin besteht eine der fundamentalen täuschungen ausgemalter geschichten.

so bekommen wir mit dieser puiblikation den ganzen bilderbogen zur gründungslegende noch einmal unkritisch kommentiert vorgeführt: der herzog berchtold von zähringen erteilt den auftrag zur gründung einer stadt an der aare. der erlegte bär gibt der stadt den namen. die zimmerleute richten das holz für die bevorstehenden bauarbeiten. der bau der stadt schreitet voran. die goldene handfeste des kaisers wird in einem feierlichen akt übergeben. seit 1218 hat bern dieses verfassung.

rainer schwinges, emeritierter professor für mittelalterliche geschichte an der uni bern, arbeitete jahrelang über genau diesen vorgang und die dokumente, die es dazu gibt. er zerzauste unsere zu bilder gefestigen vorstellungen von der stadtgründung stück für stück. der hauptpunkt seiner minutiösen sezierarbeit betrifft die handfeste.

denn kaiser friedrich ii. war nie in bern. sein sohn hat die stadt zwar geordnet, ihr einen schultheissen gegeben, die venner bestimmt, welche die steuern eintreiben mussten, und heinrich hat auch das stadtwappen mit dem bären eingeführt. von einer handfeste aber keine spur. vielmehr, sagt schwinges, sei diese, nach dem aussterben der staufer als herzöge von schwaben und römische könige 1254 im kloster frienisberg geschrieben und mit einem geklauten siegeln beglaubigt worden, ohne je einmal tinte der kaiserlichen familie gesehen zu haben. eine verunechtung wirklicher elemente, die zu einem fiktiven zeichen zusammengeführt wurden und so eine vorführung falscher tatsachen oder auch eine fälschung sind, nennt der historiker das.

regula luginbühl wirz zitiert professor schwinges im literaturverzeichnis zwar artig. mit seiner analyse setzt sie sich aber schon gar nicht auseinander. vielmehr erzählt sie die geschichte, wie man sie gerne hört, anhand der bilder mareschets ein weiteres mal nach. was quellenkritik meint, die man im proseminar des geschichtsstudiums lehrt, scheint sie ganz vergessen zu haben.

schade, schade, schade, sage ich da. denn die bilder des grossen künstlers im reformierten bern verlieren als zeugen ihrer zeit nicht an wert, auch wenn man sie ihrer geschichtsklitterung entkleidet!

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die hauptstadt-universität entdeckt langsam aber sicher die politik

viele haben den ball schon getreten. endlich nimmt ihn die uni auf. das magazin der berner hochschule, unipress genannt, widmet ihre nummer zum jahresübergang der politikforschung an der eigenen alma mater.

up_143_titelbildredaktoinsleiter marcus moser greift die wertschätzung von politik und wirtschaft auf. letztere blüht, wenn es den unternehmen gut geht. dann sind auch metropolen als zentren der ökonomischen wertschöpfung hip. kriselt dagegen die konjunktur, wendet man sich an die öffentlichen hand, hätschelt man den politikerInnen, und fragt man danach, was die verschiedenen metropolen zusammenhält.

an der berner uni bündelt der master of public administration seit einigen jahren die wechseldnen erwartungen an die politik und bildet künftige gestalterInnen in behörden aus. (der stadtwanderer führt sie übrigens meist in einer winternacht durch die gassen berns, und ziegt, wo die politik auf dem glatteis ausrutschte, pirouetten drehte oder souverän eine dreifache schraube stand). brigitte rindlisbacher, promovierte chemikerin, hat diese anspruchsvolle weiterbildung absolviert. sie ist seit knapp einem jahr die erste generalsekretärin des vbs. über ihren zweijährigen kurs sagt sie, grundlagen der modernen verwaltungsführung vermittelt bekommen und ein netz von kontakten zu mitstudierenden in ähnlichen positionen mitgenommen zu haben.

einer der leiter dieses kurses, reto steiner, professor für betriebswirtschaft, zeigt anhand einer erhebung bei 15’000 bürgerInnen mit exekutiverfahrung wie politik an der basis funktioniert. freude an der arbeit und politischer idealismus seien die hauptsächlichen treiber. denn der verdienst bleibt klar zurück. 29 franken in der stunde verdient ein mitglied eines gemeinderates im schnitt. in kleinen gemeinden ist weniger, in städten mehr. das habe mit der professionalisierung der politik zu tun, denn marktgerechte löhne seien wichtig, um gute leute für ein politisches amt gewinnen zu können.

der ethikprofessor wolfgang lienemann äussert sich kritich zum rudelverhalten im management von unternehmen, das jedes risiko des eigenen handlung vergessen lässt. gewinnaussichten lotsen die manager an, und der poker um die macht in der konkurrenz. erst wenn alle stränge durchschnitten seien, stützt man sich wieder auf die gemeinschaft – ohne zu lernen. doch muss sich leistung lohnen, für alle!, fordert er. allen vereinfachern von wirtschaft hält er entgegen: der gewinn basiert auf der wertschöpfung aller. besorgt zu sein, die exzesse in deren verteilung zu verhindern, sieht er als aufgabe der politik.

adrian vatter, professor für schweizer politik an der uni bern, fragt gemeinsam mit seinen mitarbeiterInnen, wie unsere kultur auf die unkontrollierten entwicklungen reagiert. dafür nimmt er sich der anerkennung von konfessionen in der öffentlichkeit an. im internationalen vergleich hält er zurückhaltung im kleinstaate schweiz fest. die römisch-katholische und die evangelisch-reformierte kirche sind, ausser in genf und neuenburg, in allen kantonen als landeskirchen anerkannt. die christkatholiken kennen diesen status in neun, die jüdische gemeinschaft in 6 gliedstaaten. muslime, genauso wie buddhisten, mormonen und zeugen jehovas werden dagegen nirgends privilegiert. denn konfessionen erhalten nur dann die anerkennung durch die mehrheit, wenn sie als genügend integriert gelten. das verlange nach gezielten vorleistungen beispielsweise in der integrationspolitik, denn die direkte demokratie begünstig den status quo, nicht veränderung.

die lektüre der broschüre bei einem heissen tee in kalter zeit fällt leicht und regt an. mehr davon wäre wünschenswert: mehr gute ausgebildete kader und mehr an der aktualität ausgerichtete forschungsprojekte, meine ich. denn so kann sich die uni bern als hauptstadt-universität profilieren. die bälle liegen schon mal bereit. jetzt braucht es noch viele torschützen und toschützinnen!

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steuern zahlen in der stadt bern und den nachbargemeinden

steuern zahlen ist selten angenehm. und schon gar nicht im kanton bern, wo es steuersätze über dem nationalen mittel gibt. ein mittel dagegen ist die verringerung paralleler ausgaben – durch gemeindezusammenschlüsse.

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steuerlich gesehen, lebt es sich in der region in muri bei bern am besten. der steuersatz liegt bei 0,99 einheiten. frauenkappelen kennt dagegen einen koeffizienten von 1,69. damit ist die gemeinde unter berns umittelbaren nachbarn die steuerlastigste.

grosse dynamiken hat das neu gestartete steuerjahr nicht gebracht. im zentrum konnten einzig köniz, ittigen und bremgarten ihren steuerfuss um einen halben zehntel senken. doch hat sich damit die lage der kernstadt in der unmittelbaren agglomeration eher verschlechtert, blieb doch der stadtbernische steuersatz dort, wo er schon länger ist. die 1,54 sind gleich hoch wie in wohlen und neuenegg, aber besser als in ostermundigen und frauenkappelen. alle anderen unmittelbaren nachbarn liegen etwas tiefer. konkret sind das bremgarten, zollikofen, kirchlindach, mühleberg, ittingen und muri.

nimmt man noch die wichtigen gemeinden in der agglomeration hinzu, auch wenn sie keine gemeinsame grenzen haben, verstärkt sich der eindruck, denn auch kehrsatz, stettlen und bolligen sind steuergünstiger als die hauptstadt.

steuersätze in bern und umgebung 2010 (kursiv: gemeinde der agglomeration ohne unmittelbar gemeinsame grenze)

0,99 muri
1,19 ittigen
1,25 mühleberg
1,30 kirchlindach
1,40 zollikofen, bolligen
1,45 bremgarten, kehrsatz, stettlen
1,49 köniz
1,54 bern, wohlen, neuenegg
1,65 ostermundigen
1,69 frauenkappelen

das ganze ist nicht nur ein zahlenspiel. es ist auch harte realität, vor allem mit blick auf gemeindezusammenschlüsse, wie sie von bern neu gründen angestrebt werden. bekanntlich sind diese unter drei bedingungen erschwert: beim mangel an gemeinsamen interessen, bei alten geschichten, welche die zusammenarbeit vor allem der behörden belasten – und bei unterschieden im steuerfuss.

zwar ist das kein rein-bernisches phänomen, denn die steuerfüsse sind hier generell hoch. doch ist eine hürde auf dem weg zu erfolg. der ist letztlich nur über einen umweg zu machen: dass die zusammenarbeit parallele ausgaben verringert und damit die belastungen generell senkt, sodass der künftige steuerfuss tiefer als im bisherigen mittel angesetzt werden kann.

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köniz auf historischen wegen erwandert

recht hat der röschtigraber: das könizer-buch von peter mosimann (“auf historischen wegen. köniz und umgebung“) ist die lektüre wert.

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Peter Mosimann auf einer Exkursion der ViaStoria in der Umgebung von Köniz (Quelle: emeidi)

eigentlich stammt peter mosimann aus burgdorf. beruflich gewirkt hat er aber in köniz. zuerst als lehrer, dann als forscher an der uni in bern, schliesslich als selbständiger buchautor mit köniz im mittelpiunkt. in den letzten sechs jahren hat der pensionierte ortskundler seine umgebung erwandert wie kein anderer. und genau darüber berichtet er in seinem soeben erschienen buch.

karten der gegend, die zwischen 1600 und 1900 gezeichnet wurden, waren mosimanns ausgangsmaterial. so erschloss er sich die welt von köniz, bevor die landgemeinden, die heute dazu zählen, mit der stadt bern zusammen wuchsen. doch dann ging es von der theorie in die praxis. räumlich aufgespürt wurden die 800 wege, die man in köniz annehmen konnte, egal ob sie heute überteert sind oder gras an ihrer stelle wächst.

mosimanns bericht ist ein einmaliges handbuch des weglesens. fein säuberlich listet der buchautor zuerst wegformen auf. dann beschreibt er wegbegleiter. ferner geht es ihm um fahrzeuge, die man heute kaum mehr sieht.

spannend fand ich vor allem das ausführliche kapitel über wegbegleiter: kirchen, burgruinen, gerichtsstätten bilden die grundstrukturen öffentlicher plätze im mittelalter, zwischen denen wege entstehen. tavernen, pinten und bäder säumen diese und dienen seit jeher dem gespräch wie dem geschäft. schmieden, mühlen, käsereien funktionieren nur, wenn es befahrbare wege gibt. genau gleiches gilt für steinbrüche und ziegeleien. und siechenhäuser sowie schulhäuser.

die gerade linie, abgegangene wege zu identifizieren, das tal ebenso, und gute kenntnisse von sümpfen und bergrücken sind unumgänglich, um sich verbindungen richtig vorzustellen, die es nicht mehr gibt. steine, mauern, bäume und brunnen werden da zu wegmarken, selbst wenn sie heute scheinbar sinnlos in der gegend rumstehen. peter mosimann hat das alles zu fuss erwandert. wer velo fährt, übersieht die details zu schnell, begründet er seine vorgehensweise.

der verkehrsforscher weiss, dass köniz von vier verbindungen lebt(e): zuerst vom jakobsweg zwischen thun und fribourg, der entweder über rüeggisberg oder dann über köniz ging. dann von der strasse, später von der eisenbahn zwischen bern und fribourg, die könizerboden durchqueren. schliesslich auch vom weg zwischen bern und thun, soweit man das links der aare bewältigte. ohne zweifel war für köniz aber entscheidend, dass man das hinterland, schwarzenburg!, mit einem weg erschloss. denn dieser ging und geht mitten durch den gemeindebann.

bis ins 18. jahrhundert, resümiert der verkehrsspezialist, seien die strassen schlecht und nicht von dauer gewesen. wenn es regnete oder schneite, waren sie kaum begeh- und befahrbar. doch dann kamen ingenieure, die meisten aus frankreich. sie vermassen das land, planten strassen dort, wo das gelände geeignet war, legte moore trocken, huben die hügelige erde aus, und schufen einen untergrund, um das wegtrassee zu sichern. die wegobefläche wurde leicht gewölbt, damit das wasser abfloss, links und rechts wurde es kanaliert und abgeführt.

bei meiner lektüre ist mir eines aufgefallen: wie siedlungen von wegen abhängigen, die nicht immer wieder zu natur werden. das erlebe ich jeden sommer in schweden eins zu eins. von da weiss ich auch, wie aufwendig der bau von strassen ist, die halten, was sie versprechen. und es ist mir auch klar, dass sich nur so eine wirkliche sesshafte zivilisation entwickeln kann, die leistungsfähiger ist, – und genau hierfür ihre sicheren wege braucht. genau diese historische entwicklung der könizersiedlung kann man mit dem buch “auf historischen wegen” sicheren fusses selber nachvollziehen.

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das unsterbliche nachleben

eigentlich ist es ein trauriges buch, denn es handelt vom tod. doch ist es wunderbar gemacht, dass man sich darüber dafür interessiert. gerade weil es nicht nur eine dokumentation der ruhestätten auf schweizer friedhöfen ist, sondern auch eine fundgrube der kultur, wie wir mit prominenten umgehen, die uns verlassen haben.

imageshanspeter buholzer, 52, ist basler, der im emmental lebt. in seiner selbstbeschreibung hält er simpel fest, schneekugeln zu sammeln. und seit seiner jugendzeit gräber bekannter personen im in- und ausland aufzusuchen. die fotos, die dabei entstanden, hat er nun zu einem dezent-schönen buch zusammengestellt. tief schwarz, wie es sich in ehrfurcht vor den toten geziemt, sind die seiten. in unschuldigem weiss sind nur die knappen texte, die, soweit nötig, uns an die menschen erinnern, die uns verlassen haben, aber immer noch hier sind.

bei niklaus von der flüe, jean calvin und jürg jenatsch ist klar, dass sie tot sind. bei andern zuckte ich zuerst zusammen, denn ihr ableben war mir entgangen. zum beispiel bei peter brogle, dem schauspieler, monika morell, die sängerin, oder gianpietro zappa, den fussballspieler. klar war mir, dass der russische revolutionär michail bakunin in bern begraben liegt, der spanische schriftsteller jorge luis borges in genf ruht, und charlie chaplin am genfer see seinen frieden gefunden hat. beim deutschen naturwissenschafter und buchautor georg büchner war ich dagegen überrascht zu erfahren, dass sein grab in zürich liegt, ebenso dass das von coco chanel in lausanne ist oder das von audrey hepburn im beachbarten tolonchenaz.

einige gräber hätte der buholzer wohl gerne fotografiert, aber sie sind der allgemeinheit nicht zugänglich. das von friedrich dürrenmatt in neuenburg gehört dazu, ebenso wie das von germain de stael in coppet. niklaus meienberg wiederum lebte und starb in vollen zügen in der schweiz, seine asche jedoch schwimmt in der seine. und die von mäni weber reinigte die rütli wiese vor unkraut. brigadier jean-louis jeanmaires überreste nach der kremation sind verwehte der wind, der über den simplon pfieft.

von huldrich zwingli findet man gar nichts mehr. sein leichnam wurde nach der schlacht von kappel achtlos verbrannt. dällebach karis grab wiederum wurde ganz einfach aufgegeben, und wo adrian von bubenberg begraben liegt, hat nicht einmal der spezialist für solche fragen herausgefunden. dafür weiss man, dass getrud von hohenberg, die erste frau von könig rudolf von habsburg, in basel ihren grabstein liegen hat, selbst wenn sie, entgegen ihrem letzten willen, heute in st. paul in kärnten begraben ist.

auffällig ist der grabsteine von reynold tschäppät – in seiner form und grösse erinnert er an den legendären stadtpräsidenten von bern. wie der des individualisten jean tinguely in neyruz aussieht, kann man sich vorstellen, selbst wenn man ihn nicht gesehen hat. das gilt auch für den von robert lips, dem legendären zeichnet von globi. und albert hofmann, den erfinder von lsd, hat gar keinen. ein baum steht da, wo er ruht, und den grabstein dazu kann man sich in allen farben und formen selber vorstellen.

schrecklich ist das monument auf dem grab von general herni guisan, dem schweizer feldherr im zweiten weltkrieg. wunderbar dafür dafür die gedankliche und sichtbare erinnerung an willy ritschard, dem solothurner arbeiterbundesrat. und am traurigsten in diesem traurigen buch ist das von mileva einstein in zürich. die frau der berühmten nobelpreisträgers, die am schluss ihres lebens arm und einsam in zürich starb, hat gar kein grab mehr. es wurde ganz einfach eingeebnet. dem sonst so unsterblichen nachleben eines menschen in symbolischer form wurde damit ganz einfach ein ende gesetzt.

wer das gerne alles sehen möchte, dem empfehle ich ohne jede einschränkung das einzigartige kulturgeschichtliche werk “immortalis”. oder wanderungen auf den friedhöfen, die einem dadurch so ungewöhnlich nahe gebracht werden.

stadtwanderer

wie köniz und bern auseinander fielen

will man die historische bedeutung von köniz verstehen, muss man sich mit dem einheimischen augustiner chorherrenstift und dem päpstlichen deutschorden in unserer gegend beschäftigen. sie zeigen nachwirkungen auf die gemeindebildungen – bis heute.

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wappen der gemeinde köniz: identisch mit dem des deutschordens, im kopfsteinpflaster vor dem (reformierten) pfarrhaus (foto: stadtwanderer)


die kolonierung des niemandslandes

mit der völkerwanderung kamen burgunden und alamannen ins gallorömische mittelland. sie vertrugen sich nicht. im 7. jahrhundert bildete sich ein grenzraum zwischen ihnen aus, ein no-mans-land vor allem links der aare, begrenzt durch die saane. doch mit dem landesausbau im 11. jahrhundert fiel diese neutralisierte begegnungszone. die sense, die mitten durch das hügelige wald- und moosgebiet floss, wurde zur neuen grenze.

die cluniazenser, ein burgundischer reformorden des papstes, gründeten in den 1070er jahren rechts der sense das kloster rüeggisberg. das war fast ein übergriff. im gegenzug entstanden verschiedene chorherrenstifte, welche die kleriker aus der region sammelten, ohne sie einer strengen regel und einem nach innen gerichteten klösterlichen leben unterzuordnen.

über die frühe geschichte des könizer chorherrenstiftes ist wenig bekannt. man weiss nicht einmal das gründungsdatum. das spricht, anders als in interlaken, gegen einen reichsschutz. vielmehr war der probst dem (burgundischen) bischof von lausanne unterstellt. gleich fünf kirchgemeinden stand der könizer vor: natürlich der von köniz, aber auch der von bümpliz, mühleberg, neuenegg und überstorf. damit war seine vormachtstellung im nördlichsten teil zwischen aare/gürbe und sense/saane unbestritten.

der konflikt zwischen köniz und bern
das änderte sich mit der zähringischen stadtgründung. denn bern war eine schwäbische gründungsstadt, die im kirchensprengel von köniz lag. deshalb war das erste gotteshaus in der stadt nur eine kapelle, und die gründungsbewohnerInnen mussten jahrelang nach köniz zur messe. daselbst wurden sie auch getauft und beerdigt.

mit dem aussterben der zähringer ordnete der deutsche könig die verhältnisse neu. friedrich ii. erhob bern 1218 zur reichsstadt; sie war jetzt weder burgundisch noch schwäbisch. das umland verteilte er auf die grafen von savoyen im burgundischen bereich und von kyburg im schwäbischen. im bernnahen köniz wählte er jedoch eine andere lösung. eben zum kaiser aufgestiegen, schickte er über seinen sohn heinrich, den neuen deutschen könig, ritter des deutschordens in die gegend und vermachte ihnen das könizer chorherrenstift.

zuerst wehrte man sich in köniz gegen die deutsche kolonisierung heftig. bis 1235 kam kein einziger ritter aus dem norden nach köniz. doch dann änderte sich alles schrittweise. 1243 verzichtete der bischof von lausanne auf seine rechte und entschied, das stift als kommende an die deutschen ritter zu geben. damit kümmerten sie sich nicht nur um das geistliche leben, auch die einkünfte aus den kirchgemeinden gingen an den orden. und die könizer kirche unterstand einem deutschritter-pfarrer und damit direkt dem papst.

die stadt bern reagierte geteilt. die bevölkerung sympathisierte mit den einheimischen, burgundisch geprägten chorherren. nach dem schiedsspruch weigerte sie sich 10 jahre lang, nach köniz in die deutschordenskirche zu gehen. sie feiert die messe in der eigenen kapelle. erst 1253 näherten sich die parteien unter schultheiss peter von bubenberg wieder an. 1256 jahre später ging die stadt mit dem deutschorden ein burgrecht ein. 1276 gewährte diese der stadt das recht, einen eigenen kirchensprengels und damit die kirchliche loslösung von köniz einzuleiten. damit waren die kirchen wieder im dorf, resp. in der stadt, wenn auch durch die stadtmauer getrennt.


der späte sieg der stadt in der reformation

der bau des berner münsters nach 1420 leitete die ablösung der stadt vom deutschorden ein. 1484 hatte man im neu gebauten münster ein eigenen chorherrenstift st. vinzenz eingerichtet, und beim papst die loslösung vom deutschorden erwirkt.

wie alle anderen kirchen auf berner boden, mussten sie 1528 der neuen glaubenslehre folgen, und wurde sie teil der bernischen staatskirche. bestehen blieben aber die getrennten kirchgemeinden von bern und köniz, die mit der armenfürsorge auch weltliche aufgaben übernahmen und die vorläuferorganisationen der politischen gemeinden im kanton bern sind, die zwei städte in einer agglomeration repräsentieren.

bis heute hat die stadt bern die herzogskrone des zähringer im wappen; köniz hat auf das emblem des deutschordens zurückgegriffen.

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die oft vergessene stadt

wer von der agglomeration bern spricht, übersieht gerne, dass sie gleich aus zwei städten besteht. zeit, das so oft übersehene köniz zu entdecken.

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blick auf köniz (bild: ueli raz)

mit gut 38’000 einwohnerInnen ist köniz die grösste agglomerationsgemeinde der schweiz überhaupt. das ist in zahlen zwar nur gut ein viertel von bern, reicht aber in der schweizerischen städteparade problemlos für den 12. platz – gleich hinter biel/bienne und thun, aber vor la chaux-de-fonds und schafhausen.

das geheimnis des berner vorortes besteht darin, aus einem zusammenschluss zahlreicher siedlungen entstanden zu sein, von denen mehrere ähnlich stark waren: köniz, wabern, liebefeld, spiegel und schliern sind bis heute die fünf wichtigsten unter ihnen. mehr als 1000 bewohnerInnen haben noch niederscherli, nieder- und oberwangen sowie schwanden. hinzu kommen 13 weiler, wovon herzwil mit 55 bewohnerInnen der kleinste ist. für fusionsgemeinden hat köniz fast schon modellcharakter. die kerngemeinde gibt den namen, die 10 weiteren wichtigeren vormaligen dörfer bleiben als quartiere bestehen.

einen vorteil hatte man aus der geschichte mit auf den weg bekommen: hervorgegangen sind die gemeinden 1834 aus der gemeinsamen kirchgemeinde mit der berühmten kirche von köniz., die burgundischen ursprungs sein dürfte. zunächst war man in viertelsgemeinden organisiert, die 1878 zur jetzigen gemeinde zusammengefasst wurden. 1929 machte bern köniz ein angebot zu einer fusion. “gross-bern” hätte damals entstehen können, – und zusammen würde man heute gegen 180000 einwohnerInnen haben. doch anders als bümpliz, das aus purer not mit der stadt bern fusionierte, lehnte köniz die zusammenlegung mit der stadt ab.

durch den ausbau von infrastrukturen, wohnquartieren und arbeitsstellen in köniz sind die beiden städte heute weitgehend eins geworden. häufig kennen nur ortserfahrene die gemeindegrenze. die zahlreichen beamten des bundesamtes für gesundheit, vertrinärwesen, meteorologie oder landestopografie wissen wohl nicht alle, dass sie gar nicht in der so oft zitierten beamtenstadt bern arbeiten.

politisch gibt sich köniz bis heute auspgesprochen selbstbewusst; die stadt versteht sich als vorreiter gegenüber dem zentrum: bei den wahlen 2009 in die gemeindebehörden (!!!), gab es erstmals eine rotgrüne mehrheit. die sp ist mit zwei, die grünen mit einer vertretung in der fünfköpfigen stadtexekutive vertreten, und die bürgerlichen parteien sind in die minderheit versetzt worden.

die sozialdemokratInnen stellen mit luc mentha traditionellerweise den “stapi” von köniz. genauso wie in bern, möchte man sagen. doch anders als in grossen kernstadt senkte man in köniz kurz vor den jüngsten wahlen die steuern. nicht zuletzt um im standortwettbewerb zu bern attraktiv zu bleiben!

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