Warum wir den 12. September als Geburt der Schweiz feiern sollten

Der 12. September 1848 war einer der seltenen Momente, an dem sich in der Schweiz ein breiter Horizont auftat, der stärker war als der Schatz der bisherigen Erfahrungen.

Der 12. September 1848 war einer der seltenen Momente, an dem sich in der Schweiz ein breiter Horizont auftat, der stärker war als der Schatz der bisherigen Erfahrungen.
1848 entstand die Schweiz im Herzen Europas. Man war jetzt ein eigenständiger und souveräner Staat. Die neue Bundesverfassung brachte erstmals Freiheitsrechte und neue Institutionen. Das Zweikammerparlament von heute geht genauso wie der siebenköpfige Bundesrat auf die Gründung des Bundesstaats zurück.

Die vormoderne Schweiz

Der Wiener Kongress ordnete 1815 Europa neu und machte aus der Schweizerischen Eidgenossenschaft, wie man jetzt hiess, einen Pufferstaat zwischen Frankreich und Österreich. Formell war man wieder ein Staatenbund, außenpolitisch wurde man neutralisiert, bekam aber die Möglichkeit, eine eigene Armee aufzubauen.
Die Schweiz blieb ein Alana voller 1815 voller Rivalen und ein Kunterbunt an politischen Regimes. Da gab es die Landsgemeinde Kantone wie Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden. Aus früheren Reichsstädten wie Bern, Zürich, Luzern waren Adelsrepubliken geworden. Und es existierten die von Napoleon geschaffenen Kantone wie Tessin, St. Gallen, Thurgau, Aargau und Waadt. Hinzu kamen Föderationen wie Graubünden und Wallis und mit Neuenburg gar Teil einer Monarchie.

Die Entwicklung zur modernen Schweiz

Die eigentliche Wende kam in den 1830er Jahren. Alles begann im Kanton Tessin, wo im Kampf gegen die katholische Kirche die erste repräsentative Demokratie entstand. Aufgeklärt wie sie war, basierte sie erstmals auf einer Verfassung, Menschenrechten, einem allgemeinen Männerwahlrecht und Gewaltenteilung, gestützt von der freien Presse.
Neuneinhalb Kantone folgten bis 1833: Alle wurden repräsentative Demokratien. Allerdings, der schnelle Versuch, 1832 daraus einen Bundesstaat zu gründen, scheiterte.
Der zweite Anlauf brachte den Durchbruch. Selbstverständlich war das auch diesmal nicht. Progressive und Konservative standen sich unversöhnlich gegenüber. Große Streitpunkte waren die Volksmitsprache und die Klosterschliessungen. Jene bewegten die diskriminierte Landbevölkerung ohne politische Rechte. Die Klosterschliessungen befeuerten wilde Freischarenzüge gegen Luzern.
Die Schweiz radikalisierte sich. Weltanschauungen und Konfessionen überlagerten sich und verschärften den Konflikt, bis die Tagsatzung die militärische Auflösung des Bundes Abtrünniger beschloss.
Den Bürgerkrieg Ende 1847 gewannen die regulären eidg. Truppen gegen die Aufständischen des Sonderbunds. Den katholisch-konservativen Kantonen blieb nur die Kapitulation. Das ebnete den Weg für die Staatsgründung durch den Freisinn.

Die Neuerung von 1848

Die friedliche Einigung über die neue Staatsform ging von der Verfassungskommission der Tagsatzung aus. Vertreter aller Kantone formulierten in bloß 51 Tagen die erste Bundesverfassung. Strittig war vor allem die Parlamentsfrage. Da einigte man sich auf eine ausbalanciertes Zweikammerparlament nach amerikanischem Vorbild mit vorerst 111 National- und 44 Ständeräten. Beide sollten separat tagen, beraten und beschließen. Das war die Konzession der Kriegsgewinner an die Besiegten.
Am 12. September erklärte die Tagsatzung im Berner Rathaus zum Äußeren Stand die Annahme der neuen Verfassung. 15.5 der 22 Kantone und rund 70 Prozent der Stimmenden waren dafür gewesen.
Das erste Parlament konnte gewählt werden. Die Kantone bestimmten die Ständeräte. Den Nationalrat wählten erstmals die Stimmbürger in Wahlkreisen innerhalb der Kantone. Die Vereinigte Bundesversammlung wiederum wählte den ersten Bundesrat.
Die Schweiz war aus eigener Kraft ein souveräner Staat geworden.

Die Leistung im Rückspiegel

Rückblickend erweist sich erstens der Kompromiss in der Staatsform als entscheidend. Demokratie- und Föderalismus-Prinzipien fanden in der Republik Platz.
Ein zweiter Grund war der Ausbruch aus der wirtschaftlichen Not. Geschaffen wurde 1848 ein Binnenmarkt ohne Zölle an den Kantonsgrenzen, dem Schweizer Franken als gemeinsam Währung und der Post als erste nationale Institution. Die Gründung des Polytechnikums als eidg. Hochschule vollendete den ambitionierten Modernisierungsplan.
Drittens, vor allem Großbritannien stand der Schweiz zur Seite. Das Interesse an der Industrialisierung machte beide Staaten zu Partnern. In allen anderen Nachbarstaaten herrschte zuerst ein revolutionärer Geist, bevor die Reaktion überall siegte. So ist die Schweiz das einzige Staatsgründung von 1848, die von Dauer sein sollte.
Noch war man 1848 keine reife Demokratie wie heute. Man schaffte den ersten Schritt zur «electoral Democracy», basierend auf dem Volkswillen. Die Mängel beim «institution building» wurden bald behoben. 1874 bekamen auch die Juden die Grundrechte. Mit dem ständigen Bundesgericht wurde die Gewaltenteilung vollendet. Und dank dem Gesetzesreferendum machte man den ersten Schritt zu Volksrechten. Das katapultierte die Schweiz an die Spitze der Demokratie.
Kritik blieb wegen dem unvollständigen «nation Building». Erst 1891 schlossen Siege und Gewinner des Bürgerkrieg einen Burgfrieden, näherten sich an und teilten sich die Machte im Bundesrat. Gar bis 1971 mussten die Frauen warten, bis auch sie als vollwertiger Teil der Nation angesehen wurden und die politischen Rechte bekamen.
1848 war die Schweiz auf dem Kontinent eine veritable Ausnahme. Denn nirgends gab es damals eine stabile Republik, die gleichzeitig demokratisch und föderalistisch war. Daran sollte man sich an jedem 12. September erinnern!

Etwas gekürz erschienen im Sommerheft der Weltwoche

Diglossie

Es sei eine spezielle Form der Zweisprachigkeit, eine funktionale, schrieb der Tagesanzeiger gestern. Einen kulturellen Sonderfall in der Schweiz, nennt er sie sogar.

Demnach würden alle Menschen, die in der Schweiz aufwachsen, Dialekt sprechen. Wortwahl und Grammatik seien schicht- und kulturabhängig, nicht aber die Nutzung des Schweizerdeutschen. Ob man sie verwendet oder die Schriftsprache entscheide einzig die Situation. Und die lokale Verankerung der Dialekte zeige an, wo man aufgewachsen sei.
Nun waren wir gestern im Umfeld von Holzhausen erstmals einkaufen. Vorräte anlegen für die längere Zeit im einsamen Norden, war die Devise. Die einheimischen Einkaufszentren heißen in der Regel ICA. So auch unseres.
Und siehe da: In den Gestellen nach dem gewünschten Essen und Trinken suchend, hörten wir unverkennbar … Schweizerdeutsch! Aber nicht nur: Uns war sofort klar, dass es sich um eine Gruppe aus dem Baselbiet handeln musste. Denn der Dialekt war unverwechselbar.
Da haben wir in unserem Mundart einige Worte getauscht und beobachtet, wie man auch uns beobachtete. Etwa aus Bern dürften sie sich gedacht haben.
Unglaublich, wie gut diese Form der Diglossie selbst im 21. Jahrhundert auch in der Ferne funktioniert! Mitten im schwedischen Gewusel stach die Eigenart der Schweizer Dialekte sogar besonders heraus.

#Nordwärts: Das Kattegat(t)

Das Wort erinnert mich an den Geografie-Unterricht: Das Kattegat und das Skagerrak waren Lieblingsthemen des Lehrers. Ich aber wusste nie, wo es zwei TT oder nur einen R hatte.
Heute fahre mit Stena Line durch das Kattegat. Das ist die Meeresenge zwischen dem dänischen Jütland und dem schwedischen Westland. Genau genommen geht es zuerst durch den Belt. Denn wir tuckern diese Nacht von Kiel bis Göteborg. Rund 14 Stunden dauert die Reise.
Die Germanica mit Sulzer-Motoren ist eine Fähre für Laster, PW und Menschen. 1300 Passagiere kann sie aufs Mal transportieren.
Zwischenzeitlich habe ich auch gelernt, was Kattegat (dänisch, schwedisch aber Kattegatt) heißt: Katzenloch!
Das Wort leitet sich aus dem Niederländischen her. Deren Kaptäne zu Hanse-Zeiten fürchteten die besagte Meeresenge wegen ihren zahlreichen Untiefen und engen Passagen dazwischen. Und nannten sie deshalb Katzenloch.
Jetzt hoffen wir mal, der heutige Kapitän und seine Crew finden den Durchgang!

Holzhausen wartet

Die Sommerferien 2023 kommen näher. Ich bin noch kurze Zeit in der Schweiz, dann reise ich per Zug und Schiff in den hohen Norden.

Holzhausen, wie ich unser Zuhause im Norden,nenne, wartet schon auf mich. Es gibt hoffentlich einen angenehm warmen, aber nicht heissen Sommer. Arbeit auf unserem Einod gibt es genug.
Zurück bin ich erst am 27. August, rechtzeitig für den 12. September (Gründungsfeier des Bundesstaat), den 22. Oktober (eidg. Wahlen) und den 13. Dezember (Bundesratswahlen).
Und selbstverständlich komme ich auch als @stadtwanderer_ zurück!
Ich freue mich auf die Auszeit und den last swing im Berufsleben.

C.

Foto: Junger Morgen in Holzhausen