Nur das Berner Münster war den alten Eidgenossen abhörsicher genug!

Besuch in der oberen Sakristei des Berner Münsters, wo die Eidgenossen den Burgundern den Krieg erklärten

Seit Jahren erzähle ich auf meinen Stadtwanderungen vor dem Berner Münster folgende Geschichte: Den berühmtesten aller Kriege Berns, den Burgunderkrieg, erklärten die Eidgenossen 1474 in der oberen Sakristei des grossen Gotteshauses. Damit provozierten sie die Nachbarn, was zu Schlachten in Grandson, in Murten und schliesslich in Nancy führte, über die das burgundische Herzogtum unter Karl dem Kühnen unterging. Ein wahres Stück spätmittelalterlicher Geschichte Europas!
Felix Gerber, der Sigrist des Berner Münsters, der früher einmal bei mir Politikwissenschaft studiert hatte, erzählte mir gestern, warum man für den einmaligen Akt in der Geschichte der Eidgenossenschaft die ehrwürdige Sakristei gewählt habe: Dem neu erbauten Rathaus traute man nicht, dass es abhörsicher genug sei. Die dicken Wände des Münsters boten hier mehr Sicherheit vor burgundischen Spitzeln. Sein Gymnasiallehrer, Urs Zahnd, ein Spezialist für den Münsterbau, habe ihm das vor langer Zeit erzählt. Sicher ist, dass sich die Vertreter der damals 10 eidgenössischen Orte im Obergeschoss der Sakristei zusammenfanden, um den Entscheid zu fällen. Den Brief, den sie am 16. Oktober 1474 verfassten, sandten sie an den Burgundischen Hof – und das Schicksal nahm seinen Lauf. Burgund gibt es nur noch als Teil Frankreichs, derweil aus der Eidgenossenschaft von damals die Confoederatio Helvetice wurde.
Wir standen gestern in einem weitgehend leeren und kahlen Raum. Das Schmuckvollste was das Bild des Berner Reformators Berchtold Haller, das in der hinteren Ecke hing. Das Zimmer beherbergte zudem einen kleinen Holztisch und einen grossen Kasten. Der ist neuerdings Programm, denn in den historisch so bedeutsamen Räumen befindet sich während den Messen im Münster der Kindergarten, und der Schrank ist voller Spielsachen! Bei Konzerten diene der Raum zudem dem Einsingen der Gäste, erklärte der Sigrist; denn Dank dicken Mauern höre man in der Kirche nichts davon. Gerber zeigte auch den Boden aus Ziegeln, die man seinerzeit in den Lauben zum Trocknen ausgelegt hatte. Hunde und Kinder seien darüber gelaufen bevor alles hart war, und so findet man bis heute Spuren von früheren Füssen und Tatzen m Boden der oberen Sakristei.
Einen kleinen Moment machte ich mir Gedanken, mich als Hilfssheriff in der Sakristei zu bewerben. Denn das Geheimnis rund um die Kriegserklärung an Karl ist nur eines der Mysterien, die das riesige Gebäude beherbergt. Man könnte wohl noch Jahre lang darin stadtwandern, um Neues zu entdecken und neue Geschichten zu erzählen.
Aber das ist eine andere Geschichte …
Stadtwanderer