neues berner postkartenbild

gestern nahmen die berner senatoren den neuen bahnhofplatz in beschlag. exklusiv. heute nun ist das volk an der reihe. gut durchmischt feiert es unter dem baldachin. doch an die 400 bauarbeiter, welche die büez geleistet haben, scheint niemand zu denken.

postkarte34.JPGpostkarte11.JPGpostkarte22.JPG

ausser irene karpiczenko-wasem. auf diesem blog keine unbekannte. sie hat den ganzen umbau des berner bahnhofplatzes dokumentarisch mitverfolgt und belegt. und sie hatte eine originelle idee: das berner postkarten-bild soll neu geprägt werden. ihre besten fotos während des baldachinbaus stellt sie heute im dachgeschoss des burgerspital aus.

postkarte42.JPGpostakrte71.JPGpostkarte61.JPG

dabei kommen die schweren brummer in gelb, die kabel in blau, der beton in grau und die bauarbeiter in orange vorzüglich zu geltung. bravo, jungle-jill! mein berner postkartenpreis ist dir sicher.

stadtwanderer

der plan des stadtwanderers

nun ist es soweit: meine planung für stadtwanderungen vor den sommerferien ist abgeschlossen. ich mache noch drei führungen, davon eine offene. konkret sind dies:

pc280596.JPG

30.5.: demokratie-tour, delegation der korean democracy foundation (geschlossene gesellschaft)

13.6.: demokratie-tour, delegation aus thun, geleitet von heinz fahrni (geschlossene gesellschaft)

22.6.: offene führung durch die ausstellung “karl der hühne”

im juli ist sommerpause. danach sind vorerst zwei führungen gebucht:
28.8. demokratie-tour, jahrestreffen der cohep (geschlossene gesellschaft)

30.9. internationale delegation, geleitet von iri europe (thema und status noch offen)

eine führung in schaffhausen ist für den september in planung. mehr darüber später!

also: wer in der stadt ziellos umherirrt, der oder die schliesst sich uns besser an, oder regt selber eine führung an!

ein heisses wochenende unter dem schützenden baldachin, wünscht der

stadtwanderer

es lebe das archiv

um ganz ehrlich zu sein, ich bin ganz paff. seit einem monat betreibe ich den “alten stadtwanderer” nur noch als archiv. die aktuellen beiträge kommen dagegen auf den neuen stadtwanderer.

und dennoch sind die nutzungszahlen auf dem alten stadtwanderer, dem hier, kaum zurückgegangen. 90’000 seiten gibt der interne zähler an, das ist der mittelwert der letzten 6 monate.

mit anderen worten: der alte stadtwanderer ist ein selbstläufer. google-ratings, externe links und gewohntheit bescheren mir hier viel verkehr.

vieles davon geht unverändert auf robots einerseits, auf abonnemente anderseits zurück. robots sind bekanntlich nicht lernfähig, abonnenten indessen schon: ich lade sie deshalb ein, den neuen stadtwanderer auch zu berücksichtigen. kostet ja nichts!

und hier, was am alten stadtwanderer im mai 2008 unverändert am meisten interessiert hientiert ist hat:

1. (longseller, vormals 1)
meinstein (1): albert einsteins berner jahre
zirka 750 direktviews
albert einstein, stadt bern, geschichte

2. (newseller)
le mouvement suisse pour la modernisation du pays
zirka 730 direktviews
schweiz, geschichte, liberale revolution

3. (longseller, vormals 4)
körpersprache des bundesrates
zirka 510 direktviews
neujahrsfoto 2007, bundesrat, politik

4. (longseller, vormals 7)
falsche geburtstage der schweiz
zirka 430 direktviews
schweiz, geschichte, geschichte der geschichte

5. (reseller)
kaum zu fassen
zirka 390 direktviews
schweiz, geschichte, kaiserin aus bümpliz

6. (reseller)
räume sehen und lesen lernen
zirka 300 direktviews
raum und zeit, neue geschichtswissenschaft

7. (longseller, unvervändert)
wörter werden
zirka 270 direktviews
bern, alltag, linguistik

8. (longseller, unvervändert)
mit meinen favoriten unterwegs (oktober 2006)
zirka 260 direktviews
meine favoriten, blogosphäre

9. (reseller)
die burgunder- und die alemannenthese
zirka 255 direktviews
geschichte, mein lebensraum

10. (newseller)
7 gründe
zirka 250 direktviews
blogosphäre, was warum gelesen wird

das kann ich nur sagen: es lebe das archiv!

stadtwanderer

wenn sich der stadtwanderer mit den landwandererInnen trifft

es ist zwar schon eine weil her, aber ich erinnere mich gut: letzten herbst ging ich mit dem kurs der exkursleiterInnen des bernischen natur- und vogelschutzes den mont vully besuchen. und ich entschied mich spontan, ihnen die kulturgeschichte des berges erzählen. mit vollem erfolg: jetzt ist die rede in der sondernummer des “turmfalken”, der hauszeitschrift der natur- und vogelfreunde erschienen.

2255489453_6b533d4c50.jpg

foto: stadtwanderer-flickr

die exkursionsleiterInnen machen sich mehrfach im jahr an einem sonntag morgen auf und davon, um all das, was sich in der natur bewegt, zu beobachten. erstmals dabei, hörte ich den spezialistInnen unter den landwandererInnen gebannt zu, als es um schmetterlinge, käfer und vögel ging, die ich alle noch nie gesehen hatte.

und ich revanchierte mich: während der mehrstündigen exkursion entschied ich mich, am hang des mont vully mit herrlichen blick über den murtensee den wanderer-kollegInnen die kulturgeschichte des berges zu erzählen, dessen natur sie soeben studiert hatten. manche staunt zuerst nicht schlecht, doch immer mehr öffneten sich nun ihnen die augen für sache und zusammenhänge, die sie sonst übersehen hätten.

der “turmfalke”, das publikationsorgan der natur- und vogelschützer, hat dieser tage eine sondernummer zum mont vully herausgegeben, und meine verschriftlichte rede über einen meiner lieblingsberge abgedruckt.

wen es interessiert, die zusammenhänge zwischen natur und kultur, zwischen sesshafter und wandernder bevölkerung, zwischen verkehrs- und stadtgeschichte, zwischen römischer und germanischer zivilisation von der kuppe des mont vully aus erzählt zu erhalten, der lese ganz einfach unter dem nachstehenden link weiter!

stadtwanderer (in gedanken wieder mal auf dem land)

turmfalke.pdf

meine geschichte, die ich damals über die wanderung auf dem stadtwanderer erzählte


bagdad in bern ?

nun ist er in aller leute mund, der neue baldachin auf dem berner bahnhofplatz. schade nur, dass sich niemand gedanken macht, was woher das wort und sein sinn nur kommen!

2517870837_160ba99926.jpg

ich will es gleich sagen: der neue baldachin auf dem berner bahnhofplatz gefällt mir gut. ich habe die aufregung während der ausschreibung, der planung und der entscheidungen resp. dem rekurs zum bau nie richtig verstanden. gut, während des baus selber bin ich als quasi-nachbar des bahnhofplatzes manchmal auch genervt gewesen. jedenfalls war ich froh, als sich das ende abzeichnete.

in einsamen studen bin ich dabei den wortbedeutung von baldachin nachgegangen, und habe folgendes herausgefunden:

erstens, baldachin, im italienischen baldacchino, steht für einen stoff, konkret für den brokatstoff, der fest und gemustert ist, aus seide besteht, und in den dem goldfäden eingewoben wurden. verkauft wurde dieser stoff, der aus dem fernen osten kam, am häufigsten in badgad, auch baldach genannt, womit die überleitung klar ist.

zweitens, der brokatstoff wurde in der regel als dach über einem bett aufgemacht und diente den ruhenden als schutz. diese bedeutung des wortes hat sich später auf die architektur übertragen, wenn auch nicht für so profane dinge wie das bett und den schlaf. vielmehr meint der baldachin hier die prunkvolle überdachung von thronen und kanzeln, die dem kaiser oder dem papst gehörten. selbst wenn diese herrschaften unterwegs waren, hatten sie gerne einen baldachin dabei, gestützt von dienern, der die würdenträger und ihre pferde vor hitze und regen abschirmen sollte.

drittens, das wort baldachin ist im 17. jahrhundert auch ins deutsche übertragen worden, nicht zuletzt von vermögenden bauern, die etwas auf sich hielten und jetzt wie die herrschaften von damals ein himmelbett hatten. gerne versteckten sie in den dicken stoffen über dem bett auch das ersparte, das sie auf die “hohe kante” legten.

natürlich: bern ist nicht bagdad. unser duo tschäppät&rytz, das beim bau des berner baldachins federführend war, hat keine diener mehr, die sich schützend über die rotgrünen herr&frauschaften stellen würden. die reichen bauern aus dem emmental wiederum werden mit sicherheit nichts im berner baldachin verstecken, denn dafür ist ist der glasbau viel zu transparent.

doch der neue baldachin gefällt, was auch immer man mit ihm symbolisieren wollte, – auf jeden fall dem

stadtwanderer

foto: stadtwanderer

programm zum eröffnungsfest vom 31. mai 2008

die unüblichste museumsführung aller zeiten

wer kennt das nicht: der geschichtslehrer monologisiert über die heroischen zeiten der eidgenossen, als sie noch schlachten gewannen. und wenn würde es nicht reizen, sich am 532. jahrestag der schlacht von murten sich durch den stadtwanderer durch die grosse burgunder-ausstellung führen zu lassen.

2471697010_85a63e4dc5.jpg

mein thema: bern im spannungsfeld zwischen karl dem kühnen und adrian von bubenerg

früher war es fast wie jetzt im fussball: wer nicht der eigenen mannschaft hilft, ist ein verräter. und wer in der schule nicht mit den eidgenossen mitfieberte, sei es im morgarten, in laupen, in sempach, in näfels, in grandson, in murten, in dornach, an der calven und in novarra, der galt als schlechter schweizer.

heute ist das alles offener: historische optiken werden hinterfragt, dafür ist der perspektivenwechsel gefragt; ideologische geschichtsschreibung muss de- und rekonstruiert werden; und es gilt fragen zu beanworten, was geschehen wäre, wenn …

und genau zu diesem grossen experiment lade ich die freunde und freundinnen des stadtwanderers nach bern ein: präzise am 22. juni 2008, um 10 uhr, steigt meine grosse führung durch die grosse burgunder-ausstellung im historischen museum zu bern. sie wird zirka 3 stunden dauern, sodass wir zur mittagszeit, auf die minute genau! 532 jahre nach beginn der schlacht von murten, im kleinen saal zum schlachtengeschehen sein werden.

doch das ist gar nicht das eigentliche ziel meiner führung. dieses folgt der ausstellung über karl den kühnen, dem verlierer der schlacht, der wenigstens posthum dieser tage bern nach den regeln der werbung eingenommen hat.

ich möchte sie in die mittelalterliche geschichte burgunds einführen, zeigen, wie die vier berühmten valois-herzöge von burgund, von denen karl der letzte war, in dijon, brügge und weiss ich wo gelebt, hof gehalten und kunstfördernd gewirkt haben, wie sie europäische politik betrieben, und wie sie den krieg als unmittelbare fortsetzung ihrer interessen verstanden.

in diesen krieg für eine neuartiges kaiserreich in europa mischten sich bekanntlich auch die alten eidgenossen ein, – und sie gewannen auf fast schon wunderbare art und weise am grünhag bei murten die entscheidungsschlacht, die in die weltgeschichte eingehen sollte. das blieb nicht ohne folgen: man wurde reich, und die politik war gefordert, eine beuteverteilordnung zu erstellen, aus der unsere bundesverfassung herausgewachsen ist!

wenn sie also interessiert sind, auf meine reise durch die lokal-, nationl- und kontinentalgeschichte mitzukommen, wenn sie eine wertesynthese aus bernburgund und burgunderbern nicht scheuen, dann melden sie sich bei mir an: denn wir wollen mehr sein als in all den fussballstadien der euro ’08

und seien sie am 22. juni 2008 um 10 uhr pünktlich in der fan-meile des berner historischen museums. denn wer zu spät kommende, der wird an der beute nicht beteiligt!

stadtwanderer

alles echt

img-blumenteppich1.jpg

ob die farben der burgunderteppiche echt seien, wurde ich heute im berner historischen museum gefragt. spontan musste ich passen. deshalb hole ich hier die antwort nach.

peter jetzler ist direktor des historischen museums zu bern. damit ist der oberste hüter einiger der zentralen stücke aus der burgunder-beute. und er gibt eine klar antwort auf die gestellte frage: ja, die farben sind echt.

denn bern hütet die teppiche sorgsam. meist vor licht geschützt aufbewahrt, werden sie nicht dauerhaft ausgestellt. der berühmste teppich in der berner sammlung ist die tausend-blumen-tapisserie. in der gegenwärtigen ausstellung kann mann aber auch beispielsweise die vier teppiche sehen, die das wirken von caesar im gallischen krieg zeigen.

herzog karl soll 200 solcher teppiche besessen haben. auf italienisch nennt man sie “arrazzi”, weil die berühmteste werkstatt im französischen arras stand. mehrere webstühle produzierten dort parallel einen teppich. tapisserien von 5 metern höhe und 10 metern breite waren keine seltenheit.

jeder teppich ist ein kunstwerk. und jedes kundstwerk hat einen künstler. die machte die entwürfe; doch dann musste ein reicher einen vorschuss bezahlen. denn das gold und der seidenfaden, die eingewoben wurden, musste in grossen mengen im voraus beschafft werden. und das ging ordentlich ins geld.

in frankreich und in den niederlanden gibt es keine originale mehr. in bern schon. und peter jetzler ist stolz darauf, die farbigsten im berner museum zu wissen.

stadtwanderer

ps:

selbstverständlich darf man die tapisserien im museum nicht einfach fotografieren, weshalb ich mich hier auf eine billige wiedergabe aus google beschränken muss.

wenn bernfans burgunderfans werden

baernfan.gifeigentlich war eine private führung meinerseits durch die grosse burgunder-ausstellung geplant. doch dann wurde der kleine kreis der zuhörerInnen immer grösser, bis …

ich hielt heute morgen punkt 10 uhr im foyer des berner historischen museums die rede, die ich gestern auf dem “stadtwanderer” entwickelt habe. prompt vergrösserte sich mein anhang geladener gäste. das war zwar nicht vorgesehen. unangenehm war es aber auch nicht!

im ersten stock erzählte ich dann spontan über die familie der herzöge von burgund und merkte, wie sich der kreis der interessiert horchenden von saal zu saal vergrösserte. bei den ausführungen zum treffen von herzog karl mit kaiser friedrich war der anhang schon ganz ordentlich, sodass ich lauter sprechen musste. als ich dann im grossen saal mit den prächtigen burgunder-tapisserien die osterfeier von karl in der lausanner kathedrale inszenierte, hatten ich das publikum endgültig auf meiner seite.

schliesslich wurde ich gefragt: “werter herr longchamp, wo kann man sie für solche führungen buchen?” – ich antwortete, das sei eigentlich privat. man gab mir zu verstehen, das habe man an der rezeption auch schon gehört. dennoch möchte man eine ganze führung erhalten.

so sag ich’s auf diesem weg: wenn sie wollen, schreiben sie dem stadtwanderer! wenn ich zeit finde, mach’ ich das noch das eine oder andere mal. zum beispiel während der euro 08, da ziehe ich kulturelle veranstaltungen dem biergelage ohne lernwert vor.

und: es macht mir spass, wenn aus bärnfans nun auch burgunderfans werden!

stadtwanderer

PS:

Die Spezialseite von Radio DRS zur Burgunder-Ausstellung mit vielen O-Tönen

wenn zeitalter sterben

keine hat sich so stark mit dem burgundischen lebensgefühl beschäftigt wie der niederländer johan huizinga. mit dem “herbst des mittelalters” prägte der kulturhistoriker aus leiden unsere vorstellungen einer epoche, genauso wie er das bild ihrer markanten repräsentanten, den herzögen von burgund, zeichnete.

3a-jan-van-eyck-madonna-del-cancelliere-rolin-1439-parigi-louvre.jpg

jan van eyck: die madonna des kanzlers rolin (um 1437, heute im louvre, paris)

“herbst des mittelalters” erschien unmittelbar nach dem ersten weltkrieg, der mit seinem stellungskrieg zwischen deutschen und franzosen schrecklich viele tote in einem grausam geführten krieg gebracht hatte. auch wenn die herzöge von burgund alles andere als zimperlich waren, ihr verständnis von macht und herrschaft war nicht das der generäle über den maschinengewehren des frühen 20. jahrhunderts.

mit den herzögen von burgund verbindet man seit johan huizinga zurecht vor allem das höfische leben. die schöne illusion ist es, was die menschen von damals trieb. dabei mischten sich asketische weltabgewandtheit einerseits mit ein draufgängerischer lebensgier anderseits.

genau diese schöne illusion suchte huizinga in seinem “herbst des mittelalters”, einem standardwerk der kulturgeschichte, mit quellen aus literatur und kunst aufzuzeigen. maler wie jan van eyck wurden dabei neu interpretiert.dessen werke sind nach huizinga nicht mehr nur der frühling vor der neuzeitlichen renaissance. vielmehr sind sie die vollendung des mittelalterlichen herbstes, der dabei verblühte.

melancholie und schwermut in der kunst mischen sich nach johan huizinga mit genuss- und prunksucht im höfischen leben. das ist für den kulturhistoriker typisch, wenn epochen sterben und der horror vacui, die angst vor der kommenden leere, entsteht. mit dieser these im hinterkopf liefert huizinga das portrait der epoche, in der die herzöge von burgund als vollendung der kultur erscheinen.

bis heute gilt herbst des mittelalters in der literatur als preisgekröntes standardwerk. das in zahllose sprachen übersetzt wurde. derweil meckern viele fachhistoriker seit seinem erscheinen unverändert an diesem unkonventionellen geschichtsbuch herum. eine einfühlsamere interpretation des lebensgefühls, mit dem karl, der arbeitsam und kühn zugleich war, gelebt haben könnte, habe ich bei ihnen aber nicht gefunden.

stadtwanderer

mehr über johan huizinga

mehr über jan van eyck

meine morgige rede vor der burgunder-ausstellung

298662926_a5dafac8c11.jpg

als im 5. jahrhundert unserer zeitrechnung das römische reich nördlich der alpen unterging, liessen sich verschiedenen germanenstäme – zuerst die burgunden, dann die alamannen und schliesslich die langobarden – im gebiet der heutigen schweiz nieder. das erkennt man heute noch an der sprache: die burgunden und die langobarden nahmen die lateinische lebens- und ausdrucksweise an, und ihre nachfahren in der romandie und im tessin sprechen heute französisch und italienisch, während sich die alamannen der latinità verweigerten; sie sprechen heute noch ihre mundart und schreiben leidlich deutsch.

das mittelalterliche königreich burgund

über die drei wandervölker errichteten seit dem 6. jahrhundert die franken, ebenfalls latinisierte germanen, ihr grössen königreich, das im jahre 800 die nachfolge des untergegangenen weströmischen kaiserreiches antrat. doch die karolingische herrschaft zwischen den pyrenäen im südwesten und sachsen im nordosten hielt nicht lange: 843 teile man das kaiserreich unter den enkeln karls, und 888 endete die vorherrschaft der legitimen nachfahren. karls reich zerfiel denn auch fast unwiederruflich in eine westfränkisches resp. ostfränkischen königreich und in ein mittelreich mit achen im norden und rom im süden. doch auch dieses schmale und lange landstück hielt nicht zusammen: es zerfiel in die königreiche lothringen, burgund und lombardei.

burgund, das war nach im 10. jahrhundert das gesamte rhonetal von der mündung ins mittelmeer hinauf, mit den wichtigen zuflüssen saône und doubs jenseits des juras und das aaretal diesseits bis hin zur reuss. so wichtig für die christianisierung nicht nur der eliten, sondern auch der bevölkerung dieses zeit war, so instabil blieb die herrschaft der burgundischen könige, bischöfe und klöster gegenüber dem aufstrebenden adel. 1032 vererbte der letzte burgunderkönig rudolf iii. sein restreich dem römischen kaiser, der seit 962 wieder ostfranken samt lothringen und über italien herrschte.

burgund und das mittelalterliche kaiserreich

drei grosse dyastien hat das kaiserreich im hochmittelalter gesehen: zuerst die römisch geprägten ottonen, dann die teutonisch inspirierten salier und schliesslich die schwäbischen staufer, die zwischen überzeitlich-christlichen universalimus und frühem nationalismus hin und her gerissen waren.

1250 starb der letzte staufer, kaiser friedrich II. mit seinem tod stürzte das kaiserreich in eine grosse krise, die den übergang zum spätmittelalter markierte. das reich zerfiel in unzählige rivalisierende einheiten: mittelgrosse bistümer, kleine grafschaften und städtebündnisse. zuerst gabe es nur auswertige könige, bis sich drei konkorrierende adelshäuser im reich etablierten: die habsburger, natürlich, die luxemburger, verbunden mit dem erbe des hauses böhmen, und die wittelsbacher. sie wechselten sich bis mitte des 15. jahrhunder in der herrschaft über das reich ab, das sich nun heiliges römischen reich nannte, aber nur noch nördlich der alpen anerkenung fand.

vorerst am erfolgreichsten ist das haus luxemburg-böhmen. heinrich vii., karl iv. und sigismund i. waren drei kraftvolle kaisergestalten des spätmittelalters, die bestrebt waren, das zerfallene kaiserreich neu zu ordnen. indem sie es vom ersonenbezogenen feudalwesen der vielen kleinen hin zum territorial und institutionell definierten reich der grossen überleiteten, – ein prozess, indem die frühe eidgenossenschaft ebenfalls vom losen bündnissystem zum räumliche geschlossenen autonomen gebiet im kaiserreich entstand.

einem wesentlichen moment dieses prozesses – dem krieg zwischen den eidgenossen und den herzögen von burgund – nimmt sich die gegenwärtige sonderausstellung im historischen museum zu bern an. sie ist gerade für schweizerische verhältnisse speziell: denn in der traditionellen geschichtsschreibung betonte man liebe gerne den sieg der bäuerlichen eidgenossen über die überheblichen herzöge auf brügge. die jetzige ausstellung kehrt die perspektive um: uns vorgeführt wird die welt der reichen fürsten, die an einer neuordnung europas im geiste des zerfallen karolingischen reiches rangen. und wenigstens für eine sommer sind sie die neuen herren von bern!

der griff der herzöge von burgund nach königs- und kaiserkrone

um zu verstehen, wie es nach griff zur kaiserkrone durch die herzöge von burgund kam, muss man sich in die 1430er jahre versetzen.

im französischen königreich, das seit bald 100 jahren in einem thronfolgekrieg mit england verwickelt war. normalisierte sich die lage. die herzöge von burgund, damals philipp iii. die, obwohl aus dem gleichen hause der valois wie der französische könig stammend, stramm mit den engländern paktiert hatten, wechselten 1435 das lager. sie hielten nun wieder zu eigenen krone, hatten sich aber eine starke stellung am rande des königtum erarbeitet, denn sie waren in den besitz der reichen flandrischen städte gelangt. dieses gebiete nannten sie nun die niederen lande, derweil ihr kerngebiet um dijon die oberen lander wurden. 1437 starb kaiser sigismund ohne leiblichen nachfolger. seine kronen von ungarn, böhmen und jene der deutschen gingen an den habsburger albrecht III. im westen des reichs gelang es aber den burgundischen herzögen, nun auch lehen auf reichtsgebiet zu erlangen.

402px-karte_haus_burgund_4.pngphilipps sohn, karl, reichte das jedoch nicht. als er mit 33 herzog wurde, strebte er nach höherem. neben besitz und macht wollte der ambitiöse herzog auch ehre. er reklamierte vom kaiser die burgundische königskrone, die dieser zwischen 1032 und 1378 getragen hatte. denn ihm schwebte vor, das fränkische mittelreich, das im 9. jahrhundert in den vielen erbteilungen so kläglich zerfallen war, wieder herzustellen. am liebsten hätte er von seinem herzogtum aus bis an die nordsee und bis nach rom und so über die städte in flandern und der lombardei regiert. denn das hätte ihm die aussichten verleihen, der glaich auch neue kaiser zu sein.

mit dem amtierenden kaiser, friedrich III., einem habsburger traff er sich 1473 in der ehemaligen römischen kaiserstadt trier. es wurde verhandelt. es ging um titel – und um frauen. friedrich verlangte maria von burgund, karls tochter, für seinen sohn, erzherzog maximilian, dem möglichen kaisernachfolger. das liess karl zögern, bis die verhandlungen scheitertn. der arme kaiser konnte nicht einmal seine hotelrechnungen bezahlen, als er ging, während der magnat karl mit einem klacks trier verliess. er änderte nicht einmal seinen lebensplan, nur seine strategie.

nun wollte karl, wie damals gaius iulius caesar mit seinem gallischen krieg herr der schlchtfelder werden. sollte ihm das gelingen, würde er seinen anspruch auf die höchste ehre im reich mit der macht der waffen durchsetzen können. wir wissen es: es gelang nicht! es gelang ihm weder ein burgundisches königreich zu etablieren, noch kaiser zu werden.

der krieg mit den eidgenossenschaft

in diesem entscheidungskampf der burgunderherzöge gegen die habsburger kaiser und die französische könige ging es auch um die pässe über die alpen. diese, von den herzögen von savoyen beherrscht, waren von jeher von strategischer bedeutung für die nord-süd verbindung. die allianz der burgunder mit den savoyern bedrohte jedoch die eidgenossschaft im alemannischen mittelland. vor allem deren westlicher teil war auf den freien durchgang nach genf und von da aus ans mittelmeer aus wirtschaftlichen gründen angewiesen.

um die gefahr militärisch abwenden zu können, arrangierten sich die eidgenossen 1475 mit dem erzfeind habsburg im einem ewigen frieden. die berner führten mit zustimmung ihrer kaiserlichen nachbarn dnach einen präventivkrieg gegen die savoyer durch, der schrecklicher nicht geführt werden konnte.

doch anfangs 1476 schlug karl, der bedrohte herzog von burgund, zurück. er besetzt egrandson, die zentrale bastion der verbliebenen berner im savoyischen. damit mobilisierte er aber die versammelten eidgenossen, die bern zur seite standen, und ausserhalb von grandson das heer von karl dem zu kühnen in einer wilden schlacht in die flucht schlugen.

karl regelte nun seine nachfolge. er unterzeichnete den heiratsvertag seiner tochter maria mit dem kaiser. würde er gegen die eidgenossen gewinnen, würden seine trümpfe steigen, kaiser zu werden. würde er jedoch verlieren, wusste er, dass sein erbe an den nun verwandten kaiser gehen würde. und er verlor nach grandson, wo er sein gut liegen liess, in murten seinen mut. in nancy wiederum, verlor er gegen den lothringischen herzogen renatus schliesslich auch sein blut. das bedeutete das ende stolzen herzöge aus dem hause burgund in der manneslinie.

die eidgenossen machen vorerst kaum territoriale gewinne. sie erhielten die herrschaften von grandson, orbe und echallens zugestanden. den rest, den sie erobert hatten, mussten sie savoyen; 1512 erhielten zwar die militärische oberherrschaft über die freigrafschaft, und 1536 akzeptiere frankreich, dass sich die berner in der waadte bis vor die tore genfs zu lasten der savoyer ausbreiten werden. doch zu einem spätmittelalterlichen staat zwischen könig und kaiser stieg man nicht auf.

die bedeutung der burgunderkriege für die werdene eidgenossenschaft

dennoch sind die burgunderkriege ein konstituierender moment für die werdende eidgenossenschaft. durch die burgunderbeute wurden die eidgenossen erstmals sagenhaft reich. viel geld floss in die armen taschen. und die berühmten burgunderteppiche von karl gehören heute noch der eidgenossenschaft. es gab auch kanonen, denn die berühmte artillerie von karl fiel den eidgenossen in grandson die hände. feldschlangen nannten die infanteristen die geschosse, mit denen sie nicht viel anfangen konnten. mehr bedeuten ihnen dagegen die 3000 marketenderinnen von karl, die im mittelland eine willkommene blutauffrischung waren.

um die beuteverteilung, bei der es zu erheblichen unregelmässigkeiten kam, zu regeln, mussten sich die eidgenossen auch neu organisieren. 1481 schlossen sie das stanser verkommnis, das die gleichberechtigung der um freiburg und solothurn erweiterten 8 alteidgenössischen orte im falle von neuen eroberungen festhielt, über die tagsatzung als eigentlicher militärrat fortan wachen sollte. gemeinsam kämpfte man sich im schwabenkrieg die autonomie im reich, die maximilian 1499 anerkannte.

die siegertypen der burgunderkrieg jedoch hatten keine glück. adrian von bubenberg, der die besatzung von murten leitete, verstarb nur 3 jahre nach der schlacht an der pest. als ritter blieb er anerkannt, für seine anerkennung als staatsmann standen ihm seinen sympathien zu karl im weg. schlechter noch ging es hans waldmann, der den entsatz vor murten leitete. als sich der zürcher bürgermeister anschickte, etwas besseres als seine zünfler und bürger zu sein, enthauptete man ihn. seither regiert das mittelmass die eidgenossenschaft.

das burgunder-erbe in der neuzeit

1493 regelten frankreich und habsburg im friedensvertrag von senlis das grose burgundische erbe jedoch unter sich. das herzogtum burgund ging an frankreich und blieb bis heute dort. die niederlande, die von der herzogin maria beherrscht wurden, kamen mit ihrer heirat mit maximilian an das haus habsburg. der frühe tod von maria bei der jagd liess damit auch in diesem gebieten das burgundische erben im kaiserreich aufgehen.

402px-karte_haus_burgund_5.png

johan huizinga, der grossen niederländische historiker, der das spätmittelalter der herzöge von burgund porträtierte, nannte sein werk “herbst des mittelalters“. das macht klar, das mit karl, dem letzten ritter, eine epoche ihre reife vollendung erreichte, ohne weiter zu gehen.

immerhin, karls tocher maria hatte mit maximilian gemeinsam kinder, unter ihnen philipp, später wegen seiner attraktion auf junge frauen, der schöne genannt. er lebte im burgundischen flandern, heiratete juanita aus kastilien und wurde für kurze zeit spanischer könig. nach seinem rätselhaftgen tod übernahm carlos, sein sohn, die königskrone und die ländereien in der neuen welt, bevor als karl v. kaiser des reichs wurde und sagen konnte, in seinem reich, dem kaiserreich der frühen neuzeit, gehe die sonne nie unter.

wo und wie im burgundischen diese sonne aufgegangen war, werden wir nun in der ausstellung über die fabulösen valois-herzögen von burgund sehen. kommen sie mit!

stadtwanderer

bild: das historische museum zu bern, am ende des 19. jahrhunderts durch den berner erziehungsdirektor charles-albert gobat gebaut, dem späteren friedensnobelpreisträger für seine vermittlungen zwischen germanen und romanen, wo gegenwärtig die burgunderausstellung “karl der kühne” stattfindet (foto: stadtwanderer).

karten: quelle

literatur: eine knappe übersicht über die komplexe geschichte Burgunds auf deutsch gibt: Hermann Kamp: Burgund. Geschichte und Kultur, München 2007

was sie morgen in der bz lesen – und worüber sie übermorgen nachdenken sollten!

“Immer, wenn Bern in Schwierigkeiten steckt, ruft es Adrian von Bubenberg zu Hilfe.” so eröffnet der historiker-journalist stephan von bergen in der morgigen “bz” seine berühmt-berüchtigte “zeitpunkt”-beilage. und er spart nicht mit seitenhieben in die gegenwart und vergangenheit, an die geschichtsschreiber und politiker, wie der stadtwanderer heute schon weiss!

adi3.gif

der vordergründige aufhänger ist klar: am sonntag eröffnet das schloss spiez seine “bubenberg-ausstellung“. es sieht fast ein wenig nach trotz-reaktion aus. denn jetzt, wo karl der omnipräsente post festum das mittelländischen bern in beschlag genommen hat, scheint adrian von bubenberg von seinem unbekannten grab wieder auferstanden zu sein, um wenigstens seinem rittersitz am oberländischen thunersee aufrecht zu verteidigen.

doch stephan von bergen wird uns morgen nicht nur diese pointe präsentieren. vielmehr nimmt er den jüngst erfolgten aufruf der liberalen in der berner svp, ihren stammplatz in der schweizer politik aufrecht gegen christoph den omnipräsenten verteidigen zu wollen, zum anlass für einen grossen artikel über meinen “ädu“.

zu viele legenden rankten um das wirken von adrian von bubenberg, seit ihn historiker und politiker für alles mögliche modelliert hätten, ist von bergens these. und: als urvater der aufrechten tauge er nichts, modelliert der polithistoriker mit blick auf die “operation bubenberg” der liberalen svpler gleich weiter! warum das nach ansicht der bz so sei, kann man, wie gesagt, morgen nachlesen.

und bis dann mache man sich bittschön gedanken zu meiner these: zu wenig weiss man über das reale wirken der “operation bubenberg” in der berner svp, die zu einer neuen politischen partei in der schweiz führen soll, um sich wirklich ein bild der gegenwärtigen vorgänge in der schweizer politik machen.

in der hoffnung, die bz vom übernächsten samstag trage etwas dazu bei, um die legendenbildung in dieser sache genauso kompetent wie morgen aufzudecken, sage ich: stephan von ber(ge)n übernehmen sie!

stadtwanderer

hier noch der ganze artikel aus der bz.

lob der wildsau!

wohin auch immer ich heute trat: ich suhlte mich in herumliegenden gratiszeitungen. nicht nur 20 minuten lang. nicht nur zur besten news-zeit. und auch nicht nur, um in der schweiz mal einen punkt zu setzten. und alle hatten sie ähnliche titel. von wildsäuen war die rede. doch wie lieblos wurde da berichtet. wie kenntnisschwach waren die texte! gerade so, dass ich mich zu einem exkurs in der soziobiologie der wildschweine-wildsäue veranlasst sehe.

829040160_bf11eff2e7.jpg

quelle

migrationshintergründe

was oft verschwiegen wird: viele der heutigen wildschweine-wildsäue haben migrationshintergrund. früher einmal, da waren die urchigen tiere in fast ganz eurasien verbreitet. dann kam es überall zur verstädterung der gegenden, zur intensiviereung der landschaften, und die verbreitung der wildschweine-wildsäue ging fast überall zurück. nicht zuletzt weil auch andere grosstiere ihren lebensrau zu bedrängen begannen.

was nun alle wissen: die tiere sind intelligent und standhaft! wildschweine-wildsäue können sich wehren, denn auch sie sind gross und stark. wer sie ernsthaft bedroht, kann schon mal ihre hufe zu spüren bekommen.heute erobern sie verloren geglaubte territorien auf dem ganzen kontinent zurück: bis in die hauptstädte europas dringen sie vor!

man hat wildschweine-wildsäue jüngst in berlin gesichtet, und neuerdings trifft man sie regelmässig auch in bern an. in zahlreichen städten entdeckt man dieser tage ihre spuren. die wildschweine-wildsäue-zählerInnen gehen schon von einigen tausend exemplaren – nur im deutschsprachigen raum – aus. verunsicherten stadtregierungen diskutieren denn auch schon intensiv, ein striktes fütterungsverbot für die wildschweine-wildsäue zu erlassen.

in den weltoffenen vereinigten staaten werden wildschweine-wildsäue gar aktiv eingebürgert. sie sollen andere, vom ausstreben bedrohte tierarten stärken! sie mischen sich schon ganz toll, und neuartige rassen entstehen, sodass die wildschwein-wildsäue-hüterInnen immer wieder unterarten entdecken und registrieren müssen. ein buntes treiben ist das!

man stelle sich nur vor, das würde auch hierzulande schule machen: mischlinge, die sich verbreiten würden, gingen ja noch. doch könnten auch abartige wesen entstehen, verunglückte wildschweine-wildsäue-klone, die alles traditionelle berohen würden wehret den anfängen, höre ich da schon lauthals rufen!

gegen schlammschlachten gefeit

man vergesse nicht: wildschweine-wildsäue sind ausgesprochen überlebensfähig. selbst dort, wo die erde karg ist, finden sie nahrung. denn sie können, besser als alle anderen tiere, selbst härteste böden knacken. mit ihrem kräftigen gebiss sind sie sogar in der lage, kokosnüsse aufzubrechen. kein widerstand ist ihrer ungebändigten kraft zu hart. und wenn es um wildschweine-wildsäue mal so richtig kalt wird, stellen sie ihr fell, und legen sie ein wenig schutzspeck an. bis dass der sturm vorbei ist!

schlammschlachten jeglicher art können wildschweinen-wildsäuen nichts mehr antun. denn sie haben gelernt, damit umzugehen: je mehr schlamm, desto hartnäckiger werden sie! sie suhlen sich darin, sie lassen ihn trocken werden, denn dann schützt er am besten vor unliebsamen sticheleien lästiger insekten. und wenn deren saison dann wieder vorbei ist, reiben sich die wildschweine-wildsäue an bäumen, um den dreck zu entfernen. frisch geputzt machen sie sich dann zu neuen taten auf.

unterschiede zwischen wildschweinen und wildsäuen

wildschweine – und jetzt spreche ich ganz bewusst nur von ihnen – lieben männchenkämpfe. wo auch immer sie beute wittern, ergeben sich ausgiebige hierarchiekämpfe. denn wildschwein kennen überläufer. das sind solche, die meinen, zum zuge zu kommen, bevor sie etwas für die gemeinschaft geleistet haben. verhindert werden muss solches in der wildschwein-gesellschaft!

das imponiergehabe der männchen ist schon fast ein ritual. man scharrt mit den hinterbeinen, und man wetzt den kiefer! eckzähne werden gezeigt, ober- und unterkiefer werden zugeschlagen, sodass es fürchterlich kracht. und es werden die borsten am kamm gestellt, bis sich jeder im weiteren umkreis vor dem angreifer fürchtet. wenn zwei spitzen-männchen miteinander rivalisieren, kann nur einer überleben. ihr schulterkampf ist unerbitterlich. selbst vor blutigen verlusten schrecken sie nicht zurück. denn die schlacht setzt sich solange kompromisslos fort, bis einer aufgibt, freiwillig flüchtet oder ausgestossen werden kann!

wildsäue – und auch da sprechen ich bewusst nur von ihnen – sind da besonnener. sie denken weniger an sich. vielmehr ist ihnen die zukunft ihrer art wichtig. sie bauen sorgfältig ihr nest und schauen darauf, dass die sonne es wärmt. wenn wildsäue werfen, gibt’s gleich viele. sieben ist die regel! die aufzucht erfolgt dann in mutterfamilien. bisweilen bleiben die wildsau-töchter bei der mutter, auch wenn sie selber nachwuchs haben. in dieser einzigartigen form des aufkommenden wildsau-matriarchats haben wildschweine nichts mehr zu suchen. begegnen sich verschieden wildsau-mutterfamilien, wahren sie respekt voreinander! denn ihr gemeinsames fortkommen ist ihr lebensziel. und genau das lob ich mir hier!

stadtwanderer

die klosterstadt schaffhausen

mittelalterliche städte wie schaffhausen entstehen in der regel an verkehrsknotenpunkten. die traditionelle west/ost-achse, gegeben durch den rhein, und die neu aufkommenden nord/süd-achse gaben den ausschlag, dass schaffhausen im 11. jahrhundert als stadt entstand. ihre gründung hat jedoch nicht nur profane gründe; sie ist teil eines machtvollen aufschwungs der klosterbewegung des hochmittelalters.

2501769947_5a72b593df.jpg

kleine und grosse zusammenhänge der stadtgründung

wer im 11. jahrhundert von basel nach konstanz oder anders gesagt von bischofssitz zu bischofssitz wollte, nahm mit vorteil die rheinroute. sie garantierte ein schnelles fortkommen, – ausser beim grossen und kleinen laufen, den beiden wasserfällen bei den heutigen städten schaffhausen und laufenburg. da musste man das schiff verlassen und die mitgebachten gäste und waren für einige kilometer auf dem landweg transportieren.

der ort der heutigen altstadt schaffhausen war diese umladestelle oberhalb des rheinfalls. im 11. jahrhundert existierte schon eine siedlung mit kleiner kirche genau an der stelle, an der heute die schaffhauser stadtkirche st. johann steht. doch sollte nicht diese die stadtwerdung schaffhausens bestimmen, sondern der überregionale weltliche und kirchliche zusammenhang.

1045 erhielt eberhard, seit 9 jahren graf im südlilch des rheins gelegenen zürichgau das münzrecht für den flecken schaffhausen. das sicherte ihm die herrschaft über den handel an der umladestelle. seinen sitz verlegte der graf nun in die nähe des handelsplatzes, genau genommen auf die nellenburg. hinfort nannte er sich graf eberhard I. von nellenburg.

könig heinrich iii. auf dem weg anch süden, der kaiserkrone entgegen

verliehen erhielt eberhard das münzrecht von könig heinrich iii. in köln. dieser hatte grosses vor: er wollte nichts geringes als, gleich wie sein 1039 verstorbener vater, kaiser des römischen reiches werden. dafür musste er nach rom, um gesalbt und gekrönt zu werden.

1045 ging heinrich daran, auf seine rechte als herzog von schwaben zu verzichten. wer, wie graf eberhard, vom könig privilegiert werden wollte, musste sich jedoch verpflichten, mit dem könig nach rom zu reisen.

die römische kurie befand sich, wieder einmal, in einem desolaten zustand. gleich drei römische adelige beanspruchten, papst zu sein. in der synode von sutri, nahe der stadt rom, die der kaiseraspirant am 20. dezember 1046 einberief, erklärte heinrich innert dreier tage alle drei römischen päpste für abgesetzt: ein einmaliger vorgang in der krichengeschichte. dafür liess er den mitgebrachten bamberger bischof suitger am weihnachstag zum neuen papst clemens ii. inthronisieren, und anderstags erhon dieser heinrich und seine frau agnes zum neuen kaiserpaar.

heinrich, hoch gebildet, tief religiös und von seltener tatkraft, nahm nun grundlegende reformen vor. kardinäle, von überall her kommend, sollten nach seinem willen die christen in rom vertreten und den papst wählen. kirchlicher ämterkauf sollte verboten sein, genauso wie die priesterehe.

der kaiser hat damit jedoch nicht auf anhieb erfolg. clemens ii. wurde als papst gestürzt, und damasus ii., heinrichs neuer favorit, war gerade 24 tage papst, bevor er starb.

papst leo ix. auf dem weg nach norden, den klosterweihungen entgegen

anfangs des jahres 1049 leitete heinrich erneut ein verfahren ein, das in der kirchengeschichte einmalig blieb: bruno, bischof von toul, den er seit langem kannte, sollte neuer papst werden. bestimmt wurde er für dieses amt jedoch nicht im unübersichtlichen rom, sondern in kaisers nähe in worms. doch verlangte bruno, dass er sein kirchenamt im lothringischen nur dann abgeben würde, wenn kurie und volk in rom ihn anerkennen würdem. das schaffte bruno auch, sodass er sich papst leo ix. nannte.

papst leo ix. pflegte eine ganzen neuen stil. dauernd war der germane unterwegs. in rom hielt es sich nur kurz auf. drei ausgedehnte reisen unternahm er in den ersten drei jahren als papst, – alle nördlich der alpen. dabei erwies er sich als herausragender prediger, der volksnah sprechen konnte. er versammelte die kirchenleute in synoden, die überall die grundsätze der kirchenreform des kaisers diskutierten. und er weihte zahlreiche stellen, an denen neue klöster enstehen sollten.

auf seiner ersten reise nördlich der alpen weihte papst leo ix. im jahren 1049 auch den ort schaffhausen. die nellenburger grafen sollten es stiften, bauen und bewachen 1064 wurde es eingeweiht. anfänglich führte dieses kloster den namen des salvatorenklosters, später wurde es allerheiligen genannt, dem namen, unter dem es auch heute noch bekannt ist, selbst wenn es seit der reformation von 1529 nicht mehr als kloster dient.

stadt- und weltpolitische bilanz zu den gründern von stadt und kloster schaffhausen

heinrich war 10 jahre kaiser, leo 5 jahre papst. beide waren damit nicht sonderlich lange im amt. doch hinterliessen sie nicht nur in schaffhausen bleibende spuren; sie sollten auch im kaiserreich unvergesslich bleiben: beide gelten als ganz bewusste förderer des gottesfriedens, der ersten friedensbewegung, die im 10. jahrhundert in der auvergne ihren anfang nahm und sich gegen die vorherrschende germanische selbstjustiz mit racheakte und bauernfehden wandte. 1495 wurde dieser gottesfriede in form des landfriedens geltendes recht des kaiserreiches, dem vorbild für das gewaltmonopol des heutigen staates. beide lancierten aber auch die hochmittelalterliche klosterreform, die 910 im burgundischen cluny ihren anfang nahm und in deutschen sprachraum. mit dieser setzte sich das bewusstsein durch, dass die führenden benediktiner-klöster nicht mehr von adeligen bestimmt, sondern nur noch vom stellvertreter gottes, dem papst, geleitet werden sollten.

mit den beiden erwähnten grössen des kaiserreiches im 11. jahrhundert verbindet man aber auch die definitive trennung der christlichen kirche in eine griechisch-orthodoxe und einer römisch-katholische. denn heinrich und leo verfolgten ursprünglich gemeinsam das ziel, die normanen aus süditalien zu vertreiben, um freien weg zum mittelmeer zu erhalten. doch half der kaiser schliesslich nicht mit, während leo setzte alles auf eine karte setzt – und verlor: die verhandlungen mit dem patriachen von byzanz, gemeinsame sache gegen die normanen zu machen, scheiterten derart gründlich, dass man sich im tiefen streit trennte und bis heute nicht mehr zueinander fand. leo wurde bei seinem krieg gegen die normannen gar verhaftet und verstarb 1054 nur kurz nach seiner freilassung. heinrich wiederum lebte noch bis 1056, ohne einen erwachsenden sohn zu haben, sodass die kleriker, deren selbstbewusstsein dank der kirchen- und klosterreform neu erwacht war, die macht nördlich der alpen übernehmen. als der designierte könig, heinrich iv. diese zurückverlangte, brach der berühmte investiturstreit aus, der papst und kaiser während 50 jahren entzweien sollte. zu den rückwirkungen davon auf schaffhausen später mehr!

(müder) stadtwanderer

bild: aus dem innern des münsters beim schaffhauser kloster allerheiligen (aufnahme: stadtwanderer)

gib e geiss!

da wollte ich unerkannt durch die stadt des schaffhauser-bocks. erfolgreich wich ich den vertretern der zottel-partei aus, die für ihre einbürgerungsinitiative warben, um direkt beim geissenpeters vom heks aufzulaufen.

bild-212.jpg

ruedi lüscher, meist negi genannt, kenne ich seit jahren, – noch aus meinen aarauer zeiten. später traf ich ihm bei seinem arbeitgeber, – dem heks. und jetzt sind wir uns auf dem schaffhauser fronwagplatz begegnet.

“gib e geiss!” ist das projekt, das ruedi für heks leitet. die sache ist einfach: man spendet für eine geiss, die einer verwitweten frau mit kindern zu gute kommt. die geiss gibt milch, was nährt. und sie produziert mist, was die böden düngt.

das ist gleich doppelt gut: “Die Ernte wird besser”, verspricht das hilfswerk der evangelischen kirche, “und es bleibt sogar etwas übrig, das die familie auf dem Markt verkaufen kann. Vom Erlös kauft die Frau Kleider, Salz, Seife, Waschmittel, Medikamente und vor allem Hefte und Stifte für ihre Kinder, damit diese zur Schule gehen können.”

doch damit nicht genug: eine geiss bringt mehrere jungen zur welt. “Nach alter Tradition”, so der geisspeter über die geissenbesitzer, geben diese “eines davon an eine andere Witwe weiter. So setzt sich der Geissenkreislauf fort: Die Geiss dient fortan weiteren Frauen und Kindern als Starthilfe für ein Leben ohne Hunger.”

also habe ich mich von als bezeugender geissenspender von ruedi ablichten lassen. war ganz schmerzlos: blauer hintergrund, eine geiss im vordergrund, und ich dazwischen.

den obulus von 30 chf. habe ich selbstverständlich entrichtet, – und so meine erste geiss als stadtwanderer gespendet!

und sie? wandern sie auch in städten? spenden sie auch für geissen?

stadtwanderer
(in schaffhausen)

 

die ausnahme von der regel, die ihrerseits die ausnahme von der regel ist, die die falsche annahme widerlegt

bild-391.jpgnatur, kultur und herrschaft sind komplizierter miteinander verhängt, als man denkt.

caesar teilte die ihm bekannte welt nördlich der alpen entlang des rheins in einen linken, romanischen und einen rechten germanische teil. doch er irrte mit der annahme, die natur alleine bestimme die kulturen.

die regel statt der annahme

widerlegt wurde caesar spätestens im 3. jahrhundert nach christus, als die germanischen völker über den rhein setzen. als sie blieben, wurden sie unterschiedlich stark in die römische welt aufgenommen: die burgunder im rhonetal ganz, die franken am unteren und mittlere rhein halb und die alamannen gar nicht. bis heute spricht man links des rheins überall deutsch, oder ist man im nahen stromgebiet zweisprachig

klöster und städte waren die zentren der römisch-germanisch-katholische brückenkultur, die im mittelalter als regelfall auf beiden seiten des rheins entstand. das kloster allerheiligen in schaffhausen gehört mustergültig dazu. fast 500 jahre sollte es die entstehende stadt schaffhausen am rhein prägen und den durchgang der kaiserlichen truppen von norden nach süden sichern.

die ausnahme von der regel

alle diesen leistungen zum trotz ist der oberrhein von basel an aufwärts heute weitgehend eine politische grenze. es gibt also eine ausnahme von der regel.

anfangen hat alles mit dem investiturstreit am ende des 11. jahrhunderts, der die anhänger des kaisers und jene des papstes im damaligen herzogtum schwaben spaltete. die zähringer organisierten die linksrheinischen gebiete schwabens im päpstlichen sinne, die staufer die rechtsrheinischen im kaiserlichen. nach ihrem aussterben 1218 griff der kaiser friedich II. nach den perlen in ihrem südwestschwäbischen erbe. städte wie bern und zürich, aber auch länder wie uri und schwyz wurden zu reichsstädten oder ländern erhoben, um sie dem zugriff des lokalen adels zu entziehen.aus dem verbund eben dieser perlen entstand im 14. und 15. jahrhundert die eidgenossenschaft als territorium, die nach dem friedensvertrag von 1450, der den ersten innereidgenössischen bürgerkrieg regelt und die nötige geschlossenheiten gegen habsburg brachte, um rhein als innerschwäbischen grenze grenze zu verlangen. und tatsächlich 1499 trennte man sich im schwabenkrieg entlang des rheins zwischen eidgenossenschaft und habsburg definitiv.

die ausnahme von der regel, die die ausnahme von der regel ist

nicht ganz, muss man beifügen, wenn man in schaffhausen über den rhein sieht. denn die stadt ist bis heute die prominente ausnahme von der ausnahme. denn spätestens mit der reformation, die 1529 auch schaffhausen erfasste und das ende des klosters allerheiligen bedeutete, fiel der neu entstandene stadtstaat schaffhausen aus dem schwäbischen he- und klettga, der katholisch blieb, heraus.

fortan sollte er den entwickeltesten eidgenössischen brückenkopf jenseits des rheins bilden, der sich jenseits des rheins nicht vermehren sollte.

schaffhausen ist also die ausnahme von der regel, die ihrerseits die ausnahme von der regel römisch-germanisch-christlichen regel ist, die der falschen annahme caesars über romanen und germanen am rhein widerspricht.

kapiert?

stadtwanderer

(in schaffhausen)

die 10 goldenen faustregeln des stadtwanderns

416872976_853ccec62f2.jpg1. einen unbefangenen rundgang durch den neuen ort machen und sich beeindrucken lassen.

2. geschichte des ortes im überblick aufarbeiten.

3. themen eines rundganges festlegen.

4. orte zu den themen suchen.

5. gedanklich einen zusammenhängenden weg durch die orte und themen finden.

6. den weg ein erstes mal alleine abmarschieren und die zusammenhänge verbessern.

7. eine stadtwanderung machen und die geschichten an den ausgewählten orten andern erzählen.

8. wieder von vor lesen, um die geschichte vertiefter kennen zu lernen.

9. erneut wanderern, um die neuen erkenntnisse in den rundgang einzubauen.

10. stufen 8 und 9 immer wieder wiederholen.

viel spass beim eigenen erkunden!

stadtwanderer

(in schaffhausen)

foto: flickr von isa d

prediger auf dem fronwagplatz

der anfang in schaffhausen war krass. prediger beherrschten den fronwaagplatz und entsetzten die passantInnenp5160158.JPG.

ich bin heute abend an meinem ziel angekommen und wollte einen kleinen ersten erkundungsspaziergang machen. auf dem fronwaagplatz standen dann fünf herren im mittleren alter. vor ihnen lag ein kleiner koffer: “die bibel” war darauf zu lesen. jeweils einer der fünf herren trat reihum vor und begann zu predigen.

die moral der heutigen zeit sei tief ganz gefallen, war die laute anklage. die menschen würden sich nur noch ihrer gegenwärtig lust hingeben. die frauen von heute seien alles huren. sex vor der ehe sei der normalfall, eine sünde sei das. denn es sei natürlich, damit bis zur heirat zu waren. viele kinder würden so gezeugt, die dann abgetrieben werden müssten. mord sei das, schrieb der vorbeter gerade über den platz, als ich auf ihrer höhe war.

die meisten menschen, die passierten, hörten einige sekunden hin. dann wandten sie sich schockiert ab. nicht wegen dem erzählten, sondern wegen den erzählern. junge paare schauten sich an und schüttelten den kopf. einzelne frauen hielten sich beim vorübergehen gar die ohren mit beiden händen dicht.

auch ich ging vorbei, in den nächsten buchladen, um mich mit literatur über schaffhausen einzudecken. “der rheinfall” war mein thema. doch auch in der buchhandlung verhandelte man schon die bibelleute von nebenan.

“unsere religion ist doch durch prediger entstanden”, sagte meine nachbarin. ihre nachbarin auf der anderen seite wiederum war entsetzt:” ja”, antwortete sie, “aber sie predigten über das leben. die hier wollen uns das leben nur noch schwerer machen. ich kann da nicht mehr zuhören.”

ich habe meine bücher bezahlt und lief zum bahnhof zurück. wem man auf den fronwaagplatz jetzt noch begegnete, der oder beachtete die prediger nicht mehr. nicht wenige von ihnen schienen mit ihrem handy schwer beschäftigt zu sein. ob sie mit ihren lieben verbunden waren, in ihrer eigenen welt, die gerade beklagt wurde, kann ich nur vermuten.

stadtwanderer (erster abend in schaffhausen)

der alltägliche horror

p5150133.JPGden sommer 1993 verbrachte ich im rollstuhl. am 19. märz verunfallte ich und bracht mir beide beine gleichzeitig. bis ende august war ich so stark gehbehindert, dass ich auf einen rollstuhl angewiesen war. das hat mir die augen geöffnet, für vieles, was man im alltag so gerne übersieht.

berns strassen tragen zwar viel zum sympathischen stadtbild bei. doch sind sie für rollstuhlfahren ein horror.

alles beginnt mit den geleisen, die schmale räder gerne gefangen nehmen. es geht mit den pflastersteinen weiter, die nicht nur schrecklich holpern, sondern auch die radführung erschweren. und schliesslich gibt es die zahlreich auf- und abfahrten von trottoirs, die einem das geradeausfahren auf dem gehsteig bisweilen verunmöglichen.

noch nie darauf geachtet? ganz normal!

den was man als fussgängerIn unter den füssen hat, wird zuerst durch schuhwerk abgeschirmt. und es ist so im normalfall auch leicht begehbar. selbst kleine stufen nimmt man mit jugendlichem schritten und ohne jegliches bedenken.

erst als ich im rollstuhl sass, begann ich mich zu wundern, wieviele hindernisse für nicht-fussgänger es überall hat. nicht nur in bern. viele davon entstehen durch mangelnde sensibilisierung. andere sind grenzenlos zynisch. so das behinderten-wc in einem schweizerischen bahnhof, das nur über eine treppe erreicht werden kann. der krasseste fall, dem ich damals so hilflos gegenüber sass, ist heute gottseidank verschwunden.

das hat auch mit dem engagement der behindertenorganisationen in der öffentlichen planung, der ausbildung von architektInnen und den stadtparlamenten zu tun. seit ich die welt vom rollstuhl aus gesehen habe, verstehe ich das viel besser. und ich finde auch jede unterstützung für die erleichterung des alltags von behinderten richtig. denn sie ist keines stück des weges im kampf gegen den vergessenen, alltäglichen horror behinderter menschen.

jede und jeder kann hierzu einen persönlichen beitrag leisten. zum beispiel am berner solidaritätsfest von diesem wochenende, zu dem 30 behinderteninstitutionen aufrufen und an dem über 100 künstler auftreten werden. das ändert zwar die verkehrswege in bern nicht, hilft aber behinderten in der dritten welt. hier schon mal das programm!

ich hatte das glück, im herbst 1993 wieder aus dem rollstuhl aufstehen zu dürfen und seither stadtwandern zu können. das haben nicht alle, die im rollstuhl sitzen.

stadtwanderer

der ungewöhnliche tod eines papstes

0adelheid.jpg

um papst johannes xii. ranken unzählige geschichten. drastisch sind die zu seinem tod. sicher ist nur, dass er am heutigen 14. mai des jahres 964 infolge von gewalt verstarb. eine abendliche kulturgeschichte mit anspielungen auf die schweizerische gegenwart!

mitte des 10. jahrhunderts lag das kaisertum, das karl der grosse im jahre 800 auf der basis des weströmischen imperiums neu begründet hatte, arg darnieder. jeder könig, jeder herzog, der südlich der alpen lebte und etwas auf sich hielt, beanspruchte, mindestens kaiseranwärter, wenn nicht schon imperator und augustus in einer person zu sein. und die päpste in rom, die zwischen den rivalisierenden anwärtern auf den kaisertitel zu entscheiden hatten, war nicht mehr als schachfiguren im frivolen spiel der römischen aristokratie. wahrlich, ein desolater zustand!

johannes xii. wird minderjährig papst

johannes xii. wurde im jahre 955 als bisher einziger papst noch minderjährig auf den stuhl petri gesetzt. sein vater, ein einflussreicher römischer senator, liiert mit der tochter des königs der lombardei verheiratet, hatte das in seinem testament so verfügt. doch klein-johannes gelang es nicht, den kirchenstaat vor den ansprüchen der adeligen aus verona genügend zu schützen. so sah er sich im jahre 960 gezwungen, den westfränkischen könig otto I., seit 951 mit adelheid, der verwitweten erbin des königreichs der lombardei, verheiratet, als neuen schutzherrn nach rom zu rufen.

den preis für die intervention im süden kennt man. papst johannes xii. salbte und krönte otto und adelheid am 2. februar 962, zu kaiser und kaiserin des römischen reiches. gemeinhin gilt dieser akt als neubegründung eines kaiserreiches in europa. die herzöge von spoleto und die markgrafen von verona hatten damals das nachsehen. doch auch der papst, der bald nach der kaiserfeier einen ausgleich der interessen suchte, fiel dem neuen kaiserpaar zum opfer.

johannes xii. wird als papst gestürzt

johannes xii. wurde 963 von einer synode, die der kaiser von pavia aus einberufen hatte, als papst abgesetzt. in der anklage sparte man nicht mit happigen vorwürfen: “Wisset also, dass ihr nicht von wenigen, sondern von allen Geistlichen wie Weltlichen angeklagt seid, des Mordes, des Meineids, des Kirchenfrevels, der Unzucht mit Verwandten und mit zwei Schwestern”. leo viii. war hinfort der papst, der ottos unterstützung genoss.

zwar gelang es dem entmachteten johannes nach dem abzug des kaisers mit hilfe des römischen adels auch papst leo viii. zu stürzen. doch provozierte er damit die rückkehr des kaisers von pavia nach rom, sodass sich johannes anfgangs des jahres 964 in die campagna verziehen musste.

der unerklärte tod des gestürzten papstes

was da geschah, wird unterschiedlich berichtet. das ehrwürdige lexikon des mittelalters hält ohne weitere ausführungen fest, “j. ist eines jähen todes verstorben”. das biografische kirchenlexikon spricht von “einem schlag, der ihn getroffen hat und an dessen folgen der papst gestorben sei”. wikipedia spricht offen aus, was seit dem fluch, den die kaiserliche synode über johannes verhängte, unzertrennlich mitn der person des umstrittenen papstes haftet: er habe ein neues verhältnis zu einer römischen adeligen aufgebaut und er sei, während des geschlechtsaktes mit seiner liebhaberin, vom gehörnten ehemann mit einem hammer erschlagen worden.

die katholische kirche hört solche geschichten bis heute nicht gerne! zuerst erscheinen sie einmal, dann aber doch wiederkehrend. immerhin, johannes xii.hat meine adelheid zur kaiserin erhoben, – was auch immer er sich dabei erhofft hat …

stadtwanderer

bild: elfenbeinrelief mit dem kaiserpaar zu füssen des herren, der gestützt von grössen der kirchen und von engeln über otto und adelheid wacht. heute ist man geneigt zu sagen, der herr hätte besser über seinen ungewöhnlichen stellvertreter auf erden gewacht, dessen aktivitäten selbst jene von abgesetzten walliser grossräten der gegenwart übertreffen …