die bilderbuchkarriere des bartolomäus may in bern

in bern kennt ein jeder den prächtigen, mehrstöckigen erker am haus vis-à-vis der stadt- und universitätsbibliothek. doch weiss kaum jemand, wofür er in der stadtgeschichte steht. ich sag vorerst nur: es passt gut zum novara-komplex und zur bilderbuchkarriere des bartolomäus may in weltoffenen, spätmittelalterlichen bern!


1513, nach dem sieg der eidgenossen über die franzosen in novara vom kaufmann bartolomäus may begonnener erker an seinem wohnhaus zu bern (foto: stadtwanderer, anclickbar)

einwanderer im offenen bern

eigentlich waren sie italienier und hiessen sie maggi. nachdem sie ende des 14. jahrhunderts das berner burgrecht angenommen hatten, nannten sie sich aber may. 1427 stiegen sie zu den wichtigsten geldverleihern der stadt auf, als man die juden (erneut) vertrieb und sich von den christen nur die lombarden nicht an das zinsverbot der kirche hielten. zu beginn des 16.jahrhunderts waren sie die reichsten berner überhaupt.

bartholomäus wurde 1446 geboren, und er starb 1531. dazwischen liegen 85 jahre, – bewegte jahre kann man sagen, in denen die spätmittelalterliche eidgenossenschaft einen ungelaublichen wandel durchmachte: der erste bürgerkrieg unter den verbündeten wurde beendet, und die ausschliesslichkeit der bünde gegenüber habsburg hielt man schriftlich fest. der thrugau wurde erobert, und der burgunderherzog erlebte unter anderem wegen den eidgenossen sein bitteres ende. das stanser verkommnis unterzeichnete man, und solothurn, freiburg, basel, schaffhausen und appenzell wurden vollwärtige mitglieder der eidgenossenschaft. diese errang im schwabenkrieg gegen den deutschen könig maximilian eine autonome stellung im reich, die es erlaubte, mit frankreich und dem papst neue militärbündnisse einzugehen, die europäische geschichte schrieben. schliesslich bracht in zürich, bern und basel die reformation aus, welche die verselbständigte eidgenossenschaft religiös und gesellschaftlich spaltete.

kaufmann, vor allem auch edelsteinhändler

bartolomäus slber profitierte davon, im weltoffenen bern des späten mittelalters gelebt zu haben. man war wer geworden, hatte königliche aufträge wahrgenommen, in der eidgenossenschaft eine führende rolle eingenommen, und man war in wirtschaft, politik und kultur ein treffpunkt für die europäische elite geworden.

schon der junge bartolomäus war ein kosmopoliti. er wurde in mailand als kaufmann ausgebildet. er sprach fliessend italienisch, deutsch, französisch und latein. er hatte verkehrte mit halb europa, kannte überall händler, gelehrte und staatsmänner.


müsterngasse heute, wo nach 1490 der reichste berner seiner zeit, bartolomäus may, wohnte (foto: stadtwanderer, anclickbar)

in bern führte er südfrüchte ein und spezereien. er pachtete das monopol für das burgundische salz in der ganzen eidgenossenschaft. geld machte er auch mit dem tuchhandel, mit dem baumwoll- und lederwaren. schliesslich importierte er auch verschiedene metall und edelsteine in bern.

berühmt geworden war durch den verkauf des grossen diamanten, den karl der kühne an seinem schwert trug. bern hatte ihn in den burgunderkriegen erbeutet, geriet aber unter druck, als dies ruchbar wurde. in genua hat bartolomäus das schmuckstück verkauft, von wo es direkt an den späteren papst julius II. ging. der trug ihn auf seiner dreistöckigen krone.

politiker, bauherr, kunstmäzen

bern diente der erfolgreiche kaufmann zuerst als gesandter in italien, savoyen und frankreich, dann als grossrat. der senator wurde schultheiss von thun (wie ich auch), bevor bartolomäus 1494 in seiner vaterstadt in den kleinen rat eintrat. nur schultheiss wurde eer nie. begütert war er vor allem in aaretal. die herrschaften amsoldingen und toffen gehörten ihm persönlich.

67jährig war bartolomäus schon, als er an der schlacht von novara teilnahm. bei der rückkehr führte er den jungen bärenmit, den man den franzosen abgenommen hatte. er war es auch, der den ersten bärengraben am bärenplatz errichten liess. ein brunnen in der nähe, mit einem söldner und einem bären drauf, erinnert heute noch daran. parallel dazu liess er an seinen beiden häusern an der münstergasse den einzigartigen erkerbau anbringen.

der alte mann verkehrte gerne mit den ehrbaren berns. er war mit dem stadtarzt, balerius alnselm befreundet. näher kannte er auch berchtold haller, den leiter der müsterkirche. unter er förderte auch niklaus manuel, den maler und dichter berns. doch die waren allen nicht mehr von gestern. sie waren drei der entscheidenden personen, die 1528, kurz vor bartolomäus’ tod, entscheidend für die einführung der reformation in bern. zwingli war sich der bedeutung des kaufmanns, politikers und mäzenen für das morgen sehr wohl bewusst; er widmete ihm eigens eine schrift über das abendmal der neuen kirche.


kräftiger narr, der in seinem nacken einen korb mit erker trägt – gesellschaftliche symbolik der neureichen berns an der schwelle vom mittelalter zur neuzeit? (foto: stadtwanderer, anclickbar)

wie ein nobilitierter

der stadtwanderer hält sich gern an der münstergasse auf, wo bartolomäus may in bern sein sässhaus hatte, das zum bevorzugten treffpunkt berns an der schwelle vom spätmittelalter zur frühen neuzeit geworden war.

er, der standkenner, staunt immer wieder über den narren am hause der mays. eigentlich trägt er in seinem korb im nacken den erker, dank dem der bemerkenswerte bartolomäus wie ein nobilitierter seiner stadt wirkte. irgendwie sympathisch, dass der reichste seiner zeit, keine strenge herrschersymbolik wählte, sondern schon fast ein ketzerisches bild, worauf seine bilderbuchkarriere in bern gründete!

stadtwanderer

der dijoner

waren sie schon mal in dijon? – sind sie zu fuss dorthin gegangen? – nicht?!

dann sollten sie das mal tun, um zu verstehen, was fast 7000 berner im sommer 1513 in die zentrale burgunds trieb!

ein report über den dijoner, wie man den eidgenössischen feldzug dorthin nannte!


europa um 1500: burgund war von der landkarte verschwunden, frankreich drängte nach westen und süden und lang mit dem heiligen römischen reich in einem 65 jahre dauernd krieg, der die eidgenossenschaft zum autonomen und expandierenden gebiete des reiches werden liess.

die junge, autonome eidgenossenschaft

1499 erkämpfte sich die eidgenossenschaft im schwabenkrieg einen autonomen status im heiligen römischen reich. man gehörte zwar immer noch dazu, musste aber die reformen, die maximilian I. vor hatten, nicht mitmachen. was hatte auswirkungen auf die repräsentation, die steuern und die justiz.

doch man war schlecht gerüstet, sich selber regieren zu können. alte seilschaften zwischen orten in ost und west wirkten nach. gegensätze zwischen stadt und land öffneten sich. und auch zwischen berg- und flachgebieten stimmte die chemie nicht.

wenn es darum ging, im mitteland zwischen jura und alpen, genfer und bodensee die vorherrschaft inne zu haben oder zu erlangen, war man sich noch einig. doch schon bei den ennetbirgischen eroberungen, wie man das engagement der eidg. söldner in der lombardei nannte, gingen die intessen auseinander. es zogen die urnen, und ihrem elan machte vor allen die innerschweiz mit. bern interessiert sich aber wenig hierfür. sein ziel war die erweiterung im westen. über den jura hinweg, rein in die freigrafschaft, vorwärts ins burgundische war die devise seit den burgunderkriegen.

krasser hätte man die gegensätze nicht haben können. am tag, als die schlacht von novara mit eidgenössischer beteiligung abhob, beantragt die berner vertreter der tagsatzung, mag möge einen feldzug gen westen eröffnen. selbst einen gefährlichen zweifrontenkrieg nahm man in kauf, wenn es darum ging, die wachsenden, aber divergenten expansionsgelüste vorzutragen.


dijon im 16. jahrhundert mit schloss und festungen

der feldzug nach dijon

die heftigen reaktionen nach dem sieg in novara, die vor allem bern wegen der franzosenfreundlichen minderheit um wilhelm von diesbach traf, schwächten den plan der bern vorerst. im juli 1513 bereinigte man die situation mit den aufständischen untertanen, sodass man am 1. august der tagsatzung erneut den kriegsplan vorlegte.

16’000 man bot die eidgenossenschaft auf, um burgund zu erobern. der kaiser, maximilian I.. versprach militärische und finanzielle unterstützung, wenn er den franzosen treffen konnte. nochmals so viele söldner wie die eidgenössischen truppen würde er stellen.

bern stellte das grösste kontingent. 2’700 soldaten, präzise 16 prozent, des hauptharst hob man aus. die nachfrage in der landbevölkerung war indessen viel grösser. weitere 4000 schlossen sich dem freiharst an, obwohl er von der tagsatzung verboten worden war. fast 7’000 jung berner standen jetzt unter den waffen, und sie besammelten sich am 27. august in besançon.

man fackelte nicht lang, denn frankreich war bedroht wie selten zuvor: die habsburgischen spanier überschritten die pyrenäen, die engländer durchsegelten den ärmelkanal, und general la trémoille, der in novara verloren hatten, konnte maxiamal auf 5 bis 6000 soldaten aus frankreich zählen, die er in dijon versammelte.

genau dieses dijon wurde in den ersten septembertagen des jahres 1513 durch eidgenössische und kaiserliche truppen belagert. la trémoille, seit 1483 im geschäft, bis 1509 der ansprechpartner der eidgenossen, setzte auf zeit. er begann zu verhandeln. er nutzte alte kontakte, und er wusste um die schwäche der eidgenössischen truppen.

warten war nicht ihre stärke. schon gar nicht die der soldaten aus den östlichen orten, die nicht recht wussten, was sie in dijon verloren hatten. und der wein war ihre schwäche. der burgunder floss, und die eidgenössischen truppen drohten zu zerfallen. zuchtlose scharen nannten selber die eigenen offiziere ihre scharen.

da schlug la trémoille am 13. september 1513 einen vergleich vor. könig ludwig XII. sollte definitiv auf mailand verzichten, und die kosten für den dijoner in der höhe von 400’000 kronen übernehmen. vornehme geiseln der franzosen sicherten den vertrag.

die eidgenossen willigten ein; am 20. september waren die berner schon wieder daheim, ohne dass ihre waffen wirklich gesprochen hatten.


ludwig XII., französischer könig, zuerst verbündeter, dann widersacher der eidgenossen

ludwig XII. und der friedensvertrag von dijon

doch ludwig XII, der französische könig, liess sich nicht in die pflicht nehmen. er bezweifelte, dass sein general bevollmächtigt war, einen solchen friedensvertrag abzuschliessen; für ihn würde er jedenfalls nicht bindend werden.

das kannte man in bern. 1498, als ludwig XII. könig wurde, buhlte er, wie es seit den burgunderkriegen üblich geworden war, um die zusammenarbeit mit den von bern angeführten eidgenossen. 1498 schloss man ein solches bündnis auch für 10 jahre ab. 1509 erneuerte man es indessen nicht mehr, weil die schlechte zahlungsmoral des franzosen bekannt geworden war. vor allem deshalb schloss sich das offizielle bern mit den eidgenossen der heiligen liga des papstes an, während eine minderheit allem verdruss zum trotz frankreichtreu geblieben war.

1514 machte ludwig XII. der tagsatzung ein neues angebot. er wolle die 400’000 kronen des dijoner friedens bezahlen. und er wolle inskünftig ohne die tagsatzung keinen kriege mehr um mailand führen, selbst den papst nicht mehr bedrohen, und auch den kaiser nicht mehr angreifen. auf mailand ganz verzichten wollte er indessen nicht.

da schwankte bern erneut. doch fragte man, wie im sommer 1513 nach dem könizer aufstand versprochen, die eigenen ämter um rat. frutigen trat sofort entschieden dagegen auf. nichts mehr zu tun haben wollte man mit dem franzosen, schrieb man nach bern. dieser taktiere nur, kein wort solle man ihm abnehmen!

bern gab nach und schloss sich dem ablehnenden bescheid der tagsatzung an. könig ludwig XII. hatten seinen kampf mit und gegen die eidgenossen verloren; 1514 sollte sein einfluss schwinden, und bis ende des jahres sollte er auch tod sein.

als wortbrüchiger gedenkt man seiner, der sein versprochenes geld zurückbehalten, dafür aber mailand für frankreich verspielt habe.

fast, wird man beifügen, wenn man die fortsetzung kennt.

die denkwürdige kirchweih von köniz

der schreck sass tief. in novara waren die eigenossen grosser schlachtensieger gewesen. doch hatte man 2000 söldner auf dem schlachtfeld verloren. und es machten sich besonders in bern gerüchte breit, die stadt hätte eigentlich zum besiegten frankreich gehalten. da entlud sich die wut der landleute, sodass die anderen eidgenossen in bern intervenieren mussten.


ritter, tod und teufel von albrecht dürer, eine darstellung des untergehenden ritterstandes, die 1513 entstand. der ritter war im 14. jahrhundert noch der befreier von tod und teufel gewesen; jetzt reitet er selber in den tod. es folgt ihm noch der treue hund, doch selbst die eidechse springt davon!

die erfahrung des todes

die berner truppen war offiziell noch nicht zurück. auch der abgeschleppte bär erfreute die gemüter noch nicht. doch hatte man hierzulande schon kunde, viele verwandte, bekannte und freunde in novara als tote hinterlassen zu haben. der schmerz drückte tief!

schuld waren die franzosen, präzise die “deutschen franzosen”. denn könig ludwig XII. kämpfte in der lombardei nicht mit seinen mannen, sondern mit söldnern, die man aus dem schwäbischen raum angeheurt hatte. 1499 hatten die eidgenossen die noch besiegt, und böses blut war zwischen schwaben und alemannien entstanden.

von denen wollte man doch gar nichts mehr wissen! und mit denen soll die obrigkeit heimlich packtiert haben!

die herren in bern, die man unter den bauern nicht mochte, hätten die eidgenossen verraten, das sei der grund für die vielen toten. “kronenfresser” beschimpfte man sie, vorerst noch heimlich, und meinte damit die käuflichkeit des eigenen regiments.

nicht entgangen war den schlachtensieger, dass auch auf der französischen seite eidgenossen standen. der berner antoni wyder soll alleine 2000 söldner für könig ludwig XII. geworben haben. viel soll geflossen sein, für diese illegale aktion. und löwenwirt michael glaser soll es an seine kundschaft verteilt in der stadt verteilt haben.


heutige kirche köniz, innendach und taufstein stammen noch von der kirche, die 1513 geweiht wurde.

der aufstand auf dem land

nur 20 tage nach der schlacht von novara stand in köniz die kirchweih an. die kirche wurde an der stelle, wo sie heute noch steht und wo früher schon ein gotteshaus stand, das berta, die beliebte königin hochburgunds, dann burgunds und der lombardei, gestiftet hatte, ihrer neuen aufgabe übergeben.

da versammelte sich viel volk, aus stadt und land. da machte sich schon mal ein böses wort unter den jungen der untertanen an die jungen der obrigkeit auf den weg. an fasnacht war das auch so, wenn auch meist in umgekehrter richtung. und es wurde an der könizer kirchweih vom 26. juni 1513 auch viel getrunken. schliesslich vergassen sich an diesem abend 300 junge landleute.

sie riefen zum aufstand gegen die stadt auf, und griffen bern bewaffnet an!

die gegenwehr der stadt

die verdächtigen venner, die für das militärische aufgebot zuständig gewesen wären, glänzten an diesem abend durch begründete abwesenheit, sodass die schar aufgebrachter männer dem altschultheiss wilhelm von diesbach einen bösgemeinten besuch abstattete. keiner hatte sich mit französischem geld so angefreundet wie er. keine war so umstritten wie er. doch auch keiner kannte den umgang mit den untertanen so wie. ihm gelang es in der nacht, die aufruhr zu beruhigen. ohne blutvergiessen und brandschatzung zog man vor dem morgen noch ab.

da versammelte schultheiss von wattenwyl die bürgerschaft im barfüsserkloster, dort, wo heute das casino steht. man liess sie schwören, auf dass sie die obrigkeit für immer unterstützen würden. die stadt wurde von oben her belagert, und die bewaffneten milizen stellten sich an die tore. zwar hatten hasle, aarberg und huttwil gemeldet, mit der aufruhr auf dem lande nichts zu tun zu haben. doch die bauern der anderen ämter standen schon in wabern, – kampfbereit! die bauernrevolte war perfekt.

die bestrafung der schuldigen

nun rief man die anderen eidgenossen zur vermittlung in köniz auf. so entblösst wurde die berner obrigkeit nur selten: die schuldigen sollten bestraft werden. die kosten für die untersuchungen und vermittlungen hatte die stadt alleine zu tragen, und für die aufmüpfigen untertanen empfahl man eine amnestie, falls sie keinen diebstahl begangen hatten.

in köniz wurde auch vom stadtschreiber verlesen, wer sich von den franzosen hatte bestechen lassen. wilhelm von diesbach, – selbstverständlich stand an der spitze. von ihm, der als anführer der franzosenpartei galt, hatte man nichts anderes erwartet. aber auch andere mitglieder des rates wurden so entlarvt. selbst solche, die auf der seite der liga in novara waren, bezogen geld von der anderen seite.

jetzt wurden strafen verhängt.
geld musste zurückgezahlt werden.
verbannungen wurden angeordnet.
und todesurteile wurden ausgesprochen.

am schlimmsten erging es michael glaser. er musste vor den richtstuhl treten, auf dem wilhelm von diesbach sass, – selber ein beschuldigter, der mit busse davon gekommen war! verurteilt hat er den ehemaligen günstling, und als sich dieser wehren wollte, hiess von diesbach ihn, sich nicht gegen christus zu versündigen. übel ging es aus venner kaspar hetzel, dessen sohn, hans-rudolf, einer war, der illegal auf franzosenseite gekämpft hatte. er wurde, obwohl er das handeln seines nachfahren verurteilte, in olten von der aufgebrachten bevölkerung gefangen genommen, gefoltert und schliesslich gerichtet.

die mitsprache des volkes in fragen der aussenpolitik

die vermittlung der eidgenossen führte ende juli 1513 auch zu einem politischen kompromiss zwischen stadt und land: nur einen monat nach dem aufstand räumte die stadt im könizer brief der landschaft die mitwirkung bei künftigen bündnissen mit fremden mächten mittels aemterbefragung ein. die obrgikeit musste lernen, die ansichten der landbevölkerung zu berücksichtigen.

nicht ohne, was die kirchweih von köniz 1513 alles bewirkt hat!

stadtwanderer

bärenkult in bern – galloromanische göttin artio verweist auf seinen ursprung

wenn bern nicht von bär kommt, heisst es nicht, dass man im aaretal bei bern nicht seit langem eine tiefe beziehung zu bären hatte. relevantes dazu deutet aber darauf hin, dass der bärenkult im aaretal nicht germanischen ursprungs ist, sondern keltische wurzeln hat.


rekonstruktion der bronzestatuette von muri, die tier-mensch-gottheit artio (bärIn) darstellend, wie sie im berner historischen museum zu sehen ist.

die heidnischen götzenfiguren von muri

man schrieb das jahr 1832. das alte regime der zurückgekehrten patrizier in der stadt bern hatte abgedankt, und die liberale bewegung auf dem land war soeben in schwung gekommen. überall herrschte aufbruchstimmung im jungen kanton bern.

am 16. mai desselben jahres räumten auch die söhne des pfarrers ris von muri den garten. die erde wurde abgetragen, um neu bepflanzt zu werden. doch bevor man jedoch die frischen samen säen konnte, machte man just vor dem pfarrhaus einen erstaunlichen fund: einige bronzestatuetten kamen beim erdlockern hervor, die sofort zahlreiche schaulustige anzogen. der hinkende bote, das mitteilungsblatt für die landbevölkerung, berichtete als erster über die heidnischen götzenfiguren; und die gesamte presse von bern und umgebung doppelte zum seltsamen fund aus muri ausführlich nach.

insgesamt hatte man acht einzelteile gefunden; bei sechs davon war klar, dass es sich um personifizierte göttheiten in römischem stil handelte; bei einem sprach man von einem grossen, sonderbaren hund, und das achte stück war schwer zu bestimmen.

beschriftet waren zwei weibliche gottheiten; zur sitzenden stand: “DEAE ARTIONI LICINIA SABINILLA”, übersetzt hatte man da vor sich “der göttin artio (geweiht von) licinia sabinillia”.

die deutung der galloromanischen tier-mensch-gottheit artio

was man gefunden hatte, fand erst in einem fast siebzigjährigen prozess der staunens, des vermutens und des kombinierens seine verbindliche entschlüsselung: zu artio, der göttin, gehörte der vierbeiner, ursprünglich auf der platte mit der göttin festgemacht und zwischen einem knorrigen baum und einem fruchtständer stehend. dominant war er, und auf die göttin gerichtet. artio selber sass auf einem kleinen thron, der aber nicht erhalten war. nur ihre sitzende stellung deutete an, dass sie einmal vor dem tier sass und früchte auf ihrem schoss hatte.

in der rekonstruktion der bruchstellen ergab sich einen tier-mensch-kombination, die um 200 nach christus entstanden sein musste und aus bronze geformt worden war. der name “artio” legte die spur für die entschlüsselung der darstellung und des tiers, denn im griechischen bedeutet „arktos“ bär.

der vierbeiner war also ein bär, neben stier, eber und hirsch bei den keltischen helvetiern ein verehertes tier. da die keltische sprache griechische einflüsse hatte, dürfte der namen für bär im helvetischen zwischen arktos und artio gewesen sein. artiu ist denkbar, und es hätte art- im altirischen resp. als arthus/arthur in der namensgebung überlebt.

die kombination war typisch für die römer, die sich wie die stifterin, licinia sabinilla – die erste bernerin, wenn man so will -; sie übernahmen die keltischen gottheiten der lokalen bevölkerung, denn von ihnen gingen die kräfte im alltag aus, doch symbolisierten sie nach rämischem mit personen. der göttliche bär, wie auch die göttliche frau gehörten sinnbildlich zusammen, waren aufeinander bezogen, und die grössenordnung deutete an, was zuerst war, und was danach folgte.

der bärenkult in bern ist keltischen ursprungs und keine schöpfung der zähringer

belegt ist damit, dass es in der region der aare (reg.arvre wie auf einer zweiten inschrift steht) in keltischer zeit bärenkulte gab. das wiederum verweist auf das zusammenleben von bären und menschen bei den helvetiern. als die römer wohl in 1. jahrhundert nach christus in die aaregegebend kamen, änderte sich das verhältnis zu den bären. sie waren nicht mehr ein befürchteter, aber auch geachteter teil des riesigen waldes. vielmehr wurden sie zu einem beliebten jagd- und handelsobjekt. denn in rom war es unter verschiedenen kaisern hoch im kurs, seltsame tiere aus fremden gegenden vorzuführen, und im kolosseum in blutigen kämpfen mit anderen tieren oder gladiatoren kämpfen und sterben zu sehen.

dazu passte, dass man die kräfte, die in der natur steckten, nur in form von symbolen zu speichern, aber auch zu bändigen suchte. artio, die weibliche gottheit der galloromanen, war ein solches symbol. vielleicht wurde der bär schon einem keltischen tempel aus holz im quadratischen feld an gleicher stelle verehrt. vielleicht haben die römer daraus einen tempel in ihrem stil gemacht, aus stein (“mure”, der mittelalterliche namen für muri, zeugte von der dauerhaftigkeit der römischen einrichtungen in der gegend), und vielleicht stand das pfarrhaus von muri im 19. jahrhundert immer noch an der gleichen stelle. sicher ist, dass alles in dessen garten gefunden wurde.

berner historisches museum stellt den speziellen fund gebührend aus

heute kann man den fund in seiner rekonstruierten originalfassung im bernischen historischen museum von bern bestaunen. er ist der älteste beleg für die nähe von bär und mensch im aaretal, – wohl 1000 jahre älter als die stadtgründung durch berchtold v., herzog von zähringen, von dem notabene kein bär wirklich überliefert ist. erst könig heinrich, der vertreter des deutschen reiches, liess ein siegel mit dem bären prägen, das erste als die zährigner schon sechs jahre ausgestorben waren. wie auch der bär zur zeit der zähringer in bern!

stadtwanderer

weiterführende informationen: dea artio, die bärengöttin von muri. römische bronzestatuetten aus einem ländlichen heiligtum, bern 2002

woher der name bern kommt

„bern“, berndeutsch bärn, standarddeutsch bern, französisch berne und italienisch berna, ist nicht so einfach zu enträtseln. das lexikon der schweizerischen gemeindenamen, von den dialektologen der universität neuenburg zur expo 02 herausgegeben, hält fest: „Die Herkunft des Namens Bern ist noch nicht endgültig geklärt.“ doch sie verweisen auch auf eine Piste, die in den letzten gut 20 Jahren immer mehr wegmarken verbindet und dabei alte pfade zusehends überlagert. bern kommt demnach nicht vom germanischen wort für bär, sondern vom keltische wort berna für kluft.

wie es der volksmund sagt

für den volksmund ist die sache klar: berchtold v., herzog von zähringen, der stadtgründer, hat seiner stadt den namen geben. die stadtgründungssage lässt ihn zu seinen getreuen auf der halbinsel im sack der aare sprechen: „geht hinaus in die eichenwälder; das erste tier, das ihr erlegt, soll der stadt den namen geben!“ einen bären sollen die jäger gefangen und getötet haben, womit der name gegeben war: “bär – bärn – bern” ist die populäre herleitung des neuen stadtnamens und -stadtwappens!

die germanische namensherleitung

1880 wurde die gleichung “bern=bär” erstmals umgedeutet. sprachforscher erinnerten an den sprachlichen und herrschaftlichen zusammenhang von bern und verona im heutigen italien. diese stadt nannte man im mittelalter gern auch „welsch bern“. bern war damit „deutsch verona“. und das war nicht nur ein sprachspiel: die zähringer waren, nachdem sie 1056 nicht, wie erhofft, herzöge von schwaben geworden waren, amtsherzöge in der markgrafschaft kärtnen gewesen. sie figurierten damit auch als die stadtherren von verona. ihr glück im alpenherzogtum dauerte indessen nicht lange, denn sie kehrten schon nach wenigen jahren von dort zurück, um sich im südlichen schwaben, dem thur- und zürichgau festzusetzen, und später über den aargau ins burgundische gebiet, der heutigen romandie, vorzustossen. hier entwickelten sie im grenzgebiet zwischen dem geteilten herzogtum schwaben und dem unselbständig gewordenen königreich burgund ihren neuen territorialstaat. als sie bern – ihre letzte, wichtige gründung – vollendet hatten, hätten sie, so die neuere auffassung, ihr in erinnerung an die legendäre stadt in kärnten den namen verona im üchtland gegeben. belegt ist dieser gebrauch zwar nicht zu lebzeiten der zähringer, schriftlich verbrieft ist es aber für das 14. jahrhundert.

und das war nicht ohne! denn mit verona brachte man auch dietrich von bern, eine zu zeiten der höfischen ritter der beliebtesten figuren aus den geschichte in verbindung. angespielt wurde dabei auf den gotenkönig theoderich, der in ravenna seinen hauptsitz hatte, und der nach dem untergang des römischen reiches könig über italien geworden war. seine taten wurden in den nibelungen legendär besungen, und mit jenen der hunen, der burgunder, der merowinger und ihren königinnen eng verbunden. sie blieben bis in die heutige zeit beliebt, selbst wenn der historische wert dieses epos umstritten ist.

es ist typisch, dass die übersetzung von verona zu bern lange zeit die gültige herleitung des stadtnamens blieb. noch 1981 hielt man in einer angesehenen schrift hierzu fest, diese herleitung sei auch hundert 100 jahre nach ihrer prägung „unbestrittenermassen die richtige“.

die keltische namensherleitung

doch dann kam der schock für alle, die an der germanenthese festgehalten hatten. 1984 entdeckte man in der engehalbinsel eine untergegangene siedlung, deutlich älter als das zähringische bern. sie stammte aus keltischer zeit und war von den römern erobert worden. sie soll in die abhängigkeit von aventicum gekommen sein, der ersten römischen stadt im land der helvetier. die stadt auf der benachbarten halbinsel soll flächenmässig sogar die grösste keltensiedlung im land der helevtier gewesen sein. bewohnt war sie nachgewiesenermassen bis ins 3. jahrhundert.

brenodor hiess die vorläuferstadt des mittelalterlichen berns. übersetzt dürfte es der (geschützte) markt des brennus geheissen haben. brennos wäre demnach der keltische begründer des ortes gewesen. brenodor, keltisch wohl brenodurum, wäre damit wie solothurn und winterthur, salodurum und vitodurum, einer der grossen keltischen handelsplätze im mittelland gewesen, noch bevor die römer kamen.

der versuch, bern direkt aus brenoder abzuleiten, ist jedoch gescheitert. dennoch legte die keltische vergangenheit des siedlungsplatzes in den aareschlaufen die spur. auch in der nydegg fand man keltische spuren, und zwar genau dort, wo die aare das schmale stück zwischen den molassefelsen passieren muss. der wilde fluss, der gerne das bett wechselte, überschwemmungen brachte und nur schwer berechenbar war, war genau an dieser stelle gut zu passieren. genau 60 meter breit war er hier zu jeder zeit, und zwischen den felsen kannte man seit langer zeit einen fährbetrieb. nicht auszuschliessen ist zudem, dass die burgundischen könige die grenzstelle mit der fähre im 10. jahrhundert befestigen liessen, und die zähringern, als sie die stadt gründeten, diese zu ihrer burg auf dem nyeggfelsen, wo heute die kirche steht, ausgebaut haben.

nicht der bär im eichenwald, sondern die kluft an der aare hat den namen bern bestimmt

bern wäre demnach der ursprünglich keltische abschnittsnamen der aare an der nydegg, oder sogar die bezeichnung der stelle, wo der fährbetrieb war. dafür spricht, dass auch im altirischen, direkt aus dem keltischen entstanden, bern „kluft, schlitz“ bedeutet, und in anderen ortsnamen mit flusskontakt erhalten geblieben ist.

mir gefällt diese neue these gut, auch wenn sie nicht lückenlos belegt ist. Wie fast alles in der frühgeschichte, versteht man auch die namensgebung von bern nur, wenn man sie verkehrshistorisch herleitet. die rein mittelalterliche herleitung des namens bern aus verona bleibt letztlich unhistorisch. sie ist symptomatisch dafür, dass man die zähringische stadtgründung „ex nihilo“, als eine aus dem nichts, darstellen verstanden hat. das ist weder geschichtlich noch archäologisch richtig. derade an der stelle, wo man möglicherweise seit jahrhundert die aare vorteilhaft passiert hatte, dürfte es immer eine kleine siedlung gegeben haben, und genau diese siedlung hat seit keltischen zeiten der stadt ihren namen gegeben. Der name ist nicht so romantisch entstanden, wie man das im mittelalter glaubte und bis vor kurzem auch stützte. er ist vielmehr herrschaftlich erstanden, als ausdruck des ortes, den man strategisch beherrschen musste, wollte man im aaretal regieren.

bern, als schlitz, durch den die aare aus geologischen gründen im bereich der nydgg gehen muss und als die kluft, der die aare genau aus den gleichen gründen auch immer passierbar machte, ist für mich jedenfalls die plausibelste herleitung des stadtnamens.

stadtwanderer

wörter sterben (linguistik für stadtwanderer, 3. teil/schluss)

wörter werden (teil 1 der serie “linguistik für stadtwanderer”)
wörter wandern (teil 2 der serie “linguistik für stadtwanderer”)

wörter sterben, doch spricht niemand darüber. der stadtwanderer bricht jetzt das schweigen!


quelle: flickr_futurowoman

der lebenszyklus von wörtern

wer in alten schriften stöbert, merkt es schnell: wörter werden geboren, blühen, wandern, welken und sterben. mit ihnen ist es wie mit pflanzen, ausser dass der lebenszyklus meist länger ist.

vertraut sind uns noch der missbrauch, der misstritt und der missgriff. doch das missmaul, der misslauf oder der misskram sind uns fremd geworden. und bei misswahl denkt heute niemand mehr an die falsche wahl, sondern an die schöne!

die heutige sprache ist miss-bildungen gegenüber skeptisch geworden, – ganz anders noch als die des 18. jahrhunderts. da verwendete man die vorsilbe noch ohne bedenken, nicht aber ohne probleme.

denn sie kann miss-verständlich wirken!
oder konjugieren sie mal misspreisen!
und sprechen sie alle ihre miss-wörter ohne missbetonung aus!

man hat deshalb die vorsilbe miss- vielerorts verdrängt. fehltritt ist einfach klarer der misstritt, und für fehlschlag gilt dasselbe im vergleich zum missschlag. hand aufs herz: wenn ihre mail falsch ankommt, sagen sie dann missverbunden oder fehlverbunden?

ziel der kommunikation ist es, missverständnisse zu vermeiden. und da sind veraltete worte wie missverstand einfach missverständlich.

die hauptschuldigen der wörtersterbens

schuld am wörtersterben sind drei: luther, der bürokrat und der germanist. luther standardisierte die regionalsprache. kein katholisches worte mehr sollte über seine lippe gehen. sein bischof hätte noch über seine lefze gesagt und damit gleich ein glaubensbekenntnis abgegeben. luther mochte den umkreis nicht, er machte ihn zur grenze, rund um den hügel, auf dem er stand, nicht um den bühel.

die bürokraten haben von amtes wegen wörter vernichtet. der rechtsanwalt verdrängte den sachführer, verbannte der rechtsbeistand, und bedrängt heute noch den fürsprecher. und die germanisten haben immer wieder deutschwellen lanciert, dabei jedoch nicht immer viel gesckick bewiesen: spitzsäule hat sich nicht durchgesetzt, der obelisk ist geblieben. stachelschrift ist übel, fast schon satire in eigener sache! und grammatik freut einen nicht mehr als sonst, wenn man sagt: “der gebefall ist dem zeugefall sein tod!”

vor- und nachteile der neuen sprache

die reformierte, gesittete und verstaatlichte sprache der neuzeit vermeidet auch das körperliche. euphemismus nennt man das, womit man die wortverdrängung selber geschickt verdrängt. doch auch sie war nicht immer erfolgreich: die neuzeitiche erkenntnis bringt nicht mehr als die mittelalterliche begattung. und das gemächt macht kaum einen mann stolzer als den schwanz. kammerlauge schliesslich ist elegant fliessen, aber riecht nicht anders als seich.

eine unbewusst höhere stufe des wortsterbens brachte die zivilisation mit sich: “je reifer die kultur, desto geordneter die sprache”, lehren die linguisten. und sie huldigen der sprachökonomie, die der endung ein ende setzte, dafür mit erweiterungen ungelenkige wörter gemeidig machte: aus fahr wurde so gefahr und aus trug betrug. ordnungspolitisch beliebt ist bei den sprachwächtern jeder zeit der sogenannte präfix- oder suffixtausch: aufhüllen ist heute enthüllen, wohingegen das entküssen zum abküssen geworden ist.

doch ich will nicht klagen: vieles hat sich auch gebessert! die tändelwoche ist verschwunden. die ehehaft auch, und mit ihr der einzögling. flitterwochen feiern wird dafür, ehegemeinschaften haben wir, und einzelkinder ziehen wir auf. diesen ziehen wir kein bruch mehr an, sondern hosen, und wenn die jünglinge durstig sind, meint man nicht mehr, dass sie kühn seien, sondern einen schluck bier brauchen. abgeschafft haben wir schliesslich nur die monarchie. und das synonym eigenwille hier ist gleichzeitig verschwunden, selbst wenn es in der postmoderne als bestandteil der individualisierung wieder auftaucht …

exkurs: wörtersterben in bern

speziell ist das wörtersterben natürlich in bern. viele übersetzungen vom französischen ins deutsche haben den transfer nicht überlebt. der gorumand wurde berndeutsch zu schnäderfräs, und wer das fast verblichene wort als adjektiv, schäderfräsig, braucht, meint heute eher das gegenteil. und s’köch aus dem 18. jahrhundert war der jardinage nachgebildet worden, womit man das beigemüse auf dem teller meinte. schliesslich wurde das fleisch nicht grilliert; man hat es gebräglet, gebraten.

doch nicht nur die kulti- auch die zivilisierung der berner sprache wird im zeitvergleich ersichtlich. was hat man da nicht alles für begriffe gehabt, um andere menschen zu betitel. e dotsch war ein plumer kerl, es baby ein weibischer jünglich, und dr ful war der listiger mann. de klöty wiederum war ein grobian und de leutsch ein liederlicher mensch. lätschmul schliesslich war ein schimpfname für alle und alles! verschwunden sind gottseidank auch tschampel für dumme frau, käschy für bösartige frau, während das fägnescht noch für kinder gebraucht wird, die nicht ruhig einschlafen wollen, nicht mehr aber für frauen, die kein festes bett haben!

folgerungen für den stadtwanderer

man sieht es, der stadtwanderer hat einen grossen friedhof voll von verstorbenen wörter eröffnet. manchmal trauert er den kräftigen unter ihnen wegen ihrer emotionalen stärke nach, dann findet er die verdeutlichungen klar sinnvoll, und schliesslich hat er freude, ist einiges an germanistischem sprachunsinn beseitigt worden.

versagen sie mal holz, wenn sie keine säge haben, sondern nur einen fuchschwanz. ehrlich, verfuchsschwanzen gab es schon mal!

selbst hat der stadtwanderer jedoch ein ähnliches problem. denn seine lieblingstätigkeit ist das stadtwandern. er stadtwandert also, und sollte er dabei einmal eine frau treffen, die auch stadtwandert, möchte er sie gerne willkommen heissen. doch wie nur soll er sie begrüssen: “hallo, stadtwanderin oder stadtwandererin”. und wenns dann gar ein postmodernes paar aus der alternativszene sein sollte, heisst es dann: “hej, stadtwandererInnen, machen sie jetzt auch stadtwandererungen?”

so jetzt ist aber fertig mit dem makaberen thema. ich sag echt kein sterbenswort mehr,

stadtwanderer

wörter wandern (linguistik für stadtwanderer, 2. teil)

wörter werden (teil 1 der serie “linguistik für stadtwanderer”)

wandert nicht nur der stadtwanderer, sondern wandern auch wörter durch die gegend? sicher, zwei beine haben sie nicht! aber sie bewegen sich dennoch in raum und zeit. nur ist uns das meist nicht bewusst! deshalb halte ich dagegen, mit meinem zweiten crash-kurs in semiotik für stadtwanderer.

sprechen verändert die sprache meist unbewusst

sprache dient der verständigung. dafür muss sie fixiert sein, denn verständigung zwischen individuen entsteht nur dann zweifelsfrei, wenn bedeutungszuschreibungen eindeutig sind und sinnzusammenhänge intersubjektiv nachvollzogen werden können. das leistet unser aktuelles sprachbewusstsein, das durch die schriftlichkeit geprägt wird.

wie alles soziale ändern sich aber auch sprachbewusstseine durch die regelmässige nutzung. das geschieht konitnuierlich, aber nur langsam, und vor allem beim sprechen. deshalb bewegen sind kontexte und vorstellungen von wörtern und texten nur unscheinbar, aber unaufhaltsam. historikerInnen, die grosse zeiträume vor augen haben, wissen darum.


obwohl am ende des 13. jahrhundert als gothische kirche gebaut, verzichtete man auf pomp, da das gotteshaus an der predigergasse zum kloster des bettelordens der dominikaner gehörte (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

worthülsen bleiben, der sinn verschwindet

in bern gibt es beispielsweise eine franzosen-kirche. das ist die an der predigergasse. ursprünglich war sie die kirche des dominikanerordens, der seit mitte des 13. jahrhundert in der savoyisch gewordenen stadt bern ein kloster unterhielt. den heutigen namen hat die kirche aber nicht deswegen.

zur franzosen-kirche wurde das gotteshaus, als die reformierten bedrohten glaubensflüchtlinge 1685 unter anderem in die schweiz und nach bern kamen, um bei den glaubensbrüdern um asyl zu bitten. erhalten haben die hugenotten, wie man sie nannte, das gesuchte. die ehemalige dominikanerkirche – seit der reformation nicht mehr benutzt – stellte man ihnen zur verfügung.

das galt bis mitte des 19. jahrhunderts. heut ist davon nur der name übrig geblieben, auch wenn es kaum mehr hugenotten in bern gibt. franzosen-kirche ist demnach die kirche der französischen glaubensflüchtling in bern, die aus frankreich flüchten mussten. da man keine katholiken in bern von damals hatte, stellte man nicht auf die kleine differenz zwischen französischen und bernischen reformierten ab, sondern – vereinfachend – auf die herkunft der menschen, – und gab ihnen so einen namen franzosen, der sich auch auf “ihre” orte in bern übertrug.


vom ende des 17. bis mitte des 19. jahrhunderts die kirche der hugenottischen flüchtlinge aus frankreich; heute l’öglise protestante de la paroisse française (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

das exempel: “hugenotten” und “eidgenossen” meint das gleiche!

und “hugenotten”? was eigentlich meint das?

“eidgenossen”, schlage ich vor! die franzosenkirche würde viel besser eidgenossen-kirche heissen!

hää? – ja, eben weil wörter wandern, und, mit verändertem sinn, sogar an den ursprungsort zurückkommen!

die “eidgenossen” entstehen

eidgenossen waren im 13. jahrhundert verschworene, die sich zusammenschlossen, um auch ohne adeligen schutz rechtssicherheit zu gewähren. solche entwicklungen entstand an verschiedenen orten fast gleichzeitig.

“1291” hat sich in unser gedächtnis eingebrannt, – als datum, an dem die drei eidgenossen auf der rütli ihren schur taten und sich gegenseitig unterstützung gegen die habsburger herzöge zusicherten. “1239” müsste man historisch wohl eher sagen, als sich bern und murten zu einem bündnis zusammenschlossen. 1218 waren sie, als die zähringer ausstarben, zu freien reichsstädten geworden und unterstanden dem kaiser direkt.

doch friedrich lebte meist in italien, und focht dort einen epochalen streit mit dem papst aus. er verlor ihn schliesslich. 1245 wurde er als ketzer aus der katholischen kirche ausgeschlossen. spätestens damit zerfiel der einfluss des kaisers auf die rechtssicherheit. und genau diese versuchte man mit bündnissen zwischen orten zu sichern, die gemeinsamen handelt betrieben.

als “eydgenossen” nahmen die städte und länder, die sich verschworen (“coniuratio” war die bezeichnung aus sich der herrschenden) eine alemannische tradition der lokalen selbstverwaltung auf, die zum grundgedanken des werdenden bündnissystems zwischen aare, reuss und limmat wurde. nach den militärischen siegen von 1386 in sempach resp. 1388 in näfels gegen die habsburger war man nicht nur die dominierende kraft im mittelland. im sempacherbrief von 1393 trat man erstmals auch als einheitliche ordnungsmacht für fragen der kirche und des militärs auf, und sprach, obwohl unverändert ein teil des kaiserreiches, keck von einer “eidgenossenschaft”.

zu dieser eidgenossenschaft, die 1499 einen teilautonomen status im neugeordneten erzwang (tschetschenie lässt grüssen!), tendierte zu beginn des 16. jahrhunderts das bürgertum wichtiger städte in der heutigen romandie. bedrohlich wirkte für sie zunächst die katholische kirche; mit ihren wachsenden ansprüchen an kirchensteuern für militärische feldzüge in italien und palastbauten in rom wurde sie für das städtische handwerk mehr zu last als zur stütze. bedrohlich waren aber auch die herzöge von savoyen, in turin residierend, die direkten anspruch auf die städte erhoben am lac léman erhoben.

die “hugenotten” entstehen

namentlich im französischsprachigen genf nannte man ab 1520 die partei, die anti-savoyisch und pro-eidgenössisch war, folgerichtig “eidgenossen”, leidlich ins französische übersetzt “eydgenots”. daraus entwickelte sich nach und nach die wörter “eig(u)enots”, “aig(u)enots und ähnliches. alle waren sie eine fremdbezeichnung für die bewegung, die aus dem eidgenössisch geprägten mittelland kam, und sich über genf hinaus ins rhonetal und auf halb südfrankreich auszudehnen drohte, einer der freiheitskämpfer gegen die alte herrschaft war besanzon hugue, und es liegt auf der hand, dass sein name die begonnene verballhornung von eidgenossen zu aig(u)enots schliesslich als hug(u)enots vollendete.

die calvinisten, die sich nach 1536 zu einer religiösen kraft in der gesellschaft, aber auch zu einer politische bewegung im werdenden französischen staat darstellten, wurden seit mitte des 16. jahrhunderts verallgemeinernd hugenotten. selbst hatten sie zahlreiche andere namen, doch ihr auftreten wurde durch das katholischen königshaus überall unter diesem sammelschimpfnamen zumsammengefasst.

1598 erhielten diese hugenots den charakter einer staatlich geschützten christlichen minderheit, ohne je zur staatsreligion zu werden, wie das die lutheraner im 1555 im augsburger religionsfrieden schafften. 1685, mit der aufhebung des friedensichernden edikts von nantes durch louis XIV., entstand die erste grosse flüchtlingsbewegung. diese suchte den schutz unter anderem in der eidgenossenschaft, – seit 1648 ein vom reich unabhängiger staat mit starken affinitäten zu frankreich.

als die flüchtlinge nach bern kamen, nannte man sie franzosen, hugenotten, statt sie mit eidgenossen, reformierten zu begrüssen.

zur fluktuanz der sprache, ein merksatz zu und für wanderungen

vergessen gegangen war ende des 17. jahrhunderts der bedeutungszusammen von eidgenossen, eydgenots, aigenots und hugenots der in der beginnenden neuzeit vor allem in genf entstanden und durch die übersetzung eines begriffes aus der alemannischen tradition ins französische ein erstes mal gebrochen worden war. mit der rückübersetzung vom französischen hugenots ins deutsche hugenotten passierte gleiches gleich noch einmal. vergessen ging diesmal die bedeutungszuschreibung, die durch den kampf der royalistischen katholiken gegen die reformbewegung entstanden war, die im 16. jahrhundert unter den adeligen des süden frankreichs rasch an unterstützung gewonnen hatte.

etymologisch haben “eidgenossen” und “hugenotten” jedoch die gleiche wurzel. die begriffe sind aber zu verschiedenen zeiten und verschiedenen räumen geprägt worden. ihre entstehungskontexte sind verschieden, und ihre kulturellen bedeutungszuschreibungen sind es auch. deshalb können wir den vergleichbaren ursprung mit unserem heutigen sprachbewusstsein gar nicht mehr vorstellen.

sprachgeschichtlich und kulturhistorisch ist der zusammenhang aber evident. und das passt gut zu meiner semiotische absicht, die ich zur weiterbildung von stadtwandererInnen verfolge: nämlich zu zeigen, dass auch wörter wandern, im raum und zeit, und dabei fluktuieren. wie hiess es meiner einleitung so schön:

fluktuanz ist die uns meist unbewusste, nicht seiende, aber werdende substanz der wörter!

semiotisch
angehauchter
stadtwanderer

wörter sterben (teil 3 der serie “linguistik für stadtwanderer”)

wörter werden (linguistik für stadtwanderer, 1. teil)

ich bin selten um ein wort verlegen, ich weiss. und wenn, dann helf ich mir! – ein crashkurs in linguistik für stadtwanderer, 1. teil.

ohne worte

jüngst hatte ich nach dem wandern ein blackout. ich suchte ein wort, und es kam mir einfach nicht in den sinn.

ich wollte … äähmm, äächhh das dingsbum, eeeh, ja, das …, mmmh, eben beschreiben wollte ich es. es ist am boden, ja, man geht so achtlos beim wandern in der stadt darüber hinweg. ihr wisst ja, die – ääch – ???!!!??? – die deckel, die die kanalisation davor schützen, dass man wortlos in sie hinein fällt.

das war es, was ich suchte. aber das mit dem namen, das wollte einfach nicht klappen! da ich unbedingt auf flickr eine group eröffnen wollte, die bilder von diesen dingern zeigen sollte, musste ich ihn aber finden. sonst würde es keine debatte geben! wie nur, sollten andere etwas besprechen und bebildern, wenn sie nicht einmal wissen, worum es gehen soll?

es war hart —

auf ein wort

ich fasste mir ein herz, und ich erfand, was ich nicht finden konnte:


aus der flickr group “dollendeckel überall (fotos von stadtwanderer, litscher und apropos, anclikcbar)

“dolledeckel”, hochdeutsch “dollendeckel”, wagte ich schon mal.

ich wusste sofort, dass das wort nicht stimmte, – jedenfall gehobenen ansprüchen nicht reichte. aber ich konnte einfach nicht besser! und als ich die group mit meiner unmöglichen wortgeburt getauft hatte, fiel es mir schlagartig ein: “schachtdeckel”!

genau, das war es, was ich gesucht hatte!

auf google wurde es rasch getestet, und die anfrage ergab umgehend, dass gewünschtes bild mit gesuchten begriff übereinstimmten. bingo!

nun konnte ich jedoch den namen der group nicht mehr ändern. festgesetzt hatte er sich zwischenzeitlich: ein kopfgeburt, die sich in die virtuelle ewigkeit verabschiedet hatte.

also war ein wort geworden.

wörter werden

nach einigen tagen entdeckte ich, das meine wortfindung auf flickr zu lustigen wortspielen anlass gegeben hatte. ausgangspunkt war ein bild von
– schok –, das ich mit dem kommentar versah:

“toll, dieser doll…!”

es war eine schüchterne anspielung auf mein jüngstes wortversagen. und es hatte folgen.

den – schok – antwortete melodisch:

“die tollen, die ollen dollen”

und das habakuk doppelte gleich mit einem gedicht nach:

<>

da wollte sich litscher nicht lumpen lassen:

“Schönes Bärenexemplar”,

formulierte er ziemlich unpassend dazwischen, sodass – schok – den faden wieder aufnehmen musste:

“die ollen dollen sollen rollen + tollen in den vollen stollen!”

_bubu_ – für seine eigene sprache bekannt – konterte, wenig erhellend: “vonRoll ….so quasi :-)”

nee, gab da das habakuk zurück:

“vollDoll :::-)”

“toll, die doll …” sag ich da!

wörter lehre

ferdinand de saussure, der genfer philosoph, und seine nachfolgerInnen unter den liguistInnen lehrten, das zeichen stellvertreter für dinge und ideen sind, die man als das erkennen kann.


zeichen (unten rechts) bezeichnen (oben) bezeichnetes (unten links). hat man kein konzept, sind zeichen uneindeutig. hat man für ein konzept kein zeichen, bleibt ein handelnder (mitte) ohne worte …

mit zeichen bezeichnet man bezeichnetes, ohne das das bezeichnende das bezeichnete selber ist. das wort “hund” ist selber kein hund. es lässt uns aber über hunde sprechen, und zwar so, dass wir wissen, wovon wir sprechen. und das alles, ohne auf den hund zu kommen.

ich finde, dollendeckel ist gar kein schlechter versuch. es hat zum wortspielen angeregt. wohl weil es nicht perfekt ist. doch gerade durch das spiel, ist es klarer geworden, was ich meinte.

dollendeckel ist also eine bezeichnung, die bezeichnetes bezeichnend bezeichnet, – hinreichend. damit ist ein wort geworden. ich sagte ja, ich bin selten um ein wort verlegen.

wandstadterer

wörter wandern (teil 2 der serie “linguistik für stadtwanderer”)

e burechorb vou vo aregige (einen bauernkorb voll von anregungen)

nun war ich schon wieder in thun referieren. diesmal aber nicht zu berta und dem frühen mittelalter, nein, vielmehr sprach ich zur zukunft der berner gemeinden. eingeladen hatte mich das thuner politforum. 250 gäste aus dem ganzen kanton kamen freitags und samstags im schaudausaal zusammen, um die malaise in den kommunen zu diskutieren.


bärner burechorb, mein geschenk als referent am thuner politforum (foto: stadtwanderer, anclickbar)

der weltweite wertewandel und das schweizer milizsystem

ich hat heute zum gesellschaftlichen wandel zu sprechen, und über die folgen für die kommunale politik nachzudenken. und so sprach ich zunächst zum wertewandel, die ich kenne. der amerikanische politikwissenschafter ronald inglehart hat sie in rund 100 ländern realisiert. er kommt zum schluss, dass sich die kultur der gegenwartsgesellschaften grob gesagt in zwei richtungen weiter entwickeln:

. weg von traditionellen, religiös fundierten werten hin zu säkularisierten, rationalen werten einerseits, und
. weg von prioritäten des überlebens im kollektiv hin zu jene der individuellen selbstentfaltung.

am weistesten ausgeprägt sind diese veränderungen in den kulturen des protestantisch geprägten europas. die schweiz ist weltweit in der spitzengruppe. in der politik zeigen sich die auswirkungen namentlich beim milizsystem, das die schweizerische gesellschaft prägte, die organisation der armee und des staates bestimmte.

zunächst wird es ausgehölt. mitgliederschwund bei den politischen parteien und deshalb mühe, politische ämter zu besetzen, sind die folgen. man klagt darüber, – recht breit. aber nicht überall gleich stark und nicht überall gleich anhaltend:

erstens, in den kleinsten gemeinden sind die proleme mittelgross, denn es funktioniert die informelle rekrutierung noch einigermassen. verwandschaftsbeziehungen sind eine entscheidend vorbedingung hierzu, vereinmitgliedschaften verschafften einem erste kontakte darüber hinaus, und die feuerwehr ist das klassische sprungbrett für die politik, die auf dem lande meist im gemeinderat endet.

zweitens, in den mittelgrossen gemeinden funktioniert das aber kaum mehr, und eine besserung ist nicht in sicht. die menschen ziehen aus beruflichen gründen weg, oder weil ihr(e) liebste(r) anderswo wohnt. und weil die zuzügerInnen nicht im gleichen masse zugang zur gemeindepolitik finden, wird die schicht der politisch aktiven immer kleiner und ergänzt sich immer mehr aus den immer gleichen kreisen.

drittens, in den städten wiederum scheint der tiefpunkt in der rekrutierung durchschritten zu sein. auf der exekutiven ebene macht sie eine professionalisierung der politik breit, die verwaltung entlastet die politischen gremien, und fachstellen für alles und jenes übernehmen operative aufgaben. regierungsämter sind in den städte heute meist voll- oder halbamtlich ausgestattet, was die rekrutierung von leute erleichtert, die nicht mehr milizmässig, jetzt aber berufsbezogen politik machen wollen.

mein thesen und folgerungen

mir ist mit meinem vortrag von heute bewusster geworden, dass der wertewandel nicht nur die werte des kollektivs geschwächt hat, sondern auch neuen entwicklungen chancen eröffent. die politischen aemter in den städten sind pluralistischer zusammengesetzt. die vorherrschaft einer partei ist ausgebrochen, und frauen haben erhöhte chancen in spitzenpositionen zu kommen.

ich habe gefordert, diese entwicklung auch in den mittelgrossen gemeinden voranzutreiben. ich erwarte, dass exekutivarbeit hier zunehmend professionell geleistet wird. politische führungsarbeit soll zudem erleichtert werden, indem das tagesgeschäft stärker delegiert wird.

gleichzeitig gehe ich davon aus, dass die legislativarbeit weiterhin milizmässig funktionieren wird. dafür gilt es, die eintrittsmöglichkeiten auch ausserhalb der parteien zu erleichtern. kommunale politische karrieren sollen beispielsweise familienmenschen mit engagementbereitschaft, ausländerInnen mit erfahrungen in integrationsfragen und frührentnerInnen, die sich und ihre kompetenzen nicht einbringen wollen, zugänglicher gemacht werden. weiterbildungsangebote, ja eigentliche politikerInnenschulen sollen das personal, das sich noch finden lässt, stärken.

überraschende und klare reaktionen

zum schluss meinte ich, die politische arbeit in der gemeinde müsse nicht nur materiell, sondern auch immateriell gestärkt werden. ich habe dabei auch aufgefordert, der überhand nehmenden negativberichterstattung über die gemeindepolitik in gewissen massenmedien selbstbewusst (nicht aber überheblich!) entgegenzutreten.

ich wollte dem publikum nicht flattieren; die klaren reaktionen haben mich aber überrascht. zahlreich bin ich etwas so angesprochen worden: dass die vielerorts ehrenamtlich geleistete arbeit heute keine anerkennung mehr finde, sei ein wichtiger grund, weshalb man sich heute lieber im beruf oder in der familie, nicht aber in der gemeinde einsetze. und es tue gut, aus berufenem munde, nicht nur eine differenzierte analyse zu hören, sondern auch motivierende worte zu bekommen.

an der tagung war es ein offenes pausenthema, dass sich gerade die männerpolitik im kanton bern sich auf einem sinkflug befinde. Demotivation habe sich breit gemacht. das habe man gerade auch an den referenten des ersten tages gesehen. die hoffnungen würden heute vielfach von frauen aus. am ersten tag, an dem ich nicht war, hätten diese als vortragende durchwegs brilliert.

min burechorb, eue burechorb

vielleicht, so meine bilanz am abend, schwindet der gemeinsinn gar nicht so stark. die individualisierung ist in der schweiz weit fortgeschritten. sie eröffnet der politik aber auch perspektiven, jenseits von traditionen neue formen und wege der politischen arbeit zu suchen und zu entwickeln. Ich werde das meinen wertewandel-überlegungen beifügen.

mir mitgegeben hat man am thuner politforum einen berner burechorb. der ist ganz hübsch, und ausgesprochen reichhaltig mit ess- und trinkbarem bestückt. ich hab schon angefangen, das alles auszuprobieren. auch wenn seine form noch traditionell wirkt, hoffe ich, den burechorb der gemeindepolitiker mit meinem rundgang durch theorie und befunde, erkenntnisse und empfehlungen da und dort inhaltlich neu angereichert zu haben, sodasss man auch von dieser wegzehrung des profitieren wird.

en guete!

stadtwanderer

ps:
mit dem thuner stadtpräsidenten, hansueli von allem, habe ich duzis gemacht. er tritt ja bald ab. Und in seiner einleitung zu meinen referat, erwähnte er, dass ich schon mal schultheiss von thun sei. da sich seine nachfolge schwierig gestalte, könne ich ja schon mal meine schriften nach thun verlegen, und mir eine kandidatur überlegen. werde mal königin berta um rat ersuchen, ob ich mich soweit in die gegenwart vorwagen soll …

madonna!

damit habe ich nicht wirklich gerechnet: kaum waren einige fotos der werbekampagne “M wie Madonna” in meinem flickr-album, ging das grosse klicken los. die serie mit sechs bildern wurde sofort aufgesogen, wie selten fotos zuvor, die ich ausgestellt hatte, und die kommentare liessen nicht lange auf sich warten. apropos bewertet es als eine “mega geniale serie”, entstanden aus meiner beobachtungsgabe. bubu jedoch schlug hart zu: “läck mir, geit mir die schlampe uf e sack !!….u no chli afrikaneschi ching adoptiere….super:-(, sorry für d vulgärschprach…..aber isch doch wahr!”, und –schok- doppelte nach “ändlech seit’s öpper…!”

die provokation also sass.


(foto: stadtwanderer, anclickbar)

werbung mit madonna

wie immer, wenn ich durch den Bahnhof gehe, interessieren mich die verbindungen aller art: zunächst die nach hause, dann aber auch die in die ferne. ein bahnhof ist heute jedoch nicht nur ort der verkehrskommunikation, sondern auch der bildkommunikation. und im öffentilchen raum heisst das heute: der werbung.

da kann man im moment die grossangelegte werbekampagne von “Hennes&Mauritz” nicht übersehen. von einmalig-überlebensgross bis klein-aber-repetitiv wird man mit “Designed by Madonna”-modeplakaten eingedeckt. die pop-ikone führt uns, just zum frühlingsbeginn, “ihre” neue kollektion vor.

und sie scheint erfolg zu haben: die jungen frauen vor den plakaten, diskutieren den stil, wenn sie an den stellwänden vorbeigehen; die männer dagegen konzentrieren sich eher still auf madonnas busen. niemand geht unbeteiligt vorbei: entweder bleibt man gebannt in madonnas pose oder in ihrem blick stehen. oder man tut nur so, wie wenn man nichts gesehen hätte. ein wenig domina, wenig flittchen, ein wenig sekretärin, wenig normale stadtfrau, ein wenig für alle ist diese madonna.


(foto: stadtwanderer, anclickbar)

werbung für madonna

die werbekampagne rund um madonna ist gigantisch. der star wird vermarktet. und er soll kommunizieren: aus ihrer eigenen kollektion stammten die stücke, erfährt man; entworfen habe sie die elemente teilweise selber, wird einem gesagt; und zeitlose eleganz werde einem mit dieser mode vermittelt, preist man madonna.

da trifft sich gut, das die wahl-londonerin mit dem kollektionsbeginn den britischen “elle style award” erhalten hat, – dafür, dass sie seit 20 jahren nicht nur der welt populärste musik mache, sondern golable den modestil präge. “mit sicherem gespür für trends”, heisst es in der laudatio.

und die schreiberInnen aller trendmedien doppeln wo- und wann-auch-immer sie können nach: jedes stück des neuen outfits wird minuziös beschrieben, der erste verkaufserfolg wird publizistisch multipliziert, und schon sehen die ganz gewagten auguren die restposten der grösse 38 verschwinden und in ebay als second hand wieder auftauchen.

die happigste werbung für die werbung habe ich bei der apa, der österreichischen presseagentur, gefunden. da sagt uns eine namentlich nicht genannte frau: “Es trägt sich, wie wenn man gar nichts an hätte”, als sie die seidige Hose anprobiert habe. “Jetzt hätte ich noch gerne Madonnas Figur”, war der nachsatz.

das ist es, was wohl die gemeinsame absicht von “Hennes & Madonna” (h&m)ist: der schwede will das grosse geschäft machen, die amerikanerin will den neunen menschen nach ihren vorstellungen schaffen!


(foto: stadtwanderer, anclickbar)

werbung dank madonna

madonna, genau genommen madonna louise veronica ciccone, am 16. august 1958 in bay city, michigan (usa) geboren, ist nicht nur die erfolgreichste sängerin der welt, bekannte schauspielerin, umstrittene tänzerin und gutverkaufte buchautorin. sie ist auch verkünderin der religiösen erneuerung.

streng katholisch erzogen, war sie angepasst. denn als sie noch im kloster war, machte sie ihrem namen alle ehre. seither knallt sie durch: als pop ikone brache sie mit ihrer vergangenheit. sie etablierte das kruzifix als mode-accessoire. sie küsste schwarze heilige auf der bühne, und sie räkelte sich vor brennenden kerzen (und publikum). selbst den papst liess sie nicht aus und widmete ihm ihre “unbefleckte sammlung”.

nach religiösen wanderungen ist madonna heute bei der altjüdischen lehre angekommen. mit ihrem gross verdienten geld unterhält die amerikanein in london das europäische kabbala-zentrum. als missionarin härt sie auf den namen “esther”, und einige ihrer promi-kollegen wie demi moore oder mick jagger sollen von schon mal bekehrt worden sein. sie selber schätze das prinzipielle an der kabbala-lehre. und sie besteht darauf, ihren jüngsten adoptivsohn aus malawi, aus einer christlichen familie stammend, beschneiden zu dürfen.


(foto: stadtwanderer, anclickbar)

genug der werbung, madonna!

ja, sie provoziert. und das mit kalkül. mal hure, mal göttin ist sie. fast schon wäre auch ich ihr erlegen. von der wiedergeburt des mysteriums wollte ich schreiben und madonna in den himmel heben, – fasziniert, irritiert, angezogen und abgestossen von ihr.

gott sei dank, habe ich mit meinem beitrag noch etwas gewartet. heute morgen wurde ich nämlich wieder auf die erde geholt. und madonna auch.

die sommerkollektion von “h&m” präsentiert kylie minogue. auf zum nächsten grossen bahnhof …

stadtwanderer

momentan macht mir das ganze angst …

ein bisschen macht mir das schon angst: nachdem mein blog letzten monat 30 prozent mehr besucherInnen bekommen hat, innert 30 tagen!, zeichnet sich ein solches wachstum nochmals ab. pro stunde habe ich 10 gäste, und es werden 100 seiten angeklickt. den tag durch kann es glatt das doppelte davon sein!


edvard munch: der schrei

in den ersten 13 tagen des monats april hatte ich mehr interessierte auf dem stadtwanderer, als bis diesen märz in jedem monat einzeln, notabene bis am letzten tag. wenn das so weiter geht, wird das publikum diesen monat gleich nochmals zwischen 20 und 30 prozent grösser sein.

dabei habe ich – beruflich und privat ganz schön eingespannt/bettet – im april erst 4 beiträge verfasst. und nun habe ich eine eigentliche blockade!

die energie reicht gerade aus, um die zahlreichen mails, die ich erhalte, die anfragen für stadtwanderungen, die mir zukommen, einladungen für besuche anderenorts, die mich interessieren, und die comments auf dem blog, die mich freuen (oder auch nicht), zu beantworten.

meine projekte aber für neue beiträge zu “stanek, mein vorbild”, “hegel in bern”, “madonna!”, “häuser ohne konfessionen” und “reclam(e)” stehen allesamt an.

zu wenig zeit?
zu wenig ideen?
zu wenig stoff?
zu wenig mumm?

oder zu hohe erwartung? von mir an mich selber …

natürlich freut es mich, mit dem stadtwanderer eine rubrik auf dem web geschaffen zu haben, die von so vielen konsultiert wird, weltweit, in europa, in der ganzen schweiz, in bern. schon im postauto am morgen werde ich angesprochen, beim kaffee werde ich als schultheiss von thun begrüsst, am mittag lacht mir eine kantonspolitikerin mit einem thementipp entgegen, und am abend sollte ich schweissgebadet noch fussnoten zu zugestellten büchern verfassen. dabei war ich gar nicht im layout, die mich wegen meinem “graffiti-city” beitrag längst eingeladen haben.

ich sag nur: habt geduld! ich habe einen vollen kalender! und ich habe viel energie zu schreiben! aber im moment macht mir das ganze stadtwanderer engagement ein wenig angst …

ich muss mich zuerst damit auseinandersetzen!

stadtwanderer

die neugierigsten berner korrespondentInnen

seit ich in bern fotografiere, hat sich die stadt verändert. objektiv und subjektiv. persönlich ist mir die stadt zugänglicher, vertrauter und klarer geworden. das ist gut so! sie kommt mir aber auch aufgelöster vor, zerfällt in immer mehr einzelheiten, die ich danach scanne, ob sie je auf einem bild platz hätten. manchmal, denke ich, hat das auch nachteile. denn der blick aufs unbewusste, aufs ungewollte, aufs ganze geht einem so bald einmal verloren.


quelle: www.flickr.com, snaper sind: s.lo/matthieuf/zap358/tillysan/katie

da hat wiederum flickr grosse vorteile! man kann seine stadtcodes ausschalten und mit denen fremder fotobücher durch die stadt gehen. es ist wie wenn man geführt wird, mit anderen augen sieht, mit anderem blick erfasst. meine korrespondentInnen waren manchmal nur kurz in bern, haben aber ihren eindruck fotografisch festgehalten. sie haben meist ganz eigene zugänge zur stadt: als touristen, als studentinnen, als kauflustige, als pendlerInnen oder als werktätige. andere berichterstatter kennen die stadt wiederum aus dem effeff, denn sie leben wohl schon lange hier, länger auch als ich!


quelle: www.flickr.com, snaper: holdsy/thebmag/berna

der neue bundesplatz ist zum eigentlichen renner der fotografInnen geworden. er hat den bärengraben und den zytgloggen als das berner fotosujet abgelöst. es fasziniert das wasser immer wieder von neuem. man will im sommer das kühle nass spüren, und man möchte das spiegelnde irgendetwas des lichts für immer behalten können. man sieht die kinder, man folgt der bewegung, und man erlebt die emotion, wie selten an einem anderen ort der stadt.


quelle: www.flickr.com, snaper: sprain

immer wieder spektaulär sind auch die bilder der welle über dem bahnhof. ausblicke auf die welt der geleise werden einem eröffnet, und einblicke in die menschenmengen gewähren uns die föteler. hier sind es die farben blau, braun und grau, die einem in ihren bann ziehen. gelegentlich möchte man sagen: ein riesiges kunstwerk auf holz, metall und glas verleiht der stadt flügel! und keiner hat das monument zeitgenössischer architektur so schön portraitiert wie sprain.


quelle: www.flickr.com, snaper: vabellon/eight59cc/chiefrocker9000

da steht sogar das klee-museum einen schritt hinten an. zwar sind auch hier die formen, die kurven und die bewegungen ausgesprochen elegant. doch es mangelt dem bau an farbe, die ihn erstrahlen lassen würden. manchmal hilft das licht, die architektur malerisch ein wenig aufzulösen. aber so richtig schwingen will das ganze noch nicht.


quelle: www.flickr.com, snaper: scatnipmusic/qishiwen/intutum/chrigu/intutum

nebst all dem neuen steht die altstadt als bewährter gegenpol gegenüber. von aussen wirkt sie unverändert. von innen ist sie es nicht. und das medium potenziert die variationen noch: man berichtet von der einkaufsstrasse und von den lauben. fahrräder erzählen die nacht, hausfassaden den tag. unendlich ist die zahl der bilder, die hier täglich (und nächtlich) gemacht werden, sodass die auswahl der favoriten schwer fällt.


quelle: www.flickr.com, snaper: behrmi/coyanis64/coyanis64

die unglaublichsten stadtbilder sind aber schwarz-weiss. klar. hart. dramatisch. in ihnen mischen sich licht und schatten mit himmel und erde. “das ganze universum!”, möchte man sagen. coyanis ist der spezialisten hierfür.


quelle: www.flickr.com, snaper: rainbow11

ganz anders erscheint bern, wenn man rainbow11 auf schritt und tritt folgt. sie ist die könnerin für regenbogen- und stadtfarben, vor allem für gelbtöne. sie entdeckt es, wo andere es übersehen, und sie mischt es, wo anderes es nicht wagen würden. ihre stadtbilder sind einmalig; heiss, mediteran, ja sogar karibisch wird bern da schon mal. wer nur hätte ausser ihr schon daran gedacht, aus der heiliggeistkirche ein gotteshaus in santo domingo machen zu wollen?


quelle: www.flickr.com, snaper: memnoch/rapino/esther

mit stimmungen ausgiebig gespielt wird auch an der aare. fotografisch beliebt sind auenlandschaften, die man hier so gerne übersieht. grün, braungrün und gelbgrün mischen sich da in seltener weise mit dem licht. merci all jenen, die das einem immer wieder bewusst machen. chapeau auch für fotografen, die schon früh morgens unterwegs sind, um seltene plätze mit spezielle begebenheiten gerade entlang des stadtflusses festzuhalten.


quelle: www.flickr.com, snaper: chiefrocker9000/rebeccaypedro/eloisavh

der verkehr in der stadt, das ist vielleicht das häufigste thema überhaupt. ein bild hierzu von masone wurde sogar von der pendlerzeitung „20minuten“ ausgezeichnet. ich kann es aber nicht zeigen, denn es ist seither für die wiedergabe gesperrt. das gilt auch für viel schöne aufnahmen, die ffgoatee in bern gemacht hat. frei sind aber die aufnahmen vieler anderer, die den offentlichen verkehr verfolgen und gerne mit der strassenkunst spielen.


quelle: www.flickr.com, snaper: michael henderson/cupweuro/vark

damit bin ich bei den absoluten highlights: michael henderson hat das bundeshaus so lange verzaubert, dass einem vertraute der eingang schliesslich fast schon orientalisch vorkommt. platz 1. der verschollene cupweuro hat mit dem bild der nydeck wohl den preis für die originellste stadtdarstellung gewonnen. vom nachtblau, das über dem quartiert liegt, kann man fast nicht genug bekommen. platz 2. unnübertrefflich schön ist aber vark’svarks darstellung des traurigen bären in seinem gefängnis: voll von spiegelungen für die zuschauer, doch öde wie nur einmal für den bären. platz 3.


quelle: www.flickr.com, snaper: -schock-/bubu/apropos/chiefrocker9000/litscher

apropos, bubu, chiefrocker9000, litscher und -schok- (vormals kerstin s.) sind meine regelmässigen begleiterInnen durch die stadt. sie leben oder arbeitenn in bern. in der realität war ich noch nie mit ihnen fötelen, virtuell bin ich aber immer bei ihnen. bubu ist mir noch am meisten fremd, denn er spricht eine sehr eigenwillige sprache. chiefrocker wiederum ist der unkonventionellste; er liebt das subkulturell krasse und verschönert es immer wieder mit seinen vögeln. aber auch litscher experimentiert gerne mit kamera und text; er ist fast schon ein stadtpolitiker. –schock- schliesslich lässt gerne die architektur sprechen und überrascht mich immer wieder mit orten, die ich übersehe. nicht unerwähntlich bleiben darf da apropos, meine häufigste begleiterin und kommentatorin. sie ist die absolute spezialistin für stadtspiegelungen aller art, mit einem hang zum nostalgisch-vertäumten und skuril-vergangenem!

ich bin froh, dass es sie alle gibt, die so unvoreingenommenen und so neugierigen korrespondentInnen aus bern!

stadtwanderer

hier noch ein link in ähnlicher sache: die von mir moderierte flickr group
“spectacular berne”

mit meinen neuen favoriten unterwegs (2. quartal 2007)

alle bisherige favoritenlisten ansehen

state-of-the-art

zu beginn des jahres hatte ich den eindruck, die hiesige blogosphäre entwickle sich nicht mehr. die trendzahlen auf “blogug” legten das auch nahe. der populäre beitrag “mit meinen favoriten unterwegs”, den ich für den “stadtwanderer” schreibe, ist entsprechend in den winterschlaf verfallen.


der/die bloggerIn von heute (quelle: flickr_ekai)

doch jetzt ist wieder alles anders! ich bin wacher, und ich entdecke wieder viel neues und anregendes in der blogosphäre. zum beispiel die blogstudie 2007 blogstudie 2007, erstellt von der universität leipzig. dafür wurde eine online-befragung gemacht, an der sich schliesslich 605 personen – die meisten von ihnen heavy user und trendsetter im internet – beteiligt haben. blogs sind in ihrer definition am häufigsten digitale tagebücher, plattformen des meinungsaustauschs, informationsquellen oder gar eine neue form des journalismus.

fast die hälfte der befragten nutzerInnen von blogs sind selber blogger. sie schreiben liebend gerne, wollen sich mit anderen austauschen oder haben ein spezielles wissen, das sie bekannt machen wollen. die leserInnen sind selbstredend keine schreibfans, suchen aber auch nicht wirklich breit den digitalen austausch. vielmehr sie wollen informationen. der hauptsächliche grund, blogs zu nutzen, ist schnell neues zu erfahren, das man sonst nirgends findet.

nun sind nicht alle interessen an blogs gleichmässig verteilt:

. 24 prozent der nutzerInnen sind eigentlich wissensdurstige (“klassische medien genügen mir nicht”),
. 23 prozent aktive konsumentinnen (“tipps und tricks”),
. 19 prozent informationssuchende (“hintergründe erfahren”), und
. je 18 prozent selbstdarstellerInnen (“ich schreibe gerne”) resp.
. networkerInnen (“austausch mit anderen”).

blogs haben sich bei der informationssuche im internet etabliert, folgert ansgar zerfass, der hauptautor der studie. und zu fachblogs sagt er: sie haben eine hohe relevanz, sind stark glaubwürdig und dienen einer mehrheit der intensiven internetnutzerInnen der meinungsbildung. und er kritisiert: blogs findet man so schwer, denn medienhinweise sind nicht besonders beliebt (tsss!), suchmaschinen unpräzise und at random surfen ist zeitaufwändig. viel beliebter seien hinweise von freunde und in anderen blogs. so, wie auf dem stadtwanderer mit seiner rubrik: “mit meinen favoriten unterwegs”.

die regeln sind immer noch die gleichen: der beste blog auf der letzten liste scheidet aus; er kommt in den himmel “für immer gut”. neu kommen so viele hinzu, wie ich spannende entdeckt habe.

“für den april 2007 gut” sind:

1. der beste (vormals 2)

bernetblog
unverändert herausragend. informativ, gut gemacht, und stets voll von neuem. ich bin beeindruckt, wie das team um marcel bernet mitmacht. der blog ist sogar noch besser als das buch “schnelle kommunikationswelt” das ich je über den klee gelobt habe, und bei mir immer noch abgerufen wird. eine echte trouvaille, dieses blog!


(foto: stadtwanderer, anclickbar)

2. der aufsteiger (neu)

moritz leuenberger
die überraschung des monats, hat sofort eingeschlagen und alle ein wenig neidisch gemacht. nr. 20 bei blogug aus dem stand, vor allem wegen der vernetzung, die moritz leuenberger sofort geschafft hat und wegen den unglaublich vielen kommentaren. der beste beweis, dass bloggen eine neue kommunikationsform ist: selbst eine stadtwanderer wie ich, der ein ohr beim volk hat, ist perplex viele leute sich zu energiepolitik äussern, wenn sie nur einmal mit einem bundesrat diskutieren können. hut ab, moritz, das beste, was deine partei im wahlkampf bisher gemacht hat!


(foto: stadtwanderer, anclickbar)

3. lesintellectuels (nouveau)

un swissroll
le blog romand qui m’interesse acutellement le plus. un peut genevois, peut-être, mais ça fait rien. depuis des annés on y trouve des commentaires bien choisis et bien écrits. le collectiv s’interèsse à l’actualité suisse, française et européene. les auteurs analysent ce qui se passe à droite comme à gauche. peut-être un peu trop intellectuelle, mais ça fait encore un fois rien du tout. une source importante pour tous le monde qui ne lit pas tous les jour des journaux romands.


(foto: stadtwanderer, anclickbar)

4. die elite (neu)

swissblogpress
ehrlich gesagt, ich verstehe nicht alles, was die schreiben. denn sie sind die elite der hiesigen szene, und ich bin nur vom fussvolk. aber sie haben mich ja jüngst aufgenommen. da habe ich mich umgesehen, und ich muss sagen, ich bin froh, das jemand im blogentwicklungsland schweiz für unsere sache druck macht. auf dieser seite findet man viele nützliche hinweise und tipps zum guten bloggen. informativ ist dieses blog so schon, vielleicht könnte es auch noch etwas populärer werden.


(foto: stadtwanderer, anclickbar)

5. der wachsame (vormals 7)

schreiben was ist
auch wenn upe. die weltwoche bald verlassen sollte, um stapi des stadtwanderer zu werden, wir es dieses blog weiterhin benötigen. denn unter dem neuen chefredaktor ist die weltwoche besser geworden, weil sie nicht mehr so durchsichtig ist. sie ist aber nicht minder einseitig und provokativ. da schätze ich es ausgesprochen, dass das jemand aufnimmt und den spiegel hinhält, um mehr über die hintergründe des meinungsmacherblattes zu erfahren.


(foto: stadtwanderer, anclickbar)

6. der nachbar (neu)

das wortgefecht
das ist mein neuer favo unter den medienblogs. berichtet breit und frei von der leber weg über kommunikationsfragen allgemein und netzkulturen im speziellen. hauptberuflich in der branche tätig, nebenberuflich freiere autor und blogger. habe ihn ich lange nicht gekannt, obwohl marcel gisiger von mir gesehen aus nur über die gasse arbeitet, historiker, medienmensch und ein wenig philosoph ist. lese das ding neuerdings gern und regelmässig,und es ist nur eine frage, wann wir uns das erste wortgefecht liefern werden.


(foto: stadtwanderer, anclickbar)

7. der aufmerksame (8)

reklameblog
seit ich selber ein fotoalbum führe (www.flickr.com/photos/stadtwanderer) achte ich mich viel bewusster auf meine umgebung. dazu gehört ohne zweifel die werbung. eine quelle der inspiration in der blogosphäre hierzu ist der reklameblog. eigentlich ganz einfach strukturiert, hält es den puls der zeit an, postet gesehene werbung ins blog und versieht sie mit wenigen hinweisen. doch genau das schafft die nötige distanz, um reflexiv mit werbung umzugehen.


(foto: stadtwanderer, anclickbar)

8. der trittbrettfahrer (neu)

busblog
beat schneuwly ist mein pendant in fribourg. aber er schreibt weniger und kürzer, dafür kommt seine meinung pointierter zum ausdruck. und er geht auch weniger zu fuss als ich, kommt aber dennoch weit herum: denn er ist fribourgs passioniertester busfahrer, der darüber berichtet, was man in fribourg so alles zu sehen bekommt. als heimwehfreiburger fahre ich da ganz gerne lesen und schauend mit! ein wunderbares blog aus dem alltag.


(foto: stadtwanderer, anclickbar)

9. der überraschende (neu)

stefano franscini
allgemein hielt man fest, leuenberger sei der einzige bundesrat, der blogge. andere könnte gerade mal eine sms schreiben. alles falsch!!! wer in der landesregierung smslen kann, kann auch spiegeleier kochen, und im bundesrat blog nicht nur einer, sondern zwei: der andere ist stefano franscini, der in den jungen jahren des bundesstaates bundesrat war. und der der statistik in der schweiz zum durchbruch verholfen hat. ein freisinniger pionier aus dem 19. jahrhundert. seine fans haben ihm zu ehren einen blog als plattform der erinnerungsarbeit eingerichtet. ganz gewagt, für ein blog zu einem bundesrat, der leider in vergessenheit geraten ist.


(foto: stadtwanderer, anclickbar)

10. der finder (neu)

blogscout
tja, und wer an ostern denkt, denkt an osterhase. und wer einen osterhasen will, muss ihn normalerweise suchen gehen. und wer lieb war, bekommt im allgemeinen auch einen. genauso wie es geht, wenn man blogger ist. denn wer bloggt, will beiträge. und wer beiträge will, braucht kundschafter. und wer geschickt genug ist, findet so, was er/sie will. zum beispiel über blogscout, eine nützlicher newsdienst, der aus dem ganzen deutschsprachigen raum berichtet.


(foto: stadtwanderer, anclickbar)

und nun “für immer gut” …

meine top-empfehlung im januar 2007

recherchenblog
andy litscher weiss das internet zu nutzen wie kaum ein anderer. immer wieder erstellt er und sein team vom recherchenblog thematische übersichten, die einem oft gezielter weiter helfen als die suchmaschinen. denn der recherchenblog arbeitet die themen auch in der inhaltsübersicht auf. eigentlich sollte man dieses blog viel häufiger auch zitieren! denn jede erfahrung, die ich bisher gemacht habe, war gut; andy ist zudem auch ein aufmerksamer fotograf der schweiz, der über “www.flickr.com/personen/litscher” immer wieder zu überraschen weiss: unbestrittenermassen meine entdeckung des jahres 2006, – und deshalb die nummer 1 zu beginn 2007!


(foto: stadtwanderer, anclickbar)

meine top-empfehlung im monat dezember 06:

auswanderer-blog
endlich hat es ruedi baumann geschaft, mich voll und ganz zu überzeugen. unermüdlich berichtet er aus der südwestecke frankreichs, schreibt auch viel über die schweiz, sodass er zwar weg, aber eigentlich immer noch da ist. und dann trifft man ihn unerwartet in der buchhandlung, pflegt den gedankenaustausch, und erzählt sich ein wenig über die unterschiede in der bloggerszene der schweiz und in frankreich: ruedi sagt mir, seit er den stadtwanderer lese, müsse er ganz anders durch bern gehen, immer und überall hinauschauen, um zu sehen, was er vorher immer übersah! gut so, antwortete ich ihm, den aufrechten gang üben, ist immer gut, gerade auch für blogger. danke ruedi für deinen unermüdlichen aufrechten gang auch ausserhalb berns!


(foto: stadtwanderer, anclickbar)

meine top-empfehlung im monat november ’06

wanderer von arlesheim
ich habe den im vormonat schlicht vergessen, aufzulisten! und ich entschuldige mich dafür! das ist aber nicht der grund, weshalb ich diesen blog top setze: er gefällt durch vielseitige, interessante beiträge, die viel konsequenter als bei mir, sich mit einem ort, arlesheim beschäfitgen. das verdient anerkennung und viel lob: platz 1.


(foto: stadtwanderer, anclickbar)

meine top-empfehlung im monat oktober ’06

edemokratie
dieses blog ist seit ich bloge der aufmerksamste zuverlässigste informant zu fragen der politischen philosophie, kommunikation und aktualität


(foto: stadtwanderer, anclickbar)

meine top-empfehlung im monat september ’06

apropos
einfach der schönste aller schönen blogs …


(foto: stadtwanderer, anclickbar)

meine top-empfehlung im monat august ’06

today’s strip
es ist unser bevorzugter “bericht aus schweden”, ohne grosse worte zu verlieren, versprüht er viel hintergründige humor. lars mortimer ist der bekannteste schwedische karikaturist, der jeden tag seine website mit einem neuen “hälge”, dem träfen elch aus den schwedischen wäldern, ergänzt. so kann man ganzjahresstimmungen im norden minutiös mitverfolgen.


(foto: stadtwanderer, anclickbar)

meine top-empfehlung in den montaten juni und juli ’06

weiachblog
unverändert unschlagbar das beste, was es für politisch-historisch interessierte stadt- und dorfwanderer gibt. ich bewundere die gabe, auf fast nichts, nichts weniger als eine täglich spannende kolumne schreiben zu können.

stadtwanderer

stadtwandern 2007 in sichtweite

das klima hellt auf, der stadtwanderer verspürt wiedere wandererlust! und bald geht die neu wandersaison los!


nur noch einige male schlafen, und dann geht die post des stadtwanderers wieder ab! (foto: stadtwanderer, anclickbar)

. wollen sie bern einmal anders kennen lernen oder die romandie mit neuen augen sehen?

. planen sie einen betriebsausflug, ein veteranentreffen, eine hochzeit, und hätten sie gerne 2 stunden lehrreiche unterhaltung?

. müssen sie ein ausländische delegation durch bern führen, und merken sie erst dabei, wie wenig sie über die stadt wissen?

dann sind sie bei mir richtig!

wandersaison 2007

gerne nehme ich sie einmal mit, wenn ich demnächst wieder planmässig unterwegs gehe. sie wandern mit mir durch die stadt bern oder wir bereisen gemeinsam die romandie, und ich erzähle ihnen dabei geschichten am laufmeter. am ende haben sie einen roten faden durch raum und zeit gelegt bekommen, an dem sie sich immer wieder orientieren werden, wenn es um stadtgeographie oder lokalgeschichten geht! grosse zusammenhänge der europäischen, der schweizerischen und der bernischen geschichte werden auf engstem raum sinnlich vermittelt.

demokratiegeschichte (1,5 bis 2 stunden, normalerweise am vorabend zwischen 1730-1930, mit apéro möglich)

ich führe sie durch die stationen in bern, die typisch sind für die demokratieentwicklung in der schweiz. der überblick reicht vom ende des alten bern bis hin zur gegenwart. gezeigt wird, wie sich die liberale bewegung die unterstützung der bauern sichert, und dadurch das eigentümlich gemisch des freisinns entsteht, der die besondere demokratieform der schweiz begründet hat.
diese tour spricht vor allem personen an, die etwas über die politische kultur der schweiz, nationen- und institutionebildung und das funktionieren der förderalismus und der direkten demokratie kennen lernen möchten.

napoléon und die folgen. bern zwischen untergang und neubeginn! (1,5 bis 2 stunden, normalerwesie am vorabend zwischen 1730-1930, mit apéro möglich)

keiner ist in bern so umstritten wie napoléon bonaparte. er hat das alte regime berns einstürzten lassen, was die konservativen bis heute traurig macht. doch er hat auch den neubeginn ermöglicht, der liberal und sozial eingestellt modernistInnen seither erfreut.
diese tour ist für menschen, die sich für die mentalitäten und den alltag in bern interessieren, und endlich wissen möchten, auf was und wen das kunterbunt an lebensstilen alles zurückgeht! um wissenschaftsgeschichte, gesellschaftsgeschichte und politikgeschichte geht es hier!

meinstein city – wo albert einstein seine berühmteste formel erfand (1,5 bis 2 stunden, normalerweise am vorabend zwischen 1730-1930, mit apéro möglich)

jeder kennt ihn – albert einstein, das zerstreute genie, den schlechten vater, den unkonventionellen beamten und den arbeitslosen junglehrer. doch wer weiss, wo er in bern gewohnt, geliebt und geheiratet hat? und wer kennt die gassen, die er ging, wenn er von der arbeit kam, wenn er forschen ging, oder wenn er auf ein bier mit freunden unterwegs war?
diese tour richtet sich vor allem an personen, die den komisch-sympathischen kauz einstein während seinen entscheidenden berner jahren kennen lernen möchten.

1500 jahre voll von geschichten: burgunder, alemannen, herrscher, junker, bürger, arbeiter und frauen in bern (ganztägig, normalerweise an samstagen von 915-1645, mit essen, schlussapéro zusätzlich möglich)

es brauchte fast viele hundert jahre, bis bern als stadt gegründet wurde, dort, wo einst brenodor, die grösste römerstadt helvetiens, stand. und es hat viele hundert jahre angehalten, was man 1191 in die welt gesetzt hat. ich führe sie um und durch die stadt bern und zeige ihnen 30 stadtstationen, und ich erzähle ihnen 30 stadtgeschichten. sie haben danach 30 unvergessliche eindrücke, wie raum und zeit in bern miteinander verhängt sind.
das ist eine anspruchsvolle, aber kurzweilige tour. ich garantiere ihnen, dass sie danach alles vergessen, was sie in der schulgeschichte fälschlicherweise über gelernt haben.

sapaudia-tour: 1000 jahre burgundische tradition – und was davon 500 jahre danach noch sichtbar ist (zweitätig, mit essen und übernacht, mit bus und wanderung, nur an wochenenden)

443 kamen burgunder in die sapaudia; wo die ist, erfahren sie auf dieser tour. 888 gründeten die welfen das königreich hochburgund; wo das geschah, zeige ich ihnen ganz genau. 1032 übernahm der kaiser das burgundische reich; wo die entscheidung fiel, sehen sie mit mir. und 1378 verstarb kaiser karl iv., der als letzter die krone burgunds getragen hatte. was er in der schweiz machte, erfahren sie bei mir, genauso wie, wo das burgundische erbe, das 1476 in der sapaudia definitiv unterging, geblieben ist …
wer gerne die neuere geschichte der schweiz wegblättert, um tieferliegende schichten ihrer kulturen kennen zu lernen, der ist auf dieser tour durch stadt und land der gesamten westschweiz genau richtig.

anmeldungen nötig

angesprochen? – dann melden sie sich! es hat plätze, solange es plätze hat!

ich mache ihnen gerne einen vorschlag für ausgestaltung, termine und konditionen. ideal sind gruppen von mininal 8 bis maximal 20 personen.

stadtwanderer

urs paul engeler kandidiert als berner stadtpräsident

(stadtwanderer) was morgen in allen zeitungen steht, kann man heute schon auf dem stadtwanderer lesen: urs paul engeler, der viel gerühmte „weltwoche“-journalist, kandidiert 2008 für das berner stadtpräsidium.


april, april … der macht was er will. merke: es ist nicht alles wahr, was als stadtwanderer auf dem boulevard promeniert (quelle: flickr_digger digger dogstar)

bls als neue partei in bern

die frisch gegründete bernische partei der leserbrief schreiber (bls) hat an ihrer heutigen gründungsversammlung mit 150 mitgliedern diskutiert, wie man sich bei den kommenden berner stadtwahlen verhalten will. für die oppositionsbewegung (“frustpotenziale zu kanalisieren, ist vorrevolutionär”) kommt die unterstützung der rot-grünen an sich nicht in frage. aber auch mit dem verhalten der bürgerlichen parteien bei der regelung der jüngsten nachfolge im gemeinderat ist man weiterhum unzufrieden. deshalb hat der parteivorstand unter leserbrief schreiber reto köchli entschieden, mit einem eigenen kandidaten anzutreten, der sich auch gleich für das stadtpräsidium bewerben soll.

upe. als gütesiegel

einstimmig nominiert wurde urs paul engeler, allen widerwärtigkeiten zum trotz seit jahren berner stadtbewohner, der bewiesen hat, dass er vor nichts und niemandem zurückhält (“egal ob es stimmt, was ich schreibe, hauptsache ich bekomme am meisten leserbriefe”). aufmerksam geworden ist man auf ihn durch seine provozierenden artikel in der “weltwoche”, nicht zuletzt immer wieder über die stadt bern. zwar stand da vieles drin, was man in parteikreisen schon längst wusste. in der dichte, wie es aber vorgetragen worden sei, habe es viel mehr ausgelöst, als alle bisherige bisherige propaganda mit leseerbriefen. schliesslich musste sogar stadtpräsident alexander tschäppät (“lachnummer der nation”) reagieren, und die berner leserbriefe seien seitenweise in der “weltwoche” abgedruckt worden. weil die partei davon entschieden profitiert habe, wolle man inskünftig näher zusammenarbeiten.

engeler, promovierter germanist mit dem titel dr. viel-zyn. (“nur rücksichtslos ist schonungslos”), ist gewillt, die kandidatur aufzunehmen. nachdem er khreti und phleti in der schweizer politik entlarvt habe (“die verschwörung ist überall”), brauche er eine neue herausforderung. engeler dementiert aber klar, sein wechsel in die politik habe etwas mit dem resignierten weggang des financiers dr. tito tettamanti bei der “weltwoche” zu tun. nicht kommentieren will er auch gerüchte, wonach er gehe, weil die werbewirtschaft kündigungen der wenigen verbliebene bezahlten abos der “wewo” einzeln prüfe, ob sie durch eine artikel von upe. ausgelöst worden seien. an der nominierungsversammlung hielt er hierzu unter tossendem applaus fest fest: “leserbrief-interessen vor kapitalinteressen!”.

leserbrief-demokratisches programm

sein wahlprogramm „rettung vor dem untergang“ hat engeler leserbrief-demokratisch entwickelt. er hat alle zuschriften, die in den letzten 4 jahren erhalten hat, ausgewertet, und die forderungen unverändert übernommen. stichworte sind

. stadtsauberkeit (pro),
. reitschule (contra),
. bettlertum&kriminalität (contra),
. minoritätenpolitik (contra),
. beruhigungszonen (contra) und
. oev statt pws (kontra).

was genau unter den beschlossenen eckwerten der wahlplattform 2008 verstanden werden soll, wird die leserbreifschreiberpartei in einem chat auf internet noch erarbeiten, daran teilnehmen kann jeder, der einen “bösen” leserbrief veröffentlicht hat. die stossrichtung wird aber jetzt im slogan „Aune andere s Gurli fiegge!“ klar.

kandidat engler hat zudem mitgeteilt, würde er gewählt, was er angesichts der total manipulierten medien in bern nicht erwarte, würde er nach dreieinhalb jahren zurücktreten. so könnte tschäppät 2012 als stapi erneut abgewählt werden. anders als die politiker der svp (“bis in den bundesrat!”) lebe er nämlich nicht für eine politische karriere. wiederkandidieren würde er aber, solange es auch nur einen machtgierigen, unehrlichen und bürgerfernen politiker gäbe, die nur auf den eigenen vorteil ausgerichtet sei (“zukunftsgerichtet politisieren”).

erste reaktionen skeptisch

in ersten reaktionen hat sich vor allem grossrat thomas fuchs, sonst in allen themen schlagfertig, hilflos gezeigt. bisher habe seine svp upe., der stets genau das geschrieben habe, was er vorausgesehen habe, blindlings unterstützen können. da er nun nicht mehr als journalistisches sprachrohr, sondern als politischer konkurrent auftrete, werde die partei an ihrer nächsten informellen retraite im berner tramdepot das weitere vorgehen diskutieren. die fdp findet das unkoordinierte vorpreschen der neu gegründeten leserbriefschreiberpartei gänzlich unnötig; es reiche wenn eine partei das jeweils vor den wahlen mache. die cvp wiederum wartet lieber auf den segen gottes, um mit seiner hilfe 2008 in den obersten berner politikhimmel aufzusteigen, als sich mit urs paul engeler, der sie in der vergangenheit nur gegeisselt habe, ins bett zu legen. müsste man so etwas beichten, würde man ja glatt rot werden; orange reiche da!

im rot-grünen lager wiederum lässt man ausrichten, dass man die “weltwoche” bisher negiert habe und das bei ihren populistischen exponenten auch in zukunft zu tun gedenke. darauf angesprochen, der berner bär sei interessiert, als hofnarr im wahlkampf die kandidatur von kollege engeler zu unterstützen, reagierten die parteispitzen aber ausgesprochen gereizt.
stadtwanderer

positiv auf die ankündigung von bls und upe. reagiert hat die freiheitspartei. sie plant, das letzte mitglied, das ihr geblieben ist, mit der aufstrebenden leserbriefpartei zu fusionieren, um tatkräftig die kandidatur engelers zu unterstützen.