Die Berner von Erlach – eine führende Familie im vormodernen Bern, Teil 1

Das Buch zur Familiengeschichte der Berner von Erlach geht über 800 Jahre, und es zählt fast ebenso viele Seiten!

Keine Angst, ich verschone Sie! Ich greife einfach drei markante Figuren heraus:

. Johann Jakob im 17. Jahrhundert,
. Hieronymus und
. Karl Ludwig im 18. Jahrhundert.

Sie markieren den Aufstieg, Höhepunkt und Abstieg des Geschlechts der Stadt und Republik Bern. (um 1620-1798)

Die von Erlachs
Besagte Epoche ist vergangen. Die bürgerliche Gesellschaft hat die aristokratische weitgehend abgelöst.
Geblieben ist jedoch der geschlossene Charakter der damaligen Stadt, der heutigen Altstadt. Unverändert vorhanden sind auch noch zahlreiche barocke Bauten, etwa die Heiliggeistkirche, das Burgerspital oder das Kornhaus und das Du Theatre.

In Europa formieren sich in dieser Zeit rivalisierende Nationalstaaten, und die Eidgenossenschaft suchte ihren Platz als neutraler Staaten darin.
Diese Aera wurde stark durch den Aufschwung des Soldhandels geprägt. Frankreich, die Niederlande und Oesterreich wollten Berner Söldner. Das brachte viel Geld. Es war die erste Phase einer modernisierten Wirtschaft in Bern.
Bestens repräsentiert wird diese Epoche durch die von Erlachs. Sie kamen, wie der Name sagt, aus Erlach am Bielersee. Sie waren in Bern zugezogene Landadelige, die ab 1300 ihr Heil in der Stadt suchten.
1446 stellten sie erstmals den Schultheissen der Stadt, insgesamt wurden es sieben:

Ulrich (1446-1456)
Rudolf (1479-1507)
Johann (1519-1539)
Franz Ludwig (1629-1659),
Sigmund (1675-1699)
Hieronymus und (1721-1746)
Albrecht Friedrich (1759-1786)

Die von Erlachs waren auch in der Armee führend. Sie entstand aus dem Reislaufen, wurde von privaten Unternehmern betrieben, und die Regimente wurden an die Fürstenhöfe vermietet.

Das Patriziat
In der mittelalterlichen Gesellschaft waren Burger männliche Stadtbewohner mit einem eigenen Haus. Vor der Reformation mussten sie Pferd und Rüstung besitzen. Sie waren Ritter oder Junker, wie man in Bern sagte. So wurden sie Mitglieder des Grossen Rats. Geführt wurde die Stadt aber von der mächtigen katholischen Kirche.
Berühmtester Burger-Ritter war Adrian von Bubenberg, der Schlachtensieger von Murten.
Nach der Reformation führte eine homogene evangelisch-reformierte Führungsschicht die Stadt. Als Burger musste man nun in Bern wohnen, eine Familie begründet haben und Mitglied einer der 13 ehrbaren Gesellschaften oder Zünfte sein, die das erwachte handwerkliche Berufsleben organisierten.
Synonym für Burger wurde nun Patrizier. Das waren die regimentsfähigen Familien, deren Oberhäupter Politik betrieben.
Und man war noch Teil des Adels im Kaiserreich.

Der 30jährige Krieg
Mit dem 30jährigen Krieg (1618-1648) ändert sich vieles. Die Eidgenossenschaft wurde als Staatenbund aus dem Kaiserreich entlassen.
Die Burger übernahmen das Regiment von Stadt und Republik Bern. Es galt, einen Stammbaum über 100 Jahre zu haben.
Die Burger grenzten sich nun von Nicht-Burgern ab.
In der Hierarchie weniger hoch waren die ewigen Einwohner mit einem dauerhaften Niederlassungsrecht, die wirtschaftliche aktiv sein durften, aber ohne politische Rechte waren. Noch tiefer gestellt waren die ortsfremden Hintersassen ohne dauerhaftes Niederlassungsrecht. Zu unterst befanden sich die nicht-ehrbaren Berufe wie Henker, die Bordellmutter und Geldverleiher. Letzteres waren meist Juden.
Patrizier waren nun die Creme der Burger. Sie alleine betrieben Politik. Und sie teilten sich in ausgefeilte Hierarchiestufen auf: zuoberst die Wohledelfesten, dann die Edelfesten, die Festen, die Lieben und die Getreuen. An die Spitze des Regiments gelangten in der Regeln nur die wohledelfesten Familien.

Eidgenössischen Herrschaftsformen
Patriziate wie in Bern gab es in der Alten Eidgenossenschaft auch in Luzern, Solothurn und Freiburg. Es war im Westen die normale Herrschaftsform. In Zürich, Schaffhausen und Basel führten die Zünfte. Die Landbevölkerung war da und dort Untertan.

Das war in den Landsgemeinde-Orten Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug Glarus und Appenzell anders, wo alle wehrfähigen Männer Politik betrieben.
Die tiefste Spaltung in der alten Eidgenossenschaft war allerdings die konfessionelle Teilung. Zürich, Schaffhausen, Basel, Bern und Appenzell Ausserrhoden waren reformiert geworden. Solothurn und Glarus waren konfessionell gemischt. Alle anderen Orte blieben unverändert katholisch.
Viermal führten Katholiken und Reformierte nach 1529 Krieg gegeneinander. Dreimal gewannen die Katholiken. Nach ihrer Niederlage 1712 führte man die konfessionelle Parität ein. Nun achtete man auf Gleichberechtigung und Ausgleich zwischen den Konfessionen. Seit 1675 waren sie die einzig anerkannten helvetischen Glaubensbekenntnisse. Alle anderen wurden verdrängt.
Es war die Zeit der Konformität. In Bern waren Kleidermandate das häufigste Thema im Grossen Rat. Man legte wert auf gesittetes Auftreten. Männer trugen Perücken, Frauen ausschweifende Röcke.

Das Erlach-Denkmal
So sind wir in der Lage, die von Erlachs genauer zu umschreiben: Sie waren zuerst Burger/Ritter, dann reformierte Patrizier, und sie gehörten zu den sechs Familien, die den Titel Wohledelfeste trugen. Insgesamt stellten sie während 162 Jahre den Schultheissen der Stadt – eine einmalige Bilanz! Unter einem der ihren überwand Bern das Mittelalter, führte die Stadt die Reformation ein, und entstand das Patriziat.

Ich beginne meine Führung vor dem Erlach-Denkmal vis-a-vis des Stadttheaters. Es erinnert an den Junker Rudolf von Erlach.
Der Berner Chronist Conrad Justinger reiht ihm einen besonderen Platz in der Schlacht von Laupen 1339 ein. Es soll gar die siegreichen Truppen gegen gegen den habsburgischen und burgundischen Adel angeführt haben. Doch schrieb er das erst 80 Jahre nach der Schlacht aus der Erzählung auf.
In den zeitgenössischen Dokumenten findet man keinen Eintrag dazu. Belegt ist nur, dass er danach in den Kriegen gegen das habsburgische Freiburg aktiv teilgenommen hat. Gegen Justinger spricht, dass Rudolf nie Schultheiss wurde; für eine erfolgreichen Ritter wäre das unüblich gewesen!
Damit sei angedeutet, dass nicht alles ganz so glänzend ist, wie die Geschichten über die von Erlachs tönen. Das ist auch ein Motto für die ganze Serie. Licht und Schatten sollen zur Sprache kommen:
Johann war ein erfolgreicher Militärunternehmer: für seine Opfer war er ein gemeiner Bandit.
Hieronymus war Schultheiss von Bern, aber auch Konvertit, Bigamist und Spion.
Und General Karl wurde nach der Schlachten-Niederlage im Grauholz gegen Frankreich auf der Flucht von seinen eigenen Mannen erschlagen!

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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