erinnerungsorte und erinnerungshorte

niemand mehr, der oder die das 19. jahrhundert selber erlebt hat, ist heute noch auf der welt. das saeculum ist stück für stück von der erfahrung in die erinnerung gewandert. doch selbst das änderte sich mit dem 19. jahrhundert historisch. denn kein jahrhundert zuvor ist schon zu seiner zeit medial so verewigt worden wie eben das 19.

die-verwandlung-der-welt-id4600019jürgen osterhammels buch “Die Verwandlung der Welt” ist seit dem erscheinen 2009 in den allerhöchsten tönen gelobt worden. als meilenstein der deutschsprachigen geschichtsschreibung hat man es gefeiert, und es dauerte kein jahr, da gab es für den konstanzer historiker preise und ehrungen zuhauf.

zu osterhammels originellen beiträgen über das 19. jahrhundert zählen seine ausführungen zur selbstbeobachtung und gedächtnis, die sich zwischen französischer revolution und erstem weltkrieg geändert haben.

zahlreiche städte aus dem mittelalter wurden im 19. jahrhundert drastisch verändert. es fielen die stadtmauern mit ihren toren, hinzu kamen eisenbahnschienen, bahnhöfe sowie industrie- und wohnquartiere. das alles kann man heute noch sehen. hören kann man das 19. jahrhundert in der oper. zwar schon früher entstanden, wurden gerade die europäische wie die chinesische oper zur führenden kunstform auf der bühne, die heute noch nachhalt.

zur gleichen zeit wurde das archiv der staaten populär, es entstanden vielerorts die bibliothek und das museum. geboren wurde die weltausstellung als neue form der selbstbeobachtung. mit der industrialisierung und der urbanisierung nahm nicht nur das symbolische, auch das schriftliche zu. die sozialreportage wurde erfunden, es multiplizierten sich die reisebeischreibungen. die literatur wurde realistisch, die welt vermessen und kartiert, und die soziologie als diagnose der gegenwarten entstand in paris.

zahlreiche volkszählungen haben ihren ursprung im häufiger werdenden nationalstaat. mit der demokratisierung der republiken und monarchien entstand die presse, die sich zum informationsmittel der massen und zum nachrichtenwesen rund um den globus entwickelte. last but not least ist das 19. jahrhundert die zeit des bildes. mit viel pomp wird die meschheit mit der fotografie beglückt, und genau zum ende der zeitspanne entsteht mit dem film das bewegte bild. das entfernte kam so ganz nah, und ins reale mischt sich das fiktionale.

vordergründig ist es nur ein sprachspiel, das jürgen osterhammel in sein monumentales werk über die verwandlung der zeit einfügt. demnach hat das 19. jahrhundert nicht mehr nur seine erinnerungsorte. in einem bisher unbekannten masse wird es auch durch erinnerungshorte geprägt. hintergründig trifft die metapher die entwicklung der damaligen zeit genauso wie die schätze, die sich mit der zweiten welt der medien für die historie eröffnen, von denen man für frühere zeiten nur träumen kann.

eine tolle anregung, neu durch bern zu wandern, um das 19. jahrhundert zu hören, zu sehen und zu lesen.

stadtwanderer

2103 überholt der “osten” den “westen”

eigentlich ist es archäologe. in den letzten 10 jahre leitete er grosse unternehmen, die vergangenheit durch ausgrabungen sichtbar machten. das hat den vorteil, dass man sich nicht durch einzelne ereignisse oder personen blenden lässt, dafür muster der entwicklungen erkennt und so ein auge für langfristige veränderungen entwickelt.

wer_regiert_die_weltetwas reisserischer buchtitel: wer steht an der spitze der zivilisation, wäre eindeutig angemessener gewesen

mit genau diesem blick hat ian morris, britischer geschichtsprofessor an der top-universität im kalifornischen stanford, ein buch über die geschichte der menschheit seit der letzten eiszeit geschrieben. analysiert werden darin 16’000 jahre. nachgespürt wird informationen zu vier zentralen determinanten der gesellschaftlichen entwicklungen: der energieverbrauch, der verstädterung, den informationstechnologien und der fähigkeit zur kriegsführung. daraus ergibt sich für den historiker ein zeiträumlicher indexwert, der zu bestimmung des standes von kulturen dient.

unterschieden werden zwei geografische regionen, die auf dauer miteinander im wettstreit seien: der westen und der osten. das sind jedoch nur bezeichnungen für gesellschaftliche zentren, die über die zeit hinweg wandern. der westen begann in mesopotamien, dehnte sich auf ägypten und griechenland aus, und er erlebte mit dem römischen reich seinen ersten höhepunkt. die führung in der sozialen entwicklung ging danach aber an den osten, bis sich der westen durch die expansion über den atlantik neu aufstellte und ab mitte des 18. jahrhundert erneut zur weltspitze avancierte. zuerst lag das am british empire, dann an den vereinigten staaten von amerika.

morris sprach dieser tage in zürich, und der nzz von heute gewährte er ein ganzseitiges interview. das tönt das so: “Westeuropa war lange ein langweiliger Platz an der Peripherie. Doch vor 500 Jahren kam es zu einer Explosion des Wissens. Die Menschen lernten, grössere Schiffe zu bauen, die Ozeane zu überqueren, und kolonisierten Amerika. Damit veränderten sie den Ort, an dem sie leben. Es war plötzlich ein Vorteil, in Westeuropa zu sein. Die ehemalige Periperie wurde zum Zentrum”, liesst man da beispielsweise.

massgeblich für morris sind innovationen. entdecker interessieren ihn indessen nicht, denn kaum einer der grossen erfinder war der einzige und erste, der das menschliche wissen vorantrieb, das man ihm zuschreibt, kontert er die erzählungen über die grossen erfinder. vielmehr geht es dem historiker darum, wo sich auf begrenztem raum eine kritische masse der erneuerung ergibt. dabei verändert sich gegenwärtig selbst der begriff des ortes, analysiert er, denn heute schrumpft nicht nur der atlantik, es schrumpft der ganze globus.

historiker, die das neueste buch von morris: “Wer regiert die Welt?” lesen, mögen zuerst irritiert sein. denn er geht nicht geisteswissenschaftlich vor, wie man das kennt. vielmehr orientiert er sich an geografie, biologie und soziologie. die quantitative analyse der evolution beschäftigt ihn zuerst, dann werden grosse trends modelliert, evaluiert und festgelegt, um allgemeine schlüsse aufzuzeigen. erst dann beginnt die narration. doch auch sie ergibt sich nicht aus sicher selbst heraus, vielmehr steht die finalität der bisherigen entwicklungen schon imvoraus fest.

wir müssten aus der geschichte lernen, um die langfristigen entwicklungschancen einer gesellschaft richtig einstufen zu können, fordert der historiker. “In den letzten 15000 Jahren nahm der Index um 900 Punkte zu, für die nächsten 100 Jahre erwarte ich eine Zunahme von 4000 Punkten.”

ob das ein goldenes zeitalter ist, lässt er offen. denn ein anhänger des linearen fortschrittsdenkens, wie es im 19. jahrhundert verbreitung fand und die geschichtsphilosophie so nachhaltig prägte, ist ian morris nicht. mit dem kommenden entwicklungsschritt wächst seiner auffassung nach auch die wahrscheinlichkeit eines sozialen kollaps, was fast schon nach posthistorie tönt. auch wenn ihn das nicht gross kümmert, und er lieber schreibt: “Das Imperium Romanum brachte einen grossen Entwicklungsschub, schuf aber auch die Voraussetzung für seinen Untergang. Europa benötigte dann fast ein Jahrtausend, um diesen Rückschlag zu überwinden.” der nächste kollaps werde aber gravierender sei, den in der globalen welt von heute seien alle gesellschaften miteinander verhängt.

auch ohne das geht ian morris, wie zahlreich futurologen davon aus, dass das östliche zentrum heute besser aufgestellt ist als das westliche, fukushima zum trotz. mit einem raschen wechsel in der führung der gesellschaftlichen entwicklung rechnet der 50jährige wissenschafter jedoch nicht. “2103” nennt er symbolhaft als schaltjahr, bei dem “new york” von “tokio” überholt wird. den usa gibt er noch 30 jahre vormachtstellung, während denen die fragmentierung der herrschaft jedoch zunehmen und die zahl der konflikte wieder wachsen werde.

nicht schlecht, was da der archäologe aus seinen computeranalysen über vergangenheit, gegenwart und zukunft herausgräbt. grosse linien erkennt man auf jeden fall, materialreich sind seine schriften auch, und anregend bleiben seine spekulationen, was das alles für ferne zeiten heisst. die noch soweit vor uns liegen, dass wohl keiner meiner leserInnen sie je wird überprüfen können.

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leben in der risikogesellschaft

ich finde zu allem worte, dachte ich mir. jetzt merke ich, wie sie stocken, wenn ich an die ereignisse in japan denke. mein versuch, mich selbst aufzurichten, vielleicht auch andere anzuspornen, gleiches zu tun.

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vor 25 jahren erschienen, durch den reaktorunfall in tschernobyl berühmt geworden, ist der band über die risikogesellschaft von ulrich beck dieser tage wieder aktueller denn je.

zuerst war die meldung vom erdbeben. wenn sie aus japan kommt, macht das nur beschränkt eindruck. dann trafen die bilder der verwüstung durch den tsunami ein. sie schockierten. schliesslich müssen wir bald täglich zusehen, wie im akw fukushima eine explosion der andern folgt, die newslage mehr verwirrt als klärt, die welt sich aber trotzdem einem ihrer tiefpunkte nähert. was tun?

ulrich beck, der wohl bedeutenste lebende soziologe deutschlands, veröffentlichte vor 25 jahren sein buch “risikogesellschaft”. es war damals schon die treffendste analyse der verkettung von gesellschaft, technik und natur. seither hat es kritiken zuhauf gegeben, wissenschaftliche, politische und mediale. und doch denkt man diese woche unweigerlich wieder an die diagnose becks vor einem viertel jahrhundert.

in einem bemerkenswerten interview mit dem heutigen “bund” nimmt der soziologe stellung zum geschehen in japan. seine überlegung beginnt beim begriff der “naturkatastrophe”. Er suggeriere, das etwas schlimmes passiere, dass der mensch nicht zu verantworten habe. das sei falsch, weil die natur dramatische veränderungen kenne, die im bezug auf die von menschen entwickelte zivilisation zur katastrophe würden. menschliches können, technologische entwicklung und ereignisse der natur seien deshalb augenscheinlich miteinander verwoben.

grosse katastrophen, wie die jetzige in japan, aber auch wie die globale finanzkrise, tendierten jedoch dazu, nicht nur metaphorisch keine verantwortlichen zu haben. versuche, ursachen und wirkungen in solchen situationen miteinander in verbindung zu bringen, würden meist ins leere laufen. das habe nicht zuletzt damit zu tun, dass es nicht gelinge, rechtsnormen zu formulieren, welche folgen auf gründe zurückführen würden, und damit die akteure für ihr handeln haftbar zu machen.

besser funktioniere da der sündenbock-mechanismus. an tschernobyl sei der kommunistischen schlendrian schuld gewesen, lautete die gängige interpretation 1986. die sicherheitsstandards seien in der kapitalistischen welt anders, denn keine firma könne solches wollen, schob man nach. jetzt, wo auch das widerlegt sei, rechnet beck damit, dass man die japanische tragödie zu einem sonderfall, bedingt durch die eigenheiten des pazifischen raums machen werden. doch sei das nur augenwischerei. unübersehbar sei, dass die sicherheitsphilosophie der kerntechnologie insgesamt zur disposition stehe.

die generelle problematik formuliert der soziologe so: risiken sind sinnlich nicht wahrnehmbar. was risikant ist und was nicht, entscheidet der gesellschaftlichen prozess der verarbeitung von risiken. dabei dprften wir nicht einfach auf die individuelle oder kollektive erfahrung abstellen, weil wir inzwischen wissen müssen, das katastrophen drohen, die wir noch nicht erfahren haben und die wir nicht erfahren dürfen. auf diese problematik habe noch niemand eine angemessene antwort gefunden, ihr auszuweichen sei aber ein trugschluss.

ulrich beck schlägt vor, die entwicklung der (un)sicherheitskultur nicht technikern und juristen überlassen. die kritik an ihnen dürfe jedoch nicht einfach ins leere zielen; sie müsse besseren techniken und märkten chancen eröffnen, die helfen, riskante techniken durch weniger riskante zu ersetzen. der deutsche anlytiker unserer gegenwart glaubt, dass durch katastrophen wie die aktuelle der trend hin zu debatten über eine alternative moderne nicht mehr aufzuhalten sei.

meine gespräche heute waren profaner, aber nicht anders. wir müssen uns der risiken, mit denen wir leben, gemeinsam bewusster werden, um vernünftig zu entscheiden, was wir haben, was wir wollen, und was wir ausschliessen müssen. das beginnt bei jedem einzelnen, wird aber unvermeidbar zu einen gesellschaftlichen prozess werden, der, wie es ulrich beck vor einem viertel jahrhundert schon sagte, die grammatik des politisch machbaren neu bestimmen wird.

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über die grenzen des wachstums denkt man nach, wenn man wachstum hinter sich hat.

der umweltsurvey 2007, erstellt von der eth zürich, ist die wohl umfassendste, aktuelle standortbestimmungen zum umweltbewusstsein in der schweiz. ich habe ihn mir genauer angesehen, um mehr über die gesetzmässigkeiten zu erfahren, unter welchen bedingungen wir uns der naturprobleme bewusst werden und was seine zukunft des umweltbewusstseins ist. (m)eine kleine umweltgeschichte – dritter teil.

41H23CGPXTL._SL500_AA300_epochemachender bericht des club of rome – zwischenzeitlich mit dem umweltsurvey schweiz hinsichtlich seiner wirkungen hierzulande untersucht.

umweltbewusstsein, sagen die autoren des jüngsten umweltberichts unter dem soziologen andreas diekmann, ist eine einstellung, bestehend aus einer verstandesmässigen und einer gefühlsmässigen komponente. es geht um angst oder empörung, aber auch um kenntnisse von zusammenhängen zu umweltfragen, die zu bewertungen führen.

die umweltsoziologien schlugen schon in den 90er jahren vor, umweltbewertungen anhand dreier indikatoren zu festzustellen: erstens, der bereitschaft zu einschränkungen des lebensstandards, zweitens der zustimmung zem vorwurf, die politik tue zu wenig für die umwelt, und drittens der akzeptanz von arbeitsplatzverlusten zugunsten von umweltfortschritten. ihre untersuchungen hierzu zeigen im zeitvergleich, dass die beiden ersten meinungen mehrheitlich geteilt werden und zeitlich stabil sind, während letzteres nur eine minderheit gut findet, die über die zeit hinweg eher abnimmt.

emotional stabilisiert werden solche bewertungen durch verbreitete gefühle wie der angst, auf eine umweltkatastrophe zuzusteuern und der sorge, den kindern eine verschlechterte umwelt zu hinterlassen. beides ist verbreitet, während das empörungspotenzial durch medienberichte einiges geringer ausfällt. das geht einher mit wahrnehmungen der grenzen des wachstums, aber auch der vermutung, die anderen mitmenschen würde zu wenig für die umwelt tun.

in ihrer umfassenden analyse des wandels des umweltbewusstseins unter schweizerInnen schreiben die autoren des umweltsurveys: “Die Grundeinstellung zum Umweltproblem, die affektive Komponete, ist relativ stabil geblieben. Gewandelt haben sich aber Einstellungen über Zusammenhänge und die Bereitschaft, finanzielle Einschränkungen zugunsten der Umwelt zu leisten. Bedingungsloser Optimismus gegenüber der Wissenschaft als Lösung der Umweltprobleme ist ebenso wie der Pessimismus zu den schädlichen Auswirkungen des Wirtschaftswachstums einer pragmatisch-nüchternen Betrachtungsweise gewichen.”

in ihren vertiefenden ausführungen weise die forscher auf weiterhin vorhandene unterschiede des umweltbewusstseins im links/rechts-spektrum, aber auch zwischen frauen und männern hin. sie halten auch beschränkt unterschiedliche vorstellungen nach bildungsschichten fest. die sprachregionalen eigenheiten, die in den 90er jahren noch wichtig waren, sind weitgehend verschwunden.

das spannendste an der gegenwartsanalyse zum ökodenken sind die zusammenhänge mit anderen einstellungen: die soziologen weisen nach, dass umweltbewusstsein die entscheidungen zu umweltpolitischen forderungen recht stark beeinflusst, aber einen nur mässigen einfluss auf das umweltverhalten hat. dieses wird nicht nur durch innere faktoren der menschen besitmmt, auch durch äussere, sprich angebote und anreize. die wichtigste erkenntnis zur gegenwart betrifft aber die faktoren, die neues umweltbewusstsein fördern. der forscher schluss ist hier, dass weiteres umweltwissen keine weiteres umweltbewusstsein mehr herstellt. oder anders gesagt: wir sind, informationsmässig gesättigt, wenn es darum geht, wie wir über die umweltprobleme denken. es kann nur gezeigt werden, dass das umweltwissen beschränkt positiven einfluss auf das umweltverhalten hat.

oder plakativ gesagt: energiewerte und bio-kennzeichungen auf produkten haben die grösseren chancen, unser handeln zu verändern, als eine infokampagne zur biodiversität. diese wiederum darf kein volkshochschulkurs sein, der nur wissen vermittelt; sie muss betroffenheiten schaffen, das heisst uns bewusst machen, was die gefahr ist, dass wir unsere meinungen ändern.

übrigens: die hier besprochene untersuchung zum umweltbewusstsein im wandel der eth zürich spricht davon, dass das umweltbewusstsein in der schweiz global gesehen wohl am höchsten ist. es folgen nationen wie japan, die niederlande, dänemark und finnland. generell kann man festhalten: die höhe des wohlstands ist ein guter indikator für die ausbreitung von umweltbewusstsein. in den worten der soziologen: weil die restriktionen einer veränderung zugunsten von natur, tier und mensch, am gerinsten sind.

das sollten sich die ökologInnen merken, wenn sie eine vollangriff auf den wohlstand machen. ökonomisches wachstum ist nicht nicht das einzige, was lebensqualität schafft, füge ich bei. es ist aber eine voraussetzung dafür, dass man über die grenzen des wachstums nachzudenken beginnt.

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der populismus der populisten

spaziergang über mittag. das wetter war so wunderbar. vorbei ist die deprophase aus dem januar. beschwingt nahm ich die weltwoche von heute in der hand. henner kleinewefers, vormals professor für oekonomie, versucht sich darin als als populismus-analyst. ich widerspreche.

populi8in einem gehe ich mit dem emeritierten freiburger ökonomen einig. der verdacht der marxistischen politanalysen, der populismus führe per staatsstreich automatisch zu bonapartismus und der ebenso zwangsläufig zu faschismus ist historisch gesprochen widersinnig. ich gehe noch weiter: die unterstellte entwicklung verstellt sogar den blick auf das, was den populismus heute sozialwissenschaftlich so interessant macht.

treffend analysiert wird der populismus der gegenwart meines erachtens durch hans-jürgen puhle, frankfurter historiker und politologe. er spricht von einem neuen design-populismus in der mediendemokratie. das ist ein neuartigker politikstil, der sich auch in etablieren demokratien gut eingenistet hat, ohne diese ausser kraft zu setzen.

vordergründige symptome dafür sind die politische sehnsucht nach leadership und das madiale verlangen nach führungszentrierter politik. so werden spitzenpolitikerInnen zu dominatorInnen öffentlicher debatten, und es paart sich ein ideologischer fundamentalismus mit einer pragmatischen behandlung des augenblicks. zu der gehört ein kräftiger schuss an kontinuierlicher medialer empörung, um in stimmung zu kommen, die alles abweichende stigmatisiert, ja ausgrenzt.

die politologischen analysen, die mit diesem verständnis in jüngster zeit betrieben worden sind, fördern fünf eigenschaften des gegenwärtigen populismus’ zu tage:

. erstens, traditionelle parteien, interessenbezogene verbände und der staat verlieren an bedeutung, was zur propagierung zivilgesellschaftlicher alternativen durch populisten führt.
. zweitens, mobilisiert wird von populisten gegen die globalisierung, verstanden als machtkartell, begründet durch neoliberale politik, gelegentlich auch gepaart mit linke sukkurs.
. drittens, gefeiert wird durch populisten ein antimodernismus, mit dem man sympathien unter den verliererInnen in aktuellen transformationsprozessen sammelt.
. viertens, überlebensfähig sind catch-all parties, die den zusammenhalt ihrer vielschichtigen anhängerschaft gewährleisten, indem sie permanent den nerv der zeit suchen, treffen und inszenieren.
. fünftes, auswirkungen hat dies namentlich auf die campaigning-politik, die mit neuen medien getrieben wird, von der glaubwürdigkeit zentraler führungspersonen lebt, welche die sachfragen vorgeben, die zu behandeln sind.

populismus ist nicht unbedingt an eine politische ideologie gebunden. in europa zeigt er eine nähe zu rechten parteien, namentlich in lateinamerika findet sich das umgekehrte. da kommt die politologische analyse der ökonomischen wieder näher. anders als diese versteht sie populismus aber nicht als autochtone bewegung politisch enttäuschter mittelständler gegen die eliten. vielmehr sieht sie darin eine bewusste mobilisierungstrategie der massen durch führungsstarke persönlichkeiten – in politischen ämtern oder auch ausserhalb -, um legitimiert durch das einen magischen bezug auf das volk auch in umbruchphase die eigenen interessen durchsetzen zu können.

der populismus ist also vor allem ein populismus der populisten. das schreibt die weltwoche selbstredend nicht. sonst müsste sie sich ja hinterfragen.

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campari soda

alles begann mit einem flüchtigen blick an der amici-bar in der berner markthalle. seither entwickelt sich eine rasch zunehmende leidenschaft. vor einem typischen hintergrund, dem ich mir gar nicht bewusst war.

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der wichtigste vorsatz zum neuen jahr war, sich nichts mehr vorzunehmen. das jedenfalls sagte mir der kopf, der sich der üblichen konvention verweigerte. und doch schlummerte da ein wunsch, ein ganz persönliches anliegen anzugehen, das in mir schlummert.

weniger bier trinken!

unverändert vergöttere ich den gerstensaft. er wäre wohl das letzte, auf das ich ganz verzichten würde. doch ist der bierkonsum auch eine dumme gewohnheit, die sich auf der gewichtswaage rächt.

so gehe ich seit längerem mit dem idee schwanger, meinen bierkonsum auf die hälfte zu reduzieren. 1 stange pro tag soll das mass aller dinge werden. dafür trinke ich mehr säfte, mehr teeli … und campari soda.

kurz vor weihnachten machte es an der amici-bar in der berner markthalle click. ein flüchtiger blick auf das getränk zweier gäste löste alles aus. es war rot – die farbe der liebe. serviert wurde es in einem eleganten glas – der ausdruck des geschmacks. und das ambiente stimmte – die botschaft des gefühls.

innert sekundenschnelle war mir klar: das ist es. um mich abend von der arbeit zu lösen, werde ich mir von nun an ein campari soda mixen – oder eins mixen lassen!

und so war mein gutes-neues-jahr-vorsatz perfekt.

was mir überhaupt nicht bewusst war: die wahl des apéro-getränkes hat mit selbstbildern der männlichkeit zu tun. das jedenfalls behauptet die zeitschrift “abstract“, die ich heute zugestellt bekommen habe. stephan siegrist, ein begnadeter forscher des hiesigen konsumverhaltens – gibt das anregende magazin heraus. darin entdeckt man immer wieder neue analysen, sicher auch hippige trends.

so, dass die (gewünschte) lebensweisheit einerseits, die (erhofften) haare-auf-der-brust anderseits bestimmen, welches getränk man wählt, um sich in stimmung zu bringen. und auf diese weise ertappe ich mich, gerne sophistizierter zu werden, ohne grosse aspirationen zu haben, einen behaarten oberkörper zu bekommen.

gary grant, als vorzeigebeispiel für diesen typ kannte ich ja. die gegensätzlichen benchmarker musste ich sinnigerweise googeln, um mit ein bild zu machen, was ich nicht bin.

stadtwanderer

sein neuester hinweise findet sich hier.

orte und nicht-orte, in bern und anderswo

gemeinhin bringt man geschichte mit zeit in verbindung. denn die geschichte ist sowohl das geschehene, wie auch die erzählung darüber. alles erzählte hat einen ort, an dem etwas geschah, an das man sich erinnert. orte, kann man sagen, haben geschichte, sind ausdruck von beziehungen und stiften identität. wer den stadtwanderer kennt, weiss um genau diese zusammenhänge.

9783406605680_largemarc augé, ein führender ethnologe in frankreich, entdeckte die nicht-orte. flughäfen, supermärkte, flüchtlingslager sind für ihn orte des ortlosen. ihnen gemeinsam ist der übergang. weder wird man an nicht-orten heimisch, indem man sich niederlässt, wohnt und privatheit entwickelt. noch sind sie orte des öffentlichen lebens im eigentlichen sinne, weil man nur auf durchreise ist, sich mit waren eindeckt, die man mitnimmt, oder mit eben diesen versorgt wird, ohne dass man bleiben will.

nicht-orte schaffen keine gemeinsamkeit, schrieb augé vor knapp 20 jahren in seinem buch über non-lieu. denn an den nicht-orten herrscht einsamkeit vor. sie entstehen mit der modernisierung der lebens, der globalisierung der welt. denn mit ihnen wächst die entwurzelung, nimmt die mobilität und urbanität, lösen sich geschichte und ort auf.

an nicht-orten wimmelt es an menschen, die sich kreuzen, ohne sich füreinander zu interessieren. sie haben es gelernt, sich auszuweichen, statt sich im andern zu spiegeln. sie stellen keine fragen, weil sie gar keine antworten erwarten. sie leben nicht wirklich; sie funktionieren nur.

so treffend die idee von marc augé war, um die veränderungen in den städten der gegenwart zu diagnostizieren, so fragwürdig bleibt seine pauschalisierung. denn heute wird kein einkaufszentrum mehr gebaut, das nicht auch als treffpunkt dient, mit erlebnisparks für kinder, kinos für jugendliche und restaurants für erwachsene. so flüchtig das leben da auch sein mag, immer wieder finden sich auch an orten des ortlosen orte des treffens. flughäfen wiederum sind orte des wiedersehens und der freude, der trennung und des schmerzes, der liebe, die neue beziehungen und identitäten schafft. das alles gilt gerade auch für das flüchlingslager, dem chaos der individuellen geschichten, aus dem sehr wohl ein ort neuer kollektiver identitäten entstehen.

eines stimmt schon, wenn man sich durch die neu aufgelegten gedanken von augé liesst: der dichteste ort in bern, ist die altstadt. nicht wegen ihrer architektonischen enge. sondern wegen dem, was in ihr alles geschah, wie es repräsentiert wird und damit ein raum der gegenwart und vergangenheit ist. da kann das westside nicht mit halten. nicht nur weil es neu ist. eher weil es nicht zum bleiben einlädt, höchstens zum verweilen. so dürfte es ein ort unendlicher vieler geschichten werden, nicht aber der geschichte. und erstaunt es nicht, dass ich auf 100 wanderungen, die ich mache, vielleicht eine in die neue kunstwelt am rande des geschehens mache.

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schneckenmigration im zeitalter der globalisierung

christoph oberer ist aus dem baselbiet. das hört man, wenn er referiert. eigentlich ist er studierter historiker. doch die leidenschaft des laboranten am naturhistorischen museum basel gilt den schnecken. wenn er darüber referiert, gibt es fast so viele geschichten zuhören wie schnecken hat.

schneckenschnecken wandern nicht, war einer der hauptsätze am heutigen vortragsabend des bernischen vogelschutzes. doch mit der globalisierung werden sie in alle weltgegenden verschleppt. eisenbahnen und autostrassen transportieren nicht nur menschen und güter, auch schnecken. beispielsweise die spanische wegschnecke, die 1960 mit salaten aus dem süden in die schweiz kam und innert weniger als einem halben jahrhundert zur verbreitetsten schneckenart aufstieg.

die neueste folge der globalisierung an der schneckenfront betrifft die kantige laubschnecke, weiss oberer zu erzählen. eigentlich stamme sie aus süditalien, verstehe ich. über den export von wc-schüsseln verbreite sie sich aber in die halbe welt. am liebsten hätte sie betonwände, wo feines moos wächst, das sie liebend gern frisst. in basel würde es schon millionen davon geben. in bern werde sie bald auch in massen auftreten. eine eigentliche plage sei sie schon in den amerikanischen städten. die lonza forsche bereits nach einem effizienten gift gegen den urbanen eindringlich.

oberer schildert das und vieles anderes in eindrücklichen geschichten, die man so nicht jeden tag zu hören bekommt. das ist zu allererst lehrreich. so weiss ich etwa, dass schnecken zu besten nahrungsverwerten gehören. ihr kot interessiert einfach niemanden mehr. es ist aber auch unterhaltsam, der mann mit dem hund, wie er sich vorstellt, weiss auf jede frage aus dem publikum eine eigängige antwort. vielleicht hätte man sich am ende eines langenvortrages eine einordnung aller überraschungen in eine gesamtschau gewünscht, damit auch einem laien wir mir nicht nur die perlen des vortrages, auch sein roter faden bleibt. doch der referent ist sichtbar kein theoretiker, vielmehr ein lebender praktiker.

vor den schneckenplagen können man entweder kapitulieren. oder man können sie bekämpfen, mit heissem wasser oder gefrieren in der kühltruhe, höre ich an diesem abend. neu im kommen sei, mit schnecken zu flüstern. “das ist dein salat, den kannst du haben, doch die anderen sind mir”, sei das motto der gespräche, mit denen sich sogar die schneckenforschung neuerdings beschäftige. das alles sei viel besser, als schnecken zu zerschneiden, was man das lange gemacht habe. denn das bringe gar nichts, ausser neuen schnecken, weil zerschnittene schnecken proteinbomben seien, was andere schnecken begehrten und zu ihrer vermehrung führe.

ein kurios-tolle sache, so ein abend bei den schneckenspezialistInnen, die einen grossen bogen schlagen von traditionellen schneckenkulturen über globalisierungsmigrationen bis hin zu selbstschutzmassnahmen gegen invasive arten. nur politisch darf man das nicht nehmen, sonst würden aus langsam kriechenden schnecken schnell sich bekämpfende hunde!

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ordnung und fortschritt – die leitbilder aus dem 19. jahrhundert neu aufgelegt

brasilien, das diese nacht einen präsidenten oder eine präsidentin wählt, übernahm sein motto “ordnung und fortschritt” in die flagge. und ohne ihn hätte die soziologie ihrem namen bekommen. eine kleine hommage an auguste comte, den grossen, umstrittenen, vergessenen und wiederentdeckten wissenschafter aus dem 19. jahrhundert.

DSC00431statue von auguste comte, vor der pariser sorbonne, im gedenken an den begründer des positivismus, was mitte des 19. jahrhunderts noch starkes, wissenschaftliches denken mit wirkungsabsichten meinte.

1815 war in der europäischen geschichte ein wendejahr. kaiser napoléon verlor die schlacht von waterloo. die sieger, der russische zar, der österreichische kaiser und der preussisch könig erklärten die revolution für beendet. basierend auf gerechtigkeit, liebe und frieden leiteten sie die restauration der verhältnisse ein.

august comte, ein junger mathematiker aus montpellier, war mit der schroffen gegenüberstellung nicht zufrieden. er begann eine gesellschaftlehre zu entwickeln, welche die anarchie der moderne heilen sollte, ohne auf die konservativen rezepte zurückgreifen zu müssen: ordre et progès wurde zu seinem lebensmotto.

seine ersten schriften verfasste comte für den radikalen sozialreformer henri de saint-simon. sie setzten auf industrielle – unternehmer und arbeiter – und auf wissenschafter. neue arbeit brachten sie dem jungen mathematiker indessen nicht. denn der alte aristokrat publizierte sie unter seinem eigenen namen.

erfolgreicher war comte zweites werk. 1830 erschien der erste band des “cours de philosophie positive”, innert 12 jahren folgten fünf weitere bände. in ihnen rekonstruierte er drei stadien der menschheitsgeschichte: im ersten, dem theologischen, stellten sich die menschen fragen nach dem grund ihrer existenz; zu ihrer antwort schufen sie gottheiten, die gewissenheiten vermittelten. im zweiten, dem metaphysischen stadium, versuchten die menschen, ohne rückgriffe auf außerweltliche instanzen antworten auf die gleichen fragen zu finden. ins positive stadium treten sie, wenn das warum in den hintergrund rückt, dafür die funktionszusammenhänge entscheidend werden. comte glaubte damit, den leitfaden für den übergang in die höchste phase der menschheitsgeschichte gefunden zu haben.

der führenden wissenschaft für die dritte phase hat er den namen gegeben: er nannte sie soziologie, und er definiert ältere vorstellungen von gesellschaftslehren in seinem sinn um. soziale tatbestände sollten sich auf wissenschaftliche fakten stützen. und wissenschaft sollte stets anwendungsorientiert sein. soziale physik und soziale technik hätte man das auch nennen können. später ging comte noch weiter. im 1851 erschienen “système de politique positive” begründete er die theokratie oder gottesherrschaft neu, denn seine wissenschaft wurde nun zur religion – allerdings mit dem menschen und ohne gott an der spitze der schöpfung.

mit dieser wende spaltete comte seine anhängerschaft: die republikaner, meist französische linke, hielten dem modernen rationalisten comte aus den 1830er jahren die treue. soziologie war und ist für sie die disziplin, die der prognose künftiger gesellschaftlicher entwicklungen dient und politik so auf eine sichere basis stellt. die rechten konservativen wiederum feierten den comte der 1850er jahre, der die soziale harmonie mit hilfe eines neuen glaubens, befreit von alter wissenschaftsgläubigkeit, herstellen wollte.

noch heute steht die statue von auguste comte vor dem eingang zur pariser sorbonne. der umstrittene soziologe ist allerdings weitgehend in vergessenheit geraten. neu gelesen hat ihn jüngst wolf lepenies, der ehemalige rektor der berliner wissenschaftskollegs. er schildert ihn als mischung aus dem griechischen philosophen aristoteles umd dem christlichen apostel paulus. die versuchte klammer über all seine gegensätzlichkeiten habe comte zwischen stuhl und bank fallen lassen, auf denen die gesellschaftstheorien der linken und rechten bis heute ruhten.

régis debray, der frühere mitstreiter von che guevara, hat comte zu seinem 150. todestag wieder auferstehen lassen. anders als marx, meinte er zu seiner hommage an den grossen franzosen in filmform, habe comte das kernproblem der moderne vorausgesehen: die gefährliche illusion, “der Mensch könne sich ohne religiöse Bindungen in der Welt halten.” lepenies selber arbeitet an der zweiten wiederentdeckung comtes: den zeichen, die für die vermittlung von wissen in die massen unabdingbar seien, denn das wort alleine schaffe das nicht.

brasilien weiss das nur zu gut. es hat comtes motto in die nationalflagge übernommen. und brasilien lebt zwischen der hoffnung aus religiöser ordnung und aus materiellem fortschritt. wohl auch diese nacht, wenn der oder die präsidentIn neu gewählt wird, sodass lula da silva für höhere weihen in der weltpolitik aufsteigen könnte. auguste comte hätte es mit sicherheit gefreut.

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historische fakten der gegenwart

timothy garton ash ist der historiker der gegenwart. alle 10 jahre bringt er ein neues buch heraus, indem er auf die jeweils jüngste dekade der weltpolitik zurückblickt. eben erst sind seine weltpolitischen betrachtungen 2000 bis 2010 unter dem titel “jahrhundertwende” bei hanser erschienen.

jahrhundertwende“Hätten wir die Fakten über Saddam Husseins angebliche Massenvernichtungswaffen gekannt oder auch nur gewusst, wie unzuverlässig die diesbezüglichen Geheimdienstinformationen waren, hätte das britische Parlament wohl kaum für einen Krieg im Irak gestimmt. Vermutlich hätten selbst die Vereinigten Staaten gezögert. Damit wär die Geschichte des Jahrzehnts anders verlaufen.”

der schriftsteller timothy garton ash, professor für zeitgeschichte in oxford (gb) und stanford (usa), journalist für den englischen guardian, leitet so seinen virtuosen überblick über die ersten 10 jahre des 21. jahrhunderts ein. geprägt sind sie durch die lüge, die nicht nur lebensgeschichten schönt, nein, vielmehr zum obersten mittel der weltpolitik avancierte. umso eindringlicher fordert der historiker seine kollegInnen an den universitäten, in den fachmagazinen und im journalismus auf, zuerst nach den tatsachen zu suchen. denn die “Fakten sind die Pflastersteine mit denen wir die Strassen unserer Analysen bauen.” wohin die strassen führen, weiss man nicht mit bestimmtheit, schreibt er im vorwort, ihre wegmarken in vergangenheit und gegenwart jedoch müssen unerbitterlich geprüft sein.

das jüngste jahrzehnt nennt der beobachter seiner zeit auch das des faktenarrangements. genauso wie polittechnologen in moskau würden meinungsmacher in washington daran arbeiten, die grenzen zwischen realität und virtualität zu vernebeln, um, unterstützt durch möglichst viele, möglichst lang an der macht zu bleiben. seine geschichte der gegenwart entstehen als reportagen oder essays im dreiklang von recherche, lokaltermin und reflexion. an seiner universität in oxford gibt es riesige bibliotheken, fachkollegInnen für alles und studierende aus der ganzen welt. das ist seine primäre basis. die sekundäre entsteht am ort des geschehens, dem grössten privileg der zeithisgtoriker. schliesslich zieht er sich in sein arbeitszimmer zurück, um in ruhe schreiben und die tertiäre grundlage seiner bücher zu legen.

was dabei herauskommt, ist ein kaleidoskop der gegenwart, besser noch der verschiedenen gegenwarten. mit “Ein Jahrhundert wird abgewählt” resümierte er schon die 80er jahre des 20. jahrhunderts; es folgte die “Zeit der Freiheit” über das nachfolgende jahrzehnt. seiner neuesten dekade mag der gelehrte noch keinen wirkliche namen geben, denn ihr charakter wie auch ihre dauer seien noch unbestimmt. vorläufige stichworte sind der aufstieg nichtwestlicher mächte, insbesondere chinas, die herausforderung durch die erderwärmung und die krise des kapitalismus. die usa hält er trotz des neuen präsidenter barack obama für die wahrscheinlichste verliererin, gefolgt von europa, das zu wenig bereit sei, zu merken, was rund herum geschehe.

wer bis 2020 warten mag, liest dann vielleicht die erste würdigung des jahrzehnt der lügen, wie man es trotz allen bedenken einmal nennen könnte. die fakten hierzu kann man jetzt schon haben, ordentlich strukturiert in 50 essays zu “samtenen revolutionen”, “europa und andere kopfschmerzen”, “islam, terror und freiheit”, den “usa”, dem “jenseits des westens” und zu “schriftstellern und tatsachen”. beispielsweise wie orwells biografie gekämt wurde und günter grass seine ss-mitgliedschaft lange verschwieg, um nur zwei typischen fakten unserer gegenwart zu erwähnen, die lust auf mehr wecken könnten.

denn an einem so herrlichen herbsttag wie heute liest sich sich das buch, das timothy garton ash dem verstorbenen deutschen soziologen ralf dahrendorf zum 80. geburtstag widmete, ganz besonders lieblich …

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emotionen in der politik: von enthusiamus, angst und wut

es muss anfangs der 90er jahre gewesen sein, als ich vom wiener magistrat eingeladen war, über möglichkeiten der bürgerInnen-beteiligung in der stadtplanung nachzudenken. erwogen wurde damals, direkte demokratie im der hauptstadt auszubauen. ohne erfolg zog ich mich damals zurück, und kehrte heute an den ort des geschehens zurück.

Emotion-Masks-760100das experiment scheiterte schon in den ansätzen. eine vorbereitende akadamische tagung verlief animiert-artig. die anschliessende öffentiche tagung war dann ebenso animiert, aber gänzlich unartig. sie geriet zur eigentliche behördenbeschimpfung, bei der die junge moderatorin ohnmächtig wurde, und es mir als podiumsmitglied erst nach etwa einer stunden heftigem streit, die minimale spielregeln in der auseinandersetzung zwischen dem roten stadtrat und den protestierenden zu sorgen.

als ich lass, dass heute in wien über emotions in politics and campaigning debattiert werde, entschloss ich mich kurzerhand, nach wien zu reisen. vielleicht würde ich jemand eine erklärung geben können, was damals den vulkan zum explodieren brachte.

eine erste interessante annäherung bracht susanne glass, politologin aus deutschland, die als ard-korrespondentin aus wien berichtet. sie glaubt, dass der umgang mit emotionen in der politik gerade in kleinen gesellschaften schwierig ist. sie zeigte bilder, als bundespräsident klestil die erste schwarz-blaue regierung vereidigt. die entaffektierung des staatsaktes war perfekt. dafür lebten die emotionen in kärtnen auf, von wo jörg haider aus die österreichische politik aus der opposition heraus aufputschte, bis er an seinen eigenen emotionen zerbrach. journalistin glass zeigte sich selbstkritisch aufzuzeigen, dass gerade in der auslandberichterstattung der bewegten medien emotionen eine zentrale rolle zukommt. brechen sie aus, lassen sie sich gut vermitteln, wenn sie vorurteile gegenüber dem fremden bestätigen. und sie fördern vor allem die vermittlung der rechten oppositionellen.

nicht alle beiträge am heutigen tag waren so selbstkritisch. einige der redner an der konferenz europäischer politberater verwechselten ihren auftritt mit dem vor einem parteitag, warben mit eindringlichen bilder und drastischer sprache für ihre sache.

den erhellendsten beitrag in der sache lieferte ted brader, politologe an der renommierten michigan university. drei emotionen interessierten besonders: den enthusiamus, die angst und die wut. enthusiasmus entstehe, wenn es gut gehe. sei dies nicht der fall, entstünden angst oder wut. ersteres weckt zwar kurzfristig die aufmerksamkeit, wirkt sich aber eher apathisch, denn mobilisierend aus. letzteres kennt umgekehrte vorzeichen, denn die wut sei es, welche parteiisch kriegerbürgerInnen forme.

und so erinnere ich mach an die veranstaltung aus den 90er jahren zurück. denn hier kam ein früheres zeichen der wut, die es gegenüber der politik, ihren repräsentantInnen und institutionen gibt, zum vorschein. dafür fürchtete man sich unter den etablierten politikerInnen damals noch, weshalb man auch gegenüber jeder form der direkten demokratie skpetisch war. heute weiss man in wien wie in österreich, dass sie sich die wut nicht einfach negieren lässt. und wird sie bewusst unterdrückt, mobilisiert sie erst recht politischen potenziale von ungeahnter kraft.

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zeugen der glokalisierung: sakralbauten aus aller welt im kleinen raum

glokalisierung heisst, dass sich globale entwicklungen in lokalen verhältnissen spiegeln. die vermehrung von gotteshäusern verschiedenster traditionen in der schweiz sind ein treffender beleg dafür.

im bernischen zollikofen steht seit 1955 ein mormonentempel, in lugano seit 1959 eine jüdische synagoge, in zürich seit 1963 eine moschee, im zürcherischen riken seit 1968 ein tibetanisches kloster, im solothurnischen gretzenbach seit 2003 ein thai-tempel und in langenthal seit 2006 ein indisches sikh-tempel. seit diesem jahr zeugt im bernischen belp eine orthodoxe kirche von der pluralisierung der religionen in der schweiz, die mit ihren gotteshäuser sichtbar in die öffentlichkeit treten.

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prospekt der ausstellung “kuppel – tempel – minarett” des zentrums für religionsforschung an der universität luzern

die wanderausstellung “kuppel – tempel – minarett“, bis ende januar 2010 an verschiedenen orten der schweiz unterwegs, zeigt das langsame heimisch werden fremder gotteshäuser , dem sich eine offene gesellschaft nicht verschliessen kann. erstellt vom jungen zentrum für religionsforschung der universität luzern, werden so die sakralbauten dokumentiert, die nach dem zweiten weltkrieg mit der migration entstanden sind und für die schweiz vorerst ungewohnt waren.

alles in allem geht es um 24 bauten, die martin baumann, professor für religionswissenschaften, analysiert. er verweist darauf, dass ihre zahl erst in den letzten 10 jahren zunimmt, die hälfte unverändert in den stadträumen von zürich und genf steht, sich nun aber analoge veränderungen nun auch in den kleinstädten, ja auch auf dem land abzeichnen.

die meisten bauten kannten einen längeren planungsprozess, bei dem die bauherrscahft, die anwohnerInnen und denkmalpflege integriert wurden. ob es das in einen konflikt mündete, hängt nach ansicht der ausstellungsmacher von verschiedenen faktoren ab: “Der Charakter der Standortgemeinde und die soziale Struktur der Nachbarschaft spielen ebenso eine Rolle wie die bauwillige Religionsgemeinschaft, ihr Kommunikationsverhalten, die Art des Projektes und das Vorhandensein lokaler Fürsprecher und finanzieller Mittel”, halten die experten fest.

das alleine erklärt nicht, wie ein baugesuch beurteilt wird. denn die realisierung von sakralbauten ist nicht nur eine frage des baurechts und der baupraxis. es ist auch ein kultureller prozess, ein potenzieller konflikt der glokalisierung, füge ich bei. denn globale fragen spiegeln sich in ihr ebenso wie lokale umstände. und das hat mit dem wesen der religionen zu tun, die weitvernetzte gemeinschaften der überzeugungen sind, wo auch immer ihre gotteshäuser stehen.

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ohne unterbruch durch welten wandern und die zeit vergessen

mein zug kommt um 9 uhr 59 in lenzburg an. im einladungsmail steht, dass ich um 10 07 in der ausstellung sein werde. denn acht minuten braucht man wandernd bis zur ausstellung “nonstop” des stapferhauses.

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sibylle lichtensteiger vor der rückseite der schliessfächer für die uhren der besucherInnen ihrer ausstellung “nonstop”, bei der es um die geschwindigkeit unserer zeit geht

sibylle lichtensteiger hat mit ihrem team die expo des momentes konzipiert. schon beim empfang merkt man, dass sie tempo wegnehmen will. die gelernte historikerin begleitet mich in einen wartebereich. durch eine schleuse tritt man in den entschleunigungsraum – einer gelungenen mischung aus duschraum im zivilschutzbunker und orientalischer gartenoase. erfrischt werden soll hier das gemüt: zuerst hört man wassertropfen, mit denen man in der antike die zeit mass. dann wird heftig kommuniziert, um den takt vorzugeben, bis schliesslich unsere mobilität zum akustischen thema wird, die alles möglich erscheinen lässt.

“das sind unsere tempomacher”, erklärt meine führerin. und geleitet mich ohne verzug zum nächsten thema. man wähnt sich im regieraum einer fernsehstation, als sie ihre lieblingsclips auf sechs bildschirmen vorspielt. alle haben sind sie dem gefühl gewidmet, wie geschwindigkeit im alltag entsteht. da spricht der chefredaktor der pendlerzeitung “20 minuten” über konkurrenz im mediensystem, die es nötig mache, auf den bürger als journalisten zu setzen, der sich per zufall am ort des geschehens befinde und in noch weniger als 20 minuten seine bilder und eindrücke weltweit verbreiten könne. oder es sinniert der migros-manager für die convenience-linie über sensationelle wachstumsraten, die man damit erziele, die zeit vom einkaufen des essen bis zu seinem verzehr stets zu reduzieren.

wer meint, es gehe bei nonstop in diesem rhythmus weiter, wird überrascht. denn die besucherInnen werden beispielsweise auch in eine bar gelockt, wo es um lebensgeschichten zum thema zeit geht. statt einer nüsslischale bekommt man einen plattenteller serviert, und auf der drinkkarte kann man eine der vielen zeit-beschreibungen auswählen, die der geschichtenkeeper servieren kann. ich entscheide mich für die von kathrin nadler, der stadträtin von lenzburg, die aus der politik auszustieg, um ihre eltern in den tod zu begleiten. und da wird es persönlich, denn ich habe die beiden menschen, deren lebensende erzählt wird, gekannt, ohne je die muse zu finden, mich von ihnen zu verabschieden.

überhaupt, der mix an ideen ist es, der in der ausstellung nonstop gefällt. wer möchte, kann sein lebenstempo im psychotest bestimmen lassen. wer sich danach nicht gut fühlt, kann sich gleich an einen zeit-therapeuten wenden. wessen ding das alles nicht ist, kann im estrich die momente des glücks nachlesen, als die welt unserer zeitgenossInnen stillstand, oder im kino zusehen, wie kindergartenkinder mit viel, viel mühe scherenschnitte machen und behinderte falzprospekte fast unendlich langsam einpacken. und wer es gerne ganz neutral hat, lässt sich einfach von wissenschafterInnen in die sichtweisen der geschwindigkeit einführen, die physiker, sozologinnen und kulturschaffende betonen.

ganz am anfang des rundgangs werden allen besucherinnen gebeten, sich der gesellschaftlichen zeit zu entledigen, um zur eigenzeit zu finden. deshalb gibt man alle uhren, handies, fotoapparate und notebooks in einem schliessfach ab. selbstverständlich tat auch ich das. als mich sibylle lichtensteiger am ende der führung die berühmten acht minuten zum bahnhof begleitete, merkte ich, wie gründlich das auf mich gewirkt hatte.

denn ich habe mein eigene zeit in “nonstop” so intensiv erlebt, dass ich vergessen habe, meine fremde zeit am schluss wieder mitzunehmen. und so wandere ich seither, ohne unterbruch, ohne uhren durch die welt …

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sternstunden der geschichte

“Was ist denn eine Sternstunde?”, fragt Momo. “Nun es gibt manchmal im Lauf der Welt besondere Augenblicke”, erklärt Meister Hora, “wo es sich ergibt, dass alle Dinge und Wesen, bis zu den fernsten Sternen hinaus, in ganz einmaliger Weise zusammenwirken, so dass etwas geschehen kann, was weder vorher noch nachher je möglich wäre. Leider verstehen die Menschen sich im allgemeinen nicht darauf, sie zu nützen, und so gehen Sternstunden oft unbemerkt vorüber. Aber wenn es jemand gibt, der sie erkennt, dann geschehen grosse Dinge auf der Welt.”

41wbee6p8ql__sl500_aa240_michael endes kinderbuch “momo” kennen viele. weniger bekannt ist dagegen das buch des deutschen historikers alexander demandt, das unter dem titel “sternstunden der geschichte” erschien. der berliner autor wagt es, einen blick auf das ganze zu werfen, dass heisst auf jene momente der menschheitsgeschichte, in denen “grosse Dinge auf der Welt” geschahen. alexanders rückkehr nach babylon, augustus’ begründung des patriziats, die geburt jesu in bethlehem, mohammeds stiftung des islams, die kaiserkrönung karls des grossen, die magna charta libertatum in england, die entdeckung amerikas durch kolumbus, luther auf dem reichstag zu worms, die unabhängigkeitserklärung der vereinigten staaten, die öffnung japans gegenüber der welt, gandhis salzmarsch und die erklärung der menschenrechte zählt demandt hierzu. und, da er die vortragsreihe in berlin zur jahrtausendwende hielt, fügte er den fall der berliner mauer – etwas unvermittelt – als 13. sternstunde hinzu.

doch was sind sternstunden der geschichte? – grimms wörterbuch meinte vor 200 jahren, es seien schicksalsstunden, “die über glück und unglück” entscheiden würden. doch das buch ist dennoch keine abhandlung weder über astrologie noch über astronomie. vielemehr geht es um sterne und unsterne. denn vom schatten in der geschichte werde viel gesprochen, ohne dass man sich um das licht in der vergangenheit kümmere, bilanziert demandt das tun seiner profession.

eine reife antwort auf seine anfangsfrage findet der autor in immanuel kants “idee zu einer allgemeinen geschichte in weltbürgerlicher absicht“. um den leitfaden gehe es dem historiker, der dem ziel diene, die vollkommene bürgerlicher vereinigung in der menschengattung zu befördern heisst es da. also handeln sternstunden der geschichte von den seltenen ereignisse, die faktisch oder symbolisch als meilensteine am weg zur weltgesellschaft gesehen werden dürfen. denn sie sind die schlüsselszenen für eine menschenwürdige zukunft, die man sich erhoffen müsse, auch wenn man sie nicht erwarten dürfe. weil geschichte nun einmal nicht im himmel spiele.

um sich auf erden orientieren zu können, müsse man die sterne studieren, fügt demandt bei. dieses studium lohnt, gerade in momenten der faktischen oder symbolischen dunkelheit, sagt sich der

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mehr schwarze schwäne als uns lieb ist

nein, das ist keine fortsetzungsgeschichte zu jener über die schwarzen schwäne auf dem wohlensee. vielmehr geht es um ein fast schon philosophische thema.

41-dzerognl__bo2204203200_pisitb-sticker-arrow-clicktopright35-76_aa240_sh20_ou03_“das buch zur heutigen zeit, aber ohne die nötige tiefe”, meint der stadtwanderer

stöbert man durch die beststellerlisten in berns buchhandlungen, stösst man sei geraumer zeit fast unweigerlich auf das buch des libanesischen mathematikers nassim taleb. “der schwarze schwan” heisst es. wer darin liest, merkt bald, dass der titel nur als metapher für unseren umgang mit phänomenen wie google, dem 11. september oder ausbruch des ersten weltkrieges dient.

diese und andere ereignisse werden mit schwarzen schwänen verglichen, weil niemand mit ihnen gerechnet hatte. einmal da, wollen aber alle ihre erklärungen. ohne bereit zu sein, sich auf etwas neues einzustellen. und genau das ist falsch.

schwarze schwäne haben nach taleb drei eigenschaften:

sie treten überraschend auf.
sie zeitigen durchschlagende wirkungen.
obwohl man sie nicht prognostiziert hatte, gibt man vor, sie erklären zu können.

taleb, der in seiner ersten karriere risikoanalytiker war, weiss wovon er spricht. beispielsweise von der verletzlich des bankensystems. doch traut er den allwissenden kollegen finanzanalysten heute nicht mehr über den weg. ausgestiegen ist er aus diesem job, um eine zweite karriere als erfolgreicher buchautor zu beginnen. die hat ihn nun zum professor in der wissenschaft der unsicherheit gemacht.

sir raimund popper, der grosse wissenschaftstheoretiker des 20. jahrhunderts, meinte noch, dass man alles erklären und damit auch alles prognostizieren kann. taleb ist da radikaler. er sagt, was man nicht prognostizieren kann, soll man sich auch nicht (vorschnell) erklären wollen. obwohl es eintrifft.

in talebs worten täuschen wir uns da, weil wir geneigt sind, in schlüssigen geschichten zu denken. neue fakten werden darin integriert, ohne zu fragen, ob die geschichte zutrifft oder auch nicht. denn intuitiv ist die vergangenheit unser modell für die zukunft. genau das geht tabel auf den keks.

denn die realität, sagt taleb, ist anders. unberechenbar, deshalb auch immer wieder überraschend. weil sie letztlich chaotisch funktioniert.

“Es gibt nur wenige herausragende Wirtschaftspublizisten. Und es gibt noch weniger ausgezeichnete Wirtschaftsbücher. Deshalb ist es eigentlich unwahrscheinlich, ein ausgezeichnetes Wirtschaftsbuch von einem herausragenden Wirtschaftspublizisten zu finden. Taleb ist dieser schwarze Schwan.”

das ist schon fast zu viel des guten für das buch zum zeitgeist der finanzkrise. denn in meinem studium als historiker bin ich auf eine andere metapher gestossen, die mir nachhaltig in erinnerung geblieben ist. gerade heute erinnere ich mich ihrer, und merke ich, dass sie mir viel weniger trendig erscheint als taleb postmoderne neuformulierung.

das neue an der moderne ist, schrieb der verstorbene deutsche historiker reinhard koselleck, dass der erwartungshorizont erstmals grösser geworden ist als der erfahrungsraum. lebten die menschen früher mit der vergangenheit vor augen und reichte das aus, um alles was kommt, zu verstehen, ist es für den modernen menschen essenziell, sich immer wieder auf neue zukünfte, die nicht mit den bisherigen vergangenheiten erschlossen werden können, einzustellen.

schwarze schwäne, auf welchem see auch immer sie auftreten, erinnern uns seit geraumer zeit unfreiwillig daran, dass es in unserem leben mehr anlässe dieser art gibt, als uns meist lieb ist.

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in welcher welt lebt dieser papst eigentlich?

du meine güte: wenn’s sein muss, reagiert der vatikan superschnell. wenn nicht, braucht es ewigkeiten! das jedenfalls zieht man aus dem verhalten, wenn es um keine pille resp. keine holocaust geht.

die wiederaufnahme der traditionalistischen bischöfe, die ausserhalb der päpstlichen hierarchie geweiht worden waren, in den schoss der katholischen kirche erregte zu recht ärger. die begründung war mager, das interesse an spirituellen fragen, das nicht ausserhalb der katholischen kirche wachsen dürfe, musste hinhalten. verägert hat vor allem, dass selbst holocaust-leugner nun wieder kirchliche würdenträger werden und sein dürfen.

die empörung, die ausbrauch, brauchte viel elan, um an der unfehlbarkeit des papstes kratzer an zubringen. eine entschuldigung erwartete man, eine klarstellung forderte frau. bis es nicht mehr anders ging! und erst dann, nach tagen der gesellschaftlichen diskussion in der wichtigsten christlichen kirche kam kleinlaut die bitte an den einen fehlbaren all das zu widerrufen. von seinen eigenen leuten falsch informiert worden sei der papst, hiess es fast nicht mehr hörbar.

mitten in diese krise platzte die doch überraschende ankündigung von radio vatikan, daniel vasella als externen kommunikator anzuheurn und ihn mit einem wöchentlichen kommentar zu betrauen. die konstallation überraschte, und löste spannung aus. was trifft da aufeinander: die grundsätze der unendlichen ewigkeit auf die grundsätzlich der ewigen endlichkeit? – immerhin, gestern staunte ich, und dachte ich mir, das werde für beide eine herausforderung.

wird es nicht. der vatikan war wiederum unvollständig informiert, als er sich entschied. er gibt vor, nicht gewusst zu haben, dass novartis empfängnisverhütungsmittel herstellt. und nun höre und stauen man: da man in dieser frage keine zweifel aufkommen lassen wolle, was der standpunkt des papstes, der kirche und der christenheit sei resp. zu sein habe, stellte man daniel vasella vor die türe, bevor er auch nur ein wort sagen konnte!

nun vergleiche man gemeinsamkeiten und unterschiede! um die frage zu beantworten: ist dem past keine pille wichtiger als keinen holocaust?

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übelsetzungen

das muster ist bekannt: der wachsenden zahl von touristInnen, gästen und passantInnen, die sich nicht auskennen, möchte man den aufenthalt erleichtern. und erschwert ihr mit zahllosen übersetzungsfehlern oder bedeutungsirrtümern das leben. immerhin, die unfreiwillige komik wächst mit. und lachen ist gesund!


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aufmerksam geworden bin ich vor drei, vier jahren in schweden. in unserem briefkasten war ein flyer, von einem niederländer, der sich in värmland niedergelassen und ein kleines unternehmen für bootsreisen eröffnet hatte. der prospekt war offensichtlich von einem sprachmonster ohne feingefühl für irgend etwas übersetzt worden: die gegend sei, las man da, “gut zum schiffen”. erheiterungen zuhauf folgten, aber kein gutes geschäft entstand!

der langenscheidt-verlag, sonst eher für seriosität im sprachgebrauch bekannt, hat jüngst einen (zweiten) band zum thema “übelsetzungen” herausgebracht, der unterhaltsamer nicht sein könnte. ein aufruf auf internet, sprachpannen aus aller welt zu dokumentieren und zu berichten genügte, um eine unmenge von belegen für wirre gebrauchsanweisungen, komische strassenschilder und sinnentstellte bilder zu erhalten. führend sind dabei die städte, wo die kommunikation am dichtesten ist.

im neuesten langenscheidt amüsiert man sich vor allem beim thema speisekarten so köstlich, sodass man schon mal das abendessen vergisst: in einem spanischen hotel gibt es zum festlichen weihnachtsmenü “zertrampelten Lachs” als vorspeise und “Die traditionelle in seinem Safte höchste Türkei” als hauptgang. das angebot eines china-restaurants in frankfurt mag zwar sehr authentisch sein, allerdings könnte der appetit der gäste leiden: empfohlen wird da “Dickdarm mit präserviertes-Gemüse” oder “Zerfetzt geröstet Ente Reisbrei”. in nepal wiederum isst man “Snakes” statt Snacks”, in bozen gibt’s ein poetisch klingendes “Obst Meer” anstelle der ewig gleichen meeresfrüchte, und in thailand serviert man ganz gerne “Winner Schnitzel”.

na denn, sattwanderer und -Innen, verirrt euch nicht, wenn ihr demnächst in eine stadt müsst. in zürich ist man nicht zureich, in basel fasel(t) man nicht nur, aber in gern ist man ganz bern!

stadtwanderer

mehr zum lachen in:
Würste der Hölle. Übelsetzungen – Neue Sprachpannen aus aller Welt. Langenscheidt Verlag, 128 Seiten mit Fotos (ISBN 978-3-468-29850-9)

weiterentwicklung unserer identitäten statt kampf der kulturen

erstens kommt es anders und zweitens als man denkt! dennoch will ich auch 2009 weder ideologisch noch beliebig, sondern bewusst, offen und überlegt durch meine gegenwart wandern.


sir karl raymund popper, der philosoph des kritischen gebrauchs der vernunft (mitte) gegen die religiösen fundamentalisten wie osama bin laden (links) und george w. bush (rechts)
Bilder: Werner Horvath

samuel huntingtons kampf der kulturen
da habe ich mich in meinem kommentar zu “auf dem weg zur grossen ökumene” an weihnachten über den weltlehrer aufgeregt, und da stirbt samuel huntington just an diesem abend. symbolträchtiger hätte sein tod nicht sein können. auserechnet der einflussreichste verteidiger der jüdisch-christlichen kultur, er vordenker der weltweit ausgerichteten bush-doktrin, verschied an weihnachten 2008.

huntingtons verdienst war es, an die bedeutung von kulturen erinnert zu haben. das war ein grossen programm, das nicht nur die (sozial)wissenschaften verändert hat, sondern auch unser alltagsdenken. selbst das stadtwandererblog ist letztlich ein ausfluss davon. ich mag mich nicht mehr nur mit schemata auseinandersetzen; ich muss auch geschichten erzählen, die aus dem leben gegriffen sind.

und dennoch ist mein kulturverständnis anders als das des wohl us-politologen. denn in seinem versuch, die strukturalistische vereinseitigung des sozialwissenschaftlichen denken zu überwinden, ist er dem gegenteil, einem eigentlichen kulturalismus verfallen. demnach sind kulturen an sich untereinander so verschieden, dass das trennende das gemeinsame auf jeden fall überwiegt, kulturvermischung letztlich unmöglich und damit auch das politische programm der abgrenzung von kulturen geboren ist.

wer so vorausdenkt, muss sich den vorwurf gefallen lassen, mit der überhöhung der differenz eine der gedanklichen voraussetzungen zu schaffen, die zu den konflikten führt, die man selber untersucht. so wurden huntingtons kampf der kulturen so berühmt, weil er nicht nur eine analyse von zeitphänomenen war, sonst selber zum bestandteil des politischen kampfes zwischen kulturen wurde. dampf der kulturen hätte man huntingtons werk auch nennen können, wenn auch die miliärischen konflikt sieht, die in diesem namen geführt werden. “afghanistan” und “irak” waren für die us-amerikaner grund genug, ihre wirtschaftlichen interessen mit kriegerischen mitteln durchzusetzen, und sich dabei auf die chiffren zu berufen, die der harvard-professor in den 90er jahren entwickelt hatte.

amartyra sen weiterentwicklung der identitäten
es kommt wohl nicht von ungefähr, dass ausgerechnet amartyra sen, ökonom aus bangladesh, ebenso wie huntington professor in harvard und nobelpreisträger, zu den berufenstens kritikern des plakativ propagierten kampfes der kulturen wurde. identitätsfalle nennt er das denken des kollegen und seiner anhängerInnen. sein wichtigster einwand ist, dass kulturen von heute nicht ein-, sondern mehrdimensional seien. jeder versuch, kultur auf ein einziges merkmal reduzieren zu wollen, müsse letztlich scheitern.

das gilt nach sen insbesondere für alle versuche, religion zur einig gültigen basis von kultur machen zu wollen. persönliche glaubensbekenntnisse, die untereinander ausgetauscht werden, sind zwar ein wichtiges element der gemeinschaftsbildung. doch sind sie bei weitem nicht die einzige. ebenso grundlegend sind die technikverständnisse, die den fortschritt von gesellschaften beeinflusst haben, die kunst, mit denen selbstverständnisse von kulturen sicht- oder hörbar kommuniziert werden, aber auch die sprache, die uns genauso innerkulturelle vergewisserung wie auch interkulturellen austausch erlaubt. und man tue doch nicht so, wie wenn es keine kasten, klassen, schichten, geschlechter und generationen gäbe, die uns mitbestimmen. nicht die einseitige definition von identität sei unsere aufgabe, sagt sen, sondern die weiterentwicklung unserer vielen identitäten, zu denen wir fähig sind, soll uns leiten.

gerade vor dem hintergrund des westlichen kulturentwicklung sei auch daran erinnert, dass die freiheit des denkens, aufklärerisches licht in das dunkel der glaubens gebracht und die menschen von traditionen wie der ungleichheit, der überlegenheit und des krieges gewarnt, das grosse projekt der menschen-, nicht der kulturrechte geboren, die demokratisierung der politik, beschränkt auch der gesellschaft und der wirtschaft eingeleitet, die technik in bisher ungeahntem masse entfesselt, den nationalismus und den internationalismus hervorgebracht und die modernen gesellschaften befähigt hat, über sich selber nachzudenken. das alles steht dem kampf der kulturen, wie er in wissenschaft, öffentlichkeit und politik beschworen wird, als mächtige widerlegung entgegen.

stadtwandern heute und morgen

die weiterentwicklung von identitäten jenseits ihrer religiösen fundamente zu pflegen, gehört ganz im sinne von “think global, act local “zu den aufgaben des stadtwanderns auch in der post-huntington ära, die so symbolisch mit dem ende der bush-administration zusammenfällt.

stadtwanderer

farben in der politik sind projektionen

grau dominierte am tag der bundesratswahlen den bundesplatz. auf dem boden lag verschmutzer schnee. das bundeshaus war graugrünbraun. und der himmel zeigte sich verhangen. doch radio drs lud den stadtwanderer ein, über farben in der parteienlandschaft zu sprechen. hier mein thesenblatt aus der vorbereitung als öffentlicher spikzettel.

bern bundesplatz während der bundesratswahl vom 10. dezember 2008 (foto: stadtwanderer)

politische parteien im modernen sinne entstehen als bewegungen aus den bürgerlichen revolutionen zwischen 1798 und 1848. farben dienen seither der identifikation von gesinnung in der öffentlichkeit. in der heutigen gesellschaft ist die eindeutige zuordnung von farben und politischen gesinnung jedoch individualistisch augelöst worden.

. rot ist die erste eigentliche farbe, die eine politische haltung ausdrückt. sie war die farbe der hüte, welche die gefangenen auf den galeeren trugen, die sich mit der französischen revolution emanzipierten. rot steht seit der mitte des 19. jahrhundert für sozialismus. ausser in den usa, wo es die farbe der republikaner ist (und von sarah palins kleidern war, bekanntlich keine sozialistin). die verbreitete einheitlichkeit der farbe rot hat mit der internationalistischen ausrichtung sozialistischer (und kommunistischer) parteien zu tun.

. schwarz hat parteipolitisch einen halbhistorischen parteienhintergrund. es ist die farbe des klerus’, der katholischen parteien. doch schwarz war auch die farbe der italienischen faschisten. und schwarz ist auch die farbe der anarchisten. die haben mit krichen nichts am hut. ja selbst der schwarzen block, der im schweizerischen wahlkampf 2007 eine zentrale rolle spielte, symbolisierte mit der farbe als gegengesinnung.

. viele der modernen parteifarben verraten marketingabsichten. typisch dafür sind die farben der cvp. um sich vom katholischen hintergrund abzukoppeln, wählte anfangs des 21. jahrhunderts eine neue farbe. orange ist ist frisch, aber nicht allen sympathisch. seit 2007 wird es in der cvp-wahlwerbung mit blau durchbrochen. und sieht da. 2003 verlor die cvp, 2007 gewann sie!

. blau ist die eigentliche farbe des friedens. und wieder der amerikanischen demokraten, obama sei dank! aber auch des freistaatlichen bayerns. und der freisinnig-liberalen in der schweiz. das hat mit den nationalen resp. regionalen ausrichtung vieler liberalen parteien zu tun. mit vereinheitlichungen tut man sich dabei schwer. siehe fdp.

. violett für feminismus und grün für ökologie sind die letzten farben, die aus einer sozialen bewegung herausgewachsen sind. grün hat es nicht nur als anspielung an die natur, sondern auch als marke in den parteinamen der grünen geschafft. in der schweiz ist es aber nicht die exklusive farbe der grünen. sie wird auch von der svp beansprucht. ihre gemeinsamkeiten sind eher gering. doch wollten beide oppositionspartein am 10. dezember in den schweizerischen bundesrat. bauerngrün war dabei besonders gefragt.

an diesem wahltag in der schweiz sah ich eigentlich wenige farben an kleidern, die politische bedeutsam waren. vielleicht waren die farben der krawatten der bundesräte, der politologen und der journalisten anspielungen auf politische aussagen, die sie kommunizieren wollten. ich zweifle aber. selber haben meine fliegen nie eine politische aussage. sie entspringen meist der farbe meiner träume in der vornacht.

farben haben in der politik eigentlich nichts verloren. denn sie haben keine eigene sprache. ihre politischen konnotationen entstehen in der politischen kultur. ohne die kenntnisse davon, verläuft man sich parteipolitisch olitisch genauso wie es die franzosen während der helvetischen republik in bern taten. deshalb gaben sie den quartieren farben. noch heute sind grun-geld-bordeau die farben der ober en stadtquartiere resp. strassenschilder in den quartieren.

und die farben der so ungeliebten helvetischen trikolore. gewusst? nicht? eben!
deshalb meine these: farben sind in der politik projektionen.

stadtwanderer

ich bin dann schon mal überall

ist irgendwo im überall zu sein nicht gleich wie nirgendwo hier zu sein, fragt der stadtwanderer.

der auslöser
ich war referent im generalsekretariat einer nationalen politischen organisation. thema und gruppe sind für das, um was es mir hier geht, unerheblich. es hätte auch bei anderer gelegenheit “klick” machen können.

anwesend waren die verantwortlichen der organisation und die fachleute zum thema. total rund 15 personen. meine präsentation dauerte mit der diskussion eine stunde. das kenne ich, und deshalb nehme ich mal an, dass das was passierte, nicht mir mir und meinem vortrag zu tun hatte.

das problem war: am ende der stunde niemand, der nicht ein- oder mehrfach den raum verlassen hätte. bei einzelnen war die abwesenheit nur einmal und für kurze zeit, bei anderen fast schon der immer wiederkehrende normalzustand.

was ist?
nach dieser stunde zog ich bilanz: mein publikum war zwar wie abgemacht gekommen, aber gar nicht präsent. die meisten gingen hinaus, um ein handy-gespräch zu führen. andere wiederum berieten sich in kleinen gruppen vor der tür zu weiss ich was während der sitzung. schlimmer noch: ein teil, der da war, hing derweil am labtop oder blackberry: news-kontrollierend, faktenrecherchierend – irgendwo im worldwideweb rumhängend.

als ich ging, fragte ich mich, wo ich eigentlich war, was ich wirklich gemacht habe, und was, von dem, was ich kommuniziert habe, einen empfänger gehabt hat? – wohl nicht viel, war meine ernüchternde bilanz, und ich begann zu suchen, wie man den film, indem ich war, beschreiben könnte.

diagnose
“entortung” ist ein begriff zwischen literatur und soziologie. er meint verschiedenes: zuerst die migration, meist von einem herkunfts- zu einem arbeitsort. dann die mobilität, die möglichkeit also, dank physischer beweglichkeit in rascher folge an verschiedenen orten zu sein.

und schliesslich meint der begriff, dass wir dank neuen informationstechnologien zeitgleich in verschiedensten welten, gesellschaften und gemeinschaften sein können, denn sie alle sind zu fast beliebig austauschbaren interaktionssystemen geworden, in den wir uns kommunikativ technisch leicht aufhalten können.

wenn wir physisch an eine ort sind, gleichzeitig aber mit vielen anderen orten verbunden sind, beginnt das problem: unser körper löst sich nicht auf, wenn sich unser geist verflüchtigten. er bleibt, wo er ist, aber es ist niemand mehr in ihm!

fragen

die überwindung des leiblichen ist das grosse thema der griechischen philosophie. doch geschafft haben es die meisten alten griechen nicht zu transzendieren. wer das konnte, galt als mensch mit übernatürlichen fähigkeiten. als mensch, der sich in der vergangenheit oder zukunft leben kann, wie wenn er oder sie in der gegenwart wäre. oder der andere kulturen so gut kennt, dass er oder sie in ihn leben kann wie in der eigenen.

in unserer gegenwart können wir massenweise transzendieren. doch frage ich mich: ist das, so wie heute geschieht, übernatürlich und bewundernswert, oder unnatürlich und korrektur bedürftig?

stadtwanderer

ps:
eigentlich wollte darüber beim heutigen stadtwandern sinnieren, ich hab’s aber gelassen, und mich direkt mit der stadt beschäftigt. doch bloggen hierzu kann man ja problemlos, den auch das ist eines der so verführerischen interaktionssysteme ohne ort!