die hauptstadtregion schweiz stellt sich den herausforderungen

nun ist es soweit: der grossraum bern ist heute unter dem namen “hauptstadtregion schweiz” offiziell aus der taufe gehoben worden. sie soll die drei metropolitanräume der schweiz in zürich, basel und im arc lémanique ergänzen.

stadt und kanton bern haben sich gefunden, um sich gemeinsam als hauptstadtregion schweiz zu positionieren, wie regierungsrat christoph neuhaus und stadtpräsident alex tschäppät heute vor der presse ausführten.

MK zu Metropolitanraum Bern
regierungsrat neuhaus und stadtpräsident tschäppät: “nicht gleichartig, aber gleichwertig” ist die begründung von stadt und kanton bern für die hauptstadtregion schweiz.

die zentrale botschaft lautet: ein gut funktionierendes politisches zentrum ist unabdingbar für den wirtschaftlichen erfolg eines jeden landes. davon profitieren vor allem die anderen wirtschaftszentren, die auf stabile rahmenbedingungen angewiesen sind.

die hauptstadtregion empfiehlt sich deshalb als partner der metropolitanräume, die sich primär wirtschaft und gesellschaftlich ausgerichtet sind. diese sichtweise will man mit der hauptstadtregion um die dimensionen “politik” und “kultur” erweitern. die kooperationsformel lautet: nicht gleichartig, aber gleichwertig!

um die seit geraumer zeit stattfindende diskussion hierzu zu versachlichen, wurden vor kurzem zwei fundierte expertisen erstellt; sie sind heute der öffentlichkeit, verbunden mit einer politischen bewertung, präsentiert worden.

die jetzigen stärken der grossraumregion bern ist demnach der sitz von regierung, verwaltung und parlament der schweizerischen eidgenossenschaft. bern ist zudem standort für viele national ausgerichtete organisationen, verbände und lobbynetzwerke. schliesslich spricht die gute erreichbarkeit berns von allen landesteilen aus für die bildung der hauptstadtregion.

die heute offiziell lancierte region ist für weitere verbündete offen. angestrebt werden kooperationen mit benachbarten kantonen, städten im kranz rund um bern, aber auch unternehmen und vertreterInnen der gesellschaft in diesem raum.

nun ist zu hoffen, dass eine diskussion, die vor eineinhalb jahren erstmals die politischen behörden erreichte, anfänglich nur zaghaft geführt wurde, dann immer konkreter wurde – und auch den stadtwanderer intensiv beschäftigte – zu ihrer blüte kommt und viele früchte tragen wird.

stadtwanderer

meine berichte in dieser sache:
züri west organisiert sich
10 thesen zur zukunft des berner grossraumes
die städte als stiefkinder der nation wehren sich
bern als hauptstadt der metropolitanen schweiz
bundesrat: bern ist hauptstadtregion, kein metropolitanraum
auch der regierungsrat will die aufwertung der grossregion bern
aufruf zu metrobern
bewusste provokation, damit man merkt, was es geschlagen hat
die neue dynamik der städtregionen auch in bern entfachen
die definitionsmächtigen
völker hört die signale!
bern grollt
städtenetzwerke vs. metropolitanregionen
das beginnt ja schlecht

der stadtpräsident bedankt sich

ich sitze in der berner altstadt in einem cafe. ich konzipiere gerade eine neue stadtwanderung zur thema “selbstbestimmung”. weil es so sommerlich schön ist, habe ich an einem drei tische auf der gasse platz genommen.

mayor1
geschenk des bernese mayors für ein interview und anstoss für weitere interviews. klaro, das nächste mal aber stosse ich wieder die stadt an, für weitere schritte zu metrobern!

von hinten kommt eine gruppe mit drei männer auf mich zu. der in der mitte ist der grösste. es ist der stadtpräsident, alexander tschäppät. erkennen will er mich nicht gleich. doch einer seiner adlaten bemerkt, wer im schatten der lauben siesta macht.

“da ist ja der stadtwanderer”, sagt er seinem chef.
der stadtpräsident dreht sich sofort um.
“das war ein gutes interview, das du am samstag der bz gegeben hast”, wendet er sich mir zu.
“schön, dass es gefallen hat”, erwidere ich. und denke mir: jetzt müssen taten folgen.
bevor ich mündig werde, machen sich meine gesprächspartner fast schon wie die drei musketiere wieder auf den weg.

bis der stadtpräsident umkehrt, und in seiner jackentasche wühlt. voll von freude streckt er mir ein kleines geschenk entgegen. ein sackmesser. mit dem schweizer kreuz, und dem stadtberner wappen. samt der widmung “the mayor of berne”.
“dafür gibt’s du mir noch ein zwei weitere interviews wie das letzte”, strahlt er mich an. denn das letzte sei sehr gut gewesen.

nun, ja, als meine drei stadthelden definitiv weiter ziehen, schaue ich mir das sackmesser an: gut zum stechen, gut zum schrauben, gut zum schneiden. doch machen muss man das unverändert selber. gut so, denke ich mir. denn metrobern, war meine these, entsteht nur selbstbestimmt. wenn die leute von bern so souverän werden, dass sie das wollen und sie niemand daran hindert!

stadtwanderer

geisterort arlay

arlay ist ein gottverlassener ort im burgundischen, bei dem man sich fragt: warum denn nur? der bericht von der spurensuche.

arlay3

das moderne arlay
für die wenigen einwohnerInnen, die im burgundischen arlay geblieben sind, gibt auf dem dorfplatz keinen teer, aber platanen, die eine allee skizzieren! la mairie, das haus der bürgermeisters, befindet sich da. im gleichen gebäude ist die schule untergebracht. auf der andern seite des staubigen paradeplatzes sieht man, wo das alles endet. im krieg, der von 14-19, der auch in arlay viele tote brachte.

arlay2

das spätmittelalterliche arlay

eigentlich gibt es ein zweites arlay, knapp einen kilometer weiter ostwärts befindet sich, umfahren von der landstrasse, “le vieux bourg” aus dem 15. jahrhundert. “stadt” nannte man das sogar im mittelalter. sichtbar sind nur zwei häuserzeilen, mittendurch geht ein weg, wo kaum ein peugeot durchkommen würde, wenn es ihn gäbe. das “quartier au dessus” wird noch von alten menschen bewohnt, “au dessous” ist eigentlich alles ruhig.

das paulanerkloster, das zwischen dem alten und neuen arlay steht, ist längst geschlossen. schwer verriegelt ist die eingangstür; die fenster sind vermacht. bier wird hier keines mehr gebraut. mönche hört und sieht man nicht mehr. ein weingut ist das einzige, was geblieben ist, – und das wird ausgerechnet hermetisch abgeriegelt.

arlay1

das herrschaftliche arlay

einst war arlay ein stolzes zentrum. auf dem hügel über dem ort residierte seit dem 11. jahrhundert der seigneur. der herr von arlay wurde graf von chalons, bis er im 13. jahrhundert half, die tiroler günstlinge des kaisers, die pfalzgrafen in der franche-comté geworden waren, zu vertreiben. danach war man in der freigrafschaft selber begütert; der einfluss reichte über den jura bis nach neuenburg. ja, selbst mit den kiburgern ob wintherthur war man verheiratet.

die grafen von chalon-arlay kämpften in den burgunderkriegen selbstverständlich auf burgundischer seite. sie sollten ihr engagement teuer bezahlen. denn nach dem tod des herzogs, der ohne männlichen nachfolger gestorben war, heiratete erzherzog maximilian, der habsburger thronanwärter, dessen tochter marie von burgund. louis xi., könig von frankreich, griff nun militärisch nach den burgundischen ländereien. das herzogtum burgund ging an die krone. die freigrafschaft wurde verwüstet.

die katastrophe von arlay
dieses schicksal wiederfuhr auch arlay, dem stammsitz der grafen von chalon-arlay. die burg auf dem berg wurde 1479 weitgehend zerstört. niemand hatte mehr die kraft, sie wieder aufzurichten.

auch das republikanische frankreich, das die neue kleine siedlung mit der plantanen-allee hervorbrachte, konnte das schicksal nicht mehr wenden. arlay ein dreifacher geisterort: oben, auf dem berg, unten im vieux bourg, und weiter vorne, bei den platanen.

als ich den chef der einzigen auberge frage, ob ich ein glas des hiesigen wein bekomme, winkt er ab. er dürfte nur gäste bewirten, die übernachten. und das wolle niemand mehr, deshalb reiche das geld für eine lizenz für einen offenen barbetrieb nicht mehr.

so wolle es der französische staat, der arlay nicht gut gesinnt ist.

stadtwanderer

meinen teil zur aufklärung über rassismus leisten

meine heutige stadtwanderung steht ganz im zeichen des antirassismus. geladen, durch bern zu wandern, ist heute abend die fachstelle für rassismusbekämpfung.

rass karte zur kommunalen zustimmung (rot) resp. ablehnung (grün) des antirassimus- gesetzes in der schweiz am 25. september 1994.

so schwierig es ist, rassismus allgemeingültig zu definieren, so klar ist doch der kern, um den es geht. rassismus liegt dann vor, wenn “eine Gruppe auf der Grundlage von Differenzen, die sie für erblich und unveränderlich hält, eine andere Gruppe beherrscht, ausschliesst oder zu eliminieren versucht.“

entscheidend sind die adjektive erblich und unveränderlich. sie sind biologistischen vorstellungen des menschseins entlehnt, die in einer pseudowissenschaftlichen form das sozialleben von individuen und gruppen regeln wollen und genau deshalb rassismus begründen.

dem steht am deutlichsten die erklärung der menschenrechte, das grossartigste projekte aus der französischen revolution, gegenüber, das postulierte, “dass alle Menschen allein aufgrund ihres Menschseins mit gleichen grundlegenden Rechten ausgestattet und dass diese Rechte universell, unveräusserlich und unteilbar sein sollen.”

1994, als die schweiz über die das antirassimusgesetz in einer volksabstimmung zu entscheiden hatte, votierten 56 prozent für die vorlagen, gegen die von rechtskonservativer seite das referendum ergriffen worden war. es stimmten die menschen in den grossen agglomerationen zürich, bern und basel, aber auch im arc lémanique und insbesondere in den bündner alpentäler für die vorlagen. in den übrigen landesteilen wurde sie mehrheitlich abgelehnt.

die nachuntersuchung ergab unterschiedliche mehrheiten für frauen (dafür) und männer (dagegen), die so klar waren wie es bis dato in der schweizerischen abstimmungsgeschichte nicht bekannt war.

viele der befragten waren trotz ihrer zustimmung zum gesetz ihm gegenüber eher skeptisch; sie hätten es vorgezogen, durch kontinuierliche aufklärungsarbeit gegen formen des rassismus vorzugehen, als das mit schwer interpretierbaren gesetzen regeln zu wollen.

einen teil dieser absichten nehme ich heute gerne mit meiner stadtwanderung auf. wie immer, geht es um grundfragen der demokratie, um ihre werte und um ihre institutionelle ausgestaltung. das anschauungsmaterial stammt dabei unter anderem aus den problemen, die es mit rassismus, rassismusähnlichen vorläufern in der geschichte und rassistischen überfällen in der gegenwart gab resp. gibt, – und den lösungen dazu, die mitunter auch in bern gesucht werden!

stadtwanderer

die nana der eiszeit

unweigerlich musste ich an niki de saint phalle denken, als ich im “nature” den bericht über die entdeckung der frauenfigur im hohlen fels auf der schwäbischen alb las.

figurarm639nana-power-postersder noch unbekannte fund einer frauenfigur aus der schwäbischen alb und die typische nana der freiburger künstlerin von niki de saint phalle

33 gramm wiegt die frauefigur aus dem schwäbischen. keine 6 zentimeter hoch ist sie. doch mit 40’000 jahren ist sie die bisher älteste ihrer art. auffallend sind die riesigen, hervorstehenden brüste, und unübersehbar ist die vulva zwischen den gespreizten beinen.

sprachlos seien die archäologInnen gewesen, als sie den fund erkannt hatten. die männer im team hätten das erotische in den vordergrund gestellt, die frauen das grundsätzlich weibliche, schreibt die “zeit” diese woche. sprachlos war wohl auch der oder die macherIn der figur, denn vor 40’000 jahren dürften die menschen nicht über eine wortsprache verfügt haben. doch konnten sie formen und gestik, vielleicht auch die mimik verstehen.

die sprachlosigkeit überwinden, die gelegentlich immer noch in uns steckt, ist das thema bei niki de saint phalle. ihre frauenfiguren sie unendlich viel grösser. doch auch sie wirken durch die betonung der weiblichen geschlechtsteile, sodass der kopf, die füsse und die hände in den hintergrund verschwinden.

“wie der mensch vor 40’000 jahren dachte und fühlte, werden wir nie herausfinden”, kommentierte walpurga antl-weiser den spektakulären fund, den man am 9. september 2008 gemacht hatte. sie miss es wissen, hat sie doch ihr halbes leben lang die venus von willendorf, die mit 25’000 jahren bisher älteste frauenfigurine, zu deuten versucht.

gerade deshalb macht der bezug zu den nanas der gegenwart aller gegensätzlichkeit zum trotz für mich sinn. denn niki de saint phalles absichten kann man in ihren selbstzeugnissen nachlesen: selbstbewusste frauengestalten, erotisch und verrucht zugleich, wollte sie schaffen. fröhlich-bunt zog sind sie als konzession an die gegenwart. sie fliegen und tanzen, um sich von allem körperlichem zu befreien und zu sich selbst zu gelangen. “alle macht den nanas” postulierte die künstlerin, als sie begann, ihre kunstwerke in der ganzen welt dem staunenden publikum auszustellen.

“alles für die fröhlichen frauen”, behaupt ich mal, was das motto der wortlosen erschafferInnen der neuesten ikone unter den frauenfiguren aus der künstlerischen urzeit.

stadtwanderer

das stadtwandern ging leider vergessen

die schweizer wanderwege werden 75 jahre alt. ihre macher feiern das mit einer grossangelegten studie zum wandern in der schweiz. leider ging dabei das stadtwandern vergessen …
hikepictit01
1934 als möglichkeit der beschäftigung für stellenlose lehrer geschaffen, hat die organisation schweizer wanderwege die basis für einen erfolgreichen breitensport gelegt.

markus lamprecht, adrian fischer und hanspeter stamm sind soziologen in zürich. im auftrag der schweizer wanderwege und des bundesamtes für verkehr haben sie die schweizer wanderbewegung der gegenwart porträtiert.

dabei haben sie sich vor allem den massenphänomenen angenommen. denn wandern gehört in der schweiz zu den beliebtesten freizeit- und sportaktivitäten. rund ein drittel der wohnbevölkerung wandert. und: wer wandert, macht das im schnitt 20 mal im jahr, im mittel zu 3,5 stunden pro wanderung. ohne wandern gäbe es in der schweiz 170’000 inaktive mehr.

gemäss studie boomt vor allem das bergwandern. bewegung, kombiniert mit naturerlebnissen sind die zentralen wandermotive. störend sind vor motorfahrzeuglenker und abfälle. an kühe hat man sich gewöhnt.

der soziale wandel ging an der wanderbewegung nicht spurlos vorbei. vereinswandern ist out, gruppenwandern weitgehend auch. die grossen mehrheit ist individualistischer, geht allein, mit der familie oder freunden wandern.

spaziern gehen darf man kaum mehr sagen. denn die natürliche bewegungsart erlebt einen eigentlichen kommerzialisierungsschub. aus wandererInnen werden walkerInnen oder joggerInnen und bikerInnen. letzter sind von einer mehrheit noch akzeptiert, wenn sie die wanderwege benutzen.

karten, bücher, prospekte erleichtern einem die vorbereitung und umsetzung. persönliche tipps sind indessen mindestens so wichtig, für den entscheid, eine wanderung zu machen.

genau an dieser stelle wäre es wohl sinnvoll gewesen, auch den kulturellen bedürfnissen der wandererInnen nachzugehen. leider ist das in der studie “schweizer wanderwege” der zürcher soziologen ganz vergessen gegangen.

es mag sein, dass man das stadtwandern als nischenerscheinung (noch) negieren kann. intuitiv sage ich, auch dieser zweig boomt. denn nebst gesundheit und natur interessiert auch die kultur beim wandern.

der wichtigste unterschied zwischen berg- und stadtwandern besteht darin, die zivilisation nicht in die natur zu tragen, sondern sich direkt zu erschliessen. denn im städtebau, in der architektur und in der gartenpflege äussert sich die materielle kultur des menschen, die rückschlüsse auf den sinn des lebens gestern, heute und vielleicht auch morgen zulässt.

stadtwanderer

der sinnlosigkeit sinn abgewinnen (brenner geschichten 3)

wie gross das trauma am kaiserlichen hof in wien über kaiser napoléons einfall ins reich an der donau gewesen sein musste, kann man am besten am brenner ermessen. denn wer von süden her die lange rampe bis zur passhöhe nimmt, gerät unmittelbar nach brixen, aber vor dem sattel, der nach innsbruck weist, auf die franzensfeste.

events_highlights_landesausstellung_3_gross
luftaufnahme der gigantischen franzensfeste am brenner, wo die südtiroler landesausstellung “labyrinth freiheit” demnächst eröffnet wird.

ein gigantischer mauerbau sperrt das tal. obere, mittlere und untere festung sind mit treppen durch das alpengestein verbunden. schwere quader aus granit verriegeln die zwischenräume, sodass der schutzschild gegen eindringlige perfekt ist.

benannt ist die festung nach dem österreischischen kaiser franz, der sie geplant und in auftrag gegeben hatte. doch 1838, als man unter kaiser ferdinand mit dem monumentalen bau fertig war, brauchte man ihn nicht mehr.

zwar haben soldaten hier in den schlafsälen geruht. munition wurde in den unendlichen kellerräumen gelagert. doch gekämpft wurde an der franzensfeste bisher nie. einzig mussolinis faschisten nutzten die festung, die ihnen 1919 mit dem südtirol zugefallen war, um im zweiten weltkrieg das gold ihrer staatsbank hier einzumauern. doch auch das blieb nicht von dauer, denn die amerikaner kannten die pläne der italiener und fanden den staatsschatz im alpengemäuer.

der phänomenalen sinnlosigkeit am fusse des brenner endlich sinn abzugewinnen, ist die aufgabe, welche sich die landesausstellung des südtirols 2009 stellt. ein einheimisches team aus architekten und ausstellungsmachern hat vor zwei jahren den diesbezüglichen wettbewerb gewonnen. seither wird in der franzensfeste wieder geplant und gebaut.

christian schwienbacher, einer der promotoren der landesausstellung empfängt uns auf dem paradeplatzh von damals, der heute als parkplatz arbeiter an der expositon dient. “kunst, geschichten und objekte aus dem alltag”, sagt er, sollen hier einzug erhalten und aus dem leben der südtiroler erzählen. “labyrinth freiheit” heisst die ausstellung, die in vierzehn tagen eröffnet wird. sprache, mobilität, gesellschaft, gefängnis, wissen, glaube, kunst und religion sind die themen in den 86 räumen der festung. 50 einheimische und ausländische aussteller sind eingeladen wirden, profis und laien sind darunter, denn man will mit den 200 eponanten, die hier den ganzen sommer hindurch gezeiogt werden sollen, alle menschen aus dem südtirol und rund herum ansprechen.

die führung, dioe wir mit dem kurator geniessen, ist einmalig. denn noch fast keiner der ausstellungsgegenstände ist da und aufgebaut. doch bekommen wir keinen rundgang durch die leere. denn christian schwienbacher weiht uns in seinen perfekten plan für die ausstellung ein. in jeden raum zaubert ein eine idee des gegenstandes, der hier bald stehen wird, weiht uns ein, in den bezug zur generellen thematik, und entwirft so eine potpurri der freiheit ganz besonderer art.

nach zwei stunden virtueller führung in der alpenrealität, fragt er schüchtern, ob wir genug hätten. nein antworten wird einhellig, wir wollen alles sehen, uns nichts engehen lassen.

am ende haben wir doch fast gar nichts zur schau gestellt bekommen, aber einen eindruck davon gewonnen wir man 171 jahre nach fertigstellung der franzensfeste versucht ihr, der gigangtischen sinnlosigkeit einen zweck anzuringen, der dem bau endlich sinn verleiht.

labyrinth freiheit, ein thema das schweizer und schweizerinnen sehr wohl kennen, ist mit sicherheit ein besuch wert.

stadtwanderer

von zürich nach wien

es ist zeit zu fahren. mit dem zug zürich-wien. mit dem zug.

fastresource
auf zu meiner kleinen europareise …

die sonntagspresse berichtet vorab über das international städte-ranking zur lebensqualität. seriensieger zürich müsse den ersten platz abgeben, heisst es da. ebenso verliere genf den zweiten. es halte sich bern auf dem neunten platz.

die nicht-schweiz holt auf!

die beiden bankenstädte der schweiz büssten wegen der finanzkrise an lebensqualität ein, wird analysiert. die vermögensverwaltung an den stätten des früheren wirkens von zwingli und calvin vermindere sich und damit gehe auch der reichtum zurück.

doch ist das alles so einfach?, frage ich mich. denn umgekehrt würde das je heissen, je mehr bankgeheimnis, umso mehr steuerflüchtlinge. und umso mehr steuerflünge, umso eher reichtum und ergo lebensqualität in den städten? – ich kann das nicht glauben!

denn lebensqualität hat für mich viel mit wohlbefinden zu tun. materieller wohlstand ist vielleicht eine voraussetzung hierfür, aber sich nicht eine hinreichende bedingung. sicherheit, geborgenheit, kommunikation entfaltung gehören doch unabdingbar dazu. und bloggen selbstverständlich …

und so fahre weiter im zug richtung wien, der stadt des globus ünrigens mit der höchsten lebensqualität gemäss neuestem ranking. und das ohne schweizer bankgeheimnis …

stadtwanderer

ein mord zu hitlers geburtstag – und sein nachwirken

am 20. april 1942 sollte adolph hiltler seinen 53. geburtstag feiern. nur 6 tage später würde der führer nicht nur parteichef, reichskanzler und staatschef sein, sondern auch als oberster gerichtsherr über recht und unrecht sprechen. wahrlich, an diesen tagen strebte die diktatur im deutschen reich ihrem höhepunkt zu.

chessex2
carnaval in payerne, wo 1942 der mord an einem jüdischen viehhändler geschah, und gegen den heute der einheimische schriftsteller jacques chessex, der den fall aufnahm, gehetzt wurde.

das blieb selbst im schweizerischen payerne nicht ohne auswirkungen, denn am 16. april 1942 wird im waadtländischen provinzstädtcher arthur bloch ermordet. bloch, eine viehhändler aus bern jüdischen glaubens, wird nach dem markt in einen stall gelotst, wo ihm weitere tiere angeboten werden sollen. doch dazu kommt es nicht, denn bloch wird im stall umgehend niedergeschlagen, gevierteilt, und in milchkannen abgepackt im neuenburgersee versenkt.

der brutale mord wird bald geklärt. die mörder sind alles leute aus payerne, die meisten von ihnen gescheiterte existenzen. sie gehören zur lokalen organisation der frontisten. angeführt werden sie von philippe lugrin, einem abtrünnigen pfarrer. unterstützung bekommen die gruppe auch durch die deutsche gesandtschaft in bern. 1943 werden die mörder verurteilt. lange haftstrafen werden ausgesprochen, derweil der pfarrer unbehelligt bleibt und nach deutschland fliehen kann. eine verarbeitung der schandtat findet aber nicht statt.

nun hat sich jacques chessex, der wortgewaltigste unter den welschen schriftstellern der gegenwart, die geschichte aufgenommen, und daraus einen roman gemacht. das ist nicht ohne, denn chessex wurde in payerne geboren. als der mord geschah, war jacques 8 jahre alt. fernand ischi, einer der verurteilten mörder, war der nachbar der familie chessex. vater chessex hatte bei ihm autofahren gelernt.

das buch, erst wenige wochen alte, ist umgehend zum umstrittenen bestseller geworden. 40’000 exemplare sind bereits über den ladentisch gegangen. die mehrheit davon in frankreich, ein teil aber auch in payerne. der stadtpräsident von payerne hat umgehend in die debatte eingegriffen. die geschichte sei passiert, man wisse darum. doch heute wolle man ruhe haben. das gelte auch für den versuch von chessex, die geschichte wieder aufleben zu lassen.

der vorschlag des schriftstellers, eine strasse payerns nach arthur bloch zu benennen, hat der gemeinderat bereits abgelehnt. während dem diesjährigen carnaval, der fasnacht in payerne, hat das “comite du devoir de mémoire” in anspielung darauf alle plätze in der kleinstadt nach dem einheimischen schriftsteller benannt, und auf einem wagen im umzug wurde eine milchkanne mit der aufschrift chessex mitgeführt, bei der die beiden ss als “ss” runen geschrieben waren.

ist chessex nun ein nestbeschmutzer? wer das buch liesst, merkt, dass die anklage gar nicht im zentrum steht. vielmehr beschreibt der roman das leben in der schweiz während dem krieg. nicht verschwiegen werden die wirtschaftlich schwierigen umstände. die arbeitslosigkeit grassierte in payerne wie anderswo auch; sie bildete den nährboden für den frontismus in payerne. doch dann kommt chessex auf den punkt: der umgang damit, die aufweichung von recht und unrecht, ist es, was er anklagt. denn die radikale gruppe in payerne steigert das mass an provokation. zuerst machte sie mit schiessereien auf jüdische hausbesitzer aufmerksam – un blieb unbehelligt. sie fühlte sich bestätigt, als die untersuchungen hierzu verschleppt werden. bis man auf den unglaublichen gedanken kam, dem führer in berlin zu seinem geburts einen mord an einem jüdischen viehhändler zu schenken.

keine zwei wochen später sprach eben dieser führer von höchster warte aus über recht und unrecht in seinem reich. vorübergehend.

stadtwanderer

jacques chessex: un juif pour l’exemple. paris 2009.

ohne auto mobil

der anteil der automobilen person in der schweiz wuchs bis 2005 nachweislich an, wenn auch verlangsamt. anders ist der trend in den städte, wo die autofreien menschen zulegen. eine kleine übersicht.


autolos sein wird in den schweizer städten zur mehrheit (foto: (c) bei eric poscher)



die offizielle statistik

rund eine million bewohnerInnen in der schweiz hat kein auto. das ist das ergebnis des jüngsten mikrozensus aus dem jahre 2005. eine vertiefte auswertung, die das luzerner politikinstitut “interface” vorgenommen hat, legt erstmals eine empirisch erhärtete typologie autofreier personen personen vor:

typ 1: “urbane eliten”, das heisst menschen mit hohem einkommen, jüngerem jahrgang, guter ausbildung und führerschein, die aber kein eigens auto besitzen, privat car-sharing betreiben oder sich an entsprechenden projekten beteiligen;
typ 2. “unterprivilegierte urbane”, also menschen mit geringem einkommen, meist frauen, mit schlechter ausbildung, die keinen führerschein haben;
typ 3: “einkommensschwache rentnerInnen”, selbstredend höhere jahrgänge, leute mit mittlerer oder tiefer schulbildung geringem einkommen, die kein permis haben;
typ 4: “mittelständische alte”, ebenfalls überdurchschnittlich alte, mit unterschiedlichem bildungsstand, in der regel aber alleinstehende (männer).

gewachsen ist in den letzten jahren vor allem der erste typ. 1994, bei der ersten entsprechenden erhebung, machte er noch 15 prozent der autolosen städterInnen aus; heute ist das kuchenstück mit 32 prozent mehr als doppelt so gross, bei wachsendem kuchen!

die trends sind in der stadt basel am stärksten. 2005 war hier erstmals eine mehrheit der einwohnerInnen autofrei. bern folgt mit geringem abstand. auch hier könnte bald eine mehrheit autofrei sein.

autofreie quartiere, wie es sie in einzeln neu gebauten stadtteilen in hamburg, münster, freiburg im br. gibt, kennt die schweiz noch nicht. immerhin, auch in bümpliz läuft seit jüngstem ein pilotversuch in dieser sache. die sache ist am anrollen …

das ist wichtig, denn die mobilität nimmt nicht ab. die zahl der zurückgelegten kilometer bleibt auch in den städten gleich hoch. doch verlagert sich die mobilität weg vom individualverkehr per auto hin zu anderen mobilitätsformen.

meine eigene erfahrung
letztlich zähle ich auch zur besagten “urbanen elite”. zwar haben wir seit geraumer zeit einen eigene kleinwagen. doch verzichte ich in der stadt auf den persönlichen gebrauch. bin ich ja stadtwanderer …

ganz ohne automobil könnte ich allerdings auch nicht sein, denn für den transport schwerer sachen sind alle bisherigen alternativen unbrauchbar. und bisweilen macht es auch spass, wenn man nach der arbeit mit einem auto abgeholt und ausgeführt wird.

dennoch: autofreiheit, wo immer sie möglich ist, erscheint dem stadtwander für die heutigen städten das gebot der stunde zu sein. der club der autofreien schweiz versucht, dieses interesse in die politik zu transportieren. anregend ist die plattform “leben ohne auto“. man verweile sich da eine moment lang!

stadtwanderer

farben in der politik sind projektionen

grau dominierte am tag der bundesratswahlen den bundesplatz. auf dem boden lag verschmutzer schnee. das bundeshaus war graugrünbraun. und der himmel zeigte sich verhangen. doch radio drs lud den stadtwanderer ein, über farben in der parteienlandschaft zu sprechen. hier mein thesenblatt aus der vorbereitung als öffentlicher spikzettel.

bern bundesplatz während der bundesratswahl vom 10. dezember 2008 (foto: stadtwanderer)

politische parteien im modernen sinne entstehen als bewegungen aus den bürgerlichen revolutionen zwischen 1798 und 1848. farben dienen seither der identifikation von gesinnung in der öffentlichkeit. in der heutigen gesellschaft ist die eindeutige zuordnung von farben und politischen gesinnung jedoch individualistisch augelöst worden.

. rot ist die erste eigentliche farbe, die eine politische haltung ausdrückt. sie war die farbe der hüte, welche die gefangenen auf den galeeren trugen, die sich mit der französischen revolution emanzipierten. rot steht seit der mitte des 19. jahrhundert für sozialismus. ausser in den usa, wo es die farbe der republikaner ist (und von sarah palins kleidern war, bekanntlich keine sozialistin). die verbreitete einheitlichkeit der farbe rot hat mit der internationalistischen ausrichtung sozialistischer (und kommunistischer) parteien zu tun.

. schwarz hat parteipolitisch einen halbhistorischen parteienhintergrund. es ist die farbe des klerus’, der katholischen parteien. doch schwarz war auch die farbe der italienischen faschisten. und schwarz ist auch die farbe der anarchisten. die haben mit krichen nichts am hut. ja selbst der schwarzen block, der im schweizerischen wahlkampf 2007 eine zentrale rolle spielte, symbolisierte mit der farbe als gegengesinnung.

. viele der modernen parteifarben verraten marketingabsichten. typisch dafür sind die farben der cvp. um sich vom katholischen hintergrund abzukoppeln, wählte anfangs des 21. jahrhunderts eine neue farbe. orange ist ist frisch, aber nicht allen sympathisch. seit 2007 wird es in der cvp-wahlwerbung mit blau durchbrochen. und sieht da. 2003 verlor die cvp, 2007 gewann sie!

. blau ist die eigentliche farbe des friedens. und wieder der amerikanischen demokraten, obama sei dank! aber auch des freistaatlichen bayerns. und der freisinnig-liberalen in der schweiz. das hat mit den nationalen resp. regionalen ausrichtung vieler liberalen parteien zu tun. mit vereinheitlichungen tut man sich dabei schwer. siehe fdp.

. violett für feminismus und grün für ökologie sind die letzten farben, die aus einer sozialen bewegung herausgewachsen sind. grün hat es nicht nur als anspielung an die natur, sondern auch als marke in den parteinamen der grünen geschafft. in der schweiz ist es aber nicht die exklusive farbe der grünen. sie wird auch von der svp beansprucht. ihre gemeinsamkeiten sind eher gering. doch wollten beide oppositionspartein am 10. dezember in den schweizerischen bundesrat. bauerngrün war dabei besonders gefragt.

an diesem wahltag in der schweiz sah ich eigentlich wenige farben an kleidern, die politische bedeutsam waren. vielleicht waren die farben der krawatten der bundesräte, der politologen und der journalisten anspielungen auf politische aussagen, die sie kommunizieren wollten. ich zweifle aber. selber haben meine fliegen nie eine politische aussage. sie entspringen meist der farbe meiner träume in der vornacht.

farben haben in der politik eigentlich nichts verloren. denn sie haben keine eigene sprache. ihre politischen konnotationen entstehen in der politischen kultur. ohne die kenntnisse davon, verläuft man sich parteipolitisch olitisch genauso wie es die franzosen während der helvetischen republik in bern taten. deshalb gaben sie den quartieren farben. noch heute sind grun-geld-bordeau die farben der ober en stadtquartiere resp. strassenschilder in den quartieren.

und die farben der so ungeliebten helvetischen trikolore. gewusst? nicht? eben!
deshalb meine these: farben sind in der politik projektionen.

stadtwanderer

auch der regierungsrat will die aufwertung der grossregion bern

schnell hat er reagiert, der berner regierungsrat. denn am mittwoch erst habe ich zu “metrobern” aufgerufen. und gestern schon veröffentlichte die berner regierung ihren bericht zu bern als metropolitanregion. den stadtwanderer freut’s.

berner kantonsregierung geht in sachen metropolitanregion bern in die offensive

bern gehört zu den vier wichtigsten stadtregionen der schweiz. das ist ausser zweifel. die frage ist aber, ob bern wie zürich, genf und basel das potenzial für eine metropolitanregion hat oder nicht. “nein”, sagte dieses jahr das bundesamt für raumplanung. “ja”, kontert jetzt der regierungsrat.

klar ist, dass bern beim luftverkehr nicht mit den anderen regionen mithalten kann. dafür ist der berner bahnhof der zweitgrösste verkehrsknotenpunkte des landes. denn bern ist der wichtigste standort im westlichen mittelland bezüglich bevölkerung und arbeitsplätze. medizinaltechnik, telematik und mikromechanik haben in der schweiz ihr zentrum in der region bern.

selbstredend hat bern einen standortvorteil: der hauptsitz der politik, die wieder mehr gefragt ist als auch schon, ist in der aarestadt. regierung, parlament, wesentlichen teile der verwaltung sind in bern. sie ziehen die diplomatie aus dem ausland und die interessenverbände aus dem inland hierher. und die politische beratung! schliesslich ist auch das universitätsspital in verschiedenen bereich weltweit spitze.

das alles sind gute gründe, dass der berner regierungsrat christoph neuhaus seinen im spätsommer 08 vorgestellten bericht zum metropolitanraum bern gestern in der verbindlichen fassung in die anstehende debatte warf. er weiss die berner kantonsregierung und das kantonsparlament hinter sich. anders als das raumplanungsamt sehen diese im verbund mit biel, thun, freiburg, solothurn und neuenburg ein genügendes potenzial für urbanität, das wirtschaftlich, politisch und von der lebensqualität her auf die gleiche stufe wie basel gestellt werden soll. das politische lobbying soll ab heute beginnen!

gut so, sage ich dazu. denn das passt gut zu meinem aufruf von diesem mittwoch. jetzt gilt es, der erwachten politik support zu leisten. denn eines ist klar: nach eu-gesichtspunkten erfüllen nur die grossräumen zürich und genf die kriterien einer metropolregion. dass die raumplaner basel hinzuzählten, bern aber nicht, ist ein schwer nachvollziehbarer entscheid, der diskutiert gehört.

zu spät ist es dafür nicht, sagt der

stadtwanderer

das leere kaisergrab

von aussen sieht die innsbrucker hofkirche ziemlich normal aus. von innen her gesehen ist die grösste kaisergruft europas. obwohl hier kein kaiser seine letzte ruhe fand, sondern die habsburger der gegenreformation ein denkmal setzten.

sakrophag von maximilian I. in der innsbrucker hofkirche, in der kein kaiser ruht (foto: stadtwanderer)

maximilian I. lebte, wann nur immer er konnte, in innsbruck. er war graf des tirols, deutscher könig und römischer kaiser. und er wollte innsbruck zur neuen reichsstadt machen. das goldene dacherl kündigte die neue zeit an, denn die habsburger waren auch auf dem spanischen thron und somit herren der neu entdeckten welt.

schon zu lebzeiten entwarf der kaiser eigenhändig einen plan, wie er in der tiroler metropole begraben werden sollte. in einem rundbau im renaissance-stil. geschmückt mit überlebensgrossen bronzefiguren der herrscher europa. sie sollten ihm das letzte licht gewähren. er hätte im zentrum, erhöht aufgebahrt werden sollen. auf gleicher höhe wie christus.

1518 kehrte max ein letztes mal in seine stadt zurück. doch man wies ihn ab. nicht nur der hohen abgaben wegen, die er eingetrieben hatte, um sein hochgesteckten ziele zu verfolgen. vor allem wegen den schulden, die er in allen innsbrucker gasthäusern hinterlassen hatte. er zog mit seinem tross ins benachbarte wels weiter, wo er wenige tage später verstarb – lange bevor sein grabmahl gerichtet war.

in innsbruck brachen nach dem tod des kaisers aufstände aus. die bauern rebellierten. den adel und den klerus wollte man los haben. volksfrömmig war man nun, jakob hutter war ihr neues vorbild, der den bauern das wiedertäufertum lehrte. wie viele seiner glaubensbrüder wurde er verfolgt. wer nicht nach mähren auswanderte, riskierte gerade im tirol sein leben. so auch hutter, der schliesslich vor dem goldenen dacherl hingerichtet wurde.

kaiser ferdinand I., maxens enkel, trieb die gegenreformation im reich zielstrebig voran. in innsbruck liess er die hofkirche bauen, eher einfach, um keine neuen tumulte zu riskieren. die bewusste provokation seines grossvaters realisierte er nicht. kein rundbau wurde erstellt, sondern ein langhaus mit apsis, wie es sich für gute christen gehörte. der sarkophag wurde auf augenhöhe aufgebahrt. und statt der herrscher europas verewigte man die ahnen der habsburger in bronze. sie sollten zeigen: die habsburger waren für immer auserkoren zu herrschen.

selbst die sterblichen überreste kaiser maximilians wurden nicht in innsbruck begraben. er ruht in der erde der wiener neustadt, wo er geboren wurde. so ist der vielbestaunte sarg in der tiroler landeshauptstadt leer, selbst wenn die statue maximilians, umringt von den vier kardinaltugenden, auf dem deckel kniet.

ein wenig ironie schwingt mit, wenn man hinausgeht. denn die verbliebene pracht des renaissance-kaisers ist wirklich hohl.

stadtwanderer

my westside story

des lobes voll waren die medien. die rede war von der verschmelzung des konsums mit der kultur. berichtet wurde über die genialität des weltberühmten architekten. und von der hervorragenden verkehrserschliessung konnte man lesen. doch ganz so einmalig ist das alles nicht, wie ein test ergab!

die neue shopping mall westside am berner stadtrand, gebaut von daniel libeskind
die neue shopping mall westside am berner stadtrand, gebaut von daniel libeskind

um es gleich vorweg zu nehmen. westside gefällt. kein übliches einkaufszentrum, nein ein moderner bau aus beton, stahl, glas und viel holz ist in den letzten 3 jahren am berner stadtrand entstanden. 55 shops bieten ihre ware feil, und sie werden sicherlich erfolg haben. 11 kinos hat’s dazu, ausgerüstet mit der modernsten technik. sie werden sich ihr publikum finden. und wem das nicht reicht, der bekommt sei erlebnisbad, kann sich im hotel einquartieren, um am lebensabend direkt in die altersresidenz zu übersiedeln.

doch mit einem, das ich in all der werbung über die neue shopping mall von bern las, bin ich nicht einverstanden. ich habe gestern sonntag abend versucht, mit dem umweltschonenden öffentlichen verkehr von hinterkappelen nach brünnen zu gelangen.

gar nicht so einfach autolos von der peripherie in die peripherie zu gelangen, muss ich festhalten!

nur der start war klar: mt dem postauto richtung stadt. doch dann gabs die ersten probleme: bis in zentrum fahren, um mit der s-bahn nach bern brünnen zu flitzen, oder nur bis zur station des 14er, um mit dem bus bis an die gleiche stelle zu hoppeln, war die frage?

ich habe mich zweiteres entschieden. und das war mindestens keine gute wahl. denn im blumenfeld von bethlehem habe ich länger als mir lieb war gewartet. als ich den fahrplan studierte, bemerkte ich, dass die frequenz bei einem 4er bus die stunde liegt.

so lange mochte ich nicht warten! also bin ich bis zum bahnhof bümpliz nord zu fuss gegangen. das kann ich jederzeit. dort verpasste ich allerdings die niegelnagel neue s-bahn um haaresbreite, und auch die pendelt nur im halbstundentakt ins neue berner aussenquartier.

shit! – also habe ich den um 15 minuten verspäteten vorortszug ins zentrum genommen, und meine westside-story abgeschrieben.

am berner hb habe ich ich allerdings wiederum anders entschieden als erwartet. denn ich habe ein taxis bestellt, das mich schnurstraks nach brünnen ins einkaufszentrum fahren sollte.

gesagt getan! doch mein chauffeur aus sri lanka kannte die neue einkaufsadresse noch nicht, sodass er mich beim coop gäbelbach auslud.

von da weg bin ich gelaufen. allzuweit war es ja nicht mehr. und eine weitere variante der kollektiven verkehrsbewältigung gibt es ja auch nicht mehr!

nach hause bin ich auch gewandert. omen es nomen. und ich brauchte nicht mehr als eine stunde dafür, genau so viel wie auf dem hinweg …

stadtwanderer

ps:
der fairness halber füge ich bei, dass die eröffnung erst übermorgen ist, und die frequenzen des oevs wohl noch verbessert werden. gottseidank!

im namen der freiheit

mache ich bilder, weil es ein skandal ist, oder ist es ein skandal, weil ich bilder mache? – das grosse abwägen kann beginnen.

us-botschaft in bern (foto: cia)
us-botschaft in bern (foto: cia)

man konnte es gestern vielerorts lesen. der cia plant, seine zentrale für die einsätze in europa vom deutschen stuttgart in die schweiz zu verlegen. in der frisch umgebauten us-botschaft in bern soll der sicherheitsdienst neu unterschlupf finden.

seit dem 11. september 2001 steht diese organisation im verdacht, bei der verschleppung von gefangenen nach guantanomo behilflich gewesen zu sein. das hat den europarat aufgeschreckt. sein ermittler, der tessiner politiker dick marty, hält die verlegung des headquarters nach bern für “sehr problematisch”.

da der weg zum ort des kommenden geschehens von meinem arbeitsplatz keine 5 wanderminuten braucht, habe ich ihn heute unter die füsse genommen. schon von weitem wurde ich aufmerksam beäugt, weil ich ein wenig in die umliegenden gärten schaute. beim wachtposten vor der botschaft, der fast wie der check-point-charlie in berlin aussieht, aber eine ganze andere aufgabe hat, sprang schon mal ein bewacher auf die strasse, um mich sicherzustellen, dass ich nicht fotografieren würde. als ich dann doch nicht nur zur kamera griff, sondern auch noch knipste, näherte sich mir ein gross gewachsener grenadier der berner kantonspolizei.

warum ich die botschaft fotografieren würde, wollte er wissen. weil ich mich für die ganze stadt interessiere, gab ich ihm als korrekte antwort. ob es denn verboten sei, das zu machen, schob ich fragen nach.

“nein, das nicht”, erwiderte er meine frage.
“es ist doch ein öffentliches gebäude”, versuchte ich zu klären.
“ja, sicher”, wog der polizist ab, “aber sie haben es nicht so gerne”.

warum wohl? auf flickr hats schon längstens bilder der botschaft, die zwar wie ein hochsicherheitstrakt eines gefängnisses aussieht, aber mitten in bern den passantenströmen ausgesetzt ist. und auf bilder-google muss man nur ein paar unbedarfte stichworte eingeben, und schon hat man das meiste vor sich: metallzäune, abgedunkelte türen und verriegelte fester. für terroristen bringt es sicher nichts, wenn ich da auch noch ein paar bilder schiesse. ich mache es auch nicht für sie!

dennoch muss ich mich als freier bürger eine freien landes ausweisen, und werde ich notiert. im namen der freiheit, durch die garantin der freiheit!

durch kantonspolizisten, die ich in aller freiheit mit meiner steuern bezahle …

stadtwanderer

berner weltkulturerbe im banne der lokalpolitik

die mittelalterliche stadt bern gehört zu den drei ersten denkmälern in der schweiz, welche die unesco ins weltkulturerbe aufgenommen. 25 jahre ist das her; und damit zeit zu feiern. die gedanken zum gedenktag des grössten und bedeutendsten denkmals in der bundesstadt fielen unterschiedlich aus; genauso wie die reaktionen, insbesondere zum versuch des burgerpräsidenten, im münster lokalpolitik zu betreiben.

die grussbotschaften zur feier
während der musikalisch auslassenden feier erinnerte eduard müller, der für die unesco arbeitet, was an bern besonders sei: die mittelalterliche altstadt stelle ein einmaliges zeugnis einer untergegangenen zivilisation dar. bestens erhalten geblieben seien die grundfesten der zähringerstadt, während sich die nutzung der jeweiligen zeit respektvoll angepasst habe. die eintwicklung einer stadt ohne brüche habe die unesco 1983 überzeugt, sie in weltkulturerbe aufzunehmen. genau an diesem vorhaben will jean-daniel gross, berns denkmalpfleger weiter arbeiten. die stadt und der kanton hätten die auflagen der weltorganisation für kultur verinnerlicht, meinte er, ohne still zu stehen. das könne aber nur erhalten bleiben, wenn sich alle ebenen des staates einsetzten. insbesondere beim bund stünden die finanziellem mittel im krassen gegensatz zum öffentlichen interesse am erhalt von identitätsstifendem kulturgut.

was das unesco-label für die kommunikation der stadt bedeute, führte alexander tschäppät aus. der stadtpräsident profilierte sich dabei als politiker von welt. bern könne sich dank der auszeichnung mit venedig und florenz vergleichen, was tourstInnen anziehe. bern habe sich dem internationalen wettbewerb der cities mit seinem attraktiven angebot an städtebaulicher kultur gestellt, bevor das marketing der urbanen lebenswelten eingesetzt habe. das bringe bern seit langem touristInnen in die stadt.

eine eigentliche grundsatzrede hielt franz von graffenried, präsident der burgergemeinde, an der unesco-feier im berner münster. er gebärdete sich als eigentlicher herr über das kulturerbe an der aare. es gehöre niemandem, der heute lebe, doch würde man verantwortung für das tragen, was die vorfahren geschaffen hätten. geprägt durch frühre konflikte um stadtveränderungen, sei man sich der grossen aufgabe bewusster geworden “familiensilber verscherbelt man nicht. – auch nicht unsere schlösser!”, rief er den anwesenden zu. damit traf er die ihre stimmung genau, sodass ihm spontaner abpplaus sicher war.

die provokation aus burgerlicher sicht
vielleicht war der erste der konservativen burger dadurch übermütig geworden. jedenfalls verpatzte er seinen abgang, als er die unesco-feier um den gedanke erweiterte, der vor allem die bernburger von altem schrot und korn beschäftigt. jüngst habe man den vorschlag gemacht, die wächterin über das welterbe in bern abzuschaffen, spielte von graffenried auf die debatte an, welche die historikerin katrin rieder mit ihrer doktorarbeit über die burgergemeinde lanciert hatte. würde man diesen plan zuende denken, meinte würde das zwar mehr geld für die sozialhilfe der stadt bedeuten. doch frage er die anwesenden, “ob man statt schöner zunftstuben asylantenheime in den erwürdigen häusern der burger wolle.” er jedenfalls sei um keine antwort auf diese frage verlegen: nein, danke, laute sie.

manch einer und einem im münster war immer noch sprachlos, als sie oder er unter dem vollgeläut der münsterglocken die feier verliess, an der man über die leistungen der stadterbauer und -unterhalter gedenken wollte, welche vor 25 jahren bei den wirklichen wächtern über das weltkulturgut auch ohne lokales lamento ihre volle anerkennung fanden.

stadtwanderer

mein ausführlicher artikel über das berner weltkulturerbe

kurt imhof über qualität in der öffentlichkeit

man erinnert sich: kurt imhof, der soziologieprofessor an der universität zürich, bewies einmal mehr seine ausserordentliche interventionsgabe, als er – instant-mässig – die aufkommende botellones in einem interview für den tagesanzeiger prominent wie kein anderer analysierte, und damit der ganzen bewegung einen bisher nicht erwarteten dreh gab. das problem seien weniger die die massenbesäufnisse, sondern der umgang mit ihnen in der mediengesellschaft, war seine these.

ich habe kurt jüngst in zürich getroffen, und wir haben über den stadtwanderer, meinen artikel zu den botellones, und die nutzungsziffern gesprochen, die dank der diskussion seines interview kurzfristig stiegen. er hat in der folge den “stadtwanderer” den er nicht kannte, besucht, und mir dann, nach der sonntäglichen einkehr folgende anregung zum zusammenspiel von medien und politik und die frage, wie dabei die qualiltät in der öffentlichkeit gewahrt werden könne, geschickt. zwar kein direktes wanderer-thema, aber eines, das aus den diskussion über den stadtwanderer entstanden ist.

“Geniale Seite! Eine richtige Ideen- und Wissensgrube. Erstaunlich wie die Leute reagieren und Anregungen geben.

Ausserdem: Bin über das Wochenende kurz in mich gegangen (immer gefährlich), um nachher sofort eine Flasche aufzumachen. Mich ärgert diese universitäre Sozialwissenschaft.

Kaum einer wagt sich zu exponieren. Die Intervention, die eine Koproduktion mit Constantin Seibt war, geschah (bei gutem Wein und experimentierfahrlässig) vor dem Hintergrund der Erfahrungen von
2007 als die unheilige Allianz medienpopulistischer Eventberichterstattung über Seebach etc. mit dem politischen Populismus der SVP bez. ausländischer Jugendkriminalität dieses Jugendzerrbild hervorbrachte, das sich dann so dominant im ‘Sorgenbarometer’ vom August 2007 spiegelte und mithalf die 29,4% SVP-Stimmen herbeizuzaubern. Ich vermutete und vermute mit Harmos dasselbe Szenario (wenn auch kaum mit demselben Erfolg).

Nach dieser Provokation war ich schwitzend und stinkend darauf angewiesen, dass die leichgerichteten Nachrichtenwertfetischisten auch wirklich gleichgerichtet reagieren, damit ich die elektronischen Foren hatte, um dem Zerrbild entgegenzutreten. Die ganze Chose hätten auch hintenraus gehen können.

Was mich ärgert: Man hört nix, von den Kommunikationswissenschaftlern, nix von den universitären Politikfritzen, nix von den Pädagogen, nix vom Rest der universitären Soziologie. Die Kritik am Zusammenspiel von Politik und Medien bleibt in der politischen Öffentlichkeit weitgehend unterbelichtet.

Versuche nun eine Stiftung Öffentlichkeit und Qualität hochzuziehen um die Mittelbeschaffung zu vereinfachen.

Herzlich

Kurt (Imhof)”

nun seid ihr, meine lieben leser- und kommentatorInnen, gefragt, euch zur these des genialen interventionisten wider den zeitgeist zu äussern.

stadtwanderer

die definitionsmächtigen

nicht ganz zuunrecht fragt fabian schäfer in der heutige berner zeitung nach, wie man eigentlich zur einteilung von metropolitanregionen kommt. nicht ganz überraschend stellt er bei seiner recherche fest, dass es nur weiche kriterien gibt. den fachleute ist das schon länger klar, denn sie wissen um die definitionsmacht von architekten, raumplanern und politikern bei ihren planspielen. eine rekonstruktion der so entstandenen realitätsdefinitionen durch den stadtwanderer.

die verschiedenen modelle der metropolitanregionen

23. september 2005: man trifft sich in biel/bienne. die einladung hat espace mittelland verschickt. zwei sachen werden diskutiert: aus dem kantonsverbund zwischen bern, solothurn, freiburg, waadt und wallis, den elisabeth zölch als regierungsrätin lanciert, aber nie zum funktionieren gebracht hatte, wurde ein einfacher verein interessierte fachleute, interessen- und kantonsvertreter. und genau dieser verein. tatkräftig koordiniert durch christian cappis, lancierte vor drei jahren die debatte über metropolitanregionen.
die diskussion der verschiedenen modellüberlegungen zeigte damals, dass es verschiedene definitionen und indikatoren gibt, die zu unterschiedlichen schlüssen führen. so vertrat der münchner professor alain thierstein eine restriktive definition. er kam zum schluss, dass sich aus europäischer sicht in der schweiz zwei metropolitanregionen herausbilden, die nordostschweiz und den arc lémanique. er verwies darauf, dass der berner espace zwischen beiden zerrieben werde, weil er in verschiedener hinsicht nicht das gleiche potenzial aufweise. die gegenteilige position nahm hansjörg blöchlinger von bak economics ein, der für avenir suisse die föderalismusstudie verfasst hatte. er identifizierte mit anderen mitteln in typisch schweizerischer art und weise gleich sechs metropolitanräume in der schweiz: zürich, basel, bern, genf, lausanne und lugano.
nur schon diese gegenüberstellung zeigt, dass experten, die zum gleichen arbeiten, mit unterschiedlichen hilfsmitteln zu gegenteiligen schlüssen kommen, jedenfalls was die einteilung und zuordnung von lausanne, basel, bern und lugano betrifft.
die vom bundesamt für raumplanung bevorzugte variante, die notabene der gleiche verein espace mittelland anfangs 2008 noch vor ihrem erscheinen diskutierte, gleicht auffällig einer dritten grundlage. der gemeinde/städtebericht, den ein interdisziplinäres forschungsteam, inspiriert von den stararchitekten herzog&demeuron, ablieferte. diese lagen in ihrer diagnose näher bei tierstein als bei blöchlinger, unterschieden aber drei metropolitanräume. basel trennten sie von zürich ab und erhoben es zur eigenen zentralregion.

die ketzerische frage
22.august 2008: die berner öffentlichkeit wird ziemlich genau drei jahre nach den expertendiskussionen im raum bern über den raum bern durch die veröffentlichung von bundesbern überrascht.
ich war es nicht, und stelle deshalb eine ketzerische frage: wenn es keine situations- und personenunabhängigen kriterien gibt, wie man das besagte konzept operationalisieren kann, geht es automatisch um die einflüsse interessengeleiteter deutungen. und da ist auffällig, wie sich die studie der basler stars unter den städte- und gebäudebauer und mit ihr die profilierung basels durchgesetzt hat.
oder anders gesagt: fehlt es in bern an grossartigen vordenkern, die frühzeitig spüren, wenn neue konstruktionen der realitäten entstehen, sie massgeblich prägen und die behördliche willensbildung dann auch prägen können? das muss man den baslern schon mal neidlos zugestehen: die definitionsmächtigen der gegenwart hatten sie in dieser sache klar auf ihrer seite!

rekonstruktion durch dekonstruktion von konstruktionen
das jedenfalls konstatiert der stadtwanderer, der sich gelegentlich zeit nimmt, die sachen zeurst vor ort zu erkunden, dann in den modell der experten nachzuvollziehen, und um über die folgen solche analysen für das leben vor ort informiert zu sein.
rekonstruktion von realitäten durch dekonstruktion von konstruktionen nennt sich diese neue disziplin des stadtwanderns!

stadtwanderer

bern grollt

die publikation des raumberichtes durch das bundesamt für raumplanung diese woche versetzt bern in schrecken: die schweiz habe drei metropolitanregionen, hiess es da. zürich, basel und genf gehörten dazu, nicht aber bern. das werde konsequenzen bei überregionalen investitionen haben, suggerierte der bericht. und das liess die kantonsregierung nicht kalt; sie interventierte umgehend beim bundesrat.

metropolitanregionen der schweiz, gemäss bundesamt für raumplanung (2008)
metropolitanregionen der schweiz, gemäss bundesamt für raumplanung (2008)

der eiertanz, eine eigene metropolitanregion zu werden
um es gleich klar zu machen: auch ich zweifel ein wenig, ob bern eine metropolitanregion von europäischen zuschnitt ist. dafür fehlt es geografisch gesprochen einfach an einer stark verdichteten grossagglomeration! bern ist für mich eher ein städtenetz, mit der kantonshauptstadt als grossstadt im zentrum, einer reihe vom mittelstädten in der näheren umgebung (biel/bienne, fribourg/freiburg, solothurn und thun), die ihre jeweiligen regionen bestimmen, aber kein übergeordnetes ganzes bilden. die bedeutung der grossregion bern ergibt sich daraus, sitz der hauptstadt und damit das politische zentrum zu sein.

die bisherigen klassifikationsversuche führten für die schweiz zu zwei, drei und fünf metropolitanräumen. je nachdem ist der raum bern dabei oder eben nicht. die offensichtliche schwäche der grossregion ist die internationale vernetzung. bern fehlt es an einem flughafen. das hat für die lebensqualität bisweilen vorteile, für die überregionale wirtschaftsentwicklung ist es aber sicher nachteilig. entsprechend fehlt es in bern an eine wirklichen potenzial für ökonomische innovationen, die von einer produktiven universität mit weltweit hohem renomée getragen würden. einiges davon spricht für einen vorrang zürichs, basels oder genfs.

andere indikatoren, die zur bestimmung von metropolitanregionen beigezogen werden können, sprechen aber eher von bern: die politischen kontrollen, die von der bundesstadt und der hauptstadt des zweitgrössten kantons ausgehen, sind höher, als in genf oder basel, deren regionale territorialbildung historisch gesehen misslang. zudem verfügt bern über zahlreich sportliche und kulturelle zentren, welche die grossregion attraktiv machen. stade de suisse und paul klee museum lassen seit einigen jahren grüssen.

die schweiz: eine metropolitanregion ohne wirkliche metropole

je nach gewichtung solcher definitionsmerkmals fallen die klassifikationen der schweizerischen räume anders aus, als es die raumplaner des bundes tun. sie selber scheinen zu schwanken, führen sie doch nebst den städtenetzen wie jene der ost- oder zentraleschweiz resp. am jurabogen für bern eine eigenen kategorie ein: das städtenetz der hauptstadtregion.

die kritik an solchen typisierungen kann man sogar soweit treiben, die nützlichkeit des konzepts, das von deutschland aus in die schweiz drängt, für unser land ganz zu hinterfragen. wahrscheinlich ist die schweiz eine einzige metropolitanregion, deren besonderheit es ist, keine wirkliche metropole zu haben!

städtenetze der schweiz, gemäss bundesamt für raumplanung (2008)
städtenetze der schweiz, gemäss bundesamt für raumplanung (2008)


die undiskutierte politische implikation

angesichts unklarer eignung und umstrittener einteilungen überrascht die knallharte politische schlussfolgerung des berichts erheblich. sie unterstellt, dass nur noch dem gegeben werden sollen, der schon habe. sicher ist es richtig, die grossregionen der schweiz anzuhalten, ihre hausaufgaben selber zu machen, das heisst für innere dynamik und für wachstum besorgt. doch wirkt der schluss, nur dort zu investieren, wo es genuine prosperität gibt, fast schon unschweizerisch: wären wir ein land, das zehn mal grösser wäre und nur drei zentren hätte, würde der ansatz der raumplaner noch eher nachvollziehbar.

die schweiz hat ihren international hohen standard in der wirtschaftswelt und der wissensgesellschaft nicht dadurch erreicht, auf ein national überragendes zentrum zu setzen. vielmehr hat man historisch betrachtet immer versucht, die kleinheit der verhältnisse zwischen boden- und genfersee auszunutzen, um im verbund der vielheiten stärken zu entwickeln, die einander ergänzen und wegen den geringen distanzen meist auch einfach untereinander ausgetauscht werden können. gerade die vernetzung ist es denn auch, welche die schweizer metropolitanregionen kennzeichnen: der raum lugano ist hochgradig in die metropole mailand integriert, oder basel lebt davon eine der oberrheinischen region mit strassburg in der mitte zu sein.


provokation nicht defensiv abwehren, sondern offensiv verarbeiten

in bern sollte man die provokation der raumplaner produktiv aufnehmen: als zeichen dafür, dass kantonspolitik nicht einfach innerkantonaler interessenausgleich sein darf. dass stadtpolitik nicht einfach im spiegel der umliegenden 30 kilometer beurteilt werden kann. vielmehr gilt es zu fragen, welche potenziale wie die universität und die fachhochschulen fitter gemacht werden müssten, um mehr für die entwicklung der grossregion, ihre positionen im wettbewerb mit andern zu stärken und die internationale ausstrahlung zu erhöhen. es müsste gezeigt werden, was die zusammenarbeit verschiedenartiger städte dies- und jenseits der sprach- und kulturgrenze für integrationsvorteile gerade in einer zeit hat, in der man auf multikultur setzt. und es gilt sich auf stärken wie die politische administration zu besinnen, die durch die anbindung europäischer institutionen in bern aufgewertet werden, und so zum cluster ausgebildet werden könnte, den man nicht einfach mit einem federstrich relegieren kann!

briefe schreiben ist das eine, perspektive aufzeigen und umsetzen das andere. bern rollt statt bern grollt, ist das zukunftsmotto!.

stadtwanderer

was nur geht bei einem botellon ab?

wir hatten jüngste eine intensive und hochstehende diskussion über die ausdehnung des privaten in den öffentlichen raum. meine innere enge bot anlass dazu. mischa, titus, tine, und auch bidu und lisa n. haben sich daran beteiligt.

nun haben wir die fortsetzung geschichte serviert bekommen: das öffentliche besäufnis das für den 30. august 2008 auf dem bundesplatz angekündigt worden ist.

stapi tschäppät hat rasch reagiert: gesundheits- und imageschädigend sei das sog. “botéllon”. die stadt und die teilnehmerInnen würden negativ beeinflusst. das ganze sei bewilligungspflichtig und werde wohl abgelehnt. das demo-reglement reiche wohl, und wenn nicht könne man den notfallartikel bemühen, um die räumung durch die polizei zu mobilisieren.

einen vorwurf kann man den berner stadtbehörden nicht machen. sie haben auf die lancierung des ereignisses rasch und deutlich reagiert. dennoch frage ich mich, was hier sache ist:

. was eigentlich ist ein botellon?
. warum entsteht es?
. was sind die ursachen?
. wer sind die teilnehmenden?
. was sind die motivationen?
. welche erfahrungen hat man andernorts damit gemacht?
. welche umgangsformen der behörden haben sich bewährt, welche nicht?

all diese fragen stellen sich, um das phänomen, das jedenfalls für mich neu ist, überhaupt zu begreifen. denn ohne das fällt es mir schwer zu entscheiden, was ich machen würde, wenn ich stapi wär …

ich meine das ernst!

denn ich erinnere mich, dass man auch bei der euro 08, den gästen aus aller welt, nicht zuletzt aus holland den vorwurf gemacht hat, das sein nicht mehr als ein öffentliches besäufnis. denn ich weiss um die diskussionen über die streetparade, die zwischen öffentlicher verblödung und stadtmarketing hin und her oszillierten. und ich habe ja selber darauf aufmerksam gemacht, dass öffentliches essen und trinken in bern immer beliebter, ja, teilweise sogar politisch gefördert wird, wenn es der gastronomie umsätze bringt.

wer also hilft dem stadtwanderer, sein koordinationsystem zu jugendlichen eskapaden neu aufzuspannen und das neue phänomen “botéllon” kulturell, psychologisch, soziologisch und ökonomisch und marketingmässig zu deuten?

stadtwanderer