starker tubak

es ist ein starker tubak, den stephan von bergen in der heutigen berner zeitung anzündet. denn er spekuliert über die folgen einer teilung des kantons bern in je einen stadt- und landhalbkanton.

der umstrittene standortentscheid zu den fachhochschulen hallt nach. durchgesetzt haben sich im bernischen grossen rat die interessen biels und burgdorfs, durchgefallen sind die der hauptstadt bern. stephan von bergen, zeitpunkt-redaktor der berner zeitung, nahm das zum anlass, über die folgender einer kantonsteilung nachzudenken. fündig geworden ist er mit seiner absicht bei der wirtschaftsnahen entende bernoise. die propagiert seit 2009 längerem einen kantonsteilung zwischen den 33 agglomerationsgemeinden der stadt einerseits, den übrigen anderseits. entstehen würden so zwei halbkantone, einen bernstadt genannt, einen bernland geheissen.

die anfangsrechnung ist einfach: die agglo bern beherbergt 33 prozent der kantonseinwohner, erbringt aber 55 prozent der kantonalen wirtschaftsleitung. eingepackt in den grossen flächenkanton gibt es einen ressourcentransfer von der stadt aufs land. und: ohne den wäre der halbkanton bernstadt eine blühendes wirtschaftszentrum.

dieser rechnung verschliesst sich nicht einmal andreas rickenbacher, der kantonale volkswirtschaftsdirektor. sein gedankenexperiment: würde man vom münsterturm aus einen gebiet in der grösse des kantons zug ausscheiden, gäbe das eine turbo region mit tiefen steuern und hoher wirtschaftsdynamik.

doch mag der politiker nicht weiter gehen. denn neue kantone zu gründen, stehe quer in der politlandschaft der gegenwart, weiss der regierungsrat. sein credo: mit nationaler unterstützung sei die region bern in der lage, die schwächen des weitläufigen kantons auszuhalten. schläge aus zürich sollte es dafür keine geben, eher zuspruch für die vermittlerrolle der region bern.

die heutige bernerzeitung zitiert das alles wohlwollend, bleibt aber hartnäckig. 1,2 milliarden franken zahle die agglo bern an den übrigen kanton, schreibt sie, die grundlagenarbeit der entende bernoise aus dem jahre 2009 zitierend. die haben schon damals zu einer kontroversen einschätzung geführt. zum beispiel zur frage, was mit dem finanzausgleich des bundes passieren würde. denn der städtischen halbkanton müsste neu bezahlen, derweil der ländliche mehr beanspruchen dürfte.

das beispiel der beiden basel zeigt eine ganz andere dimension des problems auf. funktionale räume, pendlerströme und agglomerationen halten sich nicht an politisch festgelegt grenzen. eine mehr davon zu haben, bedeutet letztlich auch, inskünftig einem problem mehr gegenüber zu stehen, dass dann, wie basel lehrt, mit aufwendigen zweckverbänden, planungsausschüssen und transferzahlungen, eingeebnet werden muss.

so kommt mir beim lesen ein ganz anderer vorschlag: seit neuestem hat die berner uni ein zentrum für regionalökonomie. es wäre eine tolle sache, wenn sich dieses dem thema, das fordert, aber mit bedacht gelöst werden sollte, prioritär annehmen würden. im sinne der hauptstadtregion, des standortes bern und der komplizierten stellung einer mittelgrossen stadt in einem weitläufigen kanton. und: um mehr transparente entscheidungsgrundlagen in der genannten sache zu haben.

denn intransparenz hielt auch das alte bern zusammen, – bis auch dieser tubak angezündet wurde!

stadtwanderer

artikel

von der pfadabhängigkeit der zukünfte in europa (und in der schweiz)

das buch verspricht vieles. was es hält, wird sich weisen. denn das unterfangen, “eine geschichte europas in unserer zeit” zuschreiben, ist nicht ohne tücken, dafür mit umso grösserem reiz verbunden. für europäerInnen wie für schweizerInnen.

im vorwort dankt andreas wirsching, der heutige direktor des instituts für zeitgeschichte in münchen seinen früheren historiker-kollegInnen an der uni augsburg. denn ohne ihre intellektuelle unterstütztung wäre es nicht möglich gewesen, das unterfangen zu schreiben: die geschichte euorpas seit dem fall der berlinier mauer.

historiker wirsching wagt das unterfangen – im deutschen sprachraum wohl als erster mit einer systematischen absicht. seine kernfrage lautet: “Wie steht es um die europäische Integration? Wächst Europa zusammen oder bricht es auseinander?”. kein wissenschafter, auch kein experte wisse darauf eine unbestrittene antwort, warnt er gleich zu beginn, um sich selber zu erinnern: kein historiker soll sich übernehmen.

immerhin, wirsching präsentiert den kern einer sinnvollen antwort: es dürfte nur wenige epochen der neueren geschichte gegeben haben, in denen binner zweier jahrzehnte ein solche gewaltiger zuwachs an freiheit zu verzeichnen war wie nach 1989. das treffe nicht nur für die postkommunistischen staaten im osten zu; es gelte auch für den westen, ausgelöst durch den euro, gefolgt vom freien verkehr für waren, dienstleistungen und kapital. erstmals, so der beobachter, zeichne sich ein gemeinsamer erfahrungsraum der europäerInnen ab.

nicht ohne gefahren!, ist der bemerkenswerte nachsatz zur hauptantwort. auch hier: es reiche nicht, auf die politische und sozialen verwerfung im osten zu verweisen. die kulturellen risiken seien auch im westen sichtbar geworden. globalisierung und individualisierung hätten neue formen der kulturellen diversität hervorgebracht, über deren folgen bis heute heftig gestritten werde. denn wie jede freiheit, habe auch die aktuelle ihren preis.

was dann folgt, muss man erst noch verdauen: knapp 500 seiten hat das neueste geschichtsbuch, auf denen die demokratischen revolutionen nach 1989 behandelt werden, wo es um die entwicklungen im östlichen europa geht, das gemeinsame europa als poltisiches projekt behandelt wird, von den herausforderungen der globalisierung die rede ist, bevor es um die kulturelle selbstbesinnung und europäische identität geht. das alles mündet im schlusskapitel, vielsagend mit “krise u n d kovergenz” übertitelt.

ein bild verfolgt der autor für seine leserschaft über alle diese ausführungen hinaus. es kann auch genommen werden, um die aussicht auszuleuchten. denn wirsching ist vom konzept der pfadabhängigkeit von politik überzeugt. probleme, die es zu hauf gäbe, würden ein projekt nicht einfach zu scheitern führen, mahnt er an, sondern zur lösungssuche herausfordern, die auf dem pfad schon einmal eingesetzter werkzeuge gesucht und gefunden werde.

auf gut deutsch: “mehr europa” zu wollen, treibe den prozess der konvergenz europa ebenso an wie die permanente krise. ausser es ereignet sich wieder eine revolution. und auf gut schweizerdeutsch hiesse pfadabhängigkeit dann: selbständig bleiben zu wollen, treibe den prozess der divergenz ebenso an wie die zunehmende vernetzung. ausser …

stadtwanderer

tempi passati

auch wenn ich es bisweilen müde bin, das thema auf berns strassen ist gesetzt. am morgen, beim kauf der weltwoche (nur ausgabe dieser woche), spricht mich meine kioskverkäuferin unvermittelt an. den ganzen vormittag geht es so weiter, bis ich über mittag, von einem ehemaligen justizdirektor eines gewichtigen kantons konsultiert werde. einmal mehr interessiert (nur) blocher. und es geht um seine immunität. die souveränität, mit der angriffe zu parieren scheint, und die animosität, die er dabei manchenorts streut.


bild: az medien

“überlebt die svp diese krise?” das ist die mir am häufigsten gestellte frage. und ich habe in der regel die immergleiche antwort parat: “jein”.

zuerst mein “ja”: aus meiner sicht hat sich die svp in den letzten 20 jahren zu der nationalkonservativen partei der schweiz gemausert. wer sich traditionellen werten des landes verbunden fühlt, wer die schweiz als antithese zur eu liebt, der oder die hat nach dem ewr-nein bei der svp eine neue (oder alte) heimat gefunden (oder bewahrt). wie kaum eine andere partei hat die neue svp die konfliktlinie, die sich in den 90er jahren des 20. jahrhunderts auftat, früh analysiert, verstanden, geschürt und für sich zu nutzen gewusst. alles begann mit dem drohenden eu-beitritt, ging dann mit der tabuisierten asylfrage weiter, bis man schliesslich bei der polarität von offener oder geschlossener schweiz ankam. mitgeteilt wurden auf diese weise aber nicht nur themen und positionen, welche viele bürgerInnen auch überfordern. erfolgreich kommuniziert wurden vielmehr die werte der freien, unabhängigen, neutralen schweiz, die sich nicht schämt, gegenüber dem ausland stets den fünfer und das weggli zu verlangen. das alles wirkte gemeinschaftsbildend, das was bürgerlichen wählerInnen früher bei der cvp und der fdp fanden, was sie heute angesichts machtverwaltern im staat und freiheitspredigern aus der teppichetage gerade bei diesen parteien so vermissen. meine prognose hierzu ist: das ändert sich so schnell nicht und deshalb kann die svp auch in zukunft auf ein breites wählerInnen-segment zählen.

und hier mein “nein”: ob die wählerschaft gleich gross bleibt wie 2007, kann man zwischenzeitlich mit fug bezweifeln. denn, so meine analyse, die besonderheit der schweizerischen volkspartei war es, dass sie gleichzeitig nationalkonservativ war und rechtspopulistisch agierte. ersteres ist in der schweiz problemlos als teil der regierung möglich; zweiteres eckt immer wieder und immer mehr an. denn die lautstarke diskreditierung der classe politique war zu beginn vielleicht noch angezeigt. heute scheint alles und jedes enttabuisiert, und was, wie die parteienfinanzierung, noch bleibt, trifft auch die svp. so ist die institutionenkritik zum selbstläufer geworden, die immer nach dem gleichen schema abläuft. lageanalyse, anklage, beschuldigung, beseitigung. auch das polarisierende freund/feind-denken ist an seine grenzen gestossen. nicht jeder linke ist ein kommunist, nicht jeder freisinnig ein weichei und nicht jeder, der für eine wirtschaftlich und politisch offene schweiz plädiert, kann man zum lakaiden der eu abstempeln. umgekehrt: ganz so harmlos ist auch die svp nicht, wenn es um wahlkampffinanzierung geht, wenn sie unliebsame konkurrenten ins visier nimmt, und wenn ihre exponenten ihre macht im mediensystem klammheimlich ausbaut.

und so mein “jein”: seit die synthese der beiden politischen strömungen nciht mehr klappt, ist die kritik an der partei heftig geworden, nicht ohne ihr zu schaden. denn ohne die rechtspopulistische technik wird der sonderfall svp zum europäischen normalfall einer nationalkonervativen rechtspartei. die mobilisierung, ihre stärke bis 2007 und etwas darüber hinaus, will offensichtlich nicht mehr gelingen. ihr themensetting ist heute schwächer denn je, seit gleich mehrere medien verzichten, den populismus der partei als populismus der medien zu multiplizieren. zwar ist es noch nicht soweit wie in genf oder im tessin, wo sich die rechtspopulisten fast dauerhaft ausserhalb der svp organisiren konnten. doch die verbindung zwischen einfachem schwer konservativem mit staatsneigung und rechspopulistischem oppositionellen der sich über alle und jedes empört, zerbröckelt landesweit zusehens – auch ohne ein auffangbecken zu haben. steigende wahlbeteiligung und wahlniederlage für die svp im kanton st.gallen sind ein klares zeichen dafür!

so bleibt die frage, wie hat es die svp mit ihrem übervater christoph blocher? stürzen wird sie ihn nicht, dafür verdanken zu viele gewählte und funktionäre ihre karriere dem grossen manitu. unverändert behalten wird man ihn nicht können. dem zum elder statesman taugt blocher nicht; zum frontkämpfer schon, wenn auch ohne rücksicht auf verluste. so bleibt die prognose: es bleibt die nationalkonservative svp, es vergeht die rechspopulistische.

denn den garant für beides, christoph blocher, wird die svp stück für stück ins zweite glied zurücknehmen müssen. selbst wenn sie ziemlich genau weiss, dass die synthese, von der ich heute auf der strasse und auch hier im blog sprach, ohne ihn nicht mehr möglich sein wird, bleibt ihr kaum mehr eine wahl. denn was sie ohne den übervater anstreben muss, muss sie zwischenzeitlich erst recht mit ihm. eine neue partei zu sein.

für einmal stärkt die vergangenheit die svp der zukunft nicht mehr. tempi passati!

stadtwanderer

die linkeste und die rechteste gemeinde der schweiz

bären, signau: unser morgendlicher sonntagsausflug führt uns ins emmental. verbunden mit ausgiebiger zeitungslektüre – und einem kleinen ärger.

eigentlich wollten wir auf der moosegg innehalten; doch ein frühstück ohne vorbestellung war im restaurant mit bester aussicht nicht zu bekommen. so fuhren wir wieder hinunter, ins emmental, wo der bären in signau einladend auf uns wartete. das improvisiert zubereitete déjeuner übertraf die hungrige erwartungen bei weitem.

nach dem essen geht’s hinter die sonntagszeitung. die mit eben diesem namen findet meine aufmerksamkeit. michael hermann, der umtriebige politgeograf der uni zürich, hat die schweizer gemeinden nach den nationalratswahlen 2011 neu vermessen. le locle ist die linkeste unter allen, röthenbach, gleich ennet dem bergzug im emmental, die rechteste.

ueberhaupt falle ein unterschied zwischen den sprachregionen auf, schreibt soz-autor balz spörri. belege findet er auch in bfs-statistiken: die linke ist in der romandie 11 prozent stärker, die svp in der deutschsprachigen schweiz 9 prozent, jeweils im vergleich zum andern landesteil.

bis hierher finde ich das alles noch ganz in ordnung, wenn auch schematisiert. was indes danach kommt, ist legendenbildung à la zurichoise: gründe für die extreme heute sieht die sonntagszeitung in der geschichte, der republikanischen tradition der romands einerseits, den freiwilligen zusammenschlüssen zu eigenverantwortlichen gruppen in der deutschsprachigen schweiz anderseits.

das ist, sorry liebe sonntagszeitung, mumpitz. denn le locle wie auch röthenbach haben lange zeit eine durchaus vergleichbare geschichte. röthenbach war vor 1000 jahren eine adelige niederlassung, ein priorat des mächtigen burgundischen klosters in cluny, derweil die anfänge von le locle zum den weltliche herren von valangin gehörten. röthenbach war nie eine versammlung freier bauern, sondern bald schon ein amt der herren von signau, das seit dem 15. jahrhundert konstant unter bernischer verwaltungstradition steht. le locle wiederum kennt keine so gradlinige geschichte, kommt zuerst zu neuenburg, dann zu preussen, schliesslich zu frankreich. vorher kann man im jura-ort das wort republik nicht buchstabieren.

seit 1815 sind le locle wie roethenbach teil der schweizerischen eidgenossenschaft. nun erst beginnt sich ihr weg zu unterscheiden. röthenbach ist und bleibt agrarisch geprägt. man lebt von der landwirtschaft, bis heute, ergänzt durch das gewerbe, das ihr nahesteht. schon mitte des 19. Jahrhunderts ist man mit knapp 2000 einwohnerInnen auf dem höhepunkt. seither dominiert die abwanderung. wer bleibt, sehnt sich nach alten zeiten, traditionellen werten, findet sie bei der svp aufgehoben, wenn man vor allem rechnet, bei der edu, wenn man über alles hinaus hofft. le locle dagegen wird im 19. jahrhundert industriell. namentlich die uhrenmacher werden hier heimisch. demografisch wächst man, bis die einwohnerschaft 1967 die 15000er marke überschreitet. erst die die uhrenkrise der 70er jahre im 20. jahrhundert bringt die wende im wachstum, gefolgt von der tiefen wirtschaftskrise. die verbliebene soziologische struktur spricht für linke wahlentscheidungen, die – eine spezialität von le locle – nicht die sozialdemokraten, sondern die kommunisten begünstigt. bis heute stellt die pda die mehrheit der 5 mitglieder in der stadtregierung.

dass urbane gebiete linker wählen als rurale, hat nichts mit dem immer wieder bemühten röstigraben zu tun. denn der befund gilt sowohl in der französisch- wie auch in der deutschsprachigen schweiz. verschärft wird er macherorts, weil die bürgerlichen wählerschaften aufs land abgezogen sind, und von den agglomerationsgemeinden ihr rechtes steuer-powerplay gegen die linken kernstädte spielen.

wenn man den sprachengraben bemühen will, dann eher umgekhert: dass die ländlichen gebiete schwer konservativ sind und rechts stehen, ist eine eigenheit vieler regionen in der deutschsprachigen schweiz geworden, namentlich der strukturschwachen gebiete, die sich abkapseln und jede förderung der städte als zugänge zu internationalen ressourcen zu verhindern suchen. das gibt es in der form in der romandie nicht gleich stark, was die unterschiede ausmacht.

da sind wir ganz froh, im bären in signau, auf eine offensichtliche ausnahme auch im deutschsprachigen landesteil gestossen zu sein. denn wir haben gefunden, was wir suchten, und wir wurden von daria de marchi und maurice mergen warmherzig bewirtet. wir empfehlen den ort und das restaurant uneingeschränkt weiter.

stadtwanderer

nun auch zwitschern

seit gestern bin ich auf twitter. 111 follower hatte ich heute morgen schon. über chancen und risiken.

das unheil zeichnet sich ungefähr 2009 ab. die diskussionen auf den blogs gingen zurück. die hinweise auf spannende websiten, aber auch kontroversen um sachfragen verlagerten sich in die neueren neuen medien. wer botschaften platzieren wollte, wandte sich facebook zu, hinweise machen wollte, nahm sich twitter an.

ich war eher skepktisch, widersetzte mich dem neuen trend zunächst. denn ich dachte, das alles werde zur argen verkürzung für inhalte. ganz unrecht hatte ich damit nicht, aber in einem punkt täuschte ich mich: die kommentierfreudigkeit auf den blog entwickelte sich schritt für schritt weiter zurück. auch hier.

48 prozent der schweizerInnen haben ein iphone, habe ich gestern gelesen. seit anfang jahr gehöre auch ich zur baldigen mehrheit. in der zwischenzeit habe ich begriffen, was stärken und schwächen des streicheltelefons sind: die klassische internetnutzung bleibt eingeschränkt; der schnelle austausch wird dafür umso einfacher – und spannender.

gestern habe ich, ganz dieser entwicklung folgend, mein twitter-account aktiviert. und wie die post gleich abging! ein tweet, ich würde nun zwitschern, wurde von patrick müller, dem chefredaktor des sonntags, gleich weiter verbreitet. ohne verzug begann mein iphone zu rattern. ich hab für die promotion zu danken.

denn heute morgen hatte ich bereits 111 follower, obwohl ich eine ausgesprochen ruhe nacht hatte. natürlich bin ich überwältigt. und auch ein wenig erschrocken, denn die rasche und hohe zahl an aufmerksamkeit ist auch eine herausforderung.

werde ab sofort tweeten, wenn ich aktiv bin als blogger (und auch anderswie). verfolgen können sie mich unter meinem konto @claudelongchamp auf www.twitter.com.

stadtwanderer

ps: leider war der account stadtwanderer schon besetzt …
wer

köppel vs. longchamp (und umgekehrt)

därstetten, simmental, kanton bern: 7. polittreff der lokalen svp zum thema “wohin treibt die schweiz”. mit zwei promis auf der bühne: roger köppel und claude longchamp.


uebernahmeverhandlungen auf der därstetter bühne (bild: simmentalerzeitung)

gerufen hatte der umtriebige grossrat thomas knutti, aus dem bernischen weissenburg. er organisierte zum 7. mal den politischen frühlingsaufbruch im simmental, den polittreff in därstätten. sein thema: “wohin treibt die schweiz?”. gekommen war wohl 150 simmentaler, die meisten svp-mitglieder. vorherrschend waren bauersleute, im publikum hatte es staatsangestellte und verbandsfunktionäre, die männer jeden alters dominierten, die frauen waren (leider) eher die zier.

roger köppel, verleger und chef der weltwoche, der eine referent, sprach von der freiheit. in die berge, dem symbol der unverrückbaren schweiz, ziehe man der freiheit wegen, sagte der st. galler mit wohnsitz in küsnacht, kanton zürich. freiheit vor dem staat seit die triebfeder der bürgerlichen schweiz – aus dem der sonderfall mit volksabstimmungen entstanden sei, der den regierungen sage, wo es lang gehe. anders als in frankreich könnte wir noch unsere meinung sagen, und der regierung den tarif erklären. bedroht werden diese freiheit durch die bürokraten, zur politischen linken, in der verwaltung, egal ob sie in bern, brüssel oder washington stehe. und vor allem in der nationalbank. deren spitze foutiere sich um moral, spekuliert mit wechselkursen, die sie selber beeinflusse. das gehe nicht! wenn coca-cola einen wettbewerb veranstalte, sei die teilnahme für firmenmitglieder untersagt. was weltweit gelte, mache in den hallen der schweizerischen währungshüter keinen eindruck: doch: die schweiz wolle keine so herausragenden, aber selbstsüchtigen herrscher. sie brauche bürgernähe, milizsystem und volksherrschaft.

selber habe ich mir eine andere aufgabe gestellt: die “schweiz als teil der welt”. dafür steht ja das simmental. in wimmis, am taleingang war, vor 1000 jahren, der aussenposten burgund. deren könige hatten hier einen bauernhof, den alpentransversale durchs simmental interessiert sie. so kam das simmental in kaiserreich, mit lokalen adligen. 1499 machte man sich als teil bernS frei vom reich, 1848 wurde man teil des bundesstaates. die schweiz beruft sich gerne auf einen bedrohlichen feind, das lenke davon ab, dass sie tief gespalten sei. konfessionell, mindestens vormals, sprachlich, noch heute, zwischen stadt und land, seit der öffnung. in den 90er Jahren. konkordanz sei die richtige antwort auf eine solche voraussetzung: proporzwahlrecht, übergrosse regierungen, minderheitenschutz und förderalismus seien zu pfeilern des staats geworden. der jedoch zerfalle, wegen dem grasierenden medienpopulismus und dem egoismus der manager. vielleicht befördere der wirtschaft, einen staat bauen könne man damit nicht. die schweiz sei auf beides angewiesen: wirtschaftlich global, politisch lokal, sei lange ein erfolgsrezept gewesen, drohe heute jedoch zu kippen. hort des roten kreuzes zu sein, reiche nicht mehr, wenn das schweizerische bankgeheimnis weltweit zum problem geworden sei. da brauche es mehr realismus, der uns, mit der fixierung auf den mais im bundeshaus abhanden gekommen sei. selbst liechtenstein sehe da klarer.

das publikum klatsche bei beiden ordentlich. manchmal sah es sich besser porträtiert, manchmal schlechter. auf jeden fall sei die aufmerksamkeit überdurchschnittlich gewesen, rapportierte mir jemand aus dem ok.

die anschliessende podiumsdiskussion verlief phasenweise kontrovers, insgesamt aber gesittet. es ging um die berge, den bundesrat und die medien. damit war ich bei meiner pointe. dem staunenden publikum machte ich kund, noch vor meiner pensionierung die weltwoche kaufen zu wollen. nicht am donnerstag am kiosk, sondern für immer beim jetzigen verleger. bezahlen würde ich das mit den milionen, die ich gemäss wewo verdiene. denn was die weltwoche schreibe sei nicht egal, habe wirkung. momentan mehr zu gunsten den binnenschweiz, hoffentlich bald wieder als stimme der schweiz in der welt.

stadtwanderer

die neue saison des stadtwanderers

es ist ein schönes geburtstagsgeschenk, das am kommenden freitag auf mich wartet.

nächste woche, genauer genommen am 10. märz 2012, wird dieses blog 6 jahre alt. 1300 und ein paar zerquetschte beiträge zur geschichte, gegenwart und zukunft meiner lebensräume sind physisch und psychisch wandernd entstanden. bisweilen sprudelte es nur so neue posts, dann war es wieder ruhiger. das wetter spielt ein rolle, denn stadtwandern ist eine freiluftveranstaltung. es kommt aber auch auf meine innere verfassung an. denn nur wenn ich inspiriert bin, beobachte ich genauer als sonst, denke ich kreativer als normal und produziere ich beiträge, die es wert sind, verfasst zu werden. schliesslich, und das nicht zu kurz, kommt es auf die themen an, die mich umgeben und die ich aufnehmen und verbal, bildlich und textlich wieder veräussern kann. auch die sind nicht immer gleich einladend.

eine quelle des fragens und antwortens, des entdecken und wiedergebens sind und bleiben meine stadtwanderungen. oft genug für mich allein, bisweilen in begleitung, und immer wieder mit interessierten gruppen. am freitag, dem vorarbeiten des blog-geburis, ist wieder so weit: mit einer gruppe sozialwissenschaftlerInnen, vermittelt vom iri-institut in marburg, gehe durch berns gassen. angesagt ist der klassiker: wie bern zu demokratisiert wurde, wird gezeigt.

selbstredend ist das ja nicht, denn das ancien régime in der staat trug schon mal theokratische züge, wurde lange autokratisch regiert, bevor die demokratie einzug hielt. anders als in den länderorten der alten schweiz, ordnete sich die frühe “demokratisierung” nicht rund um eine landsgemeinde. vielmehr bot die stellung des schultheissen anlass, gemeinschaftlich aktiv zu werden. etappen waren die etablieren eine kleinrates für das tagesgeschäft, eines grossrates würde die leitlinien der politik, ausgedrückt im geld, das die stadt einsetzte. das bestimmte den gang der dinge von der stadtgründung bis 1798. die helvetische republik, der grosse einschnitt, sollte eine gelenkte demokratie bringen, von frankreichs gnaden, die erste dann mit richtigem leben gefüllt wurde, als zu beginn der 1830er jahre die liberalen wirtschaftliche freiheiten für alle verlangten, die radikalen die demokratisierung der gesellschaft anstrebten, wenigstens für die neuen eliten, die sich ab 1848 freisinnige nannten, und die sozialen die ausdehnung des demokratischen gedankens auf arbeiterschaft und frauen beförderten.

das alles ist nicht nur für historisch bewanderte interessant; es entspricht auch einem globalen trend in der gegenwart. die demokratisierung der herrschaft hat, mitunter ihren der schweizerischen eidgenossenschaft, ihren siegeszug angetreten, der heute in über 150 staaten der welt veränderungen gebracht hat. die ist mit dem formalen übergang zur demokratie nicht überall das entstanden, was sich demokratInnen gewünscht haben. so macht das wort der demokratisierung der demokratien die runde: dazu gehört, gerade aus schweizerischer sicht, die frage nach chancen und risiken der direkten demokratie als erweiterung der vorherrschenden, repräsentativen, über die ich gerne mit meinen gästen am 9. märz 2012, aber auch darüber hinaus mit weiteren gruppen, die zwei stunden mit mir durch berns gassen wandern wollen, um sich der politischen veränderungen bewusst zu werden, diskutiere.

stadtwanderer

imagologische basteleien am vergangenen

andré holenstein ist reputierter geschichtsprofessor am historischen institut der universität bern. gestern abend hielt er einen bemerkenswerten vortrag im gut besetzten audimax des hauptgebäude. das “bundeshaus als nationaldenkmal” war sein thema. ich war sein interessierter zuhörer – und im stillen auch ein wenig sein kritiker.

da staunten die zuhörerInnen im collegium generale mächtig. historiker holenstein zeigte allen eine fotografie aus dem bundeshaus west mit den grossen zahlen “1308 / 1848”. denn auf der fassade des parlamentsgebäudes liest man die bekannte paarung “1291 / 1848”.
wie es dazu kam erläuterte der spezialist für die ältere schweizergeschichte profund. aegidius tschudi, der glarner humanist, der im 16. jahrhundert die konfessionsspaltung erlebt hatte, prägte unser bild der alten schweiz mit wilhelm tell und dem bösen landvogt, dem burgenbruch und der vertreibung der habsburger durch die freiheitsliebenden hirten und bauern. nur, den beginn der eidgenossenschaft datierte er auf 1308, der zeit als könig albrecht I. von habsburg bei windisch von familienmitgliedern und willigen aus dem niederen adel der umgebung ermordert wurde.
in den 1830er jahren begannen die historiker am wahrheitsgehalt dieser verschriftlichten erzählung zu zweifeln. denn ihre neuen ansprüche an wissenschaftlichkeit verlangte, vergangenheitsrekonstruktion schriftlich belegen zu können. urkunden drängten sich auf. zum beispiel der bundesbrief von 1291. solche “verfassungen” gab es im 13. und 14. jahrhundert jedoch zuhauf, denn sie besiegelten den landfrieden in zeiten, in denen es keinen könig gab, um die rechtsordnung auch ohne höhere würde aufrecht erhalten zu können.

heute glauben wir, war einer der merksätze holensteins, der bundesbrief von 1291 sei das protokoll der verschwörung gegen die habsburger. das sei barer unsinn, lautet sein urteil. denn in unserem heutigen geschichtsbild habe ein amalgam stattgefunden, zwischen der erzählung tschudis mit dem dramatischen aufstand in der innerschweiz, der nicht wirklich belegt sei, und der nüchternen erzählung der rechtssicherung, die nach dem tod von könig rudolf i. von habsburg nötig geworden und belegt sei.
beides sei, im bundeshaus zu als “imagologische bastelei”, einer bildhaften einheit, verschmolzen, beispielsweise in der eingangshalle, wo die drei eidgenossen nicht mehr die schwurhand erheben, um den aufstand zu beschwören, sondern damit den bundesbrief stützten, um die rechtsordnung zu sichern.

der referent machte deutlich, wie der bundeshauskomplex nach 1848 entstand, zuerst als bundesratshaus, dem heutigen bundeshaus west, dann, nach der verfassungsrevision von 1874 für die erweiterten staatszwecke mit dem heutigen bundeshaus ost, und 1902 mit dem neu eröffneten parlamentsgebäude in der mitte. begonnen hat alles in einem eher nüchtern-technischenen renaissance-stil, um dann im monumentalen schlussgebäude theatralisch-künstlerisch aufgebauscht zu enden. das würde der stabilisierung und heroisierung des jungen bundesstaates entsprechen, 1848 aus einem bürgerkrieg hervorgegangen, 1891 zur bürgerlichen festnation verschmolzen.

holenstein zitierte in seinem vortrag auch konservative kritiker des bundesstaates und seiner ideologie, zum beispiel den freiburger aristokraten gonzague de reynold, der noch 1929 zwischen der suisse historique, die sich in der mittelalterlichen altstadt auch in bern manifestiere, und dem suisse théorique, wie sie mit der stadtverschandelung durch das sog. bundeshaus zum ausdruck komme.

das ist wohl typisch, für die schweizer geschichte, die zwei eigenheiten hat. sie ist durch gesellschaftliche brüche wie die reformation oder die helvetische republik geschaffen worden, als mythos, welche über das trennende hinweg das gemeinsame in der vergangheit sucht. die gegenwart blendet sie dabei gerne aus, weil sie konfliktreicher ist als es die anfänge in der geschichte erscheinen lassen. das war auch holenstein verdikt.
indes, ein wenig verfiel auch der geschichtsprofessor diesem muster. gleich zu beginn des vortrages grenze er sich vom titel der vortragsreihe “hauptstädte und ihre funktionen” ab. bern sei gar nicht hauptstadt, sondern bundesstadt, war seine begründung.
nun könnte man lange darüber philosophieren, was richtig ist. auf diesem blog gibt es viele hinweise für das eine, wie auch für das andere. meinerseits vertrete ich ja mehr und mehr die auffassung, dass wir auch heute wie tschudi und die staatsgründer in einer umbruchzeit leben. die hat nicht nur die föderalistische schweiz der alten orte, die 1848 und 1874 in den bundesstaat übergeführt wurden, überholt ist. denn die schweiz von heute ist, mit ihrer weltweiten vernetzung, schon längst ein teil der globalen ökonomie geworden, bestimmt durch international interagierende metropolen wie zürich und genf, vielleicht auch basel, die ihre umländer grenzübergreifen als pendleragglomerationen organsieren, und so, jedenfalls in der staatsvision des bundesamtes für raumplanung, durch eine hauptstadtregion schweiz koordiniert werden sollten. allerdings fehlt dieser neuen funktionalen integration das entsprechende kollektive selbstverständnis (und selbstbewusstsein!).

mit dem bundesstaats von damals hat unser zeit kaum mehr etwas gemeinsames, und mit der den bundesideologie des 19. jahrhunderts, symbolisiert im parlamentsgebäude, ebenfalls nicht.
da muss man sich schon suchen nach neuen erinnerungsorten aufmachen, zum beispiel als

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