mit euren favoriten unterwegs (juni 2007)

zwar ist es nicht nicht ganz ende monat, aber es ist bald ende schweiz.
wenigstens für mich. ich fliege in weniger als 8 stunden in die ferien. bis dann muss ich noch schuhe packen, schlafen, und zähneputzen. aber ich habe noch 5 minuten zeit gefunden, eine monatsbilanz zu machen.
die seitenansichten auf dem stadtwanderer haben sich bei 77’000, der höhe des vormonats, stabilisiert.
die beliebtesten beiträge und rubriken stehen nicht ganz kopf. sie sind, zum grösseren teil, die gleichen, zum kleineren neue, auch solche aus dem auslaufenden monat.
man siehe selbst!

top-beiträge

1. (unverändert)
mit meinen neuen favoriten unterwegs (oktober 2006) zirka 2’000 direktviews
blogosphäre, aktualität, kommunikation

2. (vormals 4)
auch aristoteles wäre für den berner baldachin gewesen zirka 1’700 direktviews
bern, politik, bahnhofplatzumbau, philosophiegeschichte

3. (vormals 5)
räume sehen und lesen lernen zirka 910 direktviews
geschichte, zeit&raum, buchbesprechung

4. (vormals 2)
meinstein (3): was während einsteins berner jahre geschah zirka 730 direktviews
einstein, bern stadt, geschichte

5. (vormals 3)
das beginnt ja schlecht zirka 670 direktviews
alltag, kommunikation, sog. hauptstadtfrage

6. (vormals 6)
körpersprache des bundesrates zirka 510 direktviews
politik, kommunikation, schweiz/suisse

7. (vormals 8)
ode ans kopfsteinpflaster (politologie der pflasterstein) zirka 310 direktviews
pflasterstein, politische kultur, politische symbolik, stadt bern

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was man nicht jeden tag von der nationalbank sieht zirka 220 direktviews
zürich, alltag, primör

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der rebell zirka 180 direktviews
alemannien, schweiz/suisse, geschichte

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alltag, mein leben, geschichte europa

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einstein, berner jahre, stadtgeschichte zur zeit der technisierung

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flickr zirka 500 direktviews
meine fotos, foto community

auf technorati trägt mit das momentan den rang 134’908 in weltbestenliste ein, so gut platziert war ich noch nie! viel dazu beigetragen hat diesen monat rebell.tv. dieser blog ist voll und ganz auf meinen weitwanderer, den vagabunden gallus, abgefahren, der sich im steinachtal niedergelassen hatte, um sie der bildung anderer zu widmen …

stadtwanderer

schwedische stimmungen

so langsam, aber sich machen sich bei mir feriengefühle breit. ich schliesse meine arbeit ab, habe die letzte stadtfühung vor der sommerpause gemacht, und räume meine bücher im büro und zuhause auf.
es geht nach schweden!

schweden in bern

letzte woche war mittsommer. in schweden ist das wichtiger als in bern. bei uns kommt die sonnen jeden tag, und sie geht jede nacht. in schweden ist das nicht unbedingt so. die sommertage sind lang, im norden sehr lang, ganze wochen dauern sie. und im winter ist alles umgekehrt. da ist es nachvollziehbar, dass man mittwinter und mittsommer feiert. einmal muss allen, die nur hell oder dunkel haben gesagt werden, jetzt ist es soweit.
und am letzten freitag war es auch in bern soweit: schweden feierte mittsommer mittbern. der botschafter selber kam, das berühmte möbelhaus aus schweden sponsorte, und so wählte man den bundesplatz als festort. zahlreiche schwedische embleme schmückten den platz von dem schweizerischen parlament. und vor der nationalbank waren schwedenfahnen gehisst. schweden war für eine moment mitten in bern!

schweden in der erinnerung

es sind meine 10. ferien in schweden. 1989 war der erste versuch; seit 1999 bin ich jeden sommer in schweden gewesen. wenn es geht immer für vier woche, – so, wie auch dieses jahr.
wir lieben die abgeschiedenheit, die wälder, die seen, die inseln, die ruhe. da kann man richtig ausspannen und distanz nehmen zum schweizerischen alltag. wenn hier enge herrscht, steht schweden für weite. man kennt die begriffe stadt und land nicht so wie hier. man spricht vom dicht oder dünn besiedelten land. dort, wo wir sind, ist es dünn besiedelt, ganz dünn. die briefpost holen wir in 5 km entfernung. das einkaufen kostet 30 km. und die nächste richtige stadt ist 250 km entfernt.
wer so abseits lebt, muss improvisieren. die und der muss sich gegen die natur durchsetzen, nicht gegen die kultur. meine wichtigste erinnerung an schweden ist, dass man die zivilisation, die hier einem anhaftet, ausziehen kann. man streift sie, und wird ganz natürlich …

schweden auf flickr

vor zwei jahren habe ich das fotografieren entdeckt, in schweden, während meinen ferien. von unserem ferienhaus, der wiese, dem bootssteg und dem see habe ich 1000 bilder gemacht. ich war ganz stolz! letztes jahre habe ich dann auch andere orte in schweden fotografiert. und ich war noch stolzer!
dann habe ich flickr kennen gelernt und gleich mitgemacht. bis jetzt habe ich eigentlich nur fotos als stadtwanderer ausgestellt. diesmal könnten es auch bilder vom landwanderer werden, oder vom waldwanderer.
auf flickr versinke ich manchmal ganz in schwedischen landschaften. ich kenne sie nur vom sommer. denn vor dem winter im norden habe ich angst. aber die herbstlichen bilder meiner flickr-kollegInnen aus värmland sind bisweilen ganz verführerisch.
momentan sehne ich mich aber nach dem schwedischen sommer. die klarälv, der grosse fluss in unserer gegend, ist ein bliebtes fotosujet auf flickr. es hat viele flossfahrer, die ganze reisen quer durch schweden machen, und auf flickr davon berichten!

schweden auf dem stadtwanderer

ich werde auch im monat juli mit dem stadtwanderer verbunden bleiben. aber ich werde kürzer treten. ich habe auch nicht jeden tag freien zugang zum internet. bei meinen ausflügen in die zivilisation werde ich aber sicher hier und da eine nabelschnur zu meinem blog finden.
letztes jahr habe ich schon mal probeberichte aus schweden geschrieben. vor allem von meiner lektüre am küchentisch im waldhaus. ich habe bruno besucht, der mir ein buch geschenkt hat, das er selber gemacht hat. ich habs dann auf dem stadtwanderer besprochen. bei unserem treffen in arboga habe ich auch gemerkt, wie mir, in der wildnis, die plasterstein der mittelalterlichen kleinstädte fehlen, – und wie stark ich ihnen in bern psychisch verbunden bin.
ich habe aus der erinnerung eine mehrteilige serie unter dem titel “ode ans kopfsteinpflaster” geschrieben. die wird jetzt noch fleissig gelesen, was mich freut.
wer weiss, was mir diesmal fehlen wird?

schweden in burgund

wir werden am 1. august wieder in der schweiz sein. es gab während den ferienvorbereitungen einen moment, da wollte ich an diesem tag aufs rütli, – mitwandern, wenn es zum präsidentinnenspaziergang kommt. ich glaube aber, ich werde es sein lassen!
momentan schwingt ein angebot von sbb historic bei mir mehr an: eine fahrt mit dem tee, dem trans europe express, nach grandson. auch dort feiert man den 1. august, – aber nicht im patriotischen sinne, mal mit rechter, mal mit linker brille. man feiert den europäischen 1. august in der schweiz.
die legende sagt, die burgunder kämen eigentlich aus schweden. oder wenigstens von der insel bornholm. heute ist die forschung mit solchen aussagen vorsichtiger geworden: sie spricht von nordostgermanen, wenn man den die ersten spuren der burgunder erwähnt, die über die weichsel und den main an den rhein wanderten, und von dort aus von den römern in die heutige romandie verfrachtet wurden. ich werde das, bei meiner heimkehr, wohl nachvollziehen, und von karlstad nach grandson gehen, um die sommerpause abschliessen!

stadtwanderer

parlament spielen

die kommenden nationalratswahlen beschäftigen mich gegenwärtig fast rund um die uhr. bald sind meine grossen ferien, und ich muss die vorbereitungen zu diesem thema noch vorher abschliessen. am freitag weiss man – vorerst – mehr dazu!


bundesplatz 3 – das ausstellungsforum der bundeskanzlei (foto: stadtwanderer, anclickbar)

jugend aktivieren

zu meiner einstimmung war ich gestern über mittag in der ausstellung “bundesplatz 3” stadtwandern. die ist gegenwärtig im berner käfigturm-forum. früher war das markante gebäude ein gefängnis für frauen. jetzt gehört es der bundeskanzlei, genau der bundeskanzlerin annemarie huber-hotz.

die gegenwärtige ausstellung, die vom 21. märz bis 21. oktober dauert, hat nur ein thema:

. wahlen,
. parlamentswahlen in der schweiz,
. genau genommen national- und ständeratswahlen.

die ausstellung ist auf schülerInnen zugeschnitten. im zentrum steht der simulierte nationalratssaal. es hat das bekannte bild im hintergrund. und es hat fotos von den politikerInnen. aber die interessieren hier nicht wirklich! denn es hat ein rednerInnen-pult. und es hat parlamentssitze. die schülerInnen sollen sich setzen. sie sollten debattieren. und sie sollen entscheiden. wie im richtigen parlament sollen sie, wenn sie sich eine meinung gebildet haben. auf einen knopf drücken, sodass das ergebnis auf dem bildschirm erscheint. es ist ein wenig wie echt!

mein forumsführer, herr fritsche, meint: auf der echten tibüne des parlaments nebenan seien die schülerInnen zu passivität verurteilt. hier würden sie zu aktivität angehalten. die entscheidungen, die getroffen würden, seien manchmal knallhart. es sei schon vorgekommen, dass man für schulabgängerInnen, die keine stelle bekommen, eine obligatorische weiterbildung beschlossen habe. in anderen fällen ist man hoffentlich nachsichter!


das fiktive parlament als spielwiese (foto: stadtwanderer, anclickbar)

jugend unterhalten

wer dem parlamentssaal in die oberen stockwerke entrückt, bekommt eine vielleicht etwas ventionelle basislektion in politischer bildung; sie ist aber witzig illustriert: die tonnen von wahlzetteln, mit denen nur schon die stadt bern wählt, focussieren den blick. wem das nichts sagt, der kann auch das alte räderwerk im käfigturm bestaunen. ein bisschen berner mechanik bekommt man so auch mit: alles ist miteinander verzahnt. und wem das zu abstrakt ist und aus dem fenster schaut, der sieht sich auf augenhöhe mit der wirklichen uhr des käfigturm, – fast so als würde man meinen: wem die stunde schlägt …

unkonventionell an der ausstellung ist indessen der eingang. da tritt man königinnen entgegen, da sieht man revolutionäre, und da bestaunt man rousseau, also ob alle sagen wollten: es gibt ganz verschiedene formen der souveränität: die göttliche, die revolutionäre, die monarchische und die republikanische. dahinter leuchtet das schweizer kreuz, wobei das weiss stärker ist als das rot. ohne zweifel, man wird vom zentrum angezogen.


das reale kopfzerbrechen über das, was der wirkliche volkswille ist (foto: stadtwanderer, anclickbar)

jugend nicht mehr abschrecken …

der besuch lohnt sich: es ist keine aufdringlich politpropaganda, die man da vorgeführt bekommt. es ist eine audiovisuell abwechslungsreich gemacht darstellung der demokratie.

es ist ganz sicher eine aufbauendere vorstellung des parlamentsbetriebs, als man gelegentlich im parlament selber vorgeführt bekommt:

wenn niemand da ist.
und wenn die wenigen, die nicht fehlen, nicht zu hören.
und wenn die wenigen, die nicht schwatzen, nur die zeitung ihrer wahlregion lesen.

ich jedenfalls hatte, damals, als ich mit der schule das erste mal eidgenössische parlament besuchte, einen fürchterlich schlechten eindruck von diesem mit nach hause genommen.

gottseidank konnte das gestern abschliessen. und glücklicherweise sind bald schon wahlen! die mich vor meinen ferien so beschäftigen.

stadtwanderer

ps:
mehr dazu

warum und wozu sagt man “üchtland”?

lieber hubert

danke für die nachfrage zum “üchtland”.
ich bin sicher zu schnell darüber hinweg gegangen. soviel ich spontan antwort weiss, lautet sie:

bis ins 11. jahrhundert findet sich der name nirgends verzeichnet. er machte herrschaftlich auch keinen sinn. links der saane lebten die burgunder rechts der aare die alemannen. der raum dazwischen dürfte seit dem 7. jahrhundert, als beide unterschiedlich sozialisierten germanenstämme gegeneinander aufgebracht wurden, mehr oder weniger menschenleer gewesen sein. grundlos war die verzeichnung eines namens vor allem deshalb, weil entweder franken oder welfische adelige, die rudolfinger, über beide völker herrschten. sie kontrollierten sie, und auch den zwischenraum.

anders als heute hatten die germanen keine vorstellung von einer grenze, in der regel nicht einmal von einer natürlichen, als strenge unterteiluing des raumes. eine herrschaftliche grenze kannten sie sowieso nicht. vielmehr zogen sie grenzräume vor: zwischen zwei völkerschaften beliess man einen landstrich, meist durch zwei flüsse begrenzt, mit vorliebe leer. heute würde man dem kontaktzone sagen, dort wo man sich begegnet, ohne dass einer klipp klar sagen kann, hier zuhause zu sein!


schloss laupen, mitten im historischen landstreifen üchtland, dürfte burgundischen ursprungs sein. von hier aus beherrschte man die saane und sense am besten.

im 11. jahrhundert, genau 1032, kamen die burgunder herrschaftlich zum neu entstandenen mittelalterlichen römischen reich, zu dem die alemannen als teile schwaben seit 962 gehört hatten.

jetzt setzte die feudalisierung auch der grenzgebiete ein. in alemannien und in burgund entstanden grafengeschlechter, die sich über andere erhoben, und sich entweder am kaiser oder am papst ausrichteten. sie prägten nun den begriff des üchtlandes, des zwischenlandes zwischen zwei völkerschaften, das eine art nomansland war. da mit der feudalisierung wichtig wurde, wem man gehörte, lernte man sich als vasall eine höheren zu bezeichnen, und untertanen als niedere zu haben, die mit dem land, das sie bebauten verwurzelt waren.

der begriff des üchtlands selber ist aus neuerer zeit. früher hiess er auf deutsch othaland. am besten dürfte man das mit ödland übersetzen, was so viele wie wiesland meint, das heisst nicht bewirtschaftet grasland. es war ganz nützlich, um ein wenig vieh zu halten, kühe, schafe oder ziehen, die in kleinen herden hier lebten.

das vieh trennte die völkerschaften: die burgundische bevölkerung entwickelte sich romanisch, die alemannische blieb germanisch.

der wichtigste ort im üchtland war seit langem laupen, vermutlich im 10.jahrhundert von den welfen befestigter ort. von sekundärer bedeutung waren stets gümmenen und grasburg, weil man hier die saane resp. die sense passieren konnte. der könig wusste, dass es nur streit geben würde, müsste man entscheiden, wem diese zentralen orten gehören. deshalb waren die rechte auf die burgen laupen, grasburg und gümmenen beim könig selber.

die eigentliche erschliessung des üchtlandes erfolgte mit den herzögen von zähringen im 12. jahrhundert. auf ihrem weg von freiburg im breisgau nach süden, besonders nach lausannen bauten sie strassen und sicherten sie diese mit kleinstädten, die ein wenig den charakter von raststädten hatten. freiburg im üchtland war ein solche gründung, die im jahre 1157 erfolgte, bern war eine weitere, im jahre 1191. sie sicherten die umgebung, indem sie als herzöge und vizekönige das königsgut an sich nahmen.

der grafenkrieg von 1264-1268 zwischen den habsburgern und den savoyern, den ich unten beschrieben habe, brachte einen weiteren schub der herrschaftlichen erschliessung des üchtlandes. deshalb dreht sich auch fast alles darum, wer bern und freiburg hatte, aber auch, wer über laupen, gümmenen und grasburg herrschte. anfänglich obsiegten eher die savoyer, doch in den 1280er jahren verloren sie ihren einfluss im üchtland wieder an die habsburger.

im 14.jahrhundert begannen sich die gewichte zwischen bern und freiburg, die zuerst klar zugunsten der älteren zähringerstadt verteilt waren, zu verlagern. bern verdrängte habsburgische freiburg aus dem westlichen aaretal. der coup war mächtig, als bern in laupen siegte. die freiburger (mit ihnen die habsburger), die burgundischen barone (und mit ihnen die savoyer), sowie der komische kaiser aus baiern, ludwig, der sich in rom selber gekrönt hatte, weil papst das für ihn machen wollte, kamen, um die alten verhältnisse im üchtland zu sichern. doch es siegte bern, was der stadt die herrschaft über das östliche üchtland brachte, während freiburgs einfluss auf das westliche reduziert wurde.

die rivalitäten zwischen den beiden städten, waren 1365 auf dem höhepunkte der spannungen. freiburg hatte eine grosse kirche, bern nur eine kleine. doch bern hatte eine starke armee, freiburg nur eine schwache. und man erwartete den besuch des kaisers. karl iv. sollte entscheiden, wer über das üchtland entscheidet. der streit wurde im wesentlichen über die fährrechte ausgetragen. kaiser karl iv. legte fest: gümmenen gehört bern, flamatt, wo es einen zweiten übergang per schiff gab, kam an freiburg.

bern war über diesen sieg so stolz, dass es sich gerne als bern im üchtland bezeichnete. in anlehnung an verona, das auch einmal zähringisch beherrscht war, und lateinisch für bern stehen soll, schrieb man sich in der aareschlaufe sogar verona im üchtland!

hubert, danke, dass du nachgefragt hast, aber jetzt bin ich zu müde, um die geschichte fortzusetzen! nur soviel: rechts der sense und der saane geht der begriff später vergessen, während er links weiterverwendet wird, – nicht zuletzt um das zähringische freiburg im breisgau vom ebenso zähringischen freiburg – im üchtland – zu unterscheiden!

stadtwanderer

berns letzter schlossherr

er war der unüblichste stadtadelige berns. vielleicht ist er deswegen hierzulande in vergessenheit geraten. ganz zuunrecht, denn er ist der zweite gründer der stadt an der aare!


peter, earl of richmond, graf von savoyen (1203-1268), berns letzter schlossherr auf der nydegg

pierre de savoie

der kleine pietro wurde 1203 im lombardischen susa geboren. beatrice, seine mutter, war aus genf, thomas, sein vater, war aus chambery und graf von savoyen. pierre war ihr fünftes kind, und der hatte mehrere ältere brüder. deshalb wurde der junge nicht auf karriere am grafensitz vorbereitet, sondern nach lausanne in eine klerikerausbildung gesteckt.

bis zu seinem 31 lebensjahr verläuft pierre leben unspektakulär. doch dann kommt es zum grossen bruch: 1234 heiratet pierre agnès de fauciny, die einzige erbin des letzten freiherrn, der den savoyern südlich des lac lémans widerstehen konnte. eine erste empfehlung für den grafentitel hätte er damit geschaffen. die zweite weit wichtigere folgte 1240. der englische könig henry III. nutzte die rasch bröckelnde herrschaft im unteren rhonetal, um sich festzusetzen. auf der suche nach verbündeten auf seinem weg nach rom, steiss er auf den unüblichen piiter, den er nach london einlud. der savoyer entschied sich, als einer der drei wichtigsten berater in die dienste englands zu treten, und wurde umgehend zum earl of richmond gemacht, was ihm ein grosses vermögen bescherte.

das viele geld, der er im englischen richmond gemacht hatte, investierte pierre nun dort, wo er einst als kleriker gewirkt hatte: in den pays de vaud. bis heute dürfte er der grösste wirtschaftsförderer auf dem waadtländer plateau gewesen sein. zajlreiche burgen wurden gebaut und mehrere städte entstanden. pierre selber residierte in dieser zeit in moudon, das er zum zentrum für militär und verwaltung des waadtlandes erhob. sein eigentliches prunkstück ist die stadt yverdon, mit dem mächtigen schloss, das pierre durch englische architekten erbauen liess. damit signalisierte auch seine absicht: denn von yverdon aus konnte man direkt auf der wasserstrasse nach london fahren.

berns zweiter stadtgründer

1250 starb kaiser friedrich ii., 5 jahre zuvor, war er vom papst aus der kirche gebannt worden. der zerfall des reiches im rhonetal war fortgeschritten, und wirkte sich nun auch auf das mittelland aus. pierre im westen und die kyburger grafen im osten übernahmen des szepter vor ort. dreh- und angelpunkt wurde die herrschaft über bern. das hatte pierre, der aufgrund seiner englischen erfahrung stark in territorialen kategorien dachte, sofort begriffen. die aversion der reichsstadt im ehemaligen burgundischen königreich gegen die südschwäbischen grafen von kyburg nutzend, erhob er sich 1255 zum neuen stadtherrn von bern.

sofort machte sich pierre, earl von richmond und seignieur de moudon an die erweiterung der kleinstadt. der raum zwischen dem heutigen zytgloggenturm und dem jetzigen käfigtrum wurde der stadt erschlossen. pierre liess auch erste stadtmauern bauen, – eine idee, welche die zähringerhändler nie gegehabt haben. und er baute die fähre an der nydegg zur ersten brücke der stadt an der aare aus. selber residierte er eine weile auf schloss nydegg, an der stelle, wo heute die nydeggkriche steht und wo erchtold von zähringen, der erste stadtgründer, vorübergehend gelebt hatte.


die grafschaft savoyen zu zeiten peters im 13. jahrhundert: territorial erstreckte sich savoyen nie bis bern, herrschaftlich schon! (anclickbar)

graf von savoyen und stellvertreter von könig richard im reich

die geschichtsschreibung behandelt dies zeit nach 1254 im gefolge friedrich schillers gerne als die schreckliche, die kaiserlose. das trifft nicht ganz zu. das reich hatte stehts einen könig, seit 1237 sogar zwei oder drei. doch stammten sie nicht aus dem einheimischen adel, sondern aus holland, aus kastilien oder aus england. 1257 wurde richard von cornwall, der bruder des englischen königs, deutscher könig. häufig hier er sich nicht im reich auf, was jedoch nichts besondere war: auch friedrich II. war selten meist in sizilien oder sonst wo im mittelmeerraum gewesen.

zu den wichtigsten vertretern richards im südöstlichen raum des reiches avancierten nun die savoyer, und pierre ganz besonders. 1263 verliess pierre england definitiv, um als 60jähriger die nachfolge seiner verstorbenen neffen bonifatius als graf von savoyen anzutreten. bis zu seinem tod am 17. mai 1268 war er es, der zwischen turin, bern, bresse und champery den ton angab.

le petit charlemagne

die völlig ungewohnte karriere, die ihn vom kleriker zum grafen, vom kirchlichen stellvertreter zum militärischen machtmenschen führte, trug comte pierre II. de savoie den übernamen ‘le petit charlemagne’ ein. wie karl der grosse schuf er in einem leben ein reich, das auf militär und kirche basierte. wie der kaiser im 9.jahrhundert, realisierte auch pierre im 13. jahrhundert eine straffe reform seines reiches. die adelige sammelsurium aus selbständigen seignieurs unter einem grafen und einem kaiser ersetzte er durch sein system, mit einem vogt in moudon und kastlanen an den wichtigen orten, die, von ihm bestimmt, und von ihm auch absetzbar, die macht ausübten. und wie der grosse karolinger in europa, so begründete der kleine savoyer in der waadt ein gemeinsames bewusstsein. die aufstrebende wirtschaft, der bau von schlössern und städten rund herum liessen den hinterhof des arc lémanique zum begehrten durchgangsgebiet zwischen rhone und rhein werden.

wie auch bei karl gelang die institutionalisierung der macht, die vom charismatischen gründer ausging, nicht vollständig. pierre jüngerer bruder, philipp, nachfolger im grafenamt, hatte nicht das gleiche format wie der kleine karl der grosse. er hielt sich bis 1285 nur knapp im waadtland, und musste die habsburger bis nach payerne vordringen lassen. nach seinem tod verselbständigten die savoyer die waadt gar zu einer eigenen grafschaft. die berner schüttelten in dieser zeit die herrschaft savoyens über ihre stadt ab. als sichtbares zeichen dafür demolierten sie die burg nydegg, auf der die zähringer und er savoyer residiert hatten, und bauten damit die stadtmauern fertig.

pierre war also nicht nur der zweite stadtgründer berns. er war auch der letzte schlossherr in der stadt an der aare. in verschiedenen schritten, 1339 in laupen, 1476 in murten und 1536 in lausanne sollten die berner das werk, das pierre in der waadt aufgebaut hatte, übernehmen, bis auch sie 1798 von napoléon gestürzt wurden, und pierre de savoie neben der guten königen berta von burgund zu der vorbildfigur des jungen kantons waadt erhoben wurde. anders als in bern denkt man auf dem waadtländer plateau noch heute an den ganz unüblichen kirchenmann, feldherrn und savoyer grafen.

stadtwanderer

Quelle: Pierre II de Savoie. “Le petit Charlemagne”, Etudes publiées par B. Andenmatten, A. Paravincini Bagliani und E. Pitbiri, Lausanne 2000

der bahnhof von löwenberg

ohne die sbb würde es löwenberg heute fast nicht mehr geben. doch steht das seminarzentrum der schweizerischen bundesbahnen just auf der sprachgrenze. und das sichert dem weiler die haltestelle muntelier-löwenberg.


station muntelier-löwenberg, mein kleiner bahnhof von heute (foto: stadtwanderer, anclickbar)

der grosse bahnhof von 1267

im august 1267 war das ganz anders: man hatte in löwenberg einen grossen bahnhof. anwesend waren comte pierre II. de savoie sowie graf rudolf iv. von habsburg. damit nicht genug: pierre hatte in löwenberg seinen bruder philipp dabei, der ihm im todesfalle als graf von savoyen nachfolgen sollte. und beide brüder begleiteten ihre schwester margareta, die witwe des letzten grafen von kyburg. doch auch der habsburger war nicht allein: eberhard, der bischof von konstanz, und berthold, der abt von st. gallen waren in diesen tagen ebenso in löwenberg bei murten.

grund des treffens war der friedensschluss im sog. grafenkrieg. der 1264 ausgebrochen war und drei jahre dauerte.

vordergründig kämpften sie um das üchtland. hintergründig ging es aber um das erbe der kyburger, die in der manneslinie ausgestorben waren. im krieg mischte aber auch richard von cornwall mit, der englische könig, der auch die deutsche königskrone trug, wenn auch nicht alleine.

das bedeutete bei kriegsausbruch nicht wenig: würde sich der savoyer durchsetzen, wäre er bis an den bodensee der mächtigste feudalherr, quasi der nachfolger der hochburgundischen könige. würde umgekehrt der habsburger gewinnen, wäre er auf einen schlag nicht mehr der lokalherr an der reuss, sondern der vornehmste graf in schwaben links des rheins. richard, der könig, setzte ganz auf pierre, mit dem man verschwägert war.

das üchtland war eigentlich reichsland. es gehörte dem deutschen könig. der sollte mit seiner herrschaft über die grasburg an der sense garantieren, dass das niemandsland zwischen aare und saane seine hauptaufgabe erfüllt: grenzland zwischen den romanischen savoyern und den alemannischen kyburgern zu sein. das hatte tradition, seit burgund als selbständiges königreich 1032 untergegangen war. nur die zähringer hatten versucht, des im namen des königs an sich zu reissen. doch nach ihrem aussterben 1218 hatte könig friedrich ii. wieder zur bewährten formel gegriffen: die häuser von savoyen und kyburg wurden miteinandern verheiratet und sollten sich, getrennt durch das üchtland, nebeneinander vertragen. die savoyer als herren über die burgundischen bauern und die kyburger als adelige über die alemannischen bauern.


le manoir im sbb-ausbildungszentrum loewenberg (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

wie im schachspiel

die savoyer hatte das ende des hauses kyburg schon länger sehen kommen. 1259 liessen sie sich von könig richard die rechte über die herrschaft gümmenen und damit über den damals wichtigsten saaneübergang übertragen. 1263, als hartmann der jüngere aus dem hause kyburg verstarb, hielt man den könig an, alle reichslehen einzuziehen und an savoyen zu übergeben. und 1264, als der graf von kyburg, hartmann der ältere, das zeitliche segnete, wollte man die trumpfkarte spielen: margarete, die witwe des kyburger grafen, aus dem hause savoyen kommend, sollte alle kyburgerrechte erben!

doch da erhob graf rudolf iv. von habsburg einspruch. kaiser friedrich ii. war sein taufpate gewesen, und er sah sich und seine familie als legitime nachfolger der staufer wenigstens in südwestlichen schwaben, besser hoch als herzöge von ganz schwaben.

im grafenkrieg, der 1264 ausbrach, schenkte man sich nichts. pierre sorgte vor: er besetzte die städte payerne, murten und bern. doch rudolf hielt dagegen: er nahm das kyburgische freiburg unter seinen schutz.

das glich einem schachspiel, wo beide parteien ihren läufer über die brettmitte ausgesendet haben. da kommt es darauf an, wer hinten besser sichert!

pierre war als erster an der reihe: er besetzte 1264 die grasburg an der sense, die festung laupen am zusammenfluss von sense und saane, und schliesslich nahm er gümmenen mit der wichtigen fähre ein. doch bevor er auf das eingekesselte freiburg losgehen konnte, verliess er sein truppen, um seinem könig in flandern gegen die dortigen aufständische barone helfen. das war sein fehler, denn jetzt kam rudolfs stunde: er besetzte seinerseits die grasburg, laupen und gümmenen, was nun das savoyische bern in eine missliche lage brachte.

da sammelte pierre, ausgehend von chillon, erneut ein heer. 1265 rückte er über romont nach murten vor, um den weg nach bern zu sichern. doch hinderte es rudolf nicht, via burgdorf und grasburg sein freiburg erneut zu besetzen. im frühling 1266 suchte der savoyer in freiburg die entscheidung, – doch er blieb erfolglos. im folgenden jahr setzte deshalb nochmals bei laupen und der grasburg an, die er innert einem monat einnahm.

savoyen war damit herr im nördlichen üchtland, was die verbindung nach bern sicherte. doch freiburg hatte man nicht erobern können. im üchtland hatte man viel leid hinterlassen. die bauern waren mehrfach von beiden seiten überrannt worden. und die soldaten waren der keilereien müde.


panzersperren aus dem 20. jahrhundert, just an der heutigen sprachgrenze in muntelier (fotos: stadtwanderer, anclikcbar)

der friede von löwenberg

nun kam die grosse stunde von löwenberg. die friedensverhandlungen sollten den grafenkrieg diplomatisch regeln. die habsburger konnte sich als sieger im alemannischen schwaben wähnen; die savoyer konnte aber gebietsgewinne im üchtland geltend machen. witwe margareta, die gräfin von kyburg aus der savoyerfamilie, konnte deshalb ihr eigengut behalten; ihre lehen aber nur noch zu lebzeiten nutzen. danach würden sie automatisch an habsburg fallen.

für pierre de savoie endete damit eine serie von grossen eroberung. seine grafschaft war nach dem ableben der zähringer von chillon aus bis bern gewachsen. und der weg über moudon, murten, gümmenen, bern war gesichert. doch innert jahresfrist nach dem frieden von löwenberg war der bemerkenswerte comte de savoie tot.

die zukunft gehörte seinem widersacher im üchtland, der als rudolf I. 1273 nachfolger von richard von cornwall als deutscher könig werden sollte. in den 1280er jahren kam er von seinen eroberungen im osten des reiches zurück, und machte gebietsgewinne bis nach payerne. doch auch sie konnten sich nicht dauerhaft im üchtland halten: bern und freiburg teilten sich das gebiet entlang der sense.


loewenberg, wie es wohl im 13. jahrhundert ausgesehen hatte (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

der kleine bahnhof von 2007

in löwenberg, wo man den frieden im grafenkrieg besiegelte, erinnert heute nichts mehr an den historischen moment im sommer 1267. es steht noch der turm einer gotischen kirche, der als wohnhaus für einen alemannen dient. dann folgen panzersperren, die die sprachgrenze markieren, – und auf der anderen seite steht le petit manoir, ein burgundischer bauernhof.

so nehme ich den zug in der station muntelier-löwenberg und fahre über gümmenen heim, um meinen bericht über den grafenkrieg zu schreiben!

stadtwanderer

geld stinkt nicht!

“pecunia non olt!”, sagte kaiser vespasian seinem sohn titus, als sich dieser über die neuen steuern mokierte. er hielt ihm die erste münze, die er aus der latrinensteuer eingenommen hatte, als beweis unter die nase. “atquin e lotio est…!” zu deutsch: und dennoch stammt es aus urin, schob der triumphierende vater nach.


öffentliche toilette in murten (bild stadtwanderer, anclickbar)

vespasians jugendjahre in aventicum

vespasianus kam im vierkaiserjahr an die macht. die erste dynastie der julier und der claudier war mit dem selbstmord neros anfang 69 zu ende gegangen. drei machthaber machten danach geltend, der neue kaiser zu sein. sie bekämpften sich sich gegenseitig, und vespasian war der lachende vierte. er kontrollierte von alexandria aus die getreidezufuhr nach rom, und seinen sohn titus sandte er nach jerusalem, das jüdische königreich zu erobern. so hatte man geld und korn, und das waren schon gute argumente, um als kaiser anerkannt zu werden. in der tat begrüdete vespasianus die zweite, die flavische dynastie, die am ende des 1. jahrhunderts nach christus das römische reich unter ihm und seinen söhnen titus und domitianus regierte.

vaspasian selber wurde in italien, in der nähe von rieti geboren. sein vater war steuereintreiber, und er wurde in den norden gesandt. in aventicum, dem neue rom, auf der anderen seite der alpen, sollte er als römischer geldverleiher wirken. vespasian lebte deshalb in seinen jungen jahren in heutigen avenches.

die stadt war damals im aufbau begriffen. aus dem keltischen zentrum entstand die römersiedlung. einen kanal baute man sogar bis an den murtensee. so war aventicum, die südlichste stadt, die direkt auf dem wasser mit der nordsee verbunden war.


öffentliche toiletten in murten, 2. teil (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

öffentliche latrinen, haushaltssanierungen und kleinstädte der romandie

wo und wann die bankiers, ihre söhne und enkel auf die idee gekommen sind, für urin geld zu nehmen, weiss ich nicht. bekannt ist aber der hintergrund. in rom hatten nur die privatvillen einen eigenen wasseranschluss. die mietshäuser indessen kannten dieses privileg nicht. in diesen inuslae war es denn auch üblich, dass man im treppenhaus bottiche aufstellte, die für das “kleine geschäft” dienten. gestellt wurden die behälter normalerweise von gerbern, die den gesammelten urin für ihr handwerk verwendeten.

nun besteuerte man genau diese dienstleistung der walker und gerber. wer den urin anderer nahm, zahlte dafür dem kaiser sein geld!

in aventicum dürften die pissoirs mit dem bau der römischen steinstadt einzug gehalten haben. das war, in der zeit, als der junge vespasian in unseren breitengrad lebte. mag sein, dass der sohn des geldhändlers damals auf die idee gekommen war, dass es falsch sei, einen geschäftsvorteil entstehen zu lassen, ohne dass der staat davon etwas hat.

sicher, heute nimmt der staat kein geld mehr, wenn man pinkeln geht. das machen allenfalls noch private, welche die öffentlichen toilleten sauber halten. bis heute erhalten haben sich aber zwei sachen aus vespasians zeiten: immer wieder fällt mir auf, wie viele freistehende öffentliche pissoirs es gerade in kleinstädten der romandie hat. in avenches, in payerne und in murten findet man sie nicht selten gehäuft. und es hat sich im sprachschaz der italiener und der franzosen die vespasiano oder vespasienne erhalten. das elegante wort für das austreten aus der gesellschaft, um das kleine oder grosse geschäft zu erledigen.


öffentliche toiletten in murten (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

der reiche kaiser als wirtschaftsförderer

als vespasian kaiser wurde, übernahm er vor allem einen desolaten staatshaushalt, der ihm kaiser nero überlassen hatte. der sohn des steuereintreibers und geldverleihers sanierte diesen, und er kannte dabei keine lücken, wo es sich keine neuen steuern eintreiben liessen. der römische historiker sueton widmet dieser fantasie des kaisers ein ganzes kapitel in seiner römischen geschichte.

immerhin, vespasian nahm nicht nur geld, er gabe es auch aus. er war auch eine mächtiger wirtschaftsförderer: das niedergebrannte rom aus neros zeiten wurde in seiner zeit wieder aufgebaut. das koloseum entstand an zentraler lage im reich. doch auch ausserhalb roms förderte der kaiser die bautätigkeit. selbst das amphitheater von aventicum, das heute noch in avenche benutzt wird, geht auf vespasian zurück.

tragischer tod auf der toilette

hätte vespansian noch eine woche länger gelebt, wäre er genau 10 jahre kaiser gewesen. anders als seine vorgänger beging er weder selbstmord, noch wurde er umgebracht.

dennoch erlebte er einen tragischen tod: er verstarb am heutigen 23. juni, aber vor 1928 jahren ausgerechnet an hefitgem durchfall …

wer weiss, was ihn das an seinem lebensende noch gekostet hat!

stadtwanderer

was man nicht jeden tag von der nationalbank sieht

100 jahre alt ist sie gestern geworden, die schweizerische nationalbank. gewürdigt wurde ihr wirken für die schweizerische volkswirtschaft und für den schweizerischen staat gestern in allen zeitungen.

wo das viele gold der snb gelagert wird weiss man immer noch nicht genau. unter dem bundesplatz etwa, wo die sommerlichen fontänen hochspringen, und niemenden daran denken lassen, wie schwer und massiv gold ist? oder unter den kuhfladen auf dem rütli, ganz nach dem motto, gold stinkt nicht?

oder im vatikan? in fort knox? oder gar in zürich? – nichts genaues weiss man nicht!


unterirdisches labyrinth in der schweizerischen nationalbank in zürich (foto: stadtwanderer, anclickbar)

einmal, hatte ich den eindruck, nahe dran zu sein. ich war eingeladen, in der nationalbank in zürich. ich interessierte mich für den ort, wo man eigentlich das bundeshaus bauen wollte. und wurde in den gebäuden des hauptsitzes herumgeführt. ich bekam den grossen sitzungsraum zu sehen, die mondänen gänge mit den tressors, die spiegelspielereien mit den schalterhallen.

und ich sah die untergeschosse.

es war merkwürdig.
echt künstlich.

es kam mir vor, wie wenn man wartet, um in den himmel zu kommen. die verbindungswege waren lang, das licht war grell. die wände waren kunstvoll bearbeitet, voller symbole.

das licht spiegelte. eigentlich war alles weiss, aber es hatte so viele schattierung drin, dass man sich nicht ganz rein fühlte.

in den tresorraum durfte ich dann doch nicht. das wäre dann auch zu gefährlich gewesen. denn trotz bester kontrolle durch die securitas habe eine schöne fotosession in den innereien der alten dame an zürcher limmatquai geschossen.

herzlichen glückwunsch zum 100. geburtstag!

stadtwanderer

fast im regen gestanden

ich gebe es gerne zu: ich werde an der euro08 kein fussballspiel in bern besuchen. dennoch hätte ich, würde ich in bern stimmen können, am wochenende “ja” zum kredit für die fussball-europameisterschaft gesagt. gerne begründe ich warum!


zuerst regen, dann aufhellung: berner politprominenz bei der countdown-enthüllung zur euro08 (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

die offizielle vorankündigung der euro08 vor dem zytgloggenturm

der bahnhofplatz wäre für die heutige enthüllung sicher ideal gewesen. doch da geht wegen dem umbau vor der euro08 momentan gar nichts mehr. nicht einmal eine kleine zeremonie zur die euro08. deshalb wählte man den standort vor dem zytgloggenturm, um den countdown der spiele zu enthüllen: 352 tage und ein paar stunden bis geht es noch bis zum anpfiff der fussball-europameisterschaften.

die szene war fast symbolisch: alex tschäppät, der stadtpräsident, und andreas rickenbacher, der kantonale volkswirtschaftsdirektor, standen nach der enthüllung der grossen uhr nicht nur den lokalen medien red und antwort. sie standen auch etwas im regen! nur dank den schirmen ihrer medienbeauftragten und der intervienden kamera- und reporterteams wurden sie nicht nass!

gar wie ein begossener pudel hätte bern ausgesehen, hätten die stimmenden am abstimmungswochenende den 5 mio kredit verworfen. als einzige stadt hätte man in bern über das eurogeld abgestimmt, – und als einzige statt hätte man deshalb beinahe keine spiele ausrichten können.

doch es kam nicht so weit: 52 prozent ja sind ein ja. hätte ich stimmen können, hätte ich ebenfalls zugestimmt! obwohl ich mir sicher keines der fussballspiele direkt ansehen werde!


mal mehr, mal weniger im (gegen)wind: vorboten der heutigen zeremonie, die man seit dem abstimmungswochenende in bern zur euro08 sehen kann (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

für und wider den fussball

1994, bei der fussballweltmeisterschaft, war ich noch begeisterter zuschauer im aarbergerhof. ich habe gesehen, wie alain sutter kämpfte, ich habe beoachtet, wie die menschen mit dem ball mitgegangen sind, und ich habe gespürt, wie toll die stimmung war. die besten momente waren, wenn jeweils brasilien spielte. die männer und frauen aus der ehemaligen skalvenkolonie, die meist unscheinbar in bern leben, zauberten im nu eine samba-stimmung ins restaurant, in die aarbergergasse, ja in die ganze innenstadt, dass man nur mitfiebern konnte.

und heute: mich stören die massenaufläufe bei sportveranstaltungen zusehends; mich stören vor allem sauforgien mit bier und wein; und mich stören die lauten männerbünde! fussball ist zum unschönen volksfest verkommen. fussball ist der hort des maskulinen nationalismus geworden. und fussball ist virtuell und medial zu allgegenwärtig.

meine bilanz zur euro08 lautet deshalb 1:1 unentschieden.


noch keine europhorie: der countdown zur euro08 ein jahr davor (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

warum ich dennoch für den kredit gestimmt hätte

ich verstehe alle ein wenig, denen das zu viel ist! ich verstehe auch alle ein bisschen, die angesichts der finanzkrise der stadt die summe, die man ausgibt, kritisieren. und ich verstehe schliesslich auch jene im ansatz, die durch den momentanen grossumbau der stadt gestresst sind.

doch halte ich die spontane reaktion, auf dem stimmzettel nein zu sagen für kurzsichtig: mit der euro08 bietet sich bern eine ausgezeichnete chance, sich einen grossen publikum bekannt zu machen, sich in erinnerung zu rufen. bern kann sich so zu profilieren, und die stadt und der kanton können neue leute anzuziehen. ausserquartiere der stadt sind für bewohnerInnen und geschäfte am entstehen, sie sollen nicht nur baulärm erzeugen. sie sollen auch neues leben in die region, in die stadt bringen. bern ist darauf angewiesen!

denn bern ist in der defensive. zürich, basel und genf ziehen die öffentliche aufmerksamkeit effektvoller auf sich. schlimmer noch: nicht nur die metropolitanregionen rund herum focussieren das interesse, auch andere städte werden zur konkurrenz. luzern gemeindet schon mal littau ein und will nun das gleich mit allen anderen vororten machen; die viertgrösste stadt der schweiz soll so entstehen, hinter zürich, genf und basel, – aber vor bern!

das ist für mich die einzig legitime motivation, öffentliches geld für die fussballeuropameisterschaften auszugeben: sie gehören zu den meist beachteten sportereignisse überhaupt. sie müssen als plattform der kommunikation genutzt nutzen. stade de suisse, klee-museum und einstein-jahr waren nur elemente dieser kette. weitere glieder müssen folgen. auchmit der euro08 ist das ende noch gekommen!

wäre ich nicht nur im vorbeigehen an der heutigen enthüllungszeremonie vorbeigelaufen, hätte ich meinen schirm auch hingehalten, um die kleine voreröffnungsfeier zu schützen. so bleibt mir nur der wortreiche support des

stadtwanderers

und was die berner zeitung aus meinen gestrigen spaziergang gemacht hat:
der nieselregen war symbolisch

connecting the world

wer meinen blog regelmässig liesst, kennt meine geschichte zu laura bushs berner wurzeln. mütterlicherseits ist sie in der 10. generation eine von graffenried. auswanderung eines teils der patrizierfamilie im 18. jahrhundert ins neu gegründete new bern, dann jedoch grosser krach unter den siedlern, trennung in verschiedene richtungen und somit vergessene wurzeln haben dazu geführt, dass man 2006 hierzulande davon nichts mehr wusste.


michelangelos erschaffungs adams als sinnbild für die entstehung von neuem durch bisher ungewohnte berührungen

dank swiss routs, einer dienstleistung für auslandschweizerInnen auf dem internet, die letztes jahr stark gepusht wurde, habe ich jedoch die genealogie wieder herleiten können. und meinen stadtwanderer-beitrag verbindung von graffenried/bush dazu geschrieben!

der wiederum fand in den usa nach einigen anlaufschwierigkeiten recht hohe beachtung, was sich in meiner statistik niedergeschlagen hat. so gehörte meine bush-story letzten monat zu den top ten unter meinen gelesenen beiträgen.

seit ich das erneut in meinem blogbeschrieben habe, hat auch die lektüre des artikels in der schweiz zugenommen, – und ein findiger journalist der nzz am sonntag, der im nachgang zur elefantenhochzeit in der zeitungslandschaft zwischen zürich und bern ein porträt über den grossen verkäufer nach bern ost, den verleger charles von graffenried, schreiben soltte, bekam das zu ohren.

nach einer rückversicherung des journalisten beim stadtwanderer (jawohl, solche korrektes verhalten gibt es noch!), ob der schon längern schlummernde primör auch wirklich stimme (jawohl, es noch andere auf meinem blog, säg aber nöd wo), hat er die hübsche geschichte in der jüngsten ausgabe der nzz am sonntag in einen kasten zum porträt der verlegers und bankiers gestellt. das wiederum überraschte charles von graffenried ganz offensichtlich.

an der jüngsten verwaltungsratssitzung soll er darüber mit einem vertrauten, der auch den stadtwanderer gut kennt, gesprochen haben. der wiederum hat kontakte zu mir geknüpft, ich solle kontakte zu charles von graffenried knüpfen. man sei interessiert, mehr dazu zu erfahren.

tja, ich werde also bald einen speziellen spaziergang in die junkerngasse machen … (und artig darüber berichten!)

stadtwanderer

ps:
ironie der geschichte: den hinweise auf die mögliche verbindung von laura bush und der familie von graffenried habe ich aus dem buch: “small number – big impact” über die wichtigsten schweizer auswanderer in die usa erhalten. das buch ist im nzz verlag erschienen! und war am dem besagten redaktor nicht bekannt …

man sieht es: meine stadtwanderer verbindet zunehmenden welten, die eigentlichen zusammengehören und nichts mehr von einander wissen. “cennecting the world!” ist mein kommendes motto.

gallus, der weitwanderer

wäre der heilige gallus von luxeuil aus nicht so weit gewandert, müsste ich ihm jetzt nicht so weit nachfolgen …


gallus und columban auf dem bodensee (um 610 nach christus)

gallus, der gefährte columbans

gallus war ein schüler des heiligen columban. mit ihm brach er von luxeuil in den vogesen ins oberste rhein- und limmattal auf. denn sie waren wanderer!

sie sollen in säckingen gewesen sein, in zürich, in tuggen und in arbon gewirkt haben. durch die einfälle der heidnischen alamannen in die gebiete links des rheins war man östlich der zerfallenen stadt vindonissa repaganisiert (noch heute gibt es da geschlechter wie pagani, paganini oder faganini!) worden. dagegen wollte man ankämpfen, – und das nicht mir zimperlichen mitteln.

doch columban blieb nicht in arbon. er wollte nach rom. er wollte seine irische version des christentums dem papst auf dem stuhle petri vortragen. der war gerade dabei, in daraus einen kirchenstaat in mittelitalien zu formen und die misson im frankenreich für sich zu gewinnen.

gallus, der eremit

gallus, erzählt die legende, sei krank gewesen. er habe sei in arbor felix, dem heutigen arbon, geblieben. doch die zeiten waren unruhig. die barbarischen alamannen führten 610 krieg gegen die zivilisierteren burgunder. das aaretal und das rheintal bis ins elsass waren unsicher, denn der fränkische könig hatte alle linksrheinischen gebiete für burgundisch erklärt. doch das wollen sich die alamannischen neusiedler nicht bieten lassen; sie griffen zu den waffen! und siegten!

gallus beschloss 612 der steinach, die in den bodensee mündet, bis an ihre quelle zu folgen. zuunsicher waren ihm die verhältnisse in arbon geworden. die alemannen waren jetzt wer, aber sie waren immer noch wilde heiden!

mit seinem schüler hiltibold wanderte er bis zur mühleggschlucht, wo jedoch ein unüberwindbarer wasserfalls war. dort liess er sich zwangsweise nieder. er baute sich und seiem weggefährten eine klause, die er den burgunderheiligen desiderius und mauritius weihte. deren kulte sollten in alemannien veränderungen bewirken.

gallus verstarb auf ungeklärte art und weise. man nimmt den 16. oktober 640 als todestag an, seit dem man ihm gedenkt.

was bleibt: ein bildungsstätte in alemannien

gunzo, der alemannenherzog, der sich nach dem sieg von 610 über die burgunder im oberen rheintal stark machte, hätte gallus gerne für seinen plan gewonnen, erster bischof von konstanz zu werden. doch der eremit gallus lehnte ab. er blieb in seiner frisch gegründeten klause an der steinach. er übernahm allerdings die aufgabe, von dort aus als lehrer zu wirken. so bildete er johannes, den ersten bischof von konstanz, in theologischer hinsicht aus.

er war es auch, der für einen kulturellen wandel bei den alamannen eintrat: sesshaft sollten sie werden, die provinz im oberen rheintal sollten sie kultivieren, und selber sollten sie zivilisiert werden. seine bemühungen waren nicht direkt erfolgreich. wohl hat er die situation richtig eingeschätzt, dass er als bischof in der stadt konstanz mit seinen mitmenschen mühe bekommen hätte. denn die hätte er von einer religion überzeugen müssen, die sie eigentlich abgelehnt hatten. deshalb blieb er lieber einzelgänger, – wurde er eremit im steinachtal. und lehrer für die neuen führungsschicht im alemannisch-fränkischen gebiet!

seine wirken hat die katholische kirche später geehrt. er wurde heilig gesprochen. dort, wo er gelebt hatte, ist heute nicht gallen, sondern st. gallen!

neue inspiration aus dem burgundischen in st. gallen

und genau dorthin verschlägt es den stadtwanderer aus dem burgundischen bern bald regelmässig, – als lehrbeauftrager an der universität st. gallen – der den politkulturellen wandel in burgund und alemannen der gegenwart lehren soll, die wahlen von demokratischen königen in der heutigen welt erklären muss und über die form der direkten demokratie der germannen unterrichten darf!

wie einfach wäre es gewesen, gallus wäre ins aaretal gekommen, und hätte sich in bümpliz niedergelassen. der regelmässige weg des stadtwanderers wäre klar kürzer geblieben!

stadtwanderer
(von bern)

hotel bern vs. élysée: volksabstimmungen vs. plebiszite!

ich hatte am freitag eine spannende stadtführung mit einer delegation franzosen und französinnen.


das heutige hotel bern in bern, wo die aktuelle bundespräsidentin, micheline calmy-rey, unter der woche wohnt (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

frankreich und die schweiz necken sich

natürlich wollte ich von ihnen wissen, was denn am sonntag in paris abgehen würde (zwischenzeitlich wissen wir es, sarkozy hat von links her eins auf die nase gekriegt, und hollande wurde an die frische luft gesetzt!), und sie wollten von mir wissen, was den gleichentags in der schweiz passieren würde (was wir zwischenzeitlich auch wissen: die 5. iv-revision wurde mehrheitlich angenommen, das bürgerliche lager hat gesiegt). so hatte am freitag jede seite ihre neck-frage!

neckisch war es auch, an diesem abend die demokratiegeschichte integral auf französisch zu halten. ein bisschen marseilles schwang da schon mit. aber nicht nur!

spannend war vor allem unser austausch über die verschiedenen polit-kulturellen selbstverständnisse: die erste volksabstimmung in der schweiz 1802, die mit einer minderheit ja-stimmen und einer mehrheit nein-stimmen zur annahme (!) der verfassung führte, zeigt eigentlich alles. ich schüttelte beim erzählen den kopf und meinte: “wie konnte man nur!” meine gäste hingegen zeigten nur ein leichtes schulternzucken. eh bien!

volksabstimmungen sind mehr als plebiszite

das ist der eine unterschied: volksabstimmungen sind in der schweiz volksrechte. das volk kann sie verlangen. die entscheidungen, die das volk in seiner mehrheit trifft, sind bindend. und wenn regierung und parlament das uminterpretieren wollen, dann rührt sich die volksseele in der medialen kritik an die politik schnell. dieses denken ist in der schweiz den 1830 bis 1870er jahren entstanden. und es hat sich vom französischen vorbild klar abgegrenzt. bei unserem westlichen nachbarn ist das verständnis von volksabstimmung zwar etwas älter, aber auch eingeschränkter: es geht auf die französische revolution zurück, und die erwähnung von volksabstimmungen in der verfassung von 1793. doch es ist kein eigentliches volksrecht. es ist ein plebiszit. es ist das recht der regierung, sich direkt an die wählerInnen zu wenden, um diese, statt dem parlament, entscheiden zu lassen. was aber entschieden wird, bleibt sache der regierung.

der andere unterschied zeigte sich während des spaziergangs, als wir an den wohnsitzen von pascal couchepin oder christoph blocher vorbeizogen und schliesslich im hotel bern ankamen, wo auch micheline calmy-rey wohnt. als ich die fassenden unserer “minister” für inneres und justiz zeigte, war man schon bass erstaunt: wo nur sind die sicherheitsmassnahmen?, war der spontane konter? als ich vor dem hotel bern ankündigte, das sei das haus, wo auch die bundespräsidentin wohne, klopfte das herz meiner gäste gleich höher: wäre das also das élysée? würden sie bald im gleichen haus übernachten wie die präsidentin?

das hotel bern ist weniger als das élysée

jein, ist die antwort: das hotel bern war mal die bajuwarische bierhalle, dann das linke volkshaus und heute ist es eben das hotel bern. letztlich ist es immer ein restaurant mit verschiedenen nebenbedeutungen gewesen. das politisierende volk der kutscher, der gewerkschafter und traf sich hier, und heute mischt sich die politpromienz darunter. ein regierungssitz ist daraus nicht geworden. eher eine begegnungsstätte! das élysée wiederum ist der ort, wo der gewählte präsident triumphal einzieht, vom volk ist da nicht mehr viel zu merken. deshalb braucht es in paris auf jeder strasse des regierungsviertels und in jedem hinterhof der macht den bekannten polizeischutz. hier sieht man eigentlich nichts davon, – und das ist gut so!

vielleicht passt beides eben doch zusammen: die volksherrschaft, das volkshaus und unsere art von politikerInnen; eine elite sind sie nicht, im schlechten und im gut nicht. ganz als anders als in frankreich. im guten und im schlechten!

stadtwanderer

unipress pusht “stadtwanderer”

soweit sind wir nun: wenn in bern grossanlässe für historikerInnen wie die museumsnacht (ich berichtete) oder der historikertag (ich berichtete ebenfalls) stattfinden, fragt unipress, das magazin der uni bern, den stadtwanderer an, sich weiterführende gedanken im hoforgan der alma mater zu machen.

klar, dass ich da zugesagt habe …

was dabei herausgekommen gekommen ist folgt nachstehend für meine geneigte leserschaft im ungekürzten original!

stadtwanderer

ps: die majuskeln waren der kompromiss mit der redaktion, ich entschuldige ich für die ganz unübliche schreibweise!


der stadtwanderer, mit etwas schalkhaftem blick (foto: anclickbar)

Geschichtsvermittlung muss der Geschichtsproduktion folgen!

Bern hatte jüngst zwei Grossanlässe, die sich mit Geschichte befassten. Doch blieben der erste Schweizer Geschichtstag und die Museumsnacht unverbunden. “Leider!”, sag ich, denn in der Vermittlung könnte mehr entstehen.

Historikertage hat die Schweiz schon lange. Seit diesem Jahr hat sie auch einen Schweizer Geschichtstag. Die Schweizerische Gesellschaft für Geschichte und das Historische Institut der Universität Bern veranstalteten ihn gemeinsam. Er ging gleich mehrere Tage, und es nahmen rund 500 Historiker und Historikerinnen teil, – ein Drittel davon als Vortragende. An der Museumsnacht nur eine Woche später präsentierte die Stadt Bern ihre zahlreichen Museen, Ausstellungen und Bibliotheken. Keinen Tag dauerte die Veranstaltung. Aber eine lange Nacht. Und es kamen rekordverdächtige 100’000 Geschichtsinteressierte.

Auch wenn es nur eine “Milchbüchli”-Rechnung ist: Auf jede(n) aktive HistorikerIn am Geschichtstag gäbe es nur schon in Bern 200 Geschichtsinteressierte! Man stelle sich nur vor, was das für eine Chance der Inspiration das wäre!

Die Gründe für die enorme Nachfrage analysiert am Schweizer Geschichtstag Hermann Lübbe. Heute würden im Verlaufe eines Jahres mehr Menschen einmal in ein Musuem als zu einem Fussballspiel gehen. Jedes 8. Haus in einer Stadt steht unter Denkmalschutz. Und die Bestsellerlisten der Magazine sind gespickt mit historischen Werken. Geschichte boomt also, fasste der emeritierte Philosophie-Professor den Stand der Dinge zusammen. Das sei so, weil sich die Gegenwart so schnell ändere. Je rascher sie das tue, desto geschwinder werde man selbst der eigenen Gegenwart fremd. Und je schneller diese geschehe, umso mehr brauche es Geschichte, die kompensiere.

Das war hart. In der Analyse, – und in der Provokation. Die Profi-HistorikerInnen liessen denn auch den Nachsatz nicht gelten. Sie seien keine Psychotherapeuten einer neurotischen Gesellschaft. Valentin Gröbner, der junge Mediävist aus Luzern, konterte behände. Geschichte sei nicht da, um Abstammungslehren zu breiten. Es brauche sie auch nicht, um verschüttete Identitäten zu pflegen. Sie haben vielmehr die Aufgabe, sich dem Fremden zuzuwenden, das in der Vergangenheit stecke. Das interessiere per se, weshalb die Geschichte keine Mission, aber eine Aufgabe habe: Sie soll prüfen, was an den vielfach kuriosen Geschichten zur Vergangenheit stimme und was nicht.

Genau das machte am Historikertag ein bemerkenswerter Workshop zur Nationalgeschichtsschreibung. Keiner zitierte da noch “1291” oder was danach kam. Und niemand mehr bezog sich auf das liberale Selbstverständnis der Schweizer Geschichte aus dem 19. Jahrhundert. Vielmehr debattierten zahlreiche Männer und Frauen, linke wie rechte, SchweizerInnen wie EuropäerInnen munter über den Gebrauch der Geschichte. Nationalgeschichte, von der eigenen Nation für die eigene Nation geschrieben, sei mehrheitlich missbraucht werden. Die Wissenschaft habe das schon längst durchschaut, und sie ist deshalb auch auf Distanz gegangen. Nationalgeschichten interessierten heute vor allem im Vergleich. Was Gemeinsames in Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft hat die Nationen erst hervorgebracht? Was sind die Muster, auf die man sich bezieht, um das Eigene darzustellen? Und was für ein Verständnis vom Fremden wird dabei entwickelt? Was da diskutierte wurde, war fruchtbarer als alles, was ich hierzu im Geschichtsstudium gehört hatte.

Die Geschichtsproduktion, die so seit den 80er Jahren gerade in der Schweizer Geschichtsschreibung entstanden ist, lässt sich sehen: Das “Historische Lexikon” ist weit fortgeschritten; es ist jetzt schon eine Fundgrube geprüfter Information zum Vergangenen geworden. Vorbildliche Gesamtdarstellungen der Schweizer Geschichte gibt es zwischenzeitlich nicht nur in jeder Sprache, sondern auch in jedem Format. Und die zahllosen Kantons-, Stadt- und Dorfgeschichten, die überall aus der Hand gut geschulter HistorikerInnen entstehen, sind ein eigentliches Kaleidoskop der Entwicklungswege des Lokalen im Nationalen.

Doch stellte sich die bange Frage: Hat die Geschichtsvermittlung mit der Geschichtsproduktion Schritt gehalten? Ich habe vom ersten Schweizer Historikertag mehr als nur eine Show der zahlreichen Arbeiten in und über die Schweiz erwartet. So gut dies gelungen ist, so wenig überzeugt hat mich die Art und Weise, wie die Forschung vermittelt wurde. Geschichtsdidaktik wurde flugs an die Mittelschullehrer delegiert; sie wäre aber gerade in jedem anderen Forum nötig gewesen. Zu vieles war introvertiert und für Aussenstehende unerheblich. Zu wenig war auf Kommunikation ausgerichtet und nicht nur am Kollegen/Konkurrentin ausgerichtet. Da ist man noch wenig weit vom traditionellen Historikertag entfernt.

Vom zweiten Schweiz Geschichtstag erwarte ich gerade in der Geschichtsvermittlung mehr. Eigentlich sollte jeder Referent, jede Referentin meine “Milchbüchli”-Rechnung in der Ausschreibung gestellt bekommen. Auf einen Geschichtsprofi in der Schweiz gibt es in einer schweizerischen Grossstadt 200 Geschichtsinteressierte in jeder Stadt, die eine Uni hat! Nur wer auf die Frage, wie man dieses enorme Geschichtsinteresse zum wirklichen Geschichtsboom anleiten kann, sollte referieren dürfen.

Qualitätsprüfung nach Innen ist für die Geschichtswissenschaft essenziell. Reflektierte Inspiration des Geschichtsbewusstseins in der Gesellschaft wäre für Geschichtstage ebenso wichtig!

Claude Longchamp
Politikwissenschafter und Umfrageforscher, Leiter des Forschuntsintituts gfs.bern am Berner Hirschengraben 5. Er hat in Zürich und Bern Geschichte studiert und betätigt sich seit zwei Jahren als Stadtwanderer von Bern.

www.stadtwanderer.net/blog.

toll, das man den stadtwanderer so unterstützt!
ich sage danke an marcus und astrid, beide ehemalige studi von mir, aus meiner zeit als lehrbeauftragter für politikwissenschaft an der uni bern!

stadtwanderer

amtl. kontrollierte berner lauben

liebe tine,

du hast ins schwarz getroffen!

deine kleine bemerkung zu meiner geschichte, wie die berner lauben entstanden sind, hat mich nicht losgelassen. gezielt hast du die behauptung aufgestellt, aus der tatsache, dass die lauben auf die gassen hinaus gebaut worden sind, könne man öffentliches interesse an den lauben ableiten.

wie recht du hattest!

meine halbe bibliothek habe ich durchforstet, das internet habe ich abgegrast, und die präsidialdirektion der stadt bern habe ich beansprucht. – ich bin fündig geworden,

und wie!

es gibt ein praxisblatt “lauben und schaufenster in der der altstadt”, welches das bauinspektorat der stadt bern im 2005 (also just zur 600 jahr feier des stadtbrandes) herausgegeben hat.


berner lauben: amtlich normiert, und dennoch vielfältig (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

man hat in den amtstudben selbstverständlich nicht vergessen, wem der boden gehört!

schon in der einleitung zum praxisblatt wird daran erinnert, als würde man ein geschichtsbuch lesen:

“Die Lauben in der Stadt Bern sind nicht Bestandteil der Gründungsanlage. Nach 1405 entstanden sie durch den Vorbau der Privathäuser auf Kosten der Gassenbreite.”

das habe ich ja auch gesagt; doch nun kommt es amtlich präzisiert:

“Sie (die lauben) wurden nur entlang der wichtigsten Längsgassen angelegt; bei den meisten Querverbindungen und bei den ursprünglich fast ländlichen Nebengassen der oberen Stadt fehlen sie oder wurden erst aus Anlass von Neubauten des letzten Jahrhunderts eingebaut.”

danke, herr bauinspektor, das wusste ich effektiv noch nicht. bekannt war ich mir aber, dass die lauben im volksmund “Rohr” heissen; und auch das kann man im praxisblatt nachlesen:

“Tatsächlich ist der stark längsorientierte, allseitig klar umschlossene Raum (das Rohr) charakteristisch für die Laube.”

nun ist aber fertig mit den historischen erklärungen aus der baudirektion. jetzt kommen knallhart die konsequenzen:

“Nur wenn alle Abschnitte der Laube mit Konsequenz sich der Grundidee dieser althergebrachten Raumdisposi-tion unterziehen, wird das einmalige und für die Berner Altstadt wesentliche Element “Laube” seine Ausstrahlungskraft behalten.”

jawohl, kann man da nur noch gehorsamst beifügen. und gestützt auf art. 122, 127-129, 148–158 der städtischen bauordnung ergibt sich daraus:

. erstens, der laubenboden: das material ist durchgehend bis zum sockel der schaufensteranlage zu verlegen, und zwar unter einschluss von kleineren rücksprüngen wie beispielsweise zurückgesetzten ladeneingangstüren. wird für grössere rücksprünge ein anderer bodenbelag gewählt, so ist er auf die farbe des laubenbelags abzustimmen.

. zweitens, die laubendecken: historische laubendecken aus holz und ähnlichem sind unter einschluss aller einzelelemente beizubehalten oder wiederherzustellen. neue laubendecken sind, sofern verputzt, mit einem kornlosen glattstrich zu versehen und weiss, allenfalls leicht abgetönt, zu streichen.

. drittens, die brandmauerbogen: sie müssen belassen werden oder in sandstein neu erstellt werden. das gilt auch für attrapen, di bei neubauten oder grösseren umbauten durch bogen in echtem berner sandstein zu ersetzen.

. viertens, die schaufenster: bestehende schaufensteanlagen, welche aufgrund ihrer disposition, ihrer ausgestaltung oder ihres alters als wertvoll einzustufen sind, werden geschützt. die schaufenster sind auf mindestens zwei dritteln ihrer länge auf die laubenlinie zu stellen. die tiefe der rücksprünge soll das doppelte der breite der rücksprünge nicht überschreiten.

. fünftens, die schaufenstersockel: die schaufenster sind mit einem massiven sockel von mindestens 45 cm höhe zu versehen. dieser sockel kann aus naturstein, kunststein oder glatt verputztem mauerwerk bestehen. zur laubendecke sind die schaufenster mit einem glatt verputzten sturz abzuschliessen, der einen kräftigen oberen abschluss bildet.

. sechstens, die schaufensterrahmenprofile: die schaufenster selber sind mit umlaufenden rahmenprofilen zu versehen; diese müssen insbesondere bei übereck gestellten schaufenstergläsern die eckausbildung übernehmen (“keine Glas-auf-Glas-Ecken”). der schaufensterrahmen soll gegenüber dem sockel leicht zurückgesetzt sein. holz das vorgeschriebene material, ausser in der oberen altstadt; das ist naturbelassenes, nicht glänzendes metall gestattet …

alles klar, liebe tine? – du siehst, die ansprüche der stadt auf den abgegebenen raum werden minutiös aufrecht erhalten. und das alles in einer amtl. kontrollierten laubenverordnung, die zum 600. jahrestag des altstadtbrandes herausgekommen ist.

ich sage da nur: ich bin sprachlos, ob der festschrift aus der baudirektion. sollte jemand noch eine fussnote machen wollen, kann man die unter telefon 031 365 65 45 direkt anbringen!

stadtwanderer

der rebell

schuld an allem ist rebell.tv, der unkonventionellste blog, den ich kenne!


der jungbrunnen der politischen regeneration, der eigentlich überall in der schweiz stehen sollte (foto: stadtwanderer, anclickbar)

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schon in der bahnhofunterführung geht es um freiheit: “free erdogan” ist
erste politische botschaft beim eintritt ins dorf.

auch die ortsgeschichte fakelt nicht lange: die römerbrücke aus dem 2. jahrhundert erwähnt sie, um dann gleich ist 9. jahrhundert zu springen: dem nahe gelegenen kloster sei man geschenkt worden. danach scheint es in der abhängigkeit nichts mehr erwähnenswertes zu geben, – bis 1798, dem jahr der befreiung von der lokalen aristokratie.

rebellisch war man hier, als die franzosen in die schweiz einmarschierten. begrüsst hat man sie mit dem aufgestellten freiheitsbaum!

damals wusste man, warum man politisierte: die zeit der untertanenverhältnisse sollte so schnell wie möglich vorbei sein. keine abgaben mehr wollte man mehr leisten. nicht mehr ausgeschlossen wollte man sein von entscheidungen.

die freiheit war es, wonach man dürstete.

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ich bin zum vortrag eingeladen. über die wahlen 2007 soll ich sprechen. ich rede vom kommende ende der bi-polarisierung. nur gegen rot-grün zu sein, um svp zu wählen, verfängt nicht mehr im gleichen masse, analysiere ich. und nur gegen christoph blocher zu sein, um für eine stimme der sp zu werben, ist heute auch zu wenig. abgrenzen reicht nicht mehr, ist meine botschaft! man wolle wieder vermehrt wissen, wofür sich die kandidaten einsetzen, für was die politischen parteien stehen.

die anwesenden im restaurant traube – die meisten sind lokale unternehmer, gewerbler, angestellte der öffentlichen verwaltung – schauen gebannt auf den 21. oktober 2007:

wer wird gewinnen, wollen sie wissen.
ob christoph blocher bleiben wird, interessiert sie.
wie das wirtschaftswachstum das wahlverhalten beeinflusst, fragen sie nach.
und wo sich neue politische nischen öffnen, möchten sie an diesem vorabend erfahren.

schliesslich kommt man zu wesentlichen: dem faktor mensch in politischen entscheidungen: welche rolle spielt der kandidat bei parteientscheidungen?

ich weiss, das ist hier entscheidend. der kanton ist gross genug, dass sich ein pluralistisches parteiensystem etabliert hat. das ist gut! denn es gibt verschiedenartigen menschen eine wahlchance. der kanton ist aber nicht so gross, dass man die übersicht über die bewerbungen für den nationalrat verliert. auch das ist gut, denn sonst spielt nur der mitteleinsatz in der imagebildung eine rolle.

ich rede, so gut ich kann. ich gebe, soviel ich weiss. aber ich bin abgelenkt, im versammlungslokal des restaurants traube.

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mein blick wandert zum fenster, auf den rathausplatz! denn ich glaube, seine stimme zu hören. es ist der 21. oktober 1830. es muss schrecklich gegärt haben im ort. die jahrhunderte dauernde leere der geschichte auf der ortstafel verdichtete sich an diesem abend zur rebellion.

aufgebracht war man!
veränderungen wollte man!

fragen gabe es auch damals viel, aber man stellte sie nicht mehr. man war bereit zu handeln!

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ich rede davon, dass die voreingenommenheit der politik und der medien sei zu ende. vielleicht ist es auch nur ein hoffnung, aber die stirbt bekanntlich zuletzt.

die leute seien wieder offener, zuversichtlicher, sage ich. sie wüssten um die probleme der gegenwart. und sie wollten hierzu von der politik lösungen bekommen haben.

emotionen seien in der ausländer- und in der ökologiefrage angesagt; da wisse eindeutig man, wenn man wählen wolle. grün oder svp.

doch habe man gelernt, dass das wenig bringt, wenn es um soziale sicherheit, bekämpfung der arbeitslosigkeit und kosten im gesundheitswesen geht. schwarz – weiss versage da. vielmehr wolle man die parteien hören, und dann wolle man von ihnen zusammenarbeit. kooperationsfäöhigkeit, nicht abgrenzungswille seien in der kommenden legislatur gefragt. denn niemand hat in diesem fragen alleine überzeugt!

in sachfragen habe die liberale wende schon längst stattgefunden, fahre ich fort. die schweiz habe 2005 in einer volksabstimmung dem liberalsten stammzellenforschungsgesetz europas zugestimmt; weil man aufeinander zugegangen sei, einwände gehört und berücksichtigt habe, ohne das ziel aus den augen zu verlieren. das sei die lösung.

die liberale wende werde im herbst keiner partei alleine nützen. liberale gäbe es vielerorts. heute differenziere sich das liberale lager in ein sozialliberales zentrum, in eine rechtsliberale und eine ökoliberale strömung. gerade die umweltfrage werden unter liberalen kontrovers diskutiert, genauso wie die öffnung zum globalen markt! man vertraue aber gemeinsam in die weisheit von lösungen, die zivilgesellschaft erarbeitet und getragen würden.


erinnerung an den held der weinfelder geschichte: thomas bornhauser, pfarrherr (foto: stadtwanderer, anclickbar)

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er hatte handfestere probleme vor augen, als er erstmals seit der französischen besatzung von 1798 das volk zwischen rathaus und traube versammelte. er selber war an diesem oktobertag 1830 31jährig. und er war ausgebildeter theologe.

seine familie war zwar angesehen, aber verarmt. das geld für ein studium hätte nie gereicht. zusammengestanden sei man im dorf. die wenigen wohlhabenderen bürger hätten die studiengebühr gemeinsam aufgebracht; örtliche selbsthilfe wies ihm den weg ans carolinum in zürich.

als pfarrer wirkte er in einer anderen gemeinde. aber die beziehungen zu seinem heimatort gab er nie auf. er kannt den alemannischen dialekt, den man hier sprach. er kannte auch die sprache des volkes, zu dem er gehört hatte. und er brachte dieses weltbild in eine lokale zeitung. selbst volkstheater schrieb der pfarrer, um mit den bauern zu kommunizieren, um sie zu von seinem programm zu überzeugen, um sie für die rebellion zu gewinnen!

***

jetzt wird es tumultös. es bricht der 22. oktober an. nicht der von 2007, sondern der von 1830.

die ideen der zweiten französischen revolution, der liberalen, die im juli des jahres in paris ausgebrochen war, erfasst das ganze dorf. die menge auf dem rathausplatz wird zum politischen faktor!

öffentlichkeit will man; keine geheimräte mehr.
gewaltentrennung verlangt man; von den dorfkönigen auf ihren pfründen hat man genug.
direkte wahlen, in denen sich der volkswille äussern kann, erhebt man zum neuen prinzip; denn die ernennung von politikern sicherte immer nur die alte macht.
auch das petitionsrecht erkämpft man sich, um den behörden, die man selber bestellen wird, vorzugeben, was das politische programm sei.

“über die verbesserung der staatsverfassung” ist das traktat betitelt, das hier entstand und die rebellische volksbewegung inspirierte.

zum ehrenmitglied des grossen rates erhob ihn das volk deshalb – und die aristokratie gab nach! dass pfarrherren im parlament gar nicht zugelassen waren, scherte niemanden mehr. man war jetzt ganz auf erneuerung aus. regeneriert werden sollte die sklerotische politik.

doch sein weg in die politik war hart. es wurde missachtet, man drohte ihm. sogar nach dem leben trachtete man ihm!

das aber war definitiv zuviel. jetzt redigierte das volk erstmals selber seine verfassung! es wartete nicht mehr auf einen befeier wie napoléon. es brauchte auch keine tanzenden diplomaten, wie jene bei metternich, die politik nur deshalb betrieben, weil sie so ihre privilegien schützen wollten.

jetzt wollte man freiheit! das volk sollte definitiv aus der knechtschaft entlassen werden. dafür war man revolutionär!

aber nicht doktrinär. offen für neues war man, offen für veränderungen wollte man werden, offen für den fortschritt, der allen zu gute kommen sollte.

man setzte die eigene verfassung, die von ihm in diesem geist geschrieben worden war, in kraft!

***

ich werde verdankt. der vortrag scheint gefallen zu haben. ich erhalte einen blauburgunder aus der region, das gefällt. und ich bekommene ein käse, “bonaparte” steht oben drauf. weiter so, denke ich mir!

beides schmeckt noch am gleichen abend gut, an dem ich über geschichte und gegenwart nachdenke …

***

zwischen der traube und dem rathaus steht heute ein brunnen. das wasser fliesst ununterbrochen, als wollte es sagen: “ich bin der ewige jungbrunnen!” darauf steht heute eine statue aus stein, als wollte sie sagen: “und ich bin der garant für die dauerhafte erneuerung!”

ganz unten ist eine tafel angebracht, mit der man ihm für seine grossartige tat in weinfelden dankt: ihm, thomas bornhauser!


der stadtwanderer in ungewohnter umgebung in voller aktion (foto: stadtwanderer, anclickbar)

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ich wiederum, danke den veranstaltern, mich eingeladen zu haben, – und ich danke rebell.tv, mich an die geschichte von thomas bornhauser, den grossen politiker aus dem thurgauerdorf, erinnert zu haben.

es machte spass, gleichzeitig zu arbeiten und zu sinnieren!

stadtwanderer
(im thurgau)

die sichtweise des thurgauer tagblattes

mit den füssen denken

wie oft gehen wir durch häuser, über plätze, durch türen, und über land oder durch gassen, ohne zu realisieren, was um uns herum ist?
wie oft übersehen die kunstwerke im öffentlichen raum, leise botschaften der architektur, verwinkelte gedankengänge der stadtplanung?
wie oft sie unseren sinnen geräusche, farben, düfte, aber auch geschmack und wärme egal?
wie oft leben wir unsbewusst?

stadtwanderer wissen um die antwort: oft, zu oft, ja, viel zu oft!


hilfsmittel der empfingung und des intellekts: die füsse sind beim sinnlichen stadtwandern entschidend!

stadtwanderer haben nicht nur gute schuhe. sie brauchen auch ein cleveres köpfchen. sie begehen mit ihren füssen kulturräume, die sie sich so auch mit ihren sinnen erschliessen und mit ihrem intellekt ein grösseres ganze einordnen. stadtwandern heisst: die füsse aktivieren, den körper öffnen und den geist einsetzen! stadtwandern ist ganzheitlich: es ist gehend beobachten, – und es ist für den füssen denken!

bericht von der ersten offen stadtwanderung

gestern war die erste offene stadtwanderung. keine feste gruppe, nur interessierte: es hatte zahlreiche gäste. es kamen aus der flickr-szene litscher und seine frau heidi sowie jungle jill, der mittelalterverein thun war durch christian und heinz vertreten, simon, der sohn des scharfrichter und seine partnerin, die historikerin christine waren dabei, rosalina, die soziologin des öffentlichen lichts in bern erhellte uns, und hans hirter, mein berufskollege im arbeitsalltag wanderte mit. andere wiederum wären gerne gekommen, hatten aber keine zeit; doch sie wollen ein ander mal dabei sein. ih freue mich jetzt schon auf sie!

das klima in der gruppe war toll. man kannte sich anfänglich nicht, doch man wuchs zum team zusammen. gelegentlich bannte dieses gespannt den ausführungen, dann machte die augen wieder eigene entdeckungreisen. man unterhielt sich, half sich aus, wo mal etwas nicht verstanden worden war, oder machte seine kommentare über die ausführungen des vor-stadtwanderers!

am ende war der komplett geschafft. sein körper war müde; sein geist jedoch inspiriert! genau das war das ziel. er hatte sich die grosse stadttour vorgenommen, und mit einigen ausnahmen auch durchgezogen. 8 stunden, nur durch einerkaffee- und eine mittagpause unterbrochen, sind ein starkes stück!

das wetter spielte mit; der morgen war angenehm kühl, der nachmittag ausgesprochen heiss. der wald an der aare hatte uns am morgen vor früher hitze geschützt; die steinstadt gab sie uns am nachmittag unerbitterlich zurückgegeben.

wir sind zuerst hinab gestiegen an die aare, gleichzeitig auch in die tiefenstrukturen des berner raumes. wir haben dann holztreppen erklommen, so wie in dezenten der gründungsstadt. wir haben den zähringischen gründungsplan rekontruiert, und die erweiterungen der mittelalterlichen stadt gesehen. wie sind über pflastersteine gewandert, wie die menschen, die nach der grossen pest noch lebten. und wir haben, wie das seit der automobilisierung üblich geworden ist, die gehsteige und teerstrassen benutzt.

wir waren in adeligen und bürgerlichen vierteln, wir genossen die atmosphäre der lauben. wir waren im klösterli-revier und in der franzosenkirche. der stadtwanderer stand auf dem rathaus und empfahl dem publikum auf dem platz davor: „bern, du hast ein mission, nutze sie!“. wir haben gesehen, wie verschieden dies der landadel, der einheimische geldadel und die fremden kaufleute das in bern gedeutet und symbolisiert haben. und es ist niemandem entgangen, wie diskret der heutige alter reichtum in bern heute gezeigt wird.

schliesslich haben wir wandmalereien bestaunt, katholische und reformierte, authentische und inszenierte. die moderne öffentlichkeit hat sich uns so erschlossen, bis wir vor restaurants dürstend, das finale im regierungsbezirk der bundesstadt erreicht haben. auch ohne eigene zeitung, die zwischenzeitlich anders wohin verkauft worden sind!


erste offene stadtwanderung (foto: litscher, anclickbar)

das stadtwandern war mehr als ein nicht touristischer fussmarsch durch bern. es war auch eine vorgestellte zeitreise. 1500 jahre ereignisse über und in bern, aufteilt auf 8 stunden und 30 stationen. das gibt 15 minuten pro station realzeit und 50 jahre geschichtszeit pro station. das sind im wahrsten sinne des wortes geschichten am laufmeter!

sie alle, die persönlichkeiten, die im berner raum geschichte geschichte geschrieben haben, kamen vor: albert einstein, emil theodor kocher, charles-albert gobat, könig gundobad, könig brunichile, kaiserin judith, könig rudolf II. von burgund, seine gemahlin, königin berta, natürlich auch ihre tocher, kaiserin adelheid, papst gregor vii. könig heinrich iv., herzog berchtold von zähringen, kaiser friedrich II., comte pierre de savoie, könig rudlof von habsburg, könig adolf von nassau, kaiser karl iv., könig sigismund der ungarn und deutschen, papst martin v., cuno und adrian von bubenberg, niklaus und wilhelm von diesbach, bortolomäus may, huldirch zwingli, niklaus manuel, könig louis xiv., die schultheissen aus dem geschlecht der von graffenrieds, cahterine de wattwyl, samuel henzi, julie bondeli, général napoléon bonaparte, philipp albert stapfter, carl ludwig von haller, sowei ludwig und wilhelm snell. Viele andere müsste man auch nennen, doch muss ich sie auf eine andere tour vertrösten!

gerstern ging um keltische wurzeln in der zivilisation des aareraumes, aber auch um römisch-imperiale herrschaft. es mischten sich die burgunder und die alamannen aus der völkerwanderungszeit mitein. und es triumphierten vorübergehend die könige und kaiser der franken. doch deren herrschaft war nicht von daurer, und in ihrer folge tobte die anarchie des adels: die welfen stiegen im hochburgundischen auf, die zähringer drangen ins aaretal ein, die savoyer markierten gegenwehr von südwesten. selbst die habsburger hinterliessen ihre visitenkarte, bevor frankfurter bankiers einen neuen deutschen könig finanzierten, der sich auf die seite der austrebenden städte stellte: jetzt kam die hochzeit der stadtritter, der junker, dann aber auch der pensionsempfänger, des geldadel, der grosskaufleute von nah und fern. die handwerken, die klosterfrauen und die einfachen leute blieben in bern fast immer ausgeschlossen, und so war auch die reformation in bern keine bewegung der gläubigen menschen, sondern ein staatsakt von oben. dieser stellte die macht der schultheissen und söldnerführer auf eine neue basis, und mächtige, orthodoxe pfarrherren verfügten gelassen über schwache intellektuelle kritikerInnen.

da war napoléon unauseichlich, um einen bruch zu vollziehen mit der geschichte und die bürgerliche revolution in bern von oben her zu inszentieren. jetzt kam bewegung in die sache: wer kann die bauern auf seine seite ziehen, und wie kontrolliert man die arbeiter. burger und bürger finden sich jetzt zum zweckbündnis zusammen, doch es gelingt ihnen nicht, die macht der demokratischen linken zu kontern. alle geschichte ist vergeblich: alex tschäppät regiert die stadt bern 2007!

erste auswirkungen der gestrigen tour

der eine, die andere hatte während der stadtwanderung sein/ihre aha-elebnisse: christian, der doktor des spätmittelalters bekannte sich zu seinen wissenslücken im frühmittelalter; eingefleischte berner wie hans hörten zum ersten mal von lombardischen kaufleuten in bern; heidi will sich hinfort nur noch adelheid nennen; andy wird unentwegt und bewusst zwischen alemannien und burgund pendeln; irene grübelt nicht nur in baustelle des bahnhofs, sondern auch in ihren hugenottischen wurzeln; heinz versucht, seine oberländer familiengeschichte über das 15. jahrhundert hinaus zurückzuverfolgen, und rosalina wird die geschlachtete königin brunichilde feministisch rächen! der sohn des scharfrichters und seine christine schliesslich kündigten an, am 30. oktober mit einem neuen theater bern als bühne verzaubern zu wollen.

dieses datum ist schon fast programm: das keltische jahr geht dann zu ende; es beginnt ein neuer zyklus. der winter soll die menschen nach innen richten und stärken, damit sie nächsten sommer kraftvoll nach aussen leben können. das gefällt mir an diesem tag besonders gut: denn der name bern hat meines erachtens keltische wurzeln, und mein schlitz. das ist der ort, wie die aare an der nydegg durch zwei unverrückbare felsen muss. und auch der bärenkult ist keltisch: die göttin artio, die man aussehalb der stadt in muri gefunden hatte, beherrscht eine bärin. die zähringern haben also weder den bären nach bern gebracht, noch den namen der stadt erfunden. nur ihrer historiker haben uns einen solchen bären aufgebunden! die zähringer haben vielmehr die untergegangene gallorämische stadtkultur im aareraum mit neuem sinn erfüllt, der uns noch immer leben urbane leben ermöglicht.

immerhin! sag ich da, und gar nicht schlecht, soviel erkenntnis durch denkende füsse, füge ich noch an …

stadtwanderer

die merkmale des zähringischen stadtplanes

“ums himmels willen! wenn nicht die lauben, was macht dann die zähringerstädte aus?” diese frage habe ich die letzten tage ein paar mal direkt gestellt bekommen. auslöser war mein beitrag über die berner lauben, die nicht zähringischen ursprungs seien, sondern an die savoyer in bern erinnern würde, deren herrschaft über stadt und (nahes) land zwischen überwunden wurde.


stadtplan des berner stadtzentrums: die zähringerstadt ist in der rechten flussschlaufe und reichte nach westen bishin zum heutigen theaterplatz resp. kornhausplatz

die prinzipen der zähringer stadtgründungen

françoise divorne, professorin an der école d’architecture in versaille, eine kennerin der zähringer städte, die mehrere bücher hierzu publiziert hat, nennt ganze eigenschaften. zähringisch ist nach ihr auffassung:

. die burg des stadtherrn liegt nicht in, sondern ausserhalb der stadt.
. die marktstrasse bildet die hauptachse.
. der stadtgrundriss entsteht aus einem rasterplan.
. die parzellierung der steht ist zweistufig: hofstätten und hausplätze sind die einheiten.
. es gibt keinen zentralen platz.
. die wasserversorgung der stadt erfolgt über einen stadtbach mitten in der marktgasse.
. es fehlt eine stadtmauer.

mehr oder minder findet sich das in den zähringischen stadtgründungen von 1120 in freiburg im beisgau bis 1191 in bern.$

die anwendung auf die zähringerstadt in bern

die burg der zähringer ist in bern nicht mehr sichtbar. sie stand einst dort, wo heute die nydeggkirche steht. das denkmal mit berchtold V. steht, nach einer odyssee durch die stadt heute auf dem platz. der brunnen in seiner nähe ist das letzte gut sichtbare relikt aus der zeit der stadtgründung. für eine stadt mit römischen wurzeln wäre diese eigenschaft der zähringerstädte unvorstellbar, niemals hätte ein römischer stadtherr nicht an zentraler lager residiert. bern, burgdorf, thun und murten – die letzten drei zährignerstädte haben alle ihre burg noch – belegen aber diese eigenheit der zähringer deutlich. in bern kommt hinzu, dass die stadt, burgum genannt, sogar über der burg lag. sie war aber durch einen graben getrennt, der erst später zwischen dem platz der nyeggkirche und dem stadteingang bei der marktgasse aufgeschüttet worden ist.

die zähringerstadt reichte bis zum heutigen zytgloggenturm, der wiederum an einem graben lag, der heute aufgeschüttet ist. die verbindung zwischen ein- und ausgang des burgums wurde soweit möglich gerade angelegt. links und rechts wurden hofstätten mit dem berner fuss (nur 29,3 cm und damit kürzer als viele andere füsse) abgesteckt. 60 fuss mass die breite, 100 fuss die tiefe. das galt in der ganzen statt. die einzige, heute noch ungeteilt hofstatt ist die, auf der der erlacherhof heute steht, ursprünglich dem locator, der stadtbauer cuno von bubenberg gehörte. alle anderen hofstätte sind heute unterteilt in hausparzellen.

die starre parzellierung des stadtboden führte zum rasterplan. zähringerstädte sind, wo es die topografie erlaubt, rechtwinklig. im rechtecke werden sie durch die längs- und querstrasse in form eines kreuzes strukturiert. rund herum werden weitere strassen gezogen, die das rechteck bilden, um die herum es nochmals eine reihe von parzellen gibt. dieses prinzip ist in bern fast lückenlos durchgezogen worden. nur die brunngasse bildet hier eine gut sichtbare ausnahme, was immer wieder zu spekulationen führt, sie sei älter als die stadt selber.

die breite marktgasse ersetzte in den zähringerstädten den sonst typischen zentralen platz in städten. den gab es in bern nie. die richtstätte des stadtherrn, sei es der könig gewesen oder sein stellvertreter, der schultheiss, auf der über leben und tod entschieden wurde, war mitte auf der marktgasse, und zwar leicht östlich von der stelle, wo die kreuzgasse die marktgasse quert. einen festen richtstuhl gab es in bern nie; er wurde immer nur bei bedarf auf-, dann wieder abgebaut.

der markt selber, mit dem butter-, fisch- und fleischmarkt, verteilte sich über die ganze marktgasse. er bestand aus speziellen ständen, die über dem stadtbach angelegt wurde. dieser wurde nach den erfahrungen, die insbesondere in den zisterzienserklöstern, wie jenem auf dem frienisberg gesammelt wurden, speziell angelegt. zu- und abflüsse waren künstlich, durch die ableitung des sulgenbachs von köniz nach bern. ursprünglich verlief die zentrale wasserversorgung in holzkanälen, später in steinbauten. der stadtbach selber ist in bern seit jüngster zeit wieder zu sehen.

die zähringer bauten ihre städte am liebsten an natürlich geschützten stellen. die flussschleifen in fribourg, aber auch in bern sind ausdruck davon. sie umgeben die stadt, und machen sie damit auch ohne stadtmauern sicher. bern hatte zunächst keine stadtmauern, und genau das war für eine zähringerstadt typisch. dort, wo später die savoyer die zähringerstädte übernahmen, wurden die offenen städte durch mauern umgeben. das war in bern ab den 1250er jahren der fall. die grössten stadtmauern wurden erst im 17. jahrhundert, während des 30jährigen europäischen krieges angelegt, und sie wurde zu beginn des 19. jahrhundert abgetragen, um die stadterweiterungen zuzulassen.

unesco-welterbe bern: die vollendste zährignerstadtgründung

keines dieser merkmale ist exklusiv für zähringerstädte. ihre kombination aber schon. sie findet sich eigentlich überall dort, wo die topografie die neugründung einer stadt nach klaren prinzipien zuliess. bern gilt dabei als die vollendeste der zähringischen stadtgründungen, und die meisten der genannten merkmale sind bis heute sichtbar. das hat der stadt denn auch die aufnahme in unesco-welterbe gebracht.

stadtwanderer

guten morgen bern!

morgen ist es soweit: die erste offene stadtwanderung findet statt. hier noch das nötigste, das spannendste und das motivierendste!


mit vollem elan durch bern und seine geschichte (foto: stadtwanderer)

das nötigste in kürze

es gab anmeldungen. und es gab abmeldung. wir sind aber eine stattliche gruppe. es kann losgehen.

wenn der wettergott mitspielt, wandern wir morgen durch bern. die zeichen sind gut. ein paar versprengte regentropfen würden uns nicht abhalten. ein landregen schon. stadtwandern macht dann nicht so spass!

start ist um 0915 bei zytgloggentrum. nicht weil es eine touristische führungen werden soll. sondern weil es das zentrum der stadt ist. zeit und fuss werden hier seit dem 15. jahrhundert als zeichen der herrschaft berns über das bernerland für alle sichtbar festgelegt. zeigt esch zeigt!, ist das motto.

das programm steht, die 30 stationen der wanderung sind bestimmt. ich habe meine raumgeschichte memoriert, und ich werde meine gäste durch 1500 jahre geschichte führen, aber auch durch die stadt bern. fertig ist die tour um 17 uhr, dann werden wir alle geschafft sein! ich auch …

für essen am mittag ist gesorgt. der kronenwirt hassan macht eine piccata milanese.

das spannenste in anspielungen

pikantes à la bernaise gibt es den ganzen tag durch: jede station repräsentiert eine epoche, an jeder station geht es auch um eine personen oder familie die in der berner geschichte für furore gesorgt hat!

zum beispiel um die von graffenrieds, die ja jüngst wieder im zentrum der emotionen standen, als sie ihre gesamte herrschaft über den öffentlichen zeitungsraum nach zürich verkauften. sie retten sich mit dem argument, es nicht nach deutschland verschachert zu haben.

das wird sicher noch zu reden geben, – auch an der stadtwanderung.1353 waren die berner junker noch etwas standfester. und auch die bürger waren selbstbewusster. 1353 sind sie der eidgenossenschaft beibetreten, weil die innerschweizer und die züricher zwei jahre zuvor einen pakt eingegangen waren, der folgendes bestimmte: das ganze gebiet der rechts der aare ist hoheitsgebiet der eidgenossen. gibt es streit, beispielsweise in burgdorf oder bolligen, betrachten es die urner, die schwyzer, die unterwaldner, die luzern und eben auch die züricher als ihre sache, für ordnung zu sorgen.

eine solche einmischung aus der innerschweiz war für bern nicht so schlimm, denn die landsleute aus den voralpen hatten 1339 auch in laupen tatkräftig mitgeholfen. gegenüber den zürchern blieb aber soviel skepsis, dass man seinerseits mit den innerschweizer einen “ewigen” bund schloss, und die aufmarschgrenze, wie sei den burgundertagen auf die reuss limitierte, – beidseits.

man stelle sich vor: links der reuss die bz, rechts der reuss den tagi. rechts herr kall, und links der nachfolger von charles von graffenried.

genau den hat damals gegeben, heute nicht mehr! so, dass ist der wandel der zeiten, von 1353 bis 2007.

das motivierende am schluss

doch das war nur der vorgeschmack auf morgen; mehr sage ich heute nicht! jetzt sage ich nur noch: kommt, kommt mit, auf die einmalige tour …

gute nacht, bern!, füge ich noch an. noch einmals schlafen, und dann voller elan aufstehen!

stadtwanderer

wie die berner lauben entstanden

lieber harry

eigentlich ist das ganz einfach:

stell dir ein holzhaus vor, das an die strasse gebaut wird.

nun stell dir zu diesem holzhaus einen vorbau vor, der aus stein besteht, und auf die strasse hinaus gebaut wird. diese wird dadurch enger. das haus aber wird grösser.


nirgends in bern sieht man die beiden häuserfronten besser als hier in der postgasse. die alte (heute aus stein) ist die hintere, die neue, die schon immer aus stein war, entsteht durch den anbau nach vorne in richtung strasse (foto: stadtwanderer)

nun erweitert der steinanbau das haus aber erst ab dem ersten stock. auf der strasse ebene (parterre) gibt es nämlich einen durchgang, – eben die laube.

die laube selber gibt durch rundbögen auf die strasse; sie hat zum holzhaus fenster, manchmal auch läden. diese sind aufzuklappen, sondern runterzuklappen.

nun kann man, an regentagen, wie heute, so ganz gut, den laden als verkaufsfläche benutzt. gut geschützt vor wind und wetter.

die holzhäuser selber bleiben, wenn sie nicht niedergebrannt sind, bestehen. jetzt haben sie aber eine verschalung nach aussen bekommen, die aus stein ist.

ich füge noch eine foto bei, die den anbau illustriert, – auch wenn das holzinnenhaus zwischenzeitlich auch ein steinhaus geworden ist.

so sind die berner lauben als erweiterung der alten holzhäuser durch steinabauten im 15. jahrhundert entstanden!

stadtwanderer

berns savoyische lauben

bern ist eine zähringerstadt. und bern hat lauben. also, sagt der volksmund, sind die lauben zähringisch. und er irrt sich damit!


berner lauben, unverändert ein attraktion für einwohnerInnen und fotografinnen (quelle: „flickr_berner_lauben“)

die stadt bern und der savoyer adel

natürlich, die erstes stadtgründung erfolgte durch die zähringer 1191. 1218 starb das südschwäbische herzogsgeschlecht jedoch aus, und bern wurde eine reichsstadt, die dem deutschen könig unterstand. 1254 kam es im reich zur grossen krise. die dynastie der staufer fand auf dem kaiserthron ihr ende; das berühmte “interregnum” begann.

die grafen von savoyen waren die grossen nutzniesser dieser zeit. von ihrem hauptsitz in turin aus hatten sie sich über schloss chillon und moudon ins waadtland vorgearbeitet. links der aare und der saane waren sie nach den zähringer tonangebend. 1255 wird peter von savoyen sogar berner stadtherr; die grafen von kyburg, die auf der rechten seite der aare begütert waren, hatten das nachsehen. peter baute die zähringer-stadt gehörig um: er erweiterte sie um die “savoyerstadt”, der zweiten stadtgründung, zwischen zytgloggen- und käfigturm. er umgab sie mit einer stadtmauer und der liess die fähre in der nydegg durch einen brücke, die vorläuferbrücke der heutige untertorbrücke, ersetzen.

ihren machtanspruch über bern konnten die zähringer nach dem tod von graf peter von savoyen 1268 nicht halten. die habsburger eroberten bern, doch nutzte könig rudolf von nassau sein kurze regierungszeit, um die städte im reich zu stärken. er machte bern 1294 wieder zur königsstadt, mit dem auftrag, das obere aaretal im namen der königs zu verwalten.

1298 werden die savoyer definitiv aus der stadt vertrieben; links der aare und der saane blieben sie aber.im westlichen mittelland betrachteten sich die savoyer grafen aber unvermindert als reichsstellvertreter, die über lokale freiherren geboten. und wo sie selber nicht aktiv waren, setzten die vasallen des königs untervasallen der vasallen des königs ein!

1378, mit dem tod von kaiser karl iv., der gleichzeitig auch letzter könig von burgund und damit gebieter über die savoyer und die berner gewesen war, änderten sich die machtverhältnisse im aaretal. bern setzte nun zum grossen siegeszug an, vorerst gegen die grafen von kyburg im vorderösterreichischen gebiete ziwschen aare und reuss, dann aber gegen die grafen von savoyen.

1475 erklärte man dem nachbarn savoyen sogar den krieg, der auf den schlachtfeldern von gradson, murten und nancy zum europäischen krieg zwischen den herzögen von burgund und der eidgenossenschaft avancierte. das ergebnis ist bekannt: die eigenossen, angeführt von bern, gewannen; und die gräfin von savoyen erlitt eine böse niederlage. 1536 beetzen die berner und freiburger die weitgehend herrschaftslos geworden waadt,- und verdrängten damit die savoyer nach über 300jähriger herrschaft aus dem westlichen mittelland.

angefangen hatten die streitigkeiten zwischen bern und savoyen 1410, als es um oltigen ging. der ort war seit jeher von strategischer bedeutung. denn er ist der östliches flussübergang nach dem zusammenfluss von aare und saane. hier konnte man, als es vielerorts noch keine brücken gab, die beiden grössten flüsse im westlichen mittelland relativ gefahrenlos auf einmal überqueren.

1410 war oltigen immer noch unter savoyischer oberhoheit. reichsrechts wurden durch die grafen in turin wahrgenommen. verwaltet wurde das stdtchen aber von günstlingen. an der reihe waren kleinadelige aus montbélliard in der burgundischen freigrafschaft. und sie waren unbeliebt!

in diesem jahr brach ein volksaufstand aus. die burg der savoyer wurd gebrochen. ihre herrschaft rechts der aare zerfiel. bern vermittelte zuerst, übernahm dann aber die faktische führung. bern zahlte savoyen noch 5000 gulden als entschädigung und betrachtete den aareübergang als bernisch. um die rückkehr der savoyer, die unvermindert über murten herrschten, zu verhindern, löste man die grafschaft oltigen auf, und bestimmte man bern als sitz eines bernischen landvogtes.

berns aufstieg im 15. jahrhundert

zu beginn des 15. jahrhunderts löste bern savoyen im aaretal ab. was mit der reformation seinen höhepunkt haben sollte, begann in dieser zeit.

in der stadt selber gab eine massive umwälzung. 1405 hatte die holzstadt wieder einmal gebrannt. doch jetzt baute man sie nicht mehr im hergebrachten sinne auf: der stein hielt einzug in die stadt. das neu rathaus, das heute noch steht, wurde so gebaut. die wichtigen strassen wurden gepflästert.

man erweiterte auch die hausfassaden. die holzmauern blieben zwar bestehen, doch baute man nach 1405 vorhäuser auf die strassen hinaus. und diese waren aus stein. der stein war es auch, der es jetzt erlaubte, unter die vorhäuser arkaden zu bauen. diese boten der stadt neue geschäftsmöglichkeiten, was in allen gassen beliebt war.

nun sind genau diese arkaden, auf gut berndeutsch lauben genannt, savoyischen ursprungs. turin ist nach wie vor eines der grossen zentren der arkadenstädte. gebaut wurden sie in turin zu zeiten der savoyer. und in bern entstanden sie just in der zeit, der sich bern über savoyen im westlichen mittelland zu erheben wagte.


bern lauben: alles andere als zähringisch; vielmehr erinnern sie an die nähe berns zu den turiner herzögen von savoyen (quelle: „flickr_berner_lauben“)

meine these zu den berner lauben

meine these ist die: architekturgeschichtlich gesehen haben die berner lauben gar nichts mit den zähringern zu tun. vielmehr sind sie eine kopie der savoyischen stadtarchitektur. herrschaftsgeschichtlich fällt die einführung von lauben in bern genau in die zeit, als man sich von savoyen definitiv zu emanzipieren trachtete.

entwicklungsgeschichtlich erinnern die lauben nicht an die zähringische stadtgründung, aber an die ablösung von der savoyischen einflussnahme. man sah sie auf gleicher augenhöhe, und man hatte jetzt seine eigenen lauben.

auch wenn das beim spazieren unter den lauben gerne vergessen geht.

stadtwanderer