mit euren favoriten unterwegs (juli 2007)

süss-saure gurkenzeit! – so war auch mein schweden in diesem sommer. gemischtes wetter, etwas gemischte gefühle und gemischte gurken!


kitsa sakurako

auf die produktion des stadtwanderers hat sich dies kaum ausgewirkt. ich habe fleissig aus dem norden berichtet und auch einen abstecher nach böhmen mitintegriert. doch die nutzung war gemischter als sonst: geringer in der zahl, dafür teilweise kreativ in der auswahl.

gratulation all meinen treuen sommergästen!

vor allem die nutzung der rubriken hat sich stark verändert. wenn ich nicht in bern bin und stadtwandere, ist die stadtkolumne und jene zur geschichte offenbar kaum mehr von belang …

was dafür eure favoriten waren, sieht man hier:

top-beiträge

1. (unverändert)
mit meinen neuen favoriten unterwegs (oktober 2006)
zirka 2’350 direktviews
blogosphäre, aktualität, kommunikation

2. (vormals 4)
auch aristoteles wäre für den berner baldachin gewesen
zirka 570 direktviews
bern, politik, bahnhofplatzumbau, philosophiegeschichte

3. (neu)
mein barbora-tag
zirka 520 direktviews
geschichte, europa, mein leben

4. (vormals 3)
meinstein (3): was während einsteins berner jahre geschah
zirka 730 direktviews
einstein, bern stadt, geschichte

5. (vormals 2)
räume sehen und lesen lernen
zirka 369 direktviews
geschichte, zeit&raum, buchbesprechung

6. (vormals 7)
ode ans kopfsteinpflaster (politologie der pflasterstein)
zirka 330 direktviews
pflasterstein, politische kultur, politische symbolik, stadt bern

7. (erneut)
graffiti-city
zirka 300 direktviews
einstein, bern stadt, geschichte

8. (erneut)
das beginnt ja schlecht
zirka 290 direktviews
alltag, kommunikation, sog. hauptstadtfrage

9. (neu)
der berühmteste berner, der heute geburtstag h…
zirka 230 direktviews
politik, kommunikation, schweiz/suisse

10. (neu)
berns stadtheiliger
zirka 200 direktviews
bern stadt, geschichte, juden

top-rubriken

1. (vormals 9)
einstein
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einstein, berner jahre, stadtgeschichte zur zeit der technisierung

2. (vormals 6)
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was letztes jahr am meisten gefiel

3. (erneut)
buchbesprechungen
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kultur, kollektives bewusstsein, mentalitäten

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wo ich überall war und was mir gut gefallen hat

5. (neu)
mein leben
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was mich geprägt hat

6. (vormals 3)
alltag
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alltag, leben heute, was mir so geschieht

7.(vormals 2)
bern_stadt
zirka 280 direktviews
bern stadt leben geschichte politik alltag

8. (vormals 4)
burgund/bourgogne/burgundia
zirka 250 direktviews
burgund, bourgogne, burgundia, burgund in der schweiz

9.(neu)
mit meinen favoriten unterwegs
zirka 230 direktviews
europa, geschichte, politik, kultur

10. (neu)
flickr
zirka 220 direktviews
meine fotos, foto community

stadtwanderer

nachtrag: das internet cafe von ekshärad (dagens nyheter, letzter teil)

die sommerferien sind vorbei. das ist die zeit der erinnerungen. eine will ich zu meiner serie “dagens nyheter” (tagesneuigkeiten) nachtragen: jene an das internet cafe von ekshärad.


das internet cafe von ekshärad: heimelig integriert ins angebot des lokalen tourismusbüros (foto: stadtwanderer, anclickbar)

ich habe das internet cafe schon das zweite jahr benutzt, und ich bin sehr froh darum. in holzhausen haben wir keinen internetzugang. bisweilen habe ich auf meinem ältesten notebook, das im urwald dabei bei, notizen gemacht oder ganze bericht geschrieben. bisweilen sind sie im internet cafe direkt entstanden. ausser, dass ich keine fotos hochladen konnte, hat alles wunderbar geklappt.

die einrichtungen sind, wie fast alles in ekshärad, äusserst einfach. 3 compis stehen einem zur verfügung. einer ist an den lokalen drucker angeschlossen, einer hat eine usb-schnittstelle, und einer funktioniert ganz einfach für sich. aber alle bieten einem den zugang zur gesamten internetwelt. dank ihnen bleibt man verbunden. connected! und mit frischer cola versorgt.

dem gesamten personal, das dieses jahr neu war, ein herzliches danke schön. der waldwanderer hätte seiner kleinen leidenschaft während seinen sommerferien nicht frönen können.

waldwanderer
(der sich definitiv im urwald versteckt)

mehr bilder aus dem norden (“alben&sammlungen: schweden” anclicken)

die ganze serie dagens nyheter:
tiomilaskogen (der 10-meilen-wald)
allemannsrätt (das gemeingebrauchsrecht)
se pa mig, taenk po dig (sieh mich an und denk an dich!)
wieder zurück
digerdöd (pesttod)
jedem gps überlegen: unsere schwalben
fälschlicherweise vorveruteiltes schweden
smörgasgurka (schwedengurken)
in sven-eric’s land

tiomilaskogen (10-meilen-wald) (dagens nyheter, 9. teil)

der schwedische wald zwischen hagfors im süden und malung im norden hat einen eigenen namen. tiomilaskogen nennt man ihn, den 10-meilen-wald. und er verdient diesen namen, denn er gehört in der weiteren umgebung zu den grössten, zusammenhängenden wäldern. dabei darf man die schwedische meile nicht mit der amerikanischen verwechseln. keine 1609 m lang ist sie, sondern glatte 10 kilometer. oder anders gesagt, tiomilaskogen ist der hundert-kilometer-wald.


übersicht über den 100-kilometer-wald, in dem seit 2004 das grösste kulturfestival der region stattfindet; 2006 nahmen mehr als 6000 besucher an den ausstellung, konzerten und treffen teil.

mitten drin liegt holzhausen, wo wir, wie schon so oft, unsere schwedischen sommerferien verbracht haben. natürlich heisst holzhausen in tat und wahrheit nicht holzhausen. vielmehr hat der malerische ort seinen schwedischen namen. den sage ich aber nicht. das pseudonym erhielt er, um unerkannt zu bleiben. denn es war ein kompromiss zwischen bloggen während den sommerferien und wahrung der anonymität, die so schwindet.

dass ich hier zum abschluss über den tiomilaskogen berichte, hat einen ganz anderen grund. in den letzten jahren hat sich die bevölkerung des waldes, die administrativ zwischen värmland und dalarna getrennt lebt, aufgerafft, einmal im jahr einen grosses gemeinsames fest zu begehen. gefeiert wird am letzten wochenende im juli, und das wohl nicht aus zufall: in vielen frühen zivilisationen markiert die wende ende juli, anfangs august häufig auch den moment, wo man mit dem ernten beginnt. wenn es einmal richtig regnet, ändert auch das klima. der wind wird herbstlich, die vögel ziehen in den süden, und die birken verlieren ihre ersten gelben blätter. das alles feiert man!


erste eindrücke vom kulturfestival im tiomilaskogen: kunstproduktion, elchessen, eisenherstellung und natürlich promi lars mortimer, der unser hälge-buch widmet (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

wenn die schweden durchs jahr eher introvertiert sind, dann kehren sie bei solchen gelegenheiten wie dem fest im 10-meilen-wald ihr ganzes leben nach hausen. jedermann und jedefrau zeigt sich. es passt niemand. sind die strassen sonst häufig menschleer, hat es an diesem wochenende plötzlich autos vor dir, hinter dir und im gegenverkehr. doch man zeigt nicht nur sich und seinen waagen. an diesem fest stellt man gut und gerne auch die ganze sitzkombination vom wohnzimmer in den garten. auf der wiese stehen sie dann, das sofa, die sessel und der esstisch. und alle sind geladen, sich zu setzen. die gewagtere variante ist, dass man gleich ein kleines gasthaus für ein wochenende eröffnet. auf der veranda oder unter einem baldachin serviert man dann herrliche gerichte des nordens, etwa älg, elch, mit schwedischen kartoffeln, preiselbeeren und einer sämigen sosse. und ein wenig cassissaft dazu.

die leute kommen bisweilen von weit her am kulturfest des 10-meilen-waldes. von stockholm oder anderen städten, wo sie wohnen und arbeiten, treffen sie ein. denn sie haben im 10-meilen-wald ihre heimat. ihre grosseltern lebten dort, ihre eltern besassen noch deren haus, und jetzt schaut man im sommer nach ihm. und es kommt auch prominenz ans fest. der bekannteste teilnehmer ist meist lars mortimer. in schweden kennt ihn ein jeder und eine jede. kein tag vergeht, ohne dass er seine ketzerischen karikaturen von elchen zeichnet, und mit schöner regelmässigkeit ihre jäger verulkt. seine elche sind wahre persönlichkeiten: sie sind mal aufgeweckt, mal schlapp. sie spielen auf der ganze klaviatur der gefühle, sind sind beherrschend und erwarten mitleid. auf jeden fall sind sie aber viel, viel intelligenter als jeder meint. sie können einfach fast alles, sicher viel mehr als die jäger. so raffieniert diese auch sind, sie werden ein jedes mal überlistet.


typisch lars mortimer: sein hälge siegt in jeder situation über seine jäger.

lars stellt einige seiner karten, posters, und orginale seiner comis in einem einfachen stall, der eilends gesäubert wurde, aus. er kommt mit seiner schweren maschine von einem töff gleich selber. nicht nur zur vernissage. im stall empfängt er, fast ein wenig wie der könig des waldes, die ganze gästeschar. sie stehen an, schauen gespannt auf die bilder an den waenden und freuen sich, in den kolonne nach vorne zu rücken. an der spitze angekommen mustert der künstler jeden gast einzeln. er will den namen wissen, woher man komme, und vielleicht auch, ob man sein neuesten buch schon habe. dann nimmt er den schwarzen filzstift zur hand und widmet einem jeden, der die kolone überstanden hat eine postkarte oder auch ein buch. bei uns schweizern zögert er einen moment. ja, deutsch könne er schon, aber unsere sprache, das überfordere ihn definitiv. ob wir allem rätoromanisch sprechen würden, will er scherzeshalber wissen. und man merkt es: die welt der jagd kennt sich über alle landesgrenzen hinweg. natürlich lädt er sich mit seiner widmung gleich zu uns in die schweiz ein, auf einen besuch unter jäger-touristen!

doch wir wollen noch etwas bleiben, den abschied von schweden so gut wie möglich geniessen. eine kleine siedlung rund um einige prächtige höfe herum, nimmt uns wohlig auf. hier kann man fast alles haben, was kultur ausmacht: künstler, die ihre unaufdringlichen bilder von naturschönheiten ausstellen, genauso wie silberschmiedInnen, die vor ort ihr handwerk ausüben, über stoffmacherinnen, die ihre riesigen bettdecken verkaufen wollen, bis hin zu köhlern, die das alte handwerk der eisengewinnung noch selber beherrschen, sind hier. sie alle lehren uns die älteste bedeutung des wortes kultur: das elementare wissen, das die menschen in jahrhunderten, seit sie sesshaft geworden sind, entwickelt haben, weiter pflegen, das tradierte zeigen und auch weiterentwicklungen unter die staundenen nachbarn bringen. uns freut das sehr, dass der 10-meilen-wald, unser hort der natur, nun sich immer mehr auch zum hort der kultur wandelt.


mein abschiedsbild vom diesjährigen sommer in schweden: ein alter saab, der für mich so viele zurückliegende vorstellung von schweden beinhaltet (foto: stadtwanderer, anclickbar)

am meisten beeindruckt hat mich am schluss aber ein alter schwedischer saab. vom modell her aus den 50er jahren. weiss in der farbe, wie wenn er direkt aus dem schneegestöber käme. und von einer elegante schwere in der form fast so, wie wenn ganz schweden in ihm stecken und auf den durchbruch nach süden warten würde.

nun steht er einfach da, d a s symbol des schwedens, das ich kannte, bevor ich das land kennen lernte.

waldwanderer

ps:
vielleicht ist das eine erklärung dafür, dass ich an diesem tag so gebannt vor dem saab stand. mein absurdester traum diesesm jahr im tiomilaskogen ging so: ich bin in einer stadt. es hat zwei hochhäuser. sie stehen in einem schmutzigen hinterhof von brooklin, indem einige kids spielen. die stimmung ist gewalttätig. dann knallt einer mit einem palstikspielzeug etwas in die luft. es ist ein flugzeug, das direkt auf die beiden turmhäuser rast. doch bevor das flugzeug ankommt, einschlägt und alles zerstört, steht er da: michael schuhmacher. er ist fast so gross wie die hochhäuser, und er hält das bedrohliche plastikzeugt mit einer hand auf. er zerquetscht es, und wirft es achtlos in eine ecke des hinterhofes. fast wie king kong. dann geht er, in seinem feuerfesten overall, ins hotel nebenan. sein überkleid ist, anders als man es sich gewohnt ist,ganz in weiss. nur zwei rote bändel hat es, die seinen schultern entspringen und verwirrlich nach unten hängen. ich arbeite im hotel und erkenne schuhmacher sofort. ich trete mutig vor ihn und frage ihn, ob ich seine roten bändel richten dürfe. sie würden mich irritieren. ich sei schutzputzer, und könne das sicher geschwind. ich versuche, sie links und rechts entlang seines körpers zu bündeln und dann zusammenzufassen, aber ich bin nicht geschickt genug. doch michel ist grosszügig, er hilft mir, einen festen knopf zumachen, damit alle enden wieder verbunden sind.

erst als ich selber im flugzeug sitze in den süden sitze, erinnere ich mich daran, dass michael schuhmacher auch werbung für die schweizer bauern macht. warum ich aber gerade von ihnm träumte, ist schon sonderbar. für den waldwanderer, der nicht autofahren kann, schon fast ein gespenstisch urbaner (alb)traum. vielleicht bin ich halt doch der stadtwanderer …

die ganze sommerserie dagens nyheter (tagesneuigkeiten)

nachtrag, das internet cafe von ekshärad
allemannsrätt (das gemeingebrauchsrecht)
se pa mig, taenk po dig (sieh mich an und denk an dich!)
wieder zurück
digerdöd (pesttod)
jedem gps überlegen: unsere schwalben
fälschlicherweise vorveruteiltes schweden
smörgasgurka (schwedengurken)
in sven-eric’s land

allemannsrätt (dagens nyheter, 8. teil)

nicht stören!
nichts zerstören!
so lauten die grundregeln des allemannsrätt, des schwedischen rechts zum gemeingebrauch der umwelt.


private häuser bilden nach dem schwedischen allemannsrätt einen eigenen rechtsbezirk, den des hausfriedens, den betritt, wenn man durch das tor geht (foto: stadtwanderer, anclickbar)

den hausfrieden nicht stören

es scheint, dass der hausfrieden den leuten auf dem schwedischen land das wichtigste ist. letztlich sind alle ein wenig siedler in der einsamkeit. es kommt einem vor, man sei am liebsten eremit, wenn auch nicht im religiösen sind.

zahlreiche sitten leiten sich davon ab. wenn auch haus bewohnt ist, und man die leute nicht kennt, soll man in gebührendem abstand daran vorbeiziehen. gibt es eine strasse, markiert diese den abstand; ist nur weide oder wald, soll man sich an die sichtweit halten.

viele schwedischen häuser haben einen klar markierten eingang. nicht einfach ein hag, aus steinen oder holz. nicht einfach ein tor, das man auf und zu machen kann. nein, sie haben einen eigentlichen eingang. In der einfachsten form ist es wie ein frei stehenden baldachin. zwei, maximal vier holzpfähle, die in den boden gerammt wurden, markieren die breite. cie höhe es ergibt sich aus einem gewinkelten dach.

wer da durch geht, erfährt sinnlich, dass er den rechtsbereich wechselt. Er oder sie ist nicht mehr im wald, auf der weide. Er oder sie ist im hausbezirk. Und hier gilt das unerwünschte eindringen als hausfriedensbruch, den es unter allen umständen zu vermeiden gilt. Denn der hausherr garantiert den frieden, und den gilt es auf jeden fall zu respektieren.

hausfriedensbruch begeht auch, wer auf dem see ist, und ungefragt an einem privaten bootssteg anlegt. das darf man nur bei sehr hohem wellengang, wenn lebensgefahr droht. sonst ist es verpönt.

verstösse gegen den hausfriedensbruch sind wir während den schwedischen ferien gottseidank keinen begegnet. wir haben aber davon gehört, dass der bootssteg vor dem haus einmal von fremden leuten benützt worden war. nicht um zu landen, als not drohte, aber um sonnenzubaden, als es besonders schön war. als die eindringlinge bemerkten, nicht ganz alleine zu sein, haben sie freundlich gefragt, – und durften bleiben!


das allemannsrätt, die schwedischen sitten des verhaltens im ländlichen und waldigen raum, wird heute vor allem von der staatlichen umweltbehörde propagiert (foto: stadtwanderer, anclickbar)

die umwelt nicht zerstören

das schwedische allemannsrätt schränkt nicht nur ein, es erlaubt auch einiges. so ist das campieren während einer nacht überall erlaubt. auch auf einem privaten grundstück darf man das, wenn man dem besitzer nicht zu nahe kommt oder die landwirtschaftliche nutzung nicht beeinträchtigt. bei zeltlern ist das ist der regel kein problem, die sind meist mit flossen, zu fuss, mit pferd oder töff unterwegs. bei wohnwagen können sich schneller probleme ergeben. man empfiehlt, sich an die eigentlichen campingplätze zu halten, die es an den seen recht zahlreich hat.

lagerfreuer sind erlaubt. Doch muss man stets und überall an die brandgefahr besteht. es hat so viele wälder. bei trockenheit jedoch ein allgemeines feuerverbot. ansonsten ist es empfohlen, die feuerstelle zu begrenzen: mit steinen rund herum, aber auch unter dem feuer, um das unbeabsichtigte motten zu vermeiden und um eine feuerstelle findet man sich selten begrenzungen, einmal um zu sitzen, dann aber auch, um den besonderen gefahren bereich zu bezeichnen. Wer ihn definitiv verlässt, muss das feuer auch definitiv gelöscht haben.

die erfahrungen, die man hiermit heute macht, sind durchzogen. Je mehr tourismus es im wald hat, umso mehr probleme tauchen auf. das beginnt damit, dass das allemannsrätt vielen besuchern unbekannt zu sein schein. schlimm ist, dass es gerade bei feuerstellen und fischerhütten regelmässig auch abfallberge gibt. da stapeln sich schon mal bierdosen, abfallsäcke aus plastik und essensreste. gerade letzteres ist besonders gefährlich, zieht es doch auch wild lebende tiere an. fischer sind häufig keine problem, denn sie sind meist naturverbunden, und schätzen die ruhe. camper hingegen, aus dem benachbarten festland bringen einen erheblichen sittenzerfall mit den in den norden. wohnwägeler parkieren, wo es ihnen gefällt, bleiben länger, als sie dürften, und beginnen schon mal mit der demontage der umwelt. gelegentlich kann man ob der eingriffe nur den kopf schütteln.

gemäss allemannsrätt ist es erlaubt, alles, was auf dem boden ist, frei einzusammeln. das gilt für blumen, pilze und beeren. Nur bei akut bedrohten pflanzenarten wie orchideen gibt es einschränkungen. Beliebt ist das sammeln von blaubeeren im wald; da ist man aber in konkurrenz mit den bären. verboten ist es dagegen, harz oder rinde von bäumen zu entfernen, zweige zu brechen und äste zu schneiden. Ausser für den bewilligungspflichtigen strassen und hausbau ist es auch nicht erlaubt, bäume zu fällen. Brandrodungen wiederum werden bestraft.

was besonders auffällt: die leinenpflicht für hunde

eine besonderheit betrifft haustiere. ie sind nicht sehr üblich im norden. katzen trifft man selten, hunde dagegen schon. im frühling, im sommer und anfangs herbst gilt im öffentlichen bereich leinepflicht für alle hunde. sie dürfen nicht frei herum laufen, denn auch hier gilt: nicht(s) (zer)stören! und daran halten sich die einheimischen mit ihren hunden ganz genau. das gemeingebrauchsrecht gilt den schweden in der praxis unverändert etwas!

die ganze sommerserie dagens nyheter (tagesneuigkeiten)

nachtrag, das internet cafe von ekshärad
tiomilaskogen (der 10-meilen-wald)
se pa mig, taenk po dig (sieh mich an und denk an dich!)
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in sven-eric’s land

„Se pa mig, taenk pa tig!“ (dagens nyheter, 7. teil)

(schwedisch, sprich: se po mej, tänk po tej)

diese klare lebensweisheit steht auf einem eisernen grabstein und meint: „sieh mich an, und denk an dich.“ man kann das auf verschiedene arten übersetzen: “sei nicht zu stolz, denn auch du bist sterblich”, passt; es geht aber auch: “lebe dein leben, bevor auch du stirbst.”


der friedhof von gustav adolf (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

das grab, vor dem wir stehen, stammt aus der wende vom 18. zum 19. jahrhundert. der verstorbene wurde 1752 geboren und verstarb 1807. die erinnerung an sein leben hat auf dem friedhof unverändert platz. eine pflicht, das grab eines verstorbenen nach 25 jahren aufzuheben, kennt man in schweden nicht.

es gibt aber gräber, die wachsen mit den jahren einfach zu, und die aufschrift auf dem stein verwittert. bald einmal erkennt man gar nichts mehr. der mensch wird eins mit der erde, und seine erinnerung auch. einzig bis denkstätten aus der “eisenzeit” kann man auch 200 jahre danach noch lesen, wer da ruht, wo er oder sie lebte, und wann die person starb.

viele schweden haben familiengräber. meist führen diese nur den familiennamen. eine einzelne person wird da gar nicht erwähnt. es erinnert einen an eine sippe, ohne persönliche individualitaet.davon weicht die klar patriachale form des grabes ab. genannt wird gross und zuoberst der familienvater. die familienmutter erscheint dann nur als seine gattin, meist darunter aufgeführt, bisweilen auch kleiner geschrieben. dann kommen die unverheirateten kinder, und gelegenlich auch weitere verwandte, die keine familie gegründet haben. da kann es schon sein, dass der vater, seine frau, ihre schwestern und eine tochter aufgeführt sind. für die pflege von gräbern sind die verwandten zuständig. bisweilen macht die fiedhofskommission vorschriften, hilft aber auch tatkräftig auch nach.

besonders gepflegt wirkt der friedhof von gustav adolf, zu dessen weiterer umgebung unser haus zählte. er ist recht weit weg, aber unverändert recht klein.

und er ist auch ganz einfach. nicht eimmal alle gräber sind über einen weg erreichbar; man durchquert gelegentlich auch einfach die wiese, um zu den etwas entlegeneren stellen zu gelangen. ein paar bäume rund hinten herum begrenzen den friedhof. auf der vorderen macht das steinwall. das besondere ist, dass der friedhof nicht von einer mauer oder einem haag umgeben ist, die oder den die erde überragt. denn hinter dem steinwall ist die erde so hoch aufgeschüttet, dass der boden mit der oberkante des walles eben ist. vom weg her steigt man über eine kleine auf den friedhof hinauf. ein wenig wirkt der wie ein bestattungshügel.

dieser erinnert in seiner form und gestaltung ein eine einsame insel am grossen meer. ganz hinten steht der kirchturm; es ist freistehend, wie ein leuchtturm, den man von weitem sehen soll. abgegrenzt davor ist kleine kirche. sie hat eine quadratische kreuzform. wer drinnen ist, bekommt den eindruck, vier schiffe aus allen himmelsrichtungen seine hier zusammenkommen, um den letzten rat über die schiffsleute zu halten. dann werden sie in der stille des waldes auf die letzte reise geschickt.

1781 wurde der friedhof von gustav adolf gebaut. seither ruhen die toten des kirchensprengels von holzhausen auf diesem eiland und teilen uns mit: „se pa mig, taenk pa tig.“

waldwanderer
(alias stadtwanderer)

die ganze sommerserie dagens nyheter (tagesneuigkeiten)

nachtrag, das internet cafe von ekshärad
tiomilaskogen (der 10-meilen-wald)
allemannsrätt (das gemeingebrauchsrecht)
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digerdöd (pesttod)
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smörgasgurka (schwedengurken)
in sven-eric’s land

wieder zurueck (dagens nyheter, 6. teil)

nun sind wir also wieder zurueck aus tschechien, aus prag und aus der zivilisation.
der bemerkenswerteste satz in schweden war:


(fotos: stadtwandererin, anclickbar)

“hörst du das?”
“was?”
“die ruhe …”

bemerkenswert, dass man als erstes wieder lernen muss, die einsamkeit in der natur bewusst zu hören.

waldwanderer
(alias stadtwanderer)

die ganze sommerserie dagens nyheter (tagesneuigkeiten)

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tiomilaskogen (der 10-meilen-wald)
allemannsrätt (das gemeingebrauchsrecht)
se pa mig, taenk po dig (sieh mich an und denk an dich!)
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in sven-eric’s land

au revoir, charles

wahrscheinlich war er im spätmittelalter der spektakulärste kaiser. sicher ist er in prag der populärste: karl iv. deshalb stört sich niemand mehr daran, dass eigentlich gar nicht auf diesen namen getauft worden war.


kaiser karl iv., könig von böhmen, der vormals prinz vaclav (wenzel) hiess (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

klein-wenzel als spielball der mächte in böhmen

eigentlich hiess er wenzel. sein vater, johann von luxemburg, selber sohn von kaiser heinrich vii. und böhmischer könig, und seine mutter, eliska, tochter des vorletzten einheimischen böhmischen königs aus dem haus der premysliden, hatten ihn 1323 so getauft. das war programm: wenzel sollte nachfolger auf dem böhmischen thron werden. johann liess den kleinen wenzel hierfür schon mal entführen, um ihn dem einfluss seiner mutter zu entziehen. denn wenzel sollte im sinne der luxemburger regieren.

klein-wenzel wurde nach paris gebracht, und am hof des französischen königs erzogen. aus dankbarkeit dafür nahm wenzel den namen charles an, in anlehnung an seinen onkel. nur deshalb kehrte dieser, erstmals vom fränkischen könig karl verwendeten namen wieder ins reich zurück, und sollte mit karl v. noch einen weiteren hervorragenden namensträger finden.

selber sprache charles französisch, er lernte auch tschechisch und deutsch. er konnte schliesslich auch latein und griechisch, was ihm alles zusammen erlaubte, seine herrschaft universalistisch zu verstehen. und war ein guter ritter, der kämpfen konnte. charles heiratete bereits mit 14 jahren die schwester des französischen dauphins, blanche de valois; es sollten, bis zu seinem tod, jedoch noch drei weitere ehen folgen.

mit 14 jahren wurde karl auch mitregent des vater in prag. mit 21 setzte er das erzbistum prag durch, wodurch er praktisch an der spitze der böhmischen kirch stand, und 23 regierte er das land bereits alleine. im alter von 32 schliesslich war er kaiser des heiligen römischen reiches.

nur ein jahr später gelang ihm seine bleibende leistung. in der goldenen bulle legte er das wahlverfahren für den kaiser neu fest. nicht mehr der papst sollte ihn salben, sondern 7 kurzfürsten ihn wählen. 4 davon waren weltlichen ursprungs; 3 kirchlichen. papst clemens v., der in paris sein lehrer gewesen war, willigte ein, denn europa lag in trümmern und das reich brauchte dringend einen gesicherten neuaufbau.

karls leistungen für das reich und für prag

1347 hatte die schwarze pest den kontinent erfasst. innert drei jahren wurden fast alle gegenden europa von der seuche heimgesucht. ein drittel der bevölkerung starb. wer ueberlebte, mochte nicht mehr an die heil- und schutzbringenden institutionen, welche das feudal-klerikale adelssystems geschaffen hatte, glauben.

ganze landstriche wurden entvölkert, andere verloren den anschluss an die wirtschaftliche entwicklung. diese ging nun von regionen aus, in denen die soziale mobilität nach der pest kreative kräfte freigesetzt hatte.


die karlsbrücke von prag, eines der vielen bauwerke, das auf aktive stadtgestaltung durch karl iv. zurückgeht (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

prag gehörte dazu. seit die habsburger unter könig rudolf I. böhmen die südlichen ländereien, die fast bis an die adria gereicht hatten, weggenommen und wien zu neuen zentrum der familie bestimmt hatte, herrschte rivalität zwischen den beiden städten. karl antwortet als böhmischer könig darauf, indem er moldau und elbe schiffbar machte, und so sein land an die nordsee und die starken hansestädte anband. in prag trat er als bauherr auf. in zeiten, wo andere städte wegen des bevölkerungsrückgangs zu gross geworden waren, liess er mit der prager neustadt im süden der altstadt seinen hauptsitz erweitern.

die burg auf dem hradschin wurde von karl renoviert, und mit dem bau der st.veits-kathedrale wurde im gotischen stile begonnen. schliesslich liess er die alte judithbrücke über die moldau durch die erste steinbrücke in prag ersetzen. bis heute trägt sie als karlbrücke seinen namen. höhepunkt seines reformprogrammes war die gründung der prager universität. mitteleuropa erhielt damit erstmals eine hochschule, die gelehrte und künstler aus allen herren ländern anzog und wesentliches zum spätmittelalterlichen glanz der stadt beitrug.

die grenzen der herrschaft von karl

bei seiner schwierigsten aufgabe scheiterte karl. die rückführung des papstes nach nach rom gelang und misslang teilweise. zwar kehrte der nachfolger petri während karls regierungszeit auf sein drängen, das katherina von siena und brigitta von schweden tatkräftig unterstützt hatten, auf den heiligen stuhl in rom zurück. doch erhob sich, im todesjahr von karl, graf roger von genf, um im burgundischen avignon das abgebrochene papsttum zu begründen. Die katholische kirche sollte danach bis zur wahl von eugen v. auf dem konstanzer konzil geteilt sein, eine der wichtigsten voraussetzungen dass kirchenkritiker wie john wycliffe in england oder jan hus in böhmen zu vordenkern der reformation werden konnten.

bei seinem tod 1378 teile kaiser karl iv. sein erbe unter seine söhne. der älteste, wenzel, sollte böhmen und den anspruch auf die kaiserkrone erhalten. bei letzterem scheiterte er ganz; ersteres bekleidete er zwar während 41 jahren, doch gehört seine regierung zu den umstrittensten in der böhmischen geschichte. 1419 starb er, nur 14 tage nach dem ausbruch der hussitenkriege. die führung der krone gegen die tschechischen aufständischen übernahm karls zweiter sohn sigismund, der die ungarischen ländereinen geerbt und ungarischer könig geworden war. er war es auch, der das konzil von konstanz einberief, auf dem jan hus, der anführer der tschechischen nationalkirche, als ketzer verurteilte und auf dem scheiterhaufen verbrannte. so machte er zwar den weg frei für die neuordnung der katholischen kirche unter einem papst. doch er provozierte in böhmen die zerstörerischen hussitenkreige.

überall präsent in seinem prag: kaiser karl iv., unverändert der populärste bewohner prags (fotos: stadtwanderer, anclichbar)

bilanz : karl und das reich

karl iv.!
das war zunächst ein ehrgeiziger adeliger.
das war ein gläubiger kirchenmann.
und das war ein gebildeter kaiser.
dieser ordnete das reich nach der grossen pestkrise neu; mit der goldenden bulle gab er ihm ein verfassung, die bis 1806 gültigkeit haben sollte. die reform der katholischen kirche mit einer klaren spitze misslang im allerdings. nationalkirchen nach dem französischen und englischen vorbild sollten bald überall entstehen, nicht zuletzt in böhmen.

dieses land verdankte seiner herrschaft viel: das erzbistum, das prag vom deutschen klerus unabhängig machte; den handel mit der hanse, das neuen reichtum brachte, und die universität, die prag vor allem anderen städten des reiches einführte.

nicht zuunrecht, erinnert man sich überall in der stadt an karl. auf dem karlsplatz, an der karlsuniversität und auf der karlsbrücke. auch wenn der grosse kaiser gar nicht auf diesen namen getauft worden war!

stadtwanderer

nachwort: karl iv. und die eidgenossenschaften

karl iv. müsste eigentlich auch in der schweizer geschichte des spätmittelalters einen besonderen platz einnehmen. denn er hat bleibdendes geschaffen, wenn auch erst im zweiten anlauf.

anfänglich stand er den oberrheinischen und burgundischen eidgenossenschaften, die sich im 14. jahrhundert rund die waldstätten, zürich und bern gebildet hatten, skeptisch gegenüber. den bund der waldstätte hätte noch gelten lassen. sein grossvater, kaiser heinrich vi., hatte ihn 1307 auch anerkannt. doch der verbindung mit zürich und bern samt ihren verbündeten nach der pestwelle stand karl skeptisch gegenüber. reichsstädte sollten sich an den kaiser halten, nicht an conjurationen.

in zürich intervenierte karl direkt; er löste den ersten bund von 1351 mit den waldstätterorten militärische wieder auf. zu stark schwebte ihm noch vor, das reich adelig neu zu begründen, als dass eine bis fast an den rhein erweiterte eidgenossenschaft hätte tolerieren können.

doch 1365 vollzog er definitiv einen politikwechsel: auf seiner reise zum papst nach avignon anerkannte er die burgundische eidgenossenschaft berns, die ebenfalls mit der waldstätterorten verbunden war. auf dem weg, burgundischer könig zu werden, akzeptierte nebst den expandierenden herzögen von burgund und den grafen von savoyen ebendiese burgundische eidgenossenschaft als führende ordnungsmacht im aaretal. seine bedingung war allerdings, dass das bürgerliche regime, das sich 1350 nach der vertreibung der von bubenbergs in bern installiert hatten, wieder aufgelöst würde. die familie von bubenberg verdankt kaiser karl iv. ihre rückkehr in die stadt.

die reise nach avignon nutzte kaiser karl übrigens auch, um das kloster st. maurice im heutigen wallis zu besuchen. dieses erste burgundische hauskloster bewahrte immer noch die die reliquien des ersten christlichen burgundischen königs, des heiligen sigismund auf. einen teil davon liess er nach prag überführen, wo sie im st. veits-dom auf dem hradschin beigesetzt wurden, und den zigmund/sigmund-kult von ungarn bis polen zu begründen halten.

so, nun habe ich die kurve zu von prag nach bern doch noch gefunden!

au revoir, vaclav-charles!

Stadtwanderer

die weisheit des kuttenberges

der volksmund denkt, dass man bei absoluter dunkelheit gar nichts sieht. er irrt damit. man sie die welt nie so klar, wie wenn es um einen herum ganz schwarz ist. das jedenfalls ist die weisheit des kuttenberges!


der vergangene reichtum von kutna hora: silberminen, die heute nur noch dem örtlichen tschechischen museum dienen (fotos: stadtwanderer, anclikcbar)

tief in der erde die dunkelheit

wenn gar kein licht mehr, erinnert man sich gesehener bilder unbeeinflusst. zum beispiel an dieses: die männer tragen eine weisse leinenjacke mit kutten. es sieht fast so aus, als wären sie mönche. doch ihr werk ist nicht kontemplativ. es ist ein knallhartes handwerk. denn sie müssen molochen. stehend, kniend, sitzend, liegend. sie sind selten aufrecht, meist gebückt, bisweilen hurend. sie sind nur mit einem pickel und einem hammer ausgerüstet. damit hauen sie den stein. was sich löst, kommt in säcke, die man kriechend hinten nachzieht, oder rücklings die leiter hoch trägt.

das ist bergbau. das früher mitgeführte talglicht erhellte fast nichts. weshalb man lernen musste, das silber zu riechen. und die gänge fand man im dunkeln am einfachsten, indem man sich nach dem luftzug ausrichtete. bergleute nahmen als selbstschutz gerne kanarienvögel mit. wenn sie aufhörten zu zwistschern, wusste man, bald ist die luft alle. dann musste man schleunigst zurück, zu den sammelstellen, und mühsam engste schächte hochkriechen.

doch mein bild verrät noch mehr: wieder am tageslicht, befahl ein aufseher den kuttenmannen, sich auszuziehen. silberhaltiges gestein für private zwecke mitnehmen, war diebstahl von königlichem gut. für den transport der gehauenen steinen von den sammelstellen untertags an die erdoberfläche bevorzugte man kinder, die mit seilwinden die kostbare fracht nach oben beförderten. 10 bis 12 stunden dauerte ihre schicht, genau so lange wie die ihrer eltern. denn die frauen der bergleute eingesetzt, um das gestein zu sortieren, wertlosen von wertvollem zu trennen.

letzteres führte man dann den händlern vor. die standen am, wie an einer börse. aber sie schrien nicht. sie flüsterten ihren preisvorschlag dem königlichen beamter, der die auktion führte. wenn er zufrieden war, legte er den tagespreis fest. wer am meisten geboten hatte, durfte als erster wählen. wer zuletzt wählen konnte, den bissen die hunde!

pferde setzte man in den bergwerken nur ein, um die mit einem runddach gedeckten wassermühlen zu drehen. diese wanden wassersäcke aus den kavernen. ein einzelner konnte bis zu 250 liter fassen. das zu heben, war definitiv unmenschlich. ansonsten galt der mensch hier nicht: 5 bis 10 tote pro tag in den minen war nichts aufsehen erregendes. wer überlebte, konnte sich mit dem gehobenen minenwasser waschen und sich im werkseigenen wirtshaus verköstigen. mit 35 jahren ging man dann, erschöpft, in pension.


die kathedral der bergwerksleute von kutna hora, der heiligen barbora gewidmet (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

hoch im himmel das licht

kutna hora, zu deutsch kuttenberg, wo ich jüngst auf meiner reise durch tschechien war, galt vom 14. bis 16. jahrhundert die schatzkammer der böhmischen könige. der verkauf von silber hat sie reich gemacht, und die statt schutzig. heute wirkt die kleine stadt sauber, aber arm. man kommt auch nicht mehr wegen des silberrausches hierher. vielmehr kennt man kutna hora wegen der spektakulären gotischen kirche. 1905 erklärte man ihren bau nach 517 jahren für beendet. seither renoviert man nur noch die fassade und das innere.

man erkennt die kirche schon von weitem. einen turm hat sie, anders als alle anderen gotischen kirchen, nicht. und statt der üblichen drei schiffe, hat sie fünf. das lässt gibt ihr einen fast quadratischen grundriss. unverwechselbar ist sie aber wegen ihres dachs. die runddächer über den wassermühlen des bergwerkes werden hier in tiefem blau wiederholt. es scheint, als wuerde man auf dem gotteshaus zelten.

es es, als ob sich die gegensätze in kutna hora bedingen. wer tief in die bergwerke hinabstieg, der wollte mit der gotischen architektur hoch hinaus. wer das dunkel der erde kannte, wollte das licht des himmels. wer die schwere des silbergesteins leidvoll erfahren hatte, den dürstete es nach der leichtigkeit der gotschen architektur.

gebaut wurde das spektakuläre gotteshaus von den reichen leuten der silberminen. die hatten es satt, sich wie die bauern vom ortsansässigen zisterzienserkloster bevormunden zu lassen. mit bewilligung ihres königs trennten sie sich 1388 von ihm und bauten am rande der stadt ihre eigene kirche. der heiligen barbora haben sie sie geweiht. die erlitt anfangs des 4. jahrhunderts ihr märtyrium, als sie, heimlich zum christentum übergetreten, von den schergen ihres eigenen vaters umgebracht wurde. auf ihren tod wartete sie in einem engen turm. das hat sie, bei den christlichen bergleute fuer alle zeiten populär gemacht, weshalb sie ihre schutzpatronin ist.

bedeutend wie die st. veits-kathedrale in prag sollte die kirche in der böhmischen provinz werden. engagiert wurden hierfür die bedeutendsten baumeister des landes. jan parler war der wichtigste in kutna hora. er war kein geringerer als der sohn von peter parler, der die referenz in prag erstellt hatte. der hatte schon mit seinem namen ein ganzes programm mitgebracht: sprechender stein hiess er eigentlich, und er realisierte unter der luxemburgischen dynastie auf dem böhmischen königstthron als erster die gotische kommunikation zwischen erde und himmel.


der alltag in kutna hora heute: böhmische und alchemistische küche im prominentesten restaurant der kleinstadt (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

die weisheit des kuttenberges

den stein des vor 50 jahren definitiv stillgelegten bergwerkes bringt für uns tereza zum sprechen. sie arbeitet für das tschechische silbermuseum in kutna hora, und sie führt uns durch die anlagen, auch durch die minen. da trägt sie als einzige keinen helm, ganz so, als wollte sie sagen: ich kenne jeden stein hierunten.

in ihrem roten kleid und der weissen kutte wirkt sie zierlich. ihre kleinheit fördert den eindruck. das hilft ihr, auch sich behende fortzubewegen. an der engsten stelle ist der schacht, durch den sie uns führt, 40 zentimeter breit, und an der tiefsten 1,2 meter hoch. unser eins hat da etwas mehr mühe.

doch tereza wartet immer wieder auf uns und erzählt. so bei einem unterirdischen teich mit arsenhaltigem wasser. die bergleute hätte nicht lange davon getrunken. doch als könig albrecht von habsburg, der kaiseranwärter, die silberminen von kutna hora belagerte, habe man sich der schädlichen wirkung erinnert, und das wasser in den örtlichen fluss abgelassen. das halbe heer des belagerers sein gestorben, und die andere, samt dem habsburger, sei geflüchtet. das sei wohl die erste chemische kriegsführung gewesen, fügt sie noch bei und lächelt.

wir wiederum hächeln bis zum nächsten halt. dort bittet sie uns alle, unsere modernen taschenlampen, die auch morsen könnten, abzuschalten. Denn im absoluten dunkeln der bergwerke sehe man die welt so klar wie sonst nirgends.

wahrlich, füge ich da in im kuttenberg belehrt, nur bei!

stadtwanderer

wie nach dem 30jährigen krieg

als ich ganz unten stand und nach oben schaute, stutzt ich gewaltig. hätte man mich damals gefragt, ob ich da hinauf wolle, ich hätte mit bestimmtheit “nein” gesagt.

doch ich war oben! und ich bin froh darum …


trosky, die ruine, auf dem zerfallenen vulkankegel im böhmischen paradies (foto: stadtwanderer, anclickbar)

das tschechische paradies

wer durch cesky raj, das tschechische paradies, zwischen jicin und turnov fährt, wird sich sicher eines ortes erinnern. er gilt als weltweites unikum: er besteht aus einem erloschenen vulkan. der hat aber, anders als gewohnt, nicht eine kegel, sondern zwei spitzen. es sind die ränder des kegels, die unvollstaendig geblieben sind. und auf diesen beiden spitzen thront eine burgruine mit zwei türmen.

baba ist die grossmutter. es ist der kleinere turm. panna ist die jungfrau. dabei handelt es sich um den grossen turm. es sind, mit ausnahme einiger mauerteile dazwischen, die einzigen resten der burg, die heute noch stehen. doch sie bieten ein willkommenes ambiente für einen kleinen kiosk, eine wildvogelzucht und eine kleine bühne. im vorhof kann man bogen schiessen, und vor der bühne wartet ein pferde, mit einem kleinkind auf dem rücken ein paar runden zu drehen. links und rechts davon hat es treppen. die “jungfrau” besteigt man durch einen turm. ganz hinauf kommt man indessen nicht, ohne die unterirdischen gänge zu kennen. auf die grossmutter steigt man über eine nachträglich angefertigte aussentreppen. ein wenig schwindlig wird einem schon, aber man kommt bis zur obersten schiessscharte hinauf.

von oben hat man einen wunderbaren überblick über das böhmische paradies. die landschaft ist lieblich, einige weiter vulkankegel erspäht man am horizont. sonst hat es vor allem hügel. meist sind sie bewaldet. hie und da gibt es ein landgut oder eine kapelle, verbunden mit wenigen, unaufdringlichen strassen.

am auffälligsten ist hruba skala, der “grosser fels”. es besteht aus herausragenden basaltfelsen; 400 hat es davon. einzelen überragen die landschaft vielleicht um 100 meter. und der komplex diente schon der keltischen bevölkerung als oppidum. heute hat es ein schloss auf den höchsten felsen. und dort kann man gut heiraten …


impressionen von der zerfallenen burg trosky (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

der bau der burg

die burg trosky entstand in den 1380er jahren. es war die zeit von könig wenzel iv. sein vater, karl iv., hatte böhmen zum zentrum des kaiserreiches gemacht. machtmässig, vom reichtum her, aber auch kulturell und intellektuell war man jetzt wer.

wenzel wurde 1378 könig. er blieb es bis zum ausbruch der hussitenkriege 1419. unbestritten war er nicht, über alle zweifel erhaben auch nicht. doch der adel profitierte während seiner herrschaft vom böhmischen aufstieg. denn auch er stieg auf. im wahrsten sinne des wortes. die familie von vartenberg bestieg die besagten zwillingsfelsen des längst erloschenen vulkanes.

wie man da oben eine burg bauen konnte, ist mir eigentlich schleierhaft. die anfahrt ist wenig einladend, waldig, stellenweise sogar leicht sumpfig. der weg ist bisweilen echt ruppig. auf dem hügel rund um die vulkanspitzen ist kaum platz. gleich kommt der olivinstein, auf den hinaus man 50, 60 meter klettern musste, um mit dem bau des burgfrieds zu beginnen.

man sagt, erfahrene burgenbauer ihrer zeit, hätten einen festen plan gehabt, wie man vorzugehen habe. davon seien sie normalerweise nicht abgewichen. in trosky aber hätten sie sich nicht stur daran gehalten. vielmehr sei man bestrebt gewesen, das beste aus der umgebung zu machen.

der burgenbau muss nicht ohne probleme gewesen. als der bau fertig war, lag der besitzer flach. er hatte sich hoch verschulden müssen, um zu seinem prestigeobjekt zu kommen. könig wenzel zog darauf die burg ein, als pfand für das viele geld, das er geliehen und wohl nie zurück erhalten hatte.

das ende der burg

die burg wechselte noch mehrfach den besitzer, bis sie 1620 an die familie von waldstein kam. ihr eigentliches schloss liegt ebenfalls im böhmischen paradies, und die stadt jicin, das vewaltungszentrum ist nur einige dutzend kilometer entfernt.

albrecht von wallenstein bewohnt die burg nie; sie war ihm zu wenig konfortabel. im 30jährigen krieg bildete sie aber ein wichtiges angriffsziel. wer sie hatte, konnte sich zur not dorthin zurückziehen. zuerst kamen die schweden. ihre truppen stürmten trosky. zimperlich dürften sie nicht vorgegangen sein; jedenfalls soll sie erheblichen schaden genommen haben. doch man war damit im besitz einer weiteren festung des feindes. dieser liess sich indessen nicht vorführen. auch die habsburger griffen die besetzte burg an, brannten sie nieder um machten sie zudem, wie sie heute heisst. denn trosky ist nichts anderes als das wort für ruine.

so auffällig der doppelte vulkankegel in der landschaft steht; so präsent sind hier auch die folgen des 30jährigen krieges bis in die gegenwart.


impressionen des stadtwanderers im spätmittelalter (fotos: stadtwandererInnen, anclickbar)

dem himmel so nah

auf dem abstieg von trosky machen wir halt. eine einzige abwechslung hat es nicht. eine kleine gartenwirtschaft steht ausserhalb des ruinenbezirkes.

es gibt frischen saft. während ich mich damit erfrische, merke ich wie stolz ich bin, mich überwunden zu haben. ich war oben. ich habe das böhmische paradies wie vom himmel aus gesehen.

doch ich wusste zu jeder zeit, dass der himmel auch hier, nur auf einem vulkanfelsen thront, der menschen aller art anzieht. gipfelstürmer, belagerer und brandstifter gleichermassen. denn sie alle werden von irrationalem getrieben, um ihrem himmel nahe wie möglich zu sein. und das fuehrte zuletzt zum schrecklichsten krieg in europa, dessen spuren man im tschechischen paradies noch heute so gut sieht, wie den vulkan aus uralten zeiten.

stadtwanderer

eine klitzekleine stadtwanderung

ok! sie kennen jicin nicht.
aber sie interessieren sich für die neuere geschichte europas, sagen wir vom 17. jahrhundert mit dem ersten 30jährigen krieg zwischen den konfessionen bis zum 20. jahrhundert, mit dem 30jährigen weltkrieg zwischen den ideologien.
dann kommen sie mit, auf meine kürzeste stadtwanderung in der jiciner altstadt.


der zentrale marktplatz von jicin, der die altstadt gruppiert (foto: stadtwanderer, anclickbar)

die stadt am eingang des böhmischen paradieses

jicin liegt in ostböhmen. wer von hradec kralove, dessen zentrum, nach nordwesten ins böhmische paradies faehrt, kommt unweigerlich in jicin vorbei. vor dem stadtkern wird man gehalten, seinen wagen abzustellen, – und das ist gut so. denn der zentrale platz von jicin, dessen anfänge wie die der meisten böhmischen städte im 13. jahrhundert liegen, ist heute verkehrsfrei. bei der leerstehenden iganzius-kirche stehen einem auch genügend parkplätze zu verfügung. und nach nur wenigen schritten über teils schmucke trottoirs ist man schon im zentrum.

ein grosser, quadratischer marktplatz regiert die szenerie. und er soll zum schauplatz meiner stadtwanderung werden. wer in der mitte steht und sich umsieht, hat arkaden aller art vor sich: grosse, kleine, kreisförmige, ellipsenartie, spitze, runde, farbige und graue. man stelle sich der berner bundesplatz vor, voll von verschiedenartigsten lauben auf allen vier seiten umgeben!

beginnen wir in der oberen ecke. nur schon der wehrturm aus dem 16. jahrhundert zieht unseren blick dorthin. aber auch das palais und die kirche binden unsere aufmerksamkeit. ihr erbauer ist die erste person, die uns hier interessiert.


das palais von herzog albrecht von wallenstein, noch heute ein respektabler bau im stile des böhmischen (früh)barocks (foto: stadtwanderer, anclickbar)

unsere erste hauptperson: der herzog von friedland

geboren wurde unsere erste hauptperson 1583. damals kam der renaissancekaiser rudolf II. nach prag. unsere hauptperson war noch protestantisch, wie 80 prozent ihrer landsleute. 1606 wechselte sie aber die seite, wurde katholisch und vertrat von nun an die sache des toleranten kaisers.

kein geringerer als johannes kepler, der berühmte astronom am prager hof, verfasste unserer hauptperson ein horoskop, das zwei wichtige voraussagen enthielt: bald schon würde die person zu reichtum gelangen, doch 1634 werde zu ihrem schicksalsjahr werden. in der tat sollte kepler damit recht behalten!

albrecht wenzel eusebius von waldstein, wie unsere erste hauptperson korrekt heisst, ist den meisten geschichtsbewussten menschen schlichter als “wallenstein” bekannt. golo mann hat ihn auf deutsch portraitiert und damit das muster der biografie einer historischen persönlichkeit für unsere zeit geschaffen. und so weiss man gemeinhin, dass waldstein 1617 für seine militärischen erfolge in venedig vom kaiser in den habsburgischen adelstand erhoben wurde. und es ist wohl auch bekannt, dass er vor, während und nach der schlacht am weissen berg vor prags toren eben diesen kaiser gegen die rebellierenden böhmischen stände verteidigte. dieser wiederum liess die 27 anführer in prag demonstrativ hinrichten, und verhöckerte die güter der ausgewiesenen protestanten günstig an den treuen adel. so auch an von waldstein, der nun 24 landgüter und jicin besass. 1625 wurde er gar zum herzog von friedland erhoben, und er machte jicin zu dessen zentrum.

das örtliche schloss, das während der erbstreitigkeiten unter seinen vorgängern schon mal in die luft gesprengt worden war, liess er an gleicher stelle von renommierten italienischen architekten wieder auf- und asubauen. die arkaden behielten den frühreren renaissancestil, während die oberen stockwerke im der bauart des frühen böhmischen barocks entstanden. den alten komplex erweiterte er erheblich. pferdeställe kamen hinzu, auch reithallen, ballsäle und ein schlossgarten. und die jakobskirche nebenan liess wallenstein erbauen, und über eine passerelle direkt mit dem schloss verbinden. ausserhalb der stadt legte er eine allee an, die durch 1000 linden zum stadttor zu seinen füssen führte.

wallensteins rassanter aufstieg wurde durch die umstände seiner zeit begünstigt. zwar hatte kaiser ferdinand II. den aufstand in prag niederschlagen können. doch der schwedische könig verteidigte die protestanten mit einer armee auf dem kontinent. und er rückte bedrohlich gegen prag vor. das war sprengsatz. auf wallensteins armee war der kaiser nun angewiesen, und so beförderte er ihn gleich zum oberbefehlshaber über alle kaiserlichen truppen. der ehrgeizige feldherr hatte erfolg, wurden aber nach nur fånf jahren diest aus seinen aemtern entlassen. die kurfårsten hatten druck gemacht, gegen den zu unabhängigen wallenstein.

doch wallenstein liess die sache nicht auf sich ruhen. er verhandelte mit schweden. bis heute ist unklar warum: des friedens willens, um sich zu bereichern, oder um selber böhmischer könig zu werden? – was auch immer, schon zwei jahre danach setzte ferdinand wieder auf den unentbehrlichen wallenstein, um könig gustav II. adolph zu stoppen. zu spät, weiss man heute: in lützen begegneten sich die truppen. wallenstein verlor die schlacht, der schwedische könig jedoch das leben. als wallenstein anfangs 1634 seine truppen einen eid auf ihn persönlich ablegen liess, handelte der kaiser: ein verräter sei er, entschied er. und nur drei tage später wurde der general ermordet.

für das aufstrebende jicin war der tot des stadtherrn eine katastrophe. die stadt sollte ihre besten tage mitten im verheerenden 30jährigen krieg gehabt haben. am palais des herzogs wurde ausser einer späteren dachrenovation im klassizistichen stil nicht mehr weiter gebaut. es steht, wie auch die jakobskirche nebenan, noch heute unverändert vor uns. der zentrale platz heisst heute zwar wallenstein-platz. doch die pläne des herzogs von friedland für das jiciner spital und die hiesige universität wurden ganz sistiert resp. den jesuiten übergeben. diese wiederum wurden ende des 18. jahrhunderts ausgewiesen; ihr kolleg nutzt heute die polizei des tschechischen innenministers.

der krieg von damals ging noch 14 jahre über den tod wallensteins hinaus weiter. die schwedischen truppen drangen bis an die moldau vor. in prag spielten sich 1648 die letzten kriegshandlungen ab, bis man, mitten auf der karlsbrücke, frieden schloss. habsburg behielt die herrschaft über böhmen, – bis zur gründung der tschechoslowakischen republik 1918.


die erinnerungstafel für karl kraus, angebracht an seinem geburtshaus in jicin (foto: stadtwanderer, mit seiner gekonnten übersetzerin im bild, anclickbar (foto natürlich, nicht die übersetzerin …)

unsere zweite hauptperson: der republikanische kritiker

wenn wir nun unter den arkaden rechts herum um den platz gehen, um die geschichte euroaps und der stadt auf der gegenüberliegenden seite weiter zu verfolgen, kommen wir am ehemaligen jüdischen viertel vorbei. seit 2001 wird hier, finanziert von prager juden, die synagoge von jicin rekonstruiert. davor diente das gotteshaus als speicher für kräuter, denn seit alle hiesigen juden 1943 von den nazis nach auschwitz deportiert worden waren, gibt es in jicin keine jüdische gemeinde mehr.

die anwesenheit von juden in der stadt lässt sich bis auf die zeit von kaiser karl iv. zurückverfolgen. damals lebten die geldverleiher und händler noch gemischt mit der christlichen bevölkerung. erst zu beginn des 17. jahrhunderts versuchte man wie anderswo auch, in jicin ein eigentliches judenghetto zu bilden. dass dann ausgerechnet herzog vom waldstein mit jakob bossevi einen der ihren zu seinem kanzler und primas der jiciner jüdischen gemeinde machte, brachte der glaubensgemeinschaft erste privilegen. deshalb liessen sich einige jüdische familien auch an der unteren ecke des wallensteinplatzes nieder. ihre synagoge erhielten die juden ende des 18. jahrhunderts; gleichberechtigt wurden sie aber erst 1867. danach wuchs ihr zahl voruebergehend auf fast 300 personen an.

er, der uns hier in der unteren ecke genauer interessiert, ist der berühmteste jiciner jude. er wurde 1874 am haus an der ecke geboren; eine kleine tafel zeugt heute noch davon. seine eltern waren juden, und er blieb es ein leben lang. die mutter stammte aus einer juedischen arztfamilie, und der vater war ein juedischer unternehmer. man betrieb einen kolonialwarenlanden, bevor man mit der produktion von geklebten tüten begann. damit hatte man erfolg und expandierte man auch. zeitweise mietete man gar das leerstehende gefängnis fuer die wachsende produktion hinzu.

drei jahre nach der geburt unserer zweiten hauptperson verliess seine familie jicin, um sich in wien niederzulassen. für die stadt war das wieder ein schlag, wenn auch weniger bedeutsamt als die ermordung wallenstein. denn der ausgewanderte jiciner sohn sollte in der donaumetropole bald erfolge feiern. ein führenden schriftsteller, dramatiker und dichter sollte er werden. 1922 sollte sein lebenswerk erscheinen: „Die letzten Tage der Menschheit“ hiess der roman, für den der autor von den professoren der pariser sorbonne-universität für den nobelpreis vorgeschlagen wurde.

karl kraus, wie der nominierte hiess, sollte ein führender literat der zwischenkriegszeit werden. berchtold brecht und carel capek wurden von ihm beeinflusst, und mit ihnen sowohl die deutsche wie auch die tschechische literatur während der republik. in seiner zeitschrift „die fackel“, die kraus 37 jahre herausgab, zündete er auch das feuer gegen den krieg, der so sinnlos war, und gegen die bürokratie, die so korrupt war. am meisten schreckte den intellektuellen die kleinbürger, die alles als soldaten alles mitmachten und als beamte alles deckten. sie sollten zur eigentlichen zielscheibe der kritik aus der feder von karl kraus bis zu seinem tod nach einem unfall in einer finsteren wiener gasse werden.

jicin sollte kraus zu lebzeiten nicht loslassen. in seiner abiturarbeit befasste sich der schriftsteller erstmals mit der stadtgeschichte. letztmals war dies der fall, als er über die letzte person, die uns hier speziell interessiert, recherchierte. denn sie wohnte 1866 vorübergehend im gleichen haus, indem der kleine karl geboren wurde. mehr davon erzähle ich aber erst mitten auf dem wallensteinplatz, wo es ein paar bäume und eine kleine säule zur stadtgeschichte umgeben.


mitten auf dem marktplatz: baumgruppe mit skulpturen und einer kurzbeschreibung des aufenthalts von otto von bismarck in jicin (foto: stadtwanderer, anclickbar)

unsere dritte hauptperson: der deutsche machtmensch

er kam 1866 hierher, um seinen sieg über österreich zu feiern. die entscheidungsschlacht hatte vor den toren der stadt stattgefunden. sie war zu seinem gunsten ausgegangen, und sein soldaten schleppten sich ermattet vom kampf in die stadt. sie lagerten überall unter den arkaden, die ein wenig schutz boten.

der ort war für die politikerkarriere, die jetzt ihren steilen aufstieg beginnen sollte, fast schon symbolisch. 1813 schon trafen sich im jiciner wallenstein-palais könig friedrich wilhelm III. von preussen, zar alexander I. von russland und kaiser franz I. von österreich, um die heilige allianz gegen frankreich zu begründen, die wenige tage danach im vertrag von teplice besiegelt wurde und zum sieg der der allianz über napoléon in der riesigen völkerschlacht von leipzig führte.

53 jahre zuvor hatte man hier also schon einmal europäische geschichte geschrieben. und otto von bismark, preussens kanzler und unsere dritte hauptperson, setzte hier an, um eine weiteres kapitel zu verfassen: er hasst den deutschen bund, der auf dem wieder kongress begründet wurde. er wollte ein geeintes deutschland unter preussens vorherrschaft. für diese stritt er sich mit österreich, zuerst als politiker, dann als feldherr. jetzt, wo er in böhmen gesiegt hatte, nahm er frankreich ins visier. ein sieg auch über die französen sollte ein geeintes deutsche kaiserreich begründen. und er, bismarck, würde dessen kanzler sein.

in der tat, all das sollte sich nur innert 5 jahren nach der rede bismarcks auf dem jiciner wallensteinplatz zu seinen truppen ereignen. die schlichte säule in der mitte des platzes erinnert fast schon unauffällig daran.


das museum von jicin: eine fundgrube für weitere recherchen zur stadtwanderung in der böhmischen kleinstadt … (foto: stadtwanderer, anclickbar)

wiedersehen (in) jicin

für uns ist zeit, die kleine stadtwanderung abzuschliessen und jicin wieder zu verlassen. es wird mittag, und es wird heiss. die arkaden bieten uns auch jetzt ihren schutz. unter ihnen schlendern wir wieder zurück, bis zur ignatius-kirche. irgendwo steht da geschrieben, dass man 2001 in jicin den beschluss gefasst habe, die leerstehende kirche und das kollegium der jesuiten neu zu nutzen, – für eine hochschule, die schon wallenstein geplant hatte. religiös, national und ideologisch motivierte krieg haben sie bis jetzt immer wieder verhindert.

zu recht knüpft man im kleinen jicin noch einmal dort an, wo der grosse wallenstein scheiterte, denke ich mir. denn die lauben von jicin haben bestimmt noch viel zu erzählen, prognostiziere ich als stadtwanderer. und die vorhersagen zu jicin treffen bekanntlich immer wieder recht genau ein. wie schon keppler bewies.

ich hoffe, auch sie sind das nächste mal dabei, – und wenn nicht, dann treffen wir uns bald wieder im böhmischen paradies.

ok?

stadtwanderer

Ps:
Ich danke national geographic und dem jiciner museum, die meinen nur einstündigen spaziergang durch die stadt so wertvoll bereicherten.

sprachlose kommunikation

die anschrift am eingang des tschechischen nationalmuseums verspricht eine ausstellung zur mammut-jagd. doch interesssiert im ersten stock der präsentationen vor allem die venus von vestonice. die unverändert mysteriöse frauenfigur, geschaffen vor rund 25´000 jahren, stammt von menschen, die noch keine eigentliche sprache und keine wirkliche schrift kannten, sehr wohl aber haltungen und gesten, vielleicht auch schon mimiken anderer menschen zu deuten wussten.


venus von vestonice, der gegenwärtige publikumsmagnet im prager nationalmuseum (fotos: stadtwandererInnen, anclickbar)

die mammut-jagd des sprechenden abenteurers

mammuts verweisen uns auf weit vergangene, aber schwer definierbare zeiten. es muss mächtige gletscher gehabt haben. das klima muss rau, kalt und feucht zugleich gewesen sein. die flora war dazu passend einfach; sie bot nicht allen tieren alles nötig zu jeder zeit. deshalb wanderten sie in regelmässigen zyklen quer durch die weiten landschaften.

die frühmenschen selber musste eine weite entwicklung zurückgelegt haben, um solches grosswild jagen zu können. sie mussten schon weit zuvor aufrecht gehen gelernt haben, und sie mussten in einem langen prozess einen verstand entwickelt haben. schliesslich mussten sie schon über eine sprache verfügt haben, um sich in gruppen organisieren zu können.

denn nur so war man in der lage, schlagkräftige banden von vielleicht 20 blutsverwandten männern zu bilden, und nur so konnte gegen grossgewachsende tiere bestehen. alleine, einzig mit einem speer, der ältesten waffe des menschen, ausgerüstet, wäre der kampf aussichtslos gewesen. man musste schon die wassertränken der wandernden tiere kennen, und man musste ihnen auch fallen bauen können, um sie dann gemeinsam zu überwältigen.

die zeit, in der die mammutjagd entstand, kannte vor allem das holz, den stein und die knochen als zentrale materiale. der metallgebrauch war noch fremd; und kunststoffe gab es sowieso noch nicht. der stein wurde aber nicht einfach so gebraucht; man hat ihn auch nicht beliebig gehauen. vielmehr hat man die fähigkeit entwickelt, eine idee von einem werkzeug zu haben, gepaart mit der fertigkeit, dieses auch herzustellen: mahlsteine für das getreide entstanden, hacken und beile für das schlagen wurden angefertigt, und klingen für scharfe schnitte und die jagd fabrizierte man bereits planmässig.


tschechisches nationalmuseum in prag: blick nach innen und aussen (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

die symbolisierte frauenfigur des sprachlosen künstlers

ob die heutigen menschen wegen den mammuts ins tschechische nationalmuseum kommen, kann ich nur schwer beurteilen. die gut gemachte ausstellung spricht wohl vor allem abenteurer an. die übrigen erwachsene dürften eher kommen, um die mysteriöse venus von vestonice zu sehen. anders als das kräftig gewachsene grosswild ist sie zierlich, zehn, vielleicht 12 zentimenter gross.

wer hat sie geschaffen? ein mann oder eine frau? ist sie ein realbild, oder ein idealbild? stellt sie eine frau während oder ausserhalb der schwangerschaft dar? genaues weiss man ueber die venus von vestonice nicht. und man erfährt es an der ausstellung auch nicht. geradezu sinnbildlich hierfür wird die geheimnisvolle frauenfigur auch nur im dunkeln dargestellt. einzig ein gebündelter lichtkegel wirft ein wenig erhellendes auf sie. fotografieren darf man sie nur gegen aufpreis; dabei bleibt blitzen untersagt. es ist gerade so, als wollte man sagen, man solle der venus von vestonice, einer der ältesten frauendarstellungen überhaupt, ihr mzsterium belassen.

ein gesicht, das uns ihren charakter verraten würde, hat die venus nicht; das haar wiederum ist nur angetönt. dank dem geschliffenen stein wirkt die haut glatt, doch erscheint sie nicht ganz nackt; um die lenden trägt sie einen möglicherweise eine gurt. dennoch überragt der unterleib alles. die beckenknochen stehen kantig heraus, lassen die schulter schmächtig erscheinen. im profil sieht man einen ausholenden hintern, und auch der weit vorstehende bauch wird sichtbar. es mangelt der figur an einer wirklichen taille, die den unter- und oberkörper in zwei gleichwertige hälften teilen würde.

am auffälligsten ist der grossen bauchnabel. wäre die figur lebensgross, hätte sicher ein hühnerei in der ausgedehnten mulde platz. auch die vulva ist sichtbar, wenn auch nur angetönt. riesig sind dagegen die brüste, grossen melonen gleich. sie wiegen schwer. die warze ist fast zu unterst, und das schluesselbein wirkt fast so wie ihre aufhängung. arme und beine schliesslich sind nur angetönt, die hände und füsse fehlen ganz; letztere sind vielleicht abgebrochen.

im dunkeln ist die farbe der venusfigur schwer zu bestimmen. vorherrschend ist das grau. es gibt aber auch weisslich flecken, und je nach lichteinfall schimmert im stein etwas grün oder blau mit. der spiegel hinter der figur reflektiert das wenige licht, das auf sie fällt, so geschickt, dass einzelne teile ihres körpers zu funkeln scheinen.


impressionen aus der mammutausstellung im prager nationalmuseum (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

die erklärungsversuche der sprechenden und schreibenden wissenschafterInnen

marija gimbutas, die litauischen archäologin, verfolgt mit ihren forschungen zu den verschienenen figurinnen, die man kennt, die these, dass wir mit den plastiken die grosse göttin, die erste dargestellte gottheit überhaupt, vor uns haben. auffallend sei nämlich, dass im gravettien, wie die epoche, in der die ersten figuren gehäuft entstanden, nur frauen dargestellt werden. sie vermutet, die ersten glaubensvorstellungen hätten mit den mysterien von der geburt, dem stauen über das stillen und des wieder verstörenden menstruationszyklus zusammengehangen. angenommen wird von weiteren anthropologen auch, dass der frühmensch den konnex von geschlechtsverkehr und geburt nicht kannte. unter dieser bedingung muss der geburtsvorgang selbstverständlich als grosses wunder erschienen sein. gebärende frauen müssen viel geheimnisvoller und wundersamere wesen gewesen sein als männer.

ob die menschen im gravettien schon eine eigentliche sprache, die ueber einzelne laute hinaus ging, hatten, ist nicht gesichert. vielmehr geht man heute davon aus, dass sie erst die zweite von drei denk- und verhaltensweisen bekannt haben, die wir heute beherrschen: genannt sei einmal das episodische lernen, wie es heute noch bei affen beachtet werden kann. es besteht ganz aus reaktionen auf die unmittelbare umwelt; es funktioniert vollends in der gegenwart und das gedächtnis besteht nur für bestimmte ereignisse in bestimmten kontexten. alles, was erlernt wurde, geht mit dem tod wieder verloren. sodann sei das mimetische denken und handeln erwähnt, das der aufrecht gehende mensch, der homo erectus, beherrschte. er hatte begriffen, dass das ueberleben in einer gesellschaft geschieht, die sich durch kooperation und koordination auszeichnet. er hatte indessen keine eigentliche sprache, entwickelte aber eine kultur, die auf nachahmung von gebärden bestand. in der entwickelten phase konnte auch die mimik gedeutet werden. das jedoch liess handeln zu, das kreativ war und kreativ beantwortet werden konnte und somit die elementare form der kommunikation darstellt. diese wiederum war nötig, um bewusst zu lernen, und gelerntes wie etwa die beherrschung des feuers und anderer fertigkeiten auch weiter geben zu können.

aus diesem frümenschen ist vor 100’000 bis 200’000 der homo sapiens entstanden. er hat seinen ursprungsort, afrika, verlassen und die ganze welt bevölkert. sein gehirn ist gewachsen, seine kognitiven fertigkeiten haben zugenommen. vor rund 40’000 jahren wurde er im heutigen vorderen orient zum homo sapiens sapiens, dem weisen weisen menschen. diesem immer noch mimentisch denkenden und handelnden menschen gelang es, mit der symbolisierung der natur kunstwerke zu schaffen. die bekannten höhlenmalereien mit tierbildern gehören ebenso dazu, wie die frauenstatuen. eine unverändert stumme welt, die uns ohne sprache und ohne schrift bis heute mehr begeistert als alle höher entwickelte mammut-jägerei.

stadtwanderer

tolles geschichtswerk zum weiterempfehlen

ein tolles buch habe ich im böhmischen kutna hora entdeckt. „die geschichte der stolzen tschechischen nation“ heisst es. lucie seifertova ist die autorin und illustratorin. viel erfährt man über bemerkenswerte macherin des speziellen geschichtsbuches zwar nicht. von sich gibt sie nur die www-adresse preis. dafür wird man mit ihrem geschichtswerk anschaulich und unterhaltsam zugleich in die tschechische geschichte eingeführt.

ein geschichtsbuch in form von popups

ungewohnt ist die art der erzählung, denn das buch gleicht einem grossen papierern popup. in der tat ist es auch wie ein popup gestaltet: vorderseitig das auffällige; rückseitig das vertiefende. ueberall dominieren eigene zeichnungen, ergänzt durch kurze texte. von allem hat es reichlich, sodass man ueber boehmen klar in wort und bild mehr erfährt als in den üblichen touristenunterlagen.

das buch ist seiner machart zum trotz kein comic. es ist vielmehr ein lehrbuch für kinder. und wird ganz gerne von erwachsenen genutzt. das hat seine gruende: alles wird anschaulich dargestellt. was (aus heutiger sicht) nicht selbstredend ist, wird erklärt. und genau das macht das buch zu einer willkommenen einführung in die tschechische geschichte.

die grossen momente der tschechischen geschichte

um das buch auf zu tun, muss man den bändel in den farben tschechiens oeffnen. der inhalt besteht aus 22 popups: alles beginnt mit den mammutjägern in der altsteinzeit, und es endet mit dem weg der freiheit in der gegenwart.

dazwischen erfährt man zunächst einiges über die ersten bauern, das zeitalter des metalls, die zivilisation der kelten, die einflüsse der römer und der gemanen sowie die einwanderung der slawen. hoehepunkt dieses ersten buchteils sind die ausführungen über fränkische händler, avarische reiter und mönche aus konstantinopel, die alle versuchen, auf das sattelgebiet zwischen den west- und osteuropäischen, aber auch asiatischen zentren einfluss zu nehmen. so hinterlassen sie bis heute ihre spuren in der tschechischen kultur.

im 10. jahrhundert kommt es zur ersten grossen entscheidung der tschechischen nation: die hinwendung der leute von prag, eben der tschechen, zum römischen kaiserreich. bis in die gegenwart zeigt sich dies in der kombination der slawischen sprache mit der karolingischen schrift. damals waren es die premysliden, die als erste herrschersippe die entstehende christliche kultur in böhmen und später auch in mähren mit eigenen burgen, klöstern und städten tatkräftig vorantrieben. sie begruendeten in böhmen auch die erbmonarchie, während mähren zur markgrafschaft wurde und wieder separate wege ging. das aussterben der prsemysiden anfangs des 14. jahrhundert stellte das expandierende experiment einer böhmischen nation mitten in europa in frage.

doch die bedrohung war gleichzeitig die zweite wende. es schlosse sich die grosse zeit der luxemburgischen herrschern an, die in böhmen einheirateten und im spätmittelalter vier böhmische könige sowie drei römische kaiser stellten. der neue reichtum brachte sowohl die mächtigen gotischen kirchen aus frankreich ins land. er entfachte aber auch die einheimische kritik der einfachen leute an der ueppigen katholischen kirche. jan hus, der frühe reformator der kriche, endete deswegen auf dem scheiterhaufen. die ausbrechenden hussitenkriege führen zur inneren krieg der armen gegen die reichen. die tschechische nation im 15. jahrhundert zutiefst zerrissen, bis nichts anderes mehr uebrig blieb, als das herunter gekommene land, in das die ungaren intervenierten.

in dieser vereinigung übernehmen 1526 angesichts der osmanischen bedrohung die habsburger das sagen und leiten so zur dritten wende über. die aeussere bedrohung brauchte eine innere staerkung. die renaissance brachte religiöse toleranz und die förderung der wissenschaften, vor allem der astronomie und astrologie. in prag ist das bis heute unweigerlich mit dem namen von kaiser rudolf II. verbunden, dem habsburger, der es vorzog, von lauten wien in ruhigere prag zu ziehen. doch auch diese blüte böhmens endete mit dem disput über den richtigen glauben.

der fenstersturz auf der prager burg war schlagartig die vierte wende. mit ihm brach 1618 der aufstand der böhmischen stände gegen die habsburger aus, der mit der niederlage in der schlacht auf dem weissen berg und der ausweisung der reformieten aus böhmen endete. es begann aber auch der 30jährige krieg, der halb europa zerstörte. in böhmen tobte der grosse religionskrieg bis zu schlechter letzt zwischen den truppen des reformierten schwedischen königs und des katholischen öesterreichischen kaisers. erst 1648 schloss man, mitten auf der prager karlsbrücke, frieden. prag blieb habsburgisch, und böhmen wurde, ganz im sinne der habsburgischen gegenreformation, unter ausschluss der protestanten, dafuer umso tatkaeftiger unter der herrschaft der jesuiten im böhmisch-barocken stil wieder aufgebaut.

die geschichte in diesem buch schliesst mit der fünften wende, jener zur moderne: die aufklärung, die erfindungen und die industrialisierung lassen die donaumonarchie am ende des 1. weltkrieges untergehen und die föderative tschecho-slowakischen republik als eine der nachfolgestaaten entstehen. im zweiten weltkrieg wird dieser durch das protektorat der deutschen nazis ersetzt, und nach der befreiung von der kommunistischen pareit eingenommen. 1968 und 1989 sind dann die bekannten zeitgeschichtlichen einschnitte, die zuerst zum reformkommunismus und schliesslich zur samtenen revolution führen, die föderation von böhmen und der slowakei auflösen und den weg der neuen nationen in die europäische union vorbereiten. der weg des frieden, heisst es dazu im buch ueber die tschechische nation.

ein hilfreicher zugang zur kultur der tschechischen nation

das buch von seifertova hat, wie man unterwegs erfährt, einen vorläufer. comenius, der lehrer der nation, verfasste im 17.jahrhundert neuartige textbücher, die mit vielen bildern versehen waren. anders als seifertova durfte er aber nicht in seiner heimat bleiben. zu zeiten der gegenreformation wurde er des landes verwiesen und wirkte schliesslich in den niederlanden. seifertova wiederum wirkt von böhmen aus auch im internet und strahlt auch so über ihre heimat hinaus.

ich habe die klarheit der darstellung, die auswahl der themen und die anschaulichkeit des bericht in diesem geschichtswerk sehr geschaetzt. klasse, sag ich da! ich habe auch viel gelernt: lange war mir nicht so klar, was böhmen und was mähren ist. und ich wusste nicht, dass sich tschechen und slowaken eigentlich nicht besonders verstehen. denn lange war mit die damalige tschechoslowakische republik zwar bekannt, aber eigentlich ganz fremd. ich kannte sie eigentlich nur der sportlerInnen wegen: emil zatopek, der schnellste langläufer seiner zeit, und vera caslavska, die eleganteste turnerin an olymischen spielen ueberhaupt gaben dem land, das sonst nur über spartakiaden zu greifen war, ein unverwechselbares, letztlich aber unerschlossenes gesicht. vor einem jahr habe ich mich dann zu fragen begonnen, wie die tschechische kultur entstanden ist. und gemerkt, dass ich keine einzige frage dazu beantworten kann. das buch von seifertova ist eine tolle hilfe dabei, sodass man es getrost auch anderen weiter empfehlen kann.

besonders geschaetzt habe ich den stillen humor im buch. es will die jüngen leute auf jene zeit vorbereiten, in der sie reisen werden. und in der sie die vielen neuen eindrücke, die sie in tschechien sammeln werden, missverstehen können. darauf sollen sie mit dem falzprospektbuch gleich in mehreren sprachen eingestellt werden, und zwar so, dass sie das wissen in ihrem pyjama und vor dem einschlafen verarbeiten können. das passt eigentlich ganz gut zu meinem ferientag, während dem ich mit dem trainer bekleidet im grossen lehnstuhl sitze, und abwechslungsweise im buch lese resp. auf dem notebook die rezension dazu schreibe, und so meine reale kurze reise durch die tschechische landschaft und kultur abschliesse.

waldwanderer
(alias stadtwanderer)

uebrigens:
von der gleichen autorin und im gleichen stil gibt es auch verschiedene andere buecher; mehr zu ihrem gesamtwerk findet sich unter:

www.seifertova.cz

(auch in englisch anklickbar)

die gegensaetze

mitten in den schwedenferien sind wir nach tschechien gefahren. einer heirat im familienkreis wegen: ein erlebnisreicher schock, wie sich herausstellen sollte.


heiss und kalt in prag: tram mit sinniger bikini-werbung, und u-bahnstation im geschützten untergrund (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

unser anfangsschock in prag

der diesjährige schwedische sommer ist nicht so warm wie auch schon. temperaturen von knapp 20 grad regieren das klima `07. prag war das schon mal der grosse gegenpol. seit man in der tschechischen hauptstadt warm und kalt misst, waren die 37.3 grad dieser woche der wärmste 16. juli überhaupt. das ist das tschechische klima `07.

das einheimische radio warnte am sonntag abend alle: den pragerInnen sei das stadtleben zu warm geworden. niemand mehr würde sich freiwillig in praha aufhalten, – ausser den touristInnen. von denen hatte es allerdings mehr als genug. selten war die altstadt so dicht gefüllt wie in diesen heissen tagen.

von der vielfalt des generationenwandels

das stadtleben war auch so voller gegensaetze: das touristenleben in massen verdrängte unser einsiedlertum fern ab von allem. ein steinhaus löste unser holzhaus ab. moderne teer- und plasterstrasse überlagten traditionelle fuss- und schotterwege. leichte sommerkleidungen formten die körper mehr als das behäbige arbeitshemd. unser ruhiger see wiederum wurde zur strömenden moldau. und die mächtige karlsbrücke ersetzte den kleinen bootssteg.

vom neuen prag gibt es viel zu erzählen. genauso wie vom alten. überall ist generationenwandel angesagt; aber es bleibt viel skepsis!

der konsum floriert. und die internationalen markennamen sind hier so präsent wie in jeder weltstadt. es ist fast so, also wollte man sagen: schon im kommunismus seid ihr mit botschaften permanent eingeträufelt worden. im gegensatz dazu, werdet ihr heute nicht mehr verhaftet, wenn ihr daran nicht glaubt; nur eine zusatzdosis wird euch verabreicht. die jungen leute von nah und fern scheint das nicht zu stören, denn es verspricht freiheit durch reichtum in kürzester zeit. die aufbruchsstimmung ist zum greifen fest, man will die chance packen, ohne sich das lange zu überlegen. ältere menschen beklagen da schon mal den verlust der mystik des alten prags. ihnen hat die welt, die antonin dvorzak oder franz kafka von der tschechischen hauptstadt entwarfen, besser gefallen als jene, die werbung und graffiti en masse entstehen lassen.

ein zweiter gegensatz war an diesem hitzetag zu spüren. pflichtbewusst kurvten die gestandenen trambahnchauffeure und –chauffeusen durch die stadt, obwohl es in ihren kabäuschen mehr als 50 grad warm war. man sah ihnen den unmut vielleicht an, doch geäussert hätten sie ihn nicht, selbst dann nicht, wenn sie die trambahn führten, die aussen herum die überlebensgrosse werbung mit leichter kleidung und kanpper bademode zeigte. ganz anders verhielt sich die junge arbeitswelt. den zeitungsberichten zu folge gab es nirgends so viele klagen über den hitzetag wie in den klimatisierten grossraumbüros der bankenwelt.

schliesslich war auch das hochzeit voll von gegensaezten. heiraten auf dem mittelalterlichen schloss, ist gegenwärtig nicht nur in. es hat uns auch sehr gut gefallen. die fete am samstagabend mit leckerem buffet und roma-musik unter freiem himmel war wirklich super, merci! dennoch wurden wir uns gerade so bewusst, dass wir nie kirchlich heiraten würden. zu verlogen ist sind die kirchen heute, als dass man ihnen noch trauen könnte. kindsmissbrauch und schwulenpaare findet sich ja nirgends so dicht beisammen, wie in der katholischen kirche. das entgeht einem nirgendwo nicht mehr. so nützt es nichts mehr, wenn der pfarrer zeitgemäss in turnschuhen daher kommt. das mag den einen gefallen, uns hat es nicht getäuscht.

… und der anfangsschock für unsere meisen

nun sind wir wieder im hohen norden. in oslo hatte es kilometerdicke regenwolken, und hier, in värmland, weht ein kräftiger wind. unsere jungen meisen von nebenan sind ausgerechnet heute ausgeflogen.

auch sie dürften einen erlebnisreichen schock haben: statt den schutz der engen nestwärme zu geniessen, kämpfen sie jetzt gegen die weite der kühlen wälder. hoffentlich schärft das auch ihren blick für das gegensätzliche in der welt!

stadtwanderer/waldwanderer

digerdoed (schwarzer tod) (dagens nyheter, 5. teil)

unser bewusstsein fuer die pest ist weitgehend verschwunden. man kennt zwar noch die schwarze spinne. jeremias gotthelf hat das laendliche verarbeiten des unheinmlichen todes festgehalten. doch wer weiss schon mehr ueber dieses zentrale moment unserer zivilisationsgeschichte, der mit dem jahr 1348 das spaete vom hohen mittelalter trennt?


der jäger von ekshärad im schwedischen klarältal erinnert an die zeit der ländlichen neubesiedelung nach der grossen pest von 1350 (fotos: stadtwanderer)

im ganzen norden ist die erinnerung an die pest wacher. der einschnitt mitte des 14. jahrhunderts war wohl noch tiefer. ganze landstriche wurden vollstaendig entvoelkert. und die stets lauernde krise auf dem land und in den waeldern des nordens ist es wohl, die eine solche erinnerung auch ueber jahrhunderte wach haelt. digerdoed ist heute noch das wort fuer das, was bei uns der schwarze tod ist.

in schweden, im tal der klaraelv, die wasser aus den bergen an der norwegisch-schwedischen grenzen nach sueden fuehrt, weiss man um die pest und ihre folgen. vor 1350 gab es hier staatliche pilgerweg, die nach nidaros, dem heutigen trondheim fuehrten. dort lag das heiligtum des norwegischen koenigs olaf, der im 11. jahrhundert zum christentum uebertrat, dann aber von eigenen leuten angegriffen wurde, und in der schlacht von stiklestad sowohl seine herrschaft und auch sein leben verlor. dafuer wurde er zum fuehrenden heiligen des nordens, und sein grab ist bis heute das ziel des groessten pilgerweges des nordens.

doch selbst der fruehe heiligenkult hatte die pest nicht verhindern koennen. im 14. jahrhundert verkuemmerte die zivilisation im klaraeltal, ja in ganz schweden. die grosse krise brach auch. schweden kam, wie zuvor norwegen, zur kalmarer union. das hiesst, dass der daenische koenig, sprich die daenische koenigin margareta, ueber den ganzen norden regierte.

fuer schweden war das nicht nur eine menschliche katastrophe. es gilt als die grosse krise des schwedischen koenigtums. ohne sie waere allerdings der aufstand von gustav vasa mit dem neuen, schwedischen nationalstaat und dem koenigtum, das sich nun auf der basis der reformation bildet, kaum moeglich gewesen.

von ekshaerad, der naechsten kleinstadt von unserem ferienaufenthalt aus, geht, der sage nach, in der zeit der daenischen herrschaft eine bewegung aus, die zum aufstand unter gustav vasa fuehrte. jaeger besiedelten die waelder, in denen kein mensch mehr lebte. sie lebten wie in der steinzeit, suchten nach tieren, von denen sie sich ernaheren konnten, und bildeten so die vorstufe zur einfachen bauernkultur, die im 15. jahrhundert auch in den entvoelkerten gebieten wieder entstand.

die typische darstellung des schwedischen jaegers aus der zeit nach der pest ist die des einfach gekleideten landmannes mit der armbrust. uns erinnert er selbstverstaendlich zuerst an weilhelm tell. auch der lebte, der sage nach, in den waeldern. auch der rebellierte gegen die herrschaft, im fall der schweiz jener der habsburger. und auch der loeste mit seiner opposition den fall des fremden adels aus. doch er war aelter, und er wusste nichts von der grossen pest.

in schweden dauerte der prozess der rebellion gegen daenemark viel laenger. fast 100 jahre brauchte es, bis gustav vasa zu seinem siegeslauf in den waeldern von darlarna ansetzte. die zerstoerungen, welche die pest auf dem lande hinterlassen hatte, waren einfach zu gewaltig, dass es unmittelbar zu einem aufstand haette kommen koennen.

die sage, die man in ekshaerad gerne erzaehlt, ist die: es kam ein jaeger ins tal der klaraelv, das menschenleer war. er wollte ein tief jagen. er spaehte nach einer beute. er erblickte sie. und er schoss mit seiner armbrust. als er nach dem tier sah, bemerkte er, dass er keinen elch, auch keinen baeren erledigt hatte. er hatte in einen huegel geschossen. unter diesem huegel waren die letzten reste der menschlichen zivilisation verborgen. eine kleine kapelle auf dem pilgerweg nach nidaros. da liess er sich nieder, und das leben begann von neuem!

waldwanderer
(alias stadtwanderer)

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jedem gps überlegen: unsere schwalben
fälschlicherweise vorveruteiltes schweden
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jedem gps ueberlegen (dagens nyheter, 4. teil)

bei zeitgenössischen automobilen wirbt man heute mit gps. was moderne navigationssysteme seit kurzem können, beherrschen tausende von kleinen schwalben schon lange. auch unsere, die uns seit drei jahren regelmässig im norden immer wieder begegnen!


am tag des ersten ausfluges in ihrem geburtsjahr: die schwalben 2007 von holzhausen (fotos: stadtwanderer, anclicken, um die schwalben beobachten zu können)

ich muss den kosmos konsultieren

schwalben, sagt mein kosmos vogelführer, überwintern in den tropen; den sommer verbringen sie hingegen in europa, wo sie sich auch vermehren. ihre nester bauen sie mit vorliebe in scheunen oder ställen, wobei sie schlamm mit pflanzenstengeln verstärken und warten, bis alles getrocknet ist.

so ist es auch bei uns: nur dass der stall oder die scheune durch den bootssteg ersetzt wurde! unter diesem, keinen halben meter über dem seespiegel und so bestens getarnt, haben sie genau die holzkante gefunden, die ihnen zusagt. und sie haben sich hier ihre nördliche dependence gebaut.

ich kann mir das kaum vorstellen

man stelle sich vor: zuerst wie europa von afrika aussieht, dann wie schweden von kontinentaleuropa aussieht, und schliesslich, wie einer der x-tausend schwedischen seen aus dem schwedischen luftraum aussieht. und genau an diesem see, geschätzte 20’000 schwalbenlängen lang und 5000 breit, finden sie schwalben jeden sommer ihren bootssteg. und ihren balken darunter, den ausser uns noch kein mensch je gesehen hat.

unglaublicher noch: honza, der die gegend wie seine hosentasche kennt, sagt, die schwalben kamen präzis am 9. oder 10. mai an den see; der untrschied rühre einzig vom schaltjahr her. man könne eigentlich den sommer in schweden nach den schwalben zählen, denn anfangs august würden sie, genauso präzise, wie sie kommen, auch wieder gehen.

ich bin beeindruckt

dass man eine so unwahrscheinliche stelle auf der welt mit grösser präzision in raum und zeit finden, fasziniert mich schon. die leistung übertrifft nach meinen vorstellungen jedes moderne navigationssystem! tausendfach, und das seit jahretausenden!

beeindurckt bin ich auch, wie unsere rauchschwalben ihr nördliches zu hause verteidigen: will ich am abend schwimmen gehen, und trete ich hierfür auf den bootssteg, greifen sie im nu an. stukas dürften einen dreck dagegen gewesen sein! im verbund – meist unterstützt durch andere schwalben – stürzt sich die zusammengerufen schar auf mich. in geradem flug kommen sie auf meinen kopf zu; – und überfliegen ihn, stück für stück, nur zentimeter breit, sodass man das sausen ihrer körpers schaudernd hört. erst wenn sie begriffen haben, dass ich ins wasser, nicht in ihr nest will, lassen sie mit den sturzflügen jeweils nach! das machen sie aber nur solange, die jungen im nest sind. fliegen diese, wie dieses jahr im juli, schon mal aus, dann geben sie ruhe.

ueberhaupt, diese rauchschwalben sind ausgesprochen soziale wesen. ihre stimme ist laut. wenn krähen nahen, schreien sie laut „witt-witt“ und alarmieren so die nachbarschaft, samt den möven – einer art quartierpolizei – und wehren den eindringlich ab. wenn auch diese gefahr vorbei ist, können schwalben ganz gesellig sein. gestärkt durch mücken, die sie unterwegs sammeln und fressen, und durch seewasser, das sie im vorbeiflug trinken, sitzen sie am abend schon mal auf der stromleitung, um miteinander zu telefonieren.

ein ausgesprochen lebensfrohes gezwittscher, das sie da in den tiefen süden senden!

waldwanderer

ps: ein schwälbisches „witt-witt“ per blog an all meine freunde! mehr als in dieser form kann ich nicht …

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fälschlicherweise vorverurteiltes schweden! (dagens nyheter, 3. teil)

ich will einmal aufräumen, mit all den vorurteilen über schweden: dass es immer regne, dass überall mücken habe, und dass man in schweden viel trinke. meine schwedenwelt in holzhausen und auf wanderungen sieht da anders aus!

es steche alles …

klar, wer meint, er müsse bei sonnenuntergang, am seerand ein buch lesen, der kann schon mal unliebsam überrascht werden. denn mücken kennen eine art sonnenuntergangspanik. ansonsten hat es nicht mehr und nicht minder insekten als bei uns in einem wald oder in auf einer wiese. in holzhausen, wo ich jetzt bin, ist es sogar eher harmloser: am meisten verbreitet ist die delta-bremse, und die ist klar langsamer als alles andere rund herum. eine einfach klatsche sorgte da schnell und zuverlässig vor abhilfe! etwas schneller sind die eigentlichen stechmücken. doch wie bei uns weichen sie bestimmten düften aus, die man ohne aufwand in einem raum oder auf der veranda erzielen kann. und wer frei herumläuft, schmiert sich etwas ein. schliesslich gibt es hier auch die klitzekleinen gnitzen. sie sind wohl am ehesten noch ein problem: sie kommen nicht jedes jahr vor; doch wenn es sie gibt, dann sind sie zahlreicher als alles andere. sie setzen sich zu hauf auf die haut, aber sie stechen nicht eigentlich; sie klemmen nur ganz leicht die oberste schicht der haut. deshalb meine bilanz nach 4 tagen schweden: delta-brummer sind langsam wie eh und je, gnitzen hat es heuer nur wenige, und mückenstiche habe ich bisher zwei!

es regne immer …

klar, es regnet auch in schweden! die gletscher sind nahe, das meer nicht all zu fern, und die wälder sind überall. da erstaunt es nicht, wenn die luft mal etwas feucht ist. der eigentliche landregen ist aber eher selten; den letzten richtigen habe ich 1999 erlebt. viel häufiger als das sind indessen schwedische schauer. es regnet, so eine viertelstunde, und danach scheint die sonne, bis wieder etwas wind aufkommt, und für einen moment wasser von himmel fällt. eine trockengarantie gibt es hier nicht, einen permanten regen jedoch auch nicht! vielleicht ist die abwesenheit des landregens ein neues phänomen: 2003 war meines wissenss der erste richtig warme sommer. Im juli war es regelmässig 30 grad und heisser. seither ist das keine seltenheit mehr. Letztes jahr war sogar der see von holzhausen im schnitt 26 grad warm. und der regen ist zurückgegangen. wir müssen schon wässern, damit gewisse sträucher nicht verdursten. der holunder beispielsweise braucht seine tonne wasser je sonnentag! so übel kann das nicht sein, mit dem dauerregen …

es trinke jeder

klar, auf den fährschiffen von stockholm nach helsinki kann man schon mal ganze rüppelbanden betrunkener schwedenjungs sehen. und bei einem eishockey-spiel zwischen schweden und finnland stelle ich mir das publikum auch nicht immer ganz trocken vor. ansonsten hält sich (wenigstens) der (sichtbare) alkoholkonsum in schweden aber in klaren grenzen: wein gibt es vielerorts gar nicht erst zu kaufen, und die staatlichen schnappsläden (systembolaget) unterscheiden sich erst in jüngster zeit von eigentlichen drogenabgabestellen. schliesslich ist das bier in schweden ausgesprochen dünn; was man im laden bekommt, hat nicht mehr 3,5 prozent alkohol. da müsste man schon reichlich nachgiessen, um einen schwipps zu bekommen! was es in schweden jedoch nicht gibt: angesichts der repressiven kultur gegenüber alkohol und wein hat man gesellschaftlich nicht gelernt, mit diesem genuss- und suchtmittel vernünftig umzugehen. die totale abstinenz und der exzessive missbrauch stehen sich da näher gegenüber.

gegenfrage: hat die schweiz nur matterhörnen, ist man nur schokolade und keilt ein jeder junge mit dem sackmesser rum?

ich brauche schweden nicht zu verteidigen! ich habe keinen pr-job beim tourismusbüro. aber ich habe schweden schätzen gelernt, und ich habe ein waches auge dafür, was ist und was nicht ist.

ich bin immer wieder erstaunt, wie stereotyp man bei uns gerade auf dieses land reagiert. deshalb stelle ich den schweizerInnen die gegenfrage:

. gibt es in der schweiz nur matterhörner?
. ist man da nichts anderes als schokolade?
. und keilt ein jeder junge schweizer überall mit seinem sackmesser herum?

es mag sein, dass einer der berge an der schweizerisch-italienischen grenze diesen namen trägt, dass man am bahnhofkiosk eine toblerone als erstes sieht, und dass mal ein wanderer einen salami mit seinem taschenmesser teilt.

doch: ist das schon die ganze schweiz?

nej dü, sagt da der

waldwanderer

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digerdöd (pesttod)
jedem gps überlegen: unsere schwalben
smörgasgurka (schwedengurken)
in sven-eric’s land

smörgåsgurka (dagens nyheter, teil 2)

das ist schweden: wenn di vor dem einkaufsregal stehst, um dir suess-saure gurken zu kaufen. smörgåsgruka, wie man hier sagt.

sie schmecken unvergleichlich. einfach besser als unsere essiggurken. das suesse etwas, das in ihnen steckt, macht sie so besonders. in der schweiz kennt man das kaum, – vielleicht bekommt man es ein, in schönbuehl im ikea, wenn aktion ist. wer aber kauft schon so häufig buechergestelle wie gurken! da muesste man schon erhebliche vorräte an buecher haben …


essentieller vorrat in schweden: smörgasgurka (foto: stadtwanderer, anclickbar)

vorräte anlegen

doch genau das ist mein stichwort fuer heute. wenn wir nach schweden kommen, muessen wir erst einmal vorräte anlegen. elementares, wie brot und milch, gehört sofort dazu. aber auf kaffee, bisweilen tee, zucker und salz, muessen beigebracht werden. die salatgewuerze und ähnliches kann man ueberwintern, auch wenn sie danach manchmal feucht und klumpig sind nach einem jahr. unvergleichlich sind die schwedischen kartoffeln. die muss man hier kaufen und auf vorrat haben! auch sie sind leicht suesslich, und meist weniger mehlig als unsere. davon kaufen wir gleich eine grosse portion ein, in allen grössen. und es folgen mohrrueben, zwiebeln und knoblauch. denn heute abend mache ich einen eintopf mit einem rindsschulter, das reicht dann gleich fuer zwei oder sagar drei tage. und pfeffersalami, den gibt es auch noch vorrätig, denn das ist das beste unter die gurken.


unsere diesjährige einkaufsquelle: lille bjarnen (kleiner bär), der ica-laden in 30 km entfernung (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

der ica-laden

einkaufen ist nie so wichtig, wie dann, wenn man sich auf das leben in der wildnis vorbereitet. es ist aber auch nie so lustvoll wie im ica. wir haben in unseren schwedenjahren schon viele läden kommen und gehen sehen. grosse ketten, neuerdings vor allem allem lidl, halten sie meist. kleine läden dagegen verschwinden immer wieder. leider! jahrlang haben wir einen tante-emma-laden in nur 20 kilometer entfernung unterstuetzt, doch auch der ist nach der vorletzten sommersaison verschwunden. der absatz war zu gering; und die pächter sind in den dichter besiedelten sueden gezogen.

das ica in der nächstgelegenen kleinstadt hält sich aber: mittelgrosses, solides sortiment, gute qualität, stets frisch, und einigermassen ok im preis. man kann nicht klagen! ausser das sie kein schaffleisch haben. aber das ist in schweden ziemlich normal; schafe geben hier wolle; dass ihr fleisch gut schmeckt, ist in der hiesigen kultur nicht verbreitet.


wunderbarer erdkeller in der nähe von holzhausen (foto: stadtwanderer, anclickbar)

kuehlschränke verschiedenster art

seit einigen jahren haben wir auch einen kleinen, elektrisch betriebenen kuehlschrank, um die lebenswichtigen vorräte zu lagern. das ist unser fortschritt! vorher machten wir das auf die traditionelle art: die erdkuehlung. das ist in schweden auf dem land noch weit verbreitet. man buddelt sich etwas in die erde ein, macht ein dach darueber, sodass man knapp stehen kann, und ueberdeckt das ganze mit erde. dann können die beeren darauf wachsen, und innen bleibt es schön kuehl.

das ganze ist dann ein freistehender kuehlschrank, – so hoch wie ein mensch! gott sei dank, sag ich da, denn vorräte sind etwas wichtiges, wenn man heuer von holzhausen aus 30 km weit hat zum nächsten einkauf …

so anders als in der stadt ist das waldleben in den schwedischen wäldern

waldwanderer
(alias stadtwanderer)

die ganze sommerserie dagens nyheter (tagesneuigkeiten)

nachtrag, das internet cafe von ekshärad
tiomilaskogen (der 10-meilen-wald)
allemannsrätt (das gemeingebrauchsrecht)
se pa mig, taenk po dig (sieh mich an und denk an dich!)
wieder zurück
digerdöd (pesttod)
jedem gps überlegen: unsere schwalben
fälschlicherweise vorveruteiltes schweden
in sven-eric’s land

in sven-eric´s land (dagens nyheter, teil 1)

angekomen! in den ferien …


klein-sveni sünnelet auf dem bootssteg in holzhausen, derweil gross-svenu schon mal im kalten wasser badtet (foto: stadtwanderer, anclickbar)

wer den flughafen nicht gekannt hätte, hätte sofort auf eine fremde umgebung getippt. eine landebahn so nahe dem wald! ein flughafen mitten in tannnen! das ist auf dem festland absolut ungewöhnlich.

nicht so in oslo, nach bern und muenchen unser letztes reiseziel mit dem flugzeug. auch das gebäude des flughafens ist speziell: viel ist aus holz! viel ist aus glas! nur wenig beton und stahl ist sichtbar. das gibt einem ein leichtes, luftiges gefuehl …

doch sind wir am boden, wenn auch noch nicht am ende: honza holt uns ab; wir wollen nach schweden. den sommer ueber lebt unser reisefuehrer hier, im winter ist er in unserer nähe in bern. er war schon vor 50 jahren in oslo, damals als fluechtling. das muss ihn heute noch beschäftigen. ueberall sieht er pakistani; er wähnt sich gar in karachi.

doch wir sind definitiv in norwegen: “nur 19 minuten bis oslo”, verspricht die werbung fuer den stadtbus. der interessiert uns heute jedoch nicht, wir wollen in die andere richtung.

wir fahren ueber kongsvinger und torsby nach schweden. während den sommerferien ist der kleine flughafen von hagfors nicht bedient, weshalb wir den umweg ueber norwegen wählen. unser ziel ist holzhausen, – ein stiller ort, mitten in den schwedischen wäldern. in ekshärad verabschieden wir uns von olga; sie war mit uns in den norden geflogen. wir wuenschen noch schöne ferien!

bengt hat uns ein auto bereit gestellt. einrn saab! und was fuer eine limusine … wir werden sie nur einen tag fahren, und dann unseren geländegängigen opel astra mit grossem kofferraum erhalten. eine identitätskarte will er nicht sehen, als wir den mietvertrag unterschreiben, – man kenne sich! das ist ausgesprochen nett; wir fuehlen uns sofort zu hause.

der waldweg nach holzhausen ist gerodet. ich bin froh, denn im dichten gehölz hat es immer wieder elche. die grossen, mächtigen könige der schwedischen wälder sind meist gemuetliche tiere. doch wenn sie aufgeschreckt werden, rennen sie schon mal ungestuem auf die strasse. mit dem breiteren streifen zwischen bäumen und strasse nimmt die sicherheit im wald zu.

in unserem holzhaus angekommen, packen wir aus. sven-eric atmet auf. es ist unser pluesch-elch. ich habe ihn am 4. dezember 1994 in zuerich in der bahnhofunterfuehrung gekauft. es war abstimungssonntag, der tag, an dem ueber das krankenversicherungsgesetz entschieden wurde. aber es war auch der barbora-tag. deshalb brachte ich den szmpathischen kauz als geschenk nach hause.

seither begleitet sven-eric uns jedes mal in den norden, – seiner eigentlichen heimat. diesmal hatte er eine besondere aufgabe: statt einer bettflasche im bauch hatte er unsere nagelscheren, uns sackmesser und unseren sonstigen schabernack im fäll, – all die dinge, die man heutzutage durch keine flughafen-sicherheitskontrolle mehr durchbringt.

svenu, wie er auf berndeutsch heisst, ist nun der könig der betten in holzhausen. er weiss immer viele geschichten ueber schweden zu erzählen. märchen, abendteurgeschichte, kriminalromane, erlebnisse aus dem alltag im wald und in den dörfern.

ich bin gespannt, was dieses jahr alles aus sven-erics land kommt!

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(alias stadtwanderer)

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