das mittelalter heute

der mittelalterladen von arboga liegt an bester lage, gleich vis-à-vis des früheren franziskanerklosters. er hat auch eine grösse die nicht jedes geschäft in der stadt kennt. das ganze ist programm, denn arboga setzt im sommer voll auf die mittelaltertage als volksfest.

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zu hinterst im mittelalterladen von arboga hat es eine kleine bühne. auf der finden gerade die letzten vorbereitungen statt für die mittelalterwoche statt.das organisationskomitee hat hier seinen hauptsitz. lagepläne werde gezeichnet und hinweisschilder werden diskutiert.

wer im laden etwas bezahlen will, hat heute glück: das bedienungspersonal ist so gut in die in die last minute aktionen aktionen zur mittelalterwoche integriert, dass man 5 reichstaler auch mals gerade stehen lässt.

leider werde ich die medeltidsdagar in arboga verpassen. sie beginnt am 6. august und endet am 8. das motto ist: aktivitäten entwickeln, um tradition zu bewahren. aufgeführt wird ein volkstheater zur krönung von könig gustav vasa. zum fest gehören auch ritterspiele, jahrmärkte, konzerte und ausstellungen. Selbstverständlich gibt es auch stadtwanderungen. das alles soll an die zeiten erinnern, als arboga die zweite hauptstadt von schweden war.

im mittelalterladen kann man sich gebührend auf das fest vorbereiten. zu kaufen gibt es vor allem kleider, die man früher getragen hatte. sie werden gleich im laden gegenüber angefertigt. dort bekommt man sich auch die muster, die einem erklären, wie man selber aus einem stück stoff eine toga, einen mittelalterlichen überwurf oder auch eine elegante robe anfertigt.

fotos vom letzjährigen mittelalterfest sorgen schon mal für die nötige vorfreude. trotz der bevorstehenden anstrengungen ist die stimmung gelassen. man unterhält sich, beräte die touristen auf schwedisch, englisch und deutsch, und fungiert auch gleich als touristenbüro. die museumsangebote der stadt werden erläutert, und die sehenswürdigkeiten in der umgebung kommen fachkundig zur sprache. Denn arboga bietet einiges: schiffahren auf den ausgedehnten seen, brauereimuseum und eine exklusive raketenausstellung.

das ist es denn auch, was die mittelalterwochen in arboga auszeichnen dürften: ein unkompliziertes volksfest für alle will man aus dem willkommenen anlass machen, der ansässige und zugezogene, einheimische und touristen erfreuen soll! schade nur, dass die mittelalterwoche erst dann beginnt, wenn ich schon wieder in der neuzeit sein werde …

stadtwanderer

der wilhelm tell schwedens

wer durch arboga spaziert, stösst unweigerlich auf engelbrekt engelbrektson, den wilhelm tell schwedens.

p7280227.JPGengelbrekt und wilhelm sind in ihren ländern populär. sie gehören zum jeweiligen nationalen mythos. jeweils verschiedenste bevölkerungsgruppen können sich mit den besagten figuren identifizieren, denn beide haben etwas kämpferisches. sie symbolisieren die nationale selbständigkeit, die gegen in der vergangenheit gegen ungeliebte herrschaften durchgesetzt werden mussten. typisch hierfür ist, dass beide gerne mit einer armbrust, der waffe des gemeinen mannes, in verbindung gebracht werden.

doch damit enden die gemeinsamkeiten. denn engelbrekt stammt nicht nur aus einem anderen umfeld als wilhelm, sie repräsentieren verschiedene epochen.

könig gustav wasa, der begründer der grossen wasa-dynastie, die schweden vom führen 16. bis mitte des 17. jahrhunderts regierte, steht, wie der jährlich durchgefuehrte vasa-langlauf erinnert, gleichsam für den durchbruch schwedens als selbständiger nationalstaat, der vorübergehend sogar eine führende rolle in der europa spielte. was ihm 1523 gelang, bereitete, fast ein jahrhundert zu vor, engelbrekt vor: die unabhängigkeit schwedens von dänemark.

begonnen hatte schwedens krisenzeit im mittelalter mit der grossen pest im 14. jahrhundert. Zuvor war man unter der herrschaft der folkunger ein flächenmässig riesiges königreich gewesen, das in seinen besten zeiten von grönland bis viborg im heutigen russland reichte und grösser, wenn auch nicht bedeutender war als das damalige kaiserreich.

doch die pest setzte dem norden arg zu. die bevölkerung ging massiv zurück, die kirchen wurden diskreditiert und die königreiche in die bedrouille. faktisch ging die macht an die hanse über, die, etwa von lübeck aus, für den handel in der städte lebenswichtig war.

unter der führung dänemarks konstitutierte sich ende des 14. jahrhundert die kalmarer union, die gegen die mächtige hanse gerichtet war. schritt für schritt wurden die königreiche von norwegen und schweden mit der dänischen krone vereinigt. Innenpolitisch blieb ihnen viel spielraum, aussenpolitisch wurde alles am dänischen hof bestimmt, wobei ein pommeraner auf dem thron sass.

könig erik hatte sich gegen den herzog von schleswig zu wehren, mit dem er sich nach 1410 währen eines vierteljahrhundert in einem regionalkrieg befand. In finanznot geraten, beschloss er 1429, eine öresundzoll zu erheben. wer die meerenge zwischen kopenhagen und malmö passiert, hatte ihn zu bezahlen.

selbstredend war das gegen die hanse gerichtet. die hatte jedoch nicht im sinn, den krieg des unionskönigs gegen den herzog in ihrem hinterland zu finanzieren. so blockierte die hanse den ostseehandel, was stockholm und dessen hinterland empfindlich betraf. namentlich der export von eisenerz und der import von stoffen und salz versiegten.

in den mittelschwedischen bergwerken von bergslagen waren die not und wut am grössten. Mobilisiert wurde diese durch den eingewanderten bergmann engelbrekt aus arboga. Er versammelte immer häufiger die bergleute, und er sucht sukkurs beim unionskritischen schwedischen adel und in der schwedischen kirche. 1434 vereinigte er diese stände zum ersten reichstag in der gut erreichbaren stadt arboga. von der vorform des schwedischen parlamentes liess er sich zum reichshauptmann ernennen, was offensichtlich gegen den unionkönig gerichtet war.

die opposition von argoba geriet jedoch rasch in wanken. könig erik arrangierte sich wieder mit der hanse, und beendete hierfür seinen kriegen gegen schleswig. Die forderungen der schwedischen stände negierte er indessen vorerst. doch nur vier jahre danach, wurde er in schweden als könig abgesetzt.

der bleibende erfolg der versammlung von arboga war, dass der keim des schwedischen unabhängigkeitsstrebens gesetzt war. schweden und dänemark gerieren (wieder einmal) in einen krieg, und nach 1471 regierten starke reichsverweser aus arboga schweden bis der dänische könig das 1523 das blutbad von schweden unter dem nach selbständigkeit strebenden adel und klerus anrichtete, aus dem der volksaufstand hervorging, der gustav ericsson vasa zum könig machte.

in arboga erinnert heute beispielsweise eine mächtige statue an egelbrekt und seinen beginn des schwedischen freiheitskampfes, der in den gassen der bergleutestadt ihren anfang nahm. aufgestellt wurde das monument 1935. in der frühen jahren der sozialdemokratischen herrschaft in schweden, die zum austrebenden naziregime in deutschland auf distanz ging. bis heute schaut der kämpferische engelbrekt genau hin, ob man seinen geist in veränderten umständen weiterhin pflegt.

wie gesagt, nebst der armbrust als gemeinsamkeit haben engelbrekt und wilhelm tell auch unterschiede. vor allem dass engelbrekt wirklich gelebt hat …

hej då

stadtwanderer

(bild: engelbrekt engelbrektsson, der freiheitsheld der schwedischen geschichte aus arboga, foto: stadtwanderer)

stadtwandern in arboga

stig ist der stadtwanderer von arboga. seit fünf jahren führt der pensionierte gymnasiallehrer für geschichte und religion interessierte durch die schwedische stadt mit grosser vergangenheit. doch heute ist keine normale führung. denn das schweizer radio berichtet über arboga. “metro” heisst die sendung von drs 2, die diesen sommer in loser folge berichte von auslandkorrespondenten über ihre lieblingsorte bringt.

einer der lieblingsorte unseres nordlandkorrespondenten

bruno kaufmann aus zofingen wirkt seit 2003 als nordland-korrespondet fuer radio drs. mit seiner schwedischen frau und seinen töchtern wanja und nina wohnt er in falun. den sommer aber verbringt er seit 10 jahren in einem waldstueck vor arboga.

seine frau elisabeth erzählt: als wir von genau 10 jahren beschlossen, schweden zu verlassen, kauften wir das ferienhaus. fuenf jahre lang, während denen die familie auf weltreise und arbeitshalber in der schweiz war, war arboge ist fester sitz in schweden. und seither verbringen sie jeden sommer hier. bruno hat sich sogar ein kleines studio im wald eingerichtet, von wo aus er seine beiträge fuer radio drs auch während den warmen monaten vorbereiten kann. “glocalnet” sendet dann alles in die zentrale nach bern. so auch die reportage aus arboga selber.

der lokalhistoriker berichtet

stig zeigt uns die geschichtsträchtigen orte der schwedischen stadt mit gut 10000 einwohnerInnen. er beginnt mit dem frueheren kloster, das aus der holzsiedlung eine streng geometrisch geformte stadt formte; er zeigt das rathaus, daskönig gustav wasa mit den steinen der abgerissenen stadtkirche bauen liess; und er verweist seine gäste auf auf stadtbibliothek mit ihrer umstrittenen architektur steht, die der sozialdemokratische bürgermeister bauen liess.

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das interview von bruno kaufmann für drs 2 mit dem stadtwanderer stig ericsson (foto: stadtwanderer) 

arboga war zu allen zeiten ein regionales zentrum mit nationaler bedeutung, erklärt der stadtwanderer. ueber flüsse und seen kommt man mit dem segel von hier aus ungehindert nach stockholm. auf dem landweg erreicht man leicht göteborg, und auch in den süden ist die anbindung über jönköping gut. das alles hat arboga zum idealen ausgangspunkt für den binnenhandel gemacht: eisenerze aus bergslagen wurden im kleinen hafen von arboga für den export verschifft; die schwedischen könige hatten hier eine ihrer wichtigsten militärbasen, und auch heute ist man daran, das ganze lager der schwedischen armee in arboga zu konzentrieren.

in arboga stand seit dem 13.jahrhundert auch das nördlichste franziskanerkloster schwedens. hier fand im 15. jahrhunderauch die erste versammlung des schwedischen reichstages statt. und in der kleinstadt verpflichtete der spätere könig karl ende des 16.jahrhunderts den schwedischen klerus definitiv, die grundsätze der reformation einzuhalten und nicht zur gegenreformation ueberzulaufen.

doch damit nicht genug: in arboga gab es im späten 19. jahrhundert erstmals eine telefonstation, und hier wurde im 20. jahrhundert der heutige weltkonzern asea, der später die bbc übernahm, in einer unauffälligen garage gegründet.

auf die heutige besucher wirkt arboga schwedisch-mittelalterlich. die pflastersteine haben es dem berner stadtwanderer schon vor zwei jahren bei seinem ersten besuch in arboga angetan. der stadtkern ist in weiten teilen gut erhalten. roter backstein gibt es seit dem 15., buergerlich geschäftshäuser seit dem 17. und sozialdemokratische bastionen seit dem 20 jahrhundert auf engstem raum.

der journalist fragt nach

bruno will es bei seiner reportage auch das 21. jahrhunder ausleuchten: “hat arboga eine zukunft?”, fragt er stig ericsson. der historisch bewanderte stadtführer zögert nicht lange. Er bejaht die frage vor laufendem mikrophon: stockholm sei als stadt zu gross geworden. da gäbe es schon mal eine gegenbewegung. die leute suchten mehr lebensqualität in dem land. so steige die einwohnerzahl von arboga seit 10 jahren wieder an. man könne hier arbeiten, die stadt mache viel fuer kultur, und das freizeitangebot deckt winter- und sommerbeduerfnisse ab.

da kann der skandinavienkorrespondent gar nicht mehr widersprechen. denn seit genau diesen 10 jahren ist er mit seiner familie selbst ein teil des revivals arboga mitten im bewóhnten teil schwedens. und der stadtwanderer aus bern, der in arboga mitgewandert ist, staunt, wie gut man die gegenwärtgien beduerfnisse des lebens in schweden aus historischer perspektive beantworten kann.

stadtwanderer

ps:
die sendung ueber arboga wird am mittwoch morgen, den 30. juli, auf drs 2 ausgestrahlt.

das untruegerische symbol fuer ferien

das weiss steht für reinheit und unschuld. im blau wiederum vermengen sich freundschaft und harmonie. doch es ist nicht schnee und himmel, die sich in der mutter aller cremes spiegeln. vielmehr steht die pharmakologische revolution „nivea“ für den unverkennbaren duft von ferien!

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ferienstimmung total (foto: stadtwanderer)

die firma beierdorf ag in hamburg macht heute 2 milliarden umsatz jährlich. sie produziert eine ganze linie von hautcremes, die uns, wie keine andere, licht versprechen, weil sie uns vor dem licht schützen. die meisten verpackungen sind mittlerweise aus plastik; und ihr deckel reflektiert sein einiger zeit auch das sonnengelb als dritte farbe.

klassisch ist aber die flache dose mit dem eleganten schriftzug auf dem lack, welche die mutter nach dem abwaschen aus dem spiegelschrank nahm, um sie die strapzierte haut zu pflegen.

1925 nahm die globale erfolgsgeschichte der niveau ihren am anfang. auf den markt gebracht wurde die hautcreme drei jahre früher, zuerst in grün-gelb verpackt. erfunden wurde sie von dr. oskar troplowitz, einem schlesischen pharmakologen und philosophen, der die firma beiersdorf 1890 vom desillusionierten gründer erworben hatte.

zuerst formte er eine schlagkräftige forschertruppe. Er führte als den 8 stundentag ein, den mutterschutz und die betriebliche altersvorsorge. Und er bezahlte seinen mittarbeiterInnen den urlaub. damit war die vision des philosophen gesetzt: den menschen zu einem ausgeglichenen und angenehmen leben im alltag zu verhelfen!

1911 erweiterte troplowitz das aufstreibende unternehmen, das er zwischenzeitlich in hamburg angesiedelt hatte, um eine bremer firma. damit gelangte der tüftler an der spitze des unternehmens in den besitz des verfahrens, mit dem man aus wollfett einen emulgator herstellen konnte, der vaseline und wasser verband und damit die produktion stabiler hautcremes versprach. dank seiner eigenen weiterenwicklung entstand bis 1922 nivea als marktreifes produkt aus öl, wasser und wohlfett. Zitronensäure, rosen- und maiglöckenöl geben der creme ihren unwechselbaren duft.

wenn ich heute meine sun milk in die hand nehme, um mich nach dem bad zu pflegen und auf den warmen sommertag vorzubereiten, ist mir der hintergrund nur noch am rande präsent. ich habe ihn in einem buch über erfinder gelesen, dann aber wieder vergessen.

denn nivea steht auch für mich zu einem produkt, das man erfinden müsste, würde man es nicht haben. so selbstverständlich es geworden ist, so jung ist doch die story, die aus der echten sensation in der pharmakologiegeschichte entstand und fast ein wenig wie eine alchemistische revolution wirkt.

ich danke es ihr an diesem sommertag, der so herrlich blau beginnt und meine noch fast weisse haut hoffentlich schön bräunen wird.

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jeder ein kleiner könig, jede eine kleine königin

früher ging ich mit meinen eltern in den süden in die ferien. das meer, der sand und die sonne lockten. doch die toiletten schockten. „abfahrer-schiissi“ nannte ich löcher, über man lange huren mussten, als würde man widersinnig mitten im sommer den sieg am lauberhorn anstreben. jetzt fahre ich mit meiner partnerin seit 10 jahren in den norden in die ferien. das mehr haben wir gegen den wald vertauscht, und die vielen beeren ersetzen uns den sand. geblieben ist nur die sucht nach der sonne. denn selbst mein staunen ueber die nordischen toiletten ist heute verschwunden.

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politische überzeugungen an den privatesten orten – typische für schwedens plumsklos ausser haus (foto: stadtwanderer)

ein schwedisches sommerhaus hat bis heute keine eigenes „wc“. dafür geht man in den wald, wo es, an einem stillen örtchen, nach gut altgermanischer sitte ein gemeinschaftsklo hat. eine kleine hütte reicht dafür, versehen mit einem brett, indem es ein loch hat. plumpsklo in freier wildbahn nennt man das wohl am besten.

und das ist in schweden fast schon kult! denn ein schwedisches plumpsklo ist nicht einfach ein plumpsklo. es ist wie eine kleiner thron. denn in schweden sind jede und jeder ein kleiner könig oder eine kleine könig. lässt man etwa die hüttentüre in der einsamkeit offen, sieht man in den wald, auf die wiese oder über den see. die ganze herrlichkeit der natur ist vor einem. was die götter den menschen geschenkt haben, gibt es in hülle und fülle um einen herum.

hie und da sterben ein paar der leibeigenen. so ist der zeiten lauf! dann werden sie, wie es sich gehört, der erde zurück gegeben. das ist keine klinisch saubere operation in einem emailierten labor. nein, es ist ein ganz normaler teil des lebens in natürlicher umgebung. und um den verwesung zu stoppen, gibt man den abgegangen noch etwas kalk und holzspäne mit auf den langen weg.

das ist nicht nur ein erfundener vergleich. unsere toilette im schwedischen wald, die ich nicht selber gemacht habe, ist, seit ich sie benutze, eine art thronsaal. links und rechts hat es überall bilder aufgehängt von der königsfamilie, die gut auf ihren untertanen achten!

anders als im süden, wo ich mich an die toilette nie gewöhnen konnte, finde ich die im norden zwischenzeitlich hygienisch sehr sinnvoll. vielmehr lässt mich, regelmässig bei unserer rückkehr in die schweiz staunen, dass man ein „wc“ in den eigenen vier wänden für ganz normal hält.

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carro

die spannung war hoch. denn es war der letzte sprung der konkurrenz. würde die nummer 1 auch hier gewinnen, wie man es erwartete, oder wuerde sie tatsächlich nur zweite werden?

v_nde_och_vann_173167w.jpgdas publikum auf der tribüne klatschte rhythmisch. der star des abends war eben erst aufgestanden, hatte sich gegen die menschenmenge gerichtet, um es mit händen aufzufordert in den nächsten minuten gedanklich mitzuspringen.

je näher der sprung kam, desto lauter wurde nicht nur das klatschen. es schwoll auch die musik aus dem lautsprecher an, bis das das kleine stadion in karlstad zu platzen drohte.

dann nahm die gross gewachsene athletin aus dem schwedischen växjo ein letztes mal mass. mit ihren augen fixierte sie die sprunggrube. nur noch ein kleines, aber alles entscheidendes stück des weges trennte sie noch davon, als sie sich nach vorne bückte, sich in die anlaufbahn warf, um sie schnellen schrittes zu durchrennen.

einmal, zweimal, dreimal sprang sie, bevor sie ihre beine und arme entschieden nach vorne warf, um noch einige zentimeter in ihrem dreisprung hinzu zu gewinnen. selbst als als sie im sand gelandet war, blieb sie nicht still, juckte sofort wieder auf, hüpfte und tanzte, als wollte sie sagen: der war gut!

das publikum war bereits aus dem häuschen. die siegerin der herzen stand fest bevor die länge des sprungs fertig ausgemessen war.

der publikumsliebling aller leichtatheltikstadien in schweden schaute gespannt auf die anzeigetafel. sekunden des wartens vergingen, die wie jahre des lebens erschienen, bevor das ergebnis aufleuchtete.

begonnen hatte alles mit dem wohl ulkigsten dreisprung der saison. er war der grossen favoritin nach dem ersten sprung so gründlich misslungen, dass sie nur noch durch die sandgrube trockelte. am ende lachte sie über sich selber, und die leute rund um sie herum verziehen ihr die kapriole. im zweiten umgang stellte sie dann schon fast alles klar: stadionrekord und selbstredend die führung in der konkurrenz, war die antwort auf den verpatzten anfang. bis in die sechste runde behielt diese auch, ehe ein russin mit einem wirklich guten sprung, wie der stadionspekaer kommentierte, an ihr vorbeizog.

doch dann kam die erlösung!

carro, mit ganzem namen carolina klüft, wie man die 25 jährige olympiasiegerin schon mit verehrung nennt, sah ihr ergebnis aus dem letzten sprung. die 14 vor dem punkte hatte gereicht, um sie erneut tanzen und die arme jubelnd über dem kopf zusammenschlagen zu lassen. wäre sie noch einen kurzen fuss weiter vorne gelandet, hätte sie gleich auch ihren eigenen schwedischen rekord im dreispringen gebrochen.

doch die zentimeter des weiten sprungs interessierte niemanden mehr. denn carro war siegerin. die nummer 1 trug sie schon die während des ganzen meetings auf ihrer brust. das war schon fast symbolisch, denn hier erwartet jeder und jede, dass carro in peking auch die nummer 1 sein wird, selbst wenn sie zur überraschung aller im siebenkampf ihren titel nicht verteidigen will. im weitsprung bestehen chancen, im dreisprung müsste sie wohl bis zum allerletzten über sich hinauswachsen.

doch das tat die schwedische musterathletin bisher eigentlich immer.

stadtwanderer

svenska …

schwedisch ist eine skandinavische sprache, die man spricht, schreibt und liest. sie ist dem norwegischen und dem dänischen verwandt, beschränkt auch dem isländischen. zusammen bilden sie die nordgermanischen sprachen. mit dem finnischen und samischen ergeben sich dagegen nicht, denn das sind keine indoeuropäischen sprachen.

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am einfachsten ist für uns die aussprache im schwedischen. mit wenigen ausnahmen stehen die buchstaben für die gleichen laute wie im deutschen. das ist nicht der fall für das „ü“, das man im schwedischen als buchstaben nicht kennt; für das helle „ü“ steht das „y“, für das dumpfe „ü“ das „u“. für unsern „u„ gibt es den buchstaben „o“. „o“ wiederum wird im schwedischen mit „å“ geschrieben, während „a“ „a“ ist. immerhin!

nicht mehr so einfach sind die wörter:“noll, ett, två, tre, fyra, fem, sex, sju, åtta nio, tio, elva, tolv“ sind für die zahlen von 0 bis 12 gewöhnungsbedürftig. das gilt auch einigermassen für „tjugo“, „zwanzig“, weniger aber für „hundra“ und „tusen“; da erkennt man die zahlen schon klarer.

bei den wörtern schliesslich ist die sache bisweilen kompliziert: „ost“ ist nicht das gegenteil von west, sondern „käse“. und „öl” ost nicht nicht-essig, sondern bier. manchmal hilft einem jedoch die schweizer mundart, um zu verstehen, was was ist. beispielsweis ist „gammal“ dem „vergammelten“ ähnlich und meint „alt“. viele der neuen begriffe sind importiert. eine schwedische „bank“ ist eine „bank“, eine „apotheke“ eine „apotek“. und beim „restaurang“ ist auch klar, was es meint, selbst wenn es ein „värdshus“ ist.

bis heute kann ich nicht eigentlich schwedisch reden, – ausser dem allernötigsten wie „jag talar bara litet svenska“, was man auch mit „do you speak english“ übersetzen kann. das schreiben würde mit viel mühe bereiten, aber einem fernsehfilm kann ich folgen. und einen zeitungsartikel korrekt zu verstehen gelingt mir auch immer häufiger.

die einflüsse zum englischen ergeben sich aus der aktualität. sie sind wachend. heute können auch die allermeisten schweden nebst ihrer eigenen sprache englisch, und so gibt es auch übertragung von der einen zur anderen sprache.

deutsch ist dagegen in schweden seit dem zweiten weltkrieg rückläufig. historisch gesehen ergeben sich aber viele übereinstimmungnen zum niederdeutschen, das man im norden spricht. sowohl die hanse, wie auch die schwedischen besitzungen auf dem kontinent haben hier das ihre beigetragen.

das schriftsprache entsteht schwedisch vielerorts mit der bibel. sie ist der lateinischen übersetzung ins deutsche, die luther verfasst hat, nachgebildet. Ladislaus petri, der bruder des reformators, hat auch das populäre schwedische kirchgesangbuch geschrieben.

die standardisierte form des schwedischen, die man schreibt, entspricht dem mittelschwedischen dialekt. der tönt schon einiges anders als der südschwedische, wo es viele einflüsse aus dem dänischen gibt, und den sprachen in den grenzgebieten wie in värmland oder dalarna, die dem norwegischen verwandt sind. die regiolekte sind für aussenstehende meist schwerer zu verstehen. sie wirken auch weniger artikuliert. ob es im schwedischen auch schichtbezogene soziolekte gibt, weiss ich nicht. angesichts des verbreitet gelebten gleichheitsideals in schweden, zweifle ich aber stark!

„tack“ für „danke“ verwende ich selber sogar in meinem alltag in der schweiz. eine szene in narvik, wo wir auf den zug nach kiruna wollten, kommt mit da unweigerlich in den sinn, standen doch zwei asiaten an der theke und bedankten sich für das bier, indem sie sich leicht verneigten und gemeinsam „tacky-tacky“ sagten.

mein lieblingswort im schwedischen ist übrigens „varsågod“, was bitte heisst. auch da hilft die mundard weiter: „beschsoguet“ ist fast wie „waschoguhd“.

hej da/o

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die suppe als lebenselixier

suppemachen ist für den waldmann nicht kochen. es ist eine art lebensphilosophie. der körper muss gestärkt werden, der poren sollen geöffnet werden, sodass sich der geist entwickeln kann. auf jede form von luxus ist aber zu verzichten, erzählt unser nachbar im schwedischen wald. 

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impression aus dem garten unseres nachbarn, jedem luxus abhold und voll aus selbstgemachte suppe eingeschworen (foto: stadtwanderer)

seit vielen jahren esse er eigentlich nur noch sein selbstgemachte fleischsuppe, erzählt h. an seinem küchentisch, und schenkt uns allen eine schale davon ein.

eineinhalb kilo schwedisches rindfleisch nimmt unser nachbar auf einmal. das brät er zuerst ganz heiss an. dann legt er es in den kühlschrank, denn kalt könne man es am besten schneiden. Schliesslich kocht er das klein geschnittene fleisch im wasser. am schluss kommen noch spaghettini dazu; fideli nennt er sie.

doch das geheimnis seiner suppe sind die kräuter. acht verschieden habe es darin. einzeln könne er sie nicht mehr nennen, antwortet der alte mann auf mein frage. doch dann steht er auf, schiebt im oberen küchenschrank die türe beiseite und zeigt uns voller stolz die vorräte seiner acht kräutermischungen. dazu komme noch schwarzer pfeffer, fügt er beim aber nur in ganzen körnern. und kein salz habe es in seine guten suppe.

wir rühren noch lange in unseren schalen, als er erzählt, denn die suppe ist noch ganz heiss. dann beginnen wir zu schlürfen. andere leute würde eine solche suppe nur ein oder zweimal essen, dann hätten sie genug. für ihn sei das 80 prozent seiner ganzen nahrung, seit mindestens 8 jahren, lässt uns h. wissen. Auf jeden fall sieht er nicht krank aus!

als wir uns für das lebenselexier bedanken wollen, weißt der alte mann die komplimente zurück. also verabschiede mich, indem ich mich ausdrücklich nicht bedanke. das sei gut so, ruft mir h. nach.

es ist wunderbar, so genährt, gewärmt und geweckt wieder nach hause zu gehen.

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viel holz vor dem haus

unsere schwedenofen heisst eichhörnchen. so wie die putzigen tierchen nüsse in die mund stopfen, füllen wir unseren ofen mit gespaltenem holz. und so schnell wie ein eichhörnchen seine nüsse zu verstecken weiss, verschwindet auch unser holz. einziger unterschied: gescheite eichhörnchen finden ihre vergrabenen nüsse wieder, während wir menschen unsere holzvorräte immer wieder selber auffüllen müssen.

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vollbrachtes tageswerk in der abendsonne als kleiner spiegel der kindheit (foto: stadtwanderer) 

genau das war heute angesagt. gesägt wurden die scheite ohne meine hilfe. diese beschränkte sich darauf, eine sinnvoll beige auf dem vielen vor dem haus aufzubauen. zu unters lagen deshalb flache bretter, die das holz vor feuchtigkeit schützen würden. dann kamen die längsten stücke holz, gefolgt von den mittleren. zuoberst stapelte ich dann, was an kleinholz noch übrig blieb.

als die beige fertig war, betrachteten wir unsere neuen vorräte. dieses jahr werden wir sie wohl nicht mehr gebrauchen, doch nächsten jahr gibt es bestimmt wieder kalte tage, und dann sind wir froh, vorbereitetes und gelagertes holz zu haben. holz vor dem haus zu haben, sind wird uns einig, gibt sicherheit, wärmt schon bevor es brennt und lässt einen ruhig schlafen.

nach unserem kurzen gespräch wurde ich unweigerlich an meine kindheit erinnert. auf der schulreise in der zweiten klasse, die uns auf einen aussichtsturm in othmarsingen im kanton aargau führte, wurden wir kinder am abend auf dem bauernhof der lehrerin abgeholt. die nachbarn reichten uns, weil sie einen grossen combiwagen hatten. da hatten alle kinder auf einmal platz.

auf der heimfahrt verhandelten der fahrer und der beifahrer die lehrerin, wie das einfach gestrickte männer so tun, wenn sie eine ihnen bisher nicht bekannte frau gesehen haben, und meinten, sie habe viel holz vor dem haus.

nichts ahnend, mischte ich mich in ihr gespräch ein, ich bestätigte ihre ansicht. es habe holz auf allen seiten des bauernhauses, hätte ich bei meinen erkundigungen gesehen.

doch die nachbarn lachten mich nur laut aus!

sie meinten, wenn die lehrerin „viel holz vor dem haus“ habe, sei das eine redensart für ihre oberweite. Ihre brüste seine wirklich toll.

ich war danach die ganze heimfahrt still und verlegen. und auch jetzt noch ein wenig, wenn ich meine holzbeige vor dem haus betrachtete, die ich nichts mehr ahnend aufgebaut hatte.

eichhörnchen haben es wirklich einfacher im leben!

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alter ego

das andere ich in sich erfährt man erst, wenn man seine normale umgebung verlässt.

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nein, nein, zum ralleyfahren bin ich in schweden nicht geworden, zum autofahrer aber schon (foto: stadtwanderer) 

nach schweden zu gehen, ist zu allererst eine kulturelle erfahrung. man wechselt ja nicht von einer gewohnten in eine ungewohnte umgebung. das ginge ja noch, zumal in vielen teilen der schweizerischen wie auch der schwedischen kultur germanische elemente spuerbar sind. nach schweden aufs land zu gehen, ist vor allem ein gewaltiger zeitsprung, quasi eine reise in die anfänge der zivilisation.

die ersten 10 tage in den ferien sind der desozialisation gewidmet: man vergisst die erwartungen der gesellschaft sehr schnell, setzt sich selber normen, und vor allem sucht man seinen eigenen, natuerlichen rhythmus. du schläfst solange es nötig ist, du isst dann, wenn du hunger hast, und du sprichst nur dann, wenn es leute hat. und das ist eher selten.
also ist man, ohne narzistisch zu sein, stark auf sich konzentriert.

doch nicht nur das “ego” interessiert. man entdeckt so sein alter ego, das andere ich, das im sog. normalfall kaum platz hat, verdraengt wird oder abgespalten von einem weiter lebt!

meine diesjährige erfahrung mit dem alter ego betrifft das autofahren. in der schweiz bin ich fast 30 jahre nicht mehr hinter dem steuerrad gesessen. meine vagen erinnerungen reichen in die späten 70er des 20. jahrhunderts im vorringen jahrtausend zurueck …
selber habe ich mir immer eingeredet, ich könne das nicht (mehr), schlafe viel zu einfach ein, um auto zu fahren, das sei zu gefährlich, und natuerlich verschmutze man dabei die umwelt unnötig.

hier, wo die distanzen ganz anders und die angebote des oeffentlichen verkehrs auf dem lande unvergleichlich schlechter sind, muss man sich fast zwangsläufig umbesinnen. man hat letztlich keine frei wahl!

und siehe da: nun sitze ich wieder im auto, drehe den zuendschluessel, lege gänge ein, gebe gas und rudere mit dem steuerrad durch die gegend, wie wenn nie etwas dazwischen gewesen wäre …

ach, selbstverständlich bin nicht ich das, der auto fährt, sondern mein alter ego!

hej då

stadtwanderer

smaklig maltid!

die schwedische küche geniesst international keinen ganz so guten ruf wie etwa die französische. dafür ist die qualität im alltag nicht sinkend, sondern steigend. ausserhalb stockholms, wo sich die moderne trendküche entwickelt, bleibt die traditionelle husmanskost im schwang.

imgp1937.JPGkleine speisen
nichts ist so schwedisch an der schwedischen küche wie smörgasbord. wörtlich genommen ist es ein „butterbrottisch“. Doch keine angst: auch in schweden ist man kein birkenholz!

vielmehr meinte man damit ursprünglich den reichlich gedeckten nebentisch. die heutige wortverwendung bezieht sich nicht mehr auf das unterholz, sondern auf die vielen blätter: smörgasbord meint am ehesten ein buffet mit belegten broten mit gesalzener butter, bestrichen mit leber-pastej oder garniert mit karnelen, kaviar oder lachs, ausgekleidet mit salaten, gewürzt mit dill und mit den unverwechselbaren süss-sauren schwedischen gurken angerichtet.

fisch und fleisch
das warme hauptessen besteht ueblicherweise aus fisch oder fleisch. hecht und zander, ganz besonders aber hering und lachs sind am beliebtesten, während elch und rentier zu erlesensten gehört. klar besser als in der schweiz  ist rindfleisch, das ebenfalls häufig gegessen wird. klassisch wie bei allen germanen ist schweinefleisch, selten verspiesen wird dagegen (ganz zu meinem leidwesen) lammfleisch.

wenn das fleisch nicht am stück serviert wird, dann gibt’s fast sicher sköttbullar, gehacktes, das gut gewürzt zu kleinen klössen geformt gegessen wird. schwedisch ist es, dazu eine sämige sauce mit pilzen und preiselbeeren zu servieren, in der auch die ausgezeichneten schwedischen kartoffeln baden.

all diesen leckereien zum trotz ist pytt i panna mein lieblingsrgerichtin schweden. wenn es kalt ist und man keine lust hat, gross zu kochen, empfiehlt es sich, kartoffeln klein gewürfelt zu schneiden, den resten gemüse oder wurst in feine scheiben zu schnitzen und ein ei darüber zu geben. denn schon ist das feine gericht gemacht.

süssigkeiten
bei der nachspeise dominiert eindeutig der wald: beeren aller art sind in, am liebsten natürlich heidelbeeren. und wenn es ganz hoch kommt, dann serviert man den schmaus auf waffeln.

zum kaffee (“verunstalte ihn nicht mit zucker!“) bevorzugt man wie überall süsses. kanelbullar ist hier der eigentliche favorit der schweden. das sind kleine schnecken aus hefeteig mit einer festen füllung, angereichert mit zimt. ueberhaupt, zimt wird viel mehr verwendet als bei uns. so ist immer ein wenig wie im tiefen winter.

milch und brot
brot gibt es in allen sorten. dunkler roggenbrot ist verbreitet, aber auch halbweises wird gegessen. häufig haben die brote schon konfitüre in sich, zur stärkung, aber nicht zu meiner freude. denn ich ziehe den butterweichen svenk honung, den schwedenhonig, als aufstrich klar vor.

natürlich darf das knäckebröd wasa nicht unerwähnt bleiben. die vielen arten, die es in schweden gibt, beschreiben zu wollen, ist allerdings sinnlos. ich bevorzugt „ekologiskt“ mit vollkorn! Bei uns weniger bekannt, im norden aber beliebt ist tunnbröd, ein ganz dünnes knäckebrot, das unter alles gelegt werden kann.

speziell erwähnt werden muss die milch. erstens ist sie sehr gut, und zweitens vielseitiger als wir es uns gewohnt sind. normale milch ist mjölk, ganz speziell ist filmjölk (eine mischung aus yogourt und sauermilch). reichlich ist die auswahl an käse, doch verbessert sich die originalität erst in jüngster zeit. ganz speziell sind die geissenkäse.

saft, bier, aber keinen wein
getrunken wird saft, erstellt mit allen früchten. man kann sagen, dass das das älteste und natürlichste getränk ist. es ist quasi heidnischen ursprungs. christlichen ursprungs ist in schweden das bier, das vormals in den klöstern produziert wurde. heute ist es fest in dänischer hand. getrunken wird es dafür in reichlichen mengen, denn es ist dünner als bei uns üblich. und weil die römer nie in schweden waren, hat sich bis heute der wein nicht richtig durchgesetzt. lange zeit gab es wein nur in speziellen staatlich geführten läden (systembolaged), die am ehesten einer drogenabgabestelle bei uns glichen.

das galt übrigens auch für schnäpse. dennoch gibt’s die in jedem haushalt. aquavit ist natürlich am beliebtesten, und wohl auch am besten. „O.P Anderson“ ist mein klarer favorit, zu dem man vor und nachdem essen nur „skål“ (sprich: skol) sagen kann!

hej då

stadtwanderer

victoria!

victoria feierte an diesem 14. juli ihren 31. geburtstag. doch die schwedische kronerbin hat es nicht leicht: sie ist unverheiratet, und wird es, wenn man den adeligen sitten folgen sollte, auch bleiben. denn sie liebt einen bürgerlichen, und sie ist gewillt, diesen und nur zu ehelichen!

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daniel westling ist ein gut aussehender fitness-lehrer in stockholm. und er hat wachsende aussichten, der nächste könig von schweden zu werden. denn seit acht jahren lieben sich victoria und daniel, allen hindernissen der herkunft zum trotz.

lange zeit war ihre liebe unbekannt. dann wurde sie zum grossen thema der klatschpresse, wenn auch eher der deutschen als der schwedischen. und mit ihm verband sich die frage: sollte ein bürgerlicher die nachfahren einer fernen verwandten von kaiser napoléon die zukunft als schwedischer könig sichern?

diesen sommer ist man der antwort auf die frage ein stück näher gekommen. mit einwilligung des könig carl xvi. gustav mietete sich daniel für 500 euro monatlich im roten gärtnerhaus des schloss drottningholm im stockholm ein. und seither darf spekulatiert werden: ist das nun schon eine art verlobung? hat papa carl endlich sein ja wort zur ehe zwischen dem sportlichen daniel und seiner koketten victoria gegeben? und hat er die nötige zustimmung des bürgerlichen ministerpräsidenten schon eingeholt?

die royalistisch gesinnten kritiker sehen schon den letzten, entscheidenden schritt im niedergang des schwedischen königtums kommen, der im 19. jahrhundert begann, als die familie von jean baptiste bernadotte, dem schwager des bruders von napoléon bonaparte, schwedischer könig wurde. seither hat schweden norwegen vorloren, ist die macht des schwedischen könig sukzessive verringert worden. seit 1971, als der sozialdemokratische ministerpräsident olof palme mit der grossen regierungsreform dem könig seine verfassungsgebende macht entzog, ist man in schweden nicht eine repräsentative monarchie.

für die mehrzahl der schwedInnen ist das kein nachteil. Sie stehen zu ihrem könig carl gustav („ich kann nicht wirklich schreiben“) und seiner silvia („eine gebürtige deutsche“). Mit dem strengen gustav vasa, dem begründer der schwedischen erbmonarchie haben sie schon längst nichts mehr gemeinsam, wenn er mit kapitänsmütze und sie mit deux-piece den kamera zu lächlen. Und so wird die heirat zwischen victoria und daniel weder das schwedischen königshaus beenden, noch ein wirkliche bruch darstellen. vielmehr wird man darin genauso die zeitgemäss fortsetzung der monarchie für bauern, arbeiter und bürger sehen, wie für zeitgemäss leben frauen und männer.

hej då

stadtwanderer

besuch bei der grossen alten dame

mårbacka ist in schweden ein häufiger ortsname. doch marbacka bei sunne in värmland ist für die schweden einmalig. 5 millionen gäste waren in den letzten gut 50 jahren hier. denn diese mårbacka ist der ort, von dem aus selma lagerlöf geschrieben hat.

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selma lagerlöf, das ist zuallerst nils holgerson, der kleine junge der auf einer gans durch ganz schweden fliegt, um alle wunderbaren orte des landes kennen zu lernen. elma, die ausgebildete lehrerin, hat das buch für den geografieunterricht geschrieben, und es ist zu einem der erfolgreichsten jugendbücher des 20. jahrhunderts geworden. debütiert hatte sie mit göste berlings saga, einem roman, der in der umgebung von mårbacka spielt. für dieses, in der schwedischen literatur bahnbrechende buch hat sie 1909 als erste frau überhaupt den literaturnobelpreis bekommen.

1858 wurde die kleine selma in mårbacka geboren, 1940 verstarb sie im gleichen haus, in dem sie auch die meiste zeit gelebt hatte. der familienbesitz war immer schon stattlich, und er ist während und nach selmas wirken angewachsen. heute umgeben ein grosser park mit seltenen vögeln und alten pflanzen, mit einem teich, gartenwirtschaft und einer bücherbutik das lebenszentrum der vielfach übersetzen und ausgezeichneten schriftstellerin aus värmland.

im sommer kommen die leute gerne hierher aufs land hinaus, um zu sehen, wo die beliebte selma gewirkt hatte. wer den weg in die hügeligen moorlandschaft nicht scheut, kommt auf seine rechung. denn das haus wurde in der form und in dem zustand belassen, indem es war, als die produktive hausherrin verstarb.

die kundige führung beginnt unten im haus. gezeigt werden der öffentliche bereich mit dem salon, dem esszimmer und der küche, indem auch die gäste waren. dann steigt man die treppe hoch, in den privateren bereich. Man sieht die bibliothek, das schlafzimmer, um endlich in die schreibstube der schriftstellerin zu treten. ganz hinten, an einem hellen ort, steht unverrückt ihr pult. der kalender zeigt noch immer märz 1940. und selbst ihr gehstock liegt noch griffbereit neben der schreibfläche. dazwischen findet sich ein schreibblock und die alte adler-schreibmachine, auf der die grosse dame der modernen schwedischen literatur schrieb.

der einblick in das leben der grossen schwedischen schriftstellerin endet mit einer tonbandaufnahme ihrer kurzen rede, die sich zu ihrem 80.geburtstag im nationalen radio hielt. sie dankt darin allen schweden und ihren kindern, die ihr so viel geschenkt haben, und sie wünscht sich, dass ihr andenken weiter geht, auch wenn sie den weg in ihre tod gegangen sein werde.

weniger als 2 jahre danach verstarb selma lagerlöf. sie erlebte noch den anfang des zweiten weltkrieges, der in schweden mit dem krieg zwischen russen und finnen verbunden war. selma stiftete, das sie gerade kein kleingeld übrig hatte, ihre goldmedaille, die sie bei der überreichung des literaturnobelpreises bekommen hatte. später wurde aus der region das geld gesammelt, um das gedenkstück zurückzukaufen, und um es in wirklichen mårbacka auszustellen.

hej då

stadtwanderer

bild: ausblick aus dem garten von selma lagerlöf über die ebene von marbacka, foto: stadtwanderer

wenn der kampf ums überleben erst mit dem tod endet

es brennt der wald. es lodert das feuer. es krachen die bäume, und es riecht nach verbranntem. man wähnt sich mitten in einer katastrophe. doch man ist in der eingangshalle des finnskogen-museum, dem zentrum für finnische forstkultur im schwedischen torsby, das an das leben und sterben der finnischen waldnomaden in värmland erinnert.

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der stolze anfang

der einstieg in die ausstellung ist dramatisch und typisch zu gleich: dem urwald menschliches leben abzugewinnen, ist ein knallharter überlebenskampf. er beginnt mit rodungen des unendlichen waldes, die in den wind gelegt werden muss, damit sie sich nicht unkontrolliert ausbreiten. derkampf setzt sich mit der aussaat des roggens fort, der in die noch heisse erde gestreut wird. geerntet werden kann er erst im übernächsten herbst. dafür ist sein wachstum siche, sodass nahrung für den übernächsten winter in aussicht steht, und auch das nur einmal. schwendewirtschaft nennt man das schrittweise vorgehen beim getreideanbau bis heute, das für die finnischen siedlerInnen in den mittelschwedischen wäldern lange zeit charakteristisch war.

die angepasste waldkultur

die volkskundliche ausstellung über das leben der finnischen siedlern im schwedischen wald zeigt nebst den rodungen auch den hausbau und den volksglauben den waldfinnen, die im 16. jahrhundert erstmals von könig gustav wasa aus karelien geholt wurden, um den urwald im schwedischen hinterland zu erschliessen. die schliesslich rund 20’000 menschen zogen namentlich im 17. jahrhundert schichtweise rodend und hausend bis in die norwegische berge. niedergelassen haben sich die meisten von ihnen im nördlichen teil der heute schwedischen provinz värmland, wo auch das städtchen torsy ist.

die finnenhöfe unterscheiden sich von den typisch schwedischen bauernhäuser. zunächst sind sie kleiner und einfach, dann auch in andere haustypen aufgeteilt. im zentrum steht das wohnhaus, rauchstube genannt. das ist durchaus ernst gemeint: denn der lebensmittelpunkt besteht aus einem ofen ohne abzug. die rauchentwicklung ist gewollt, denn sie hält die wärme länger als sonst in der holzhütte. nach dem gleichen prinzip funktioniert das erste nebenhaus, das der hygiene gewidmet und bei uns als sauna bekannt ist. im zweiten nebenhaus, der darre, wird das getreide getrocknet.

eine eigentliche landwirtschaft, die nicht auf neue rodungen setzte, entstand bei den waldfinnen erst im 18. jahrhundert, als die besitzer mächtiger eisenhütten ebenfalls anspruch auf den wald erhoben. viehzucht und ackerbau, der mit einfachsten mitteln im steinigen gelände betrieben wurde, bildeten nun nebst der waldwirtschaft die grundlage der existenzsicherung.

die waldfinnen wurden erst im 19. jahrhundert christianisiert. sie blieben aber auch danach waldmystiker, die im einklang mit der natur lebten, denn gutes wetter, reiche ernten, jagd- und fischerglück bestimmten seit jeher das fortkommen der waldmenschen. weisse magie schützte sie selber und ihre tiere, schwarze bekämpfte ihre feinde. originelle gesänge und beschwörungen mit eigenem versmass wurden hierfür entwickelt, welche die forscherin kajsa henriksson vilhuinen in der ersten hälfte des 20. jahrhunderts ausführlich dokumentiert hat.

die assimilierung in schweden

1608 föderte der schwedische könig karl ix. die ansiedlung der waldfinnen mit privilegien. wer den wald bewirtschaftete, wurden vorerst von steuern befreit. jedoch nur wer einen eigenen hof hatte, konnte in der neuen umgebung gleichberechtigt mit den einheimischen bauern leben, und musste dafür steuern bezahlen. im 20. jahrhundert schickten die sesshaft gewordenen waldfinnen ihre kinder in schwedische schulen. ihre sprache durfte sie nicht mehr sprechen; auch neue namen bekamen sie, sodass die ausstellung am ausgang sie als erwachsende, vollwertige schweden anspricht.

das bittere ende

das ist wohl richtig und dennoch traurig: in den 60er jahren des 20. jahrhunderts verliessen die letzten waldfinnen ihre siedlungen mangels nachwuchs. der kampf ums überleben im wald war gewonnen, wenn auch mit dem sozialen tod bezahlt. seit 1988 unterhält man die schönsten verbliebenen gebäude als besucherattraktionen im wald und klärt man über die verloren gegangene kultur in der ausstellung von torsby auf.

so dramatisch die ausstellung beginnt, so melanacholisch verlässt man sie. sie ist lebensnah und ganzheitlich gemacht. die texte sind spärlich, aber mehrsprachig, das gezeigte steht im dunkeln, erhellt aber das leben im finnskogen. das visuelle führt einen durch die exposition, doch prägend sind die töne. so bleibt einem der laute der kantele, dem traditionellen saiteninstrument in den finnenwäldern, auch in erinnerung, wenn man vom gang durch die vergangenheit wieder in der gegenwart angekommen ist.

hej då

stadtwanderer

mehr dazu
http://www.finnkulturcentrum.com/

foto: stellvertretend für das das einfache leben der waldfinnen im finnskogen, bild: stadtwanderer

schweden und die schweiz

gerade wenn man sich der unterschiede zwischen schweden und der schweiz bewusst wird, sollte man eine wichtige gemeinsamkeit nicht vergessen: wie frankreich steht auch das königreich schweden am anfang der völkerrechtlichen unabhängigkeit der eidgenossenschaft vom kaiserreich. aus eigener kraft wäre das nicht geschehen, nur dank der hilfe zweier monarchien, die den kaiser schwächen wollten, erinnert sich der stadtwanderer an diesem regnerischen sonntag, über seinem historischen atlas des nordens brütend.

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1648 ging der 30jährige krieg zu ende, in dessen verlauf zuerst böhmen, dann dänemark, schliesslich schweden und frankreich gegen den kaiser antraten. der krieg, der in prag auf der burg mit dem fenstersturz der habsburgertreuen verwalter begann, endete nur wenige kilometer davon entfernt auf der karlsbrücke der böhmischen metropole mit einem vergleich: der kaiser blieb nominell oberhaupt des reiches, faktisch beschränkte sich sein einfluss hinfort aber auf die habsburgischen erblande, während sich in den übrigen reichsgebieten eine vielzahl von fürsten mit unterschiedlichsten titeln durchsetzten. auf druck von frankreich und schweden, die den verheerenden 30jährigen bis zum letzten geführt hatten, wurden auch die grenzen des „heiligen römischen reiches deutscher nation“ neu geregelt.

während die spanische niederlande, lothringen, das elsass, die freigrafschaft und mailand im reich, aber unter verwaltung des spanischen königs blieben, wurde die eidgenossenschaft dank der unterschrift der französischen und schwedischen verhandler und des basler bürgermeisters aus dem reichsverband ausgegliedert. sie sollte von nun an als eigener staatenbund der 13 orte und ihrer verbündeten bestehen, den die tagsatzung führte. nur wenige gebiete in der eidgenossenschaft, namentlich katholische klöster wie engelberg, verharrten bis zum wiener kongress von 1815 beim reich.

der einfluss der beiden garantiemächte auf die eidgenossenschaft entwickelte sich in der folge unterschiedlich. das königreich schweden, welches damals das heutige finnland und die baltischen staaten umfasste und beim heutige norwegischen trondheim kurz auch an den atlantik grenzte, konzentrierte sich auf seine grossmachtpolitik von frankfurt bis konstantinopel und kiev. es wurde zuerst von russland, das unter peter dem grossen aufstreben sollte, militärisch besiegt, bevor ihr kriegerkönig karl xii. in norwegen den tod fand. Damit endete die schwedische grossmachtpolitik auf dem kontinent anfangs des 18. jahrhunderts weitgehend.

frankreich wiederum rückte unter karls xii. zeitgenossen könig ludwig xiv. seine grenze immer mehr nach osten. so kamen die freigrafschaft, das elsass und lothringen unter die französische krone. auch die eidgenossenschaft blieb von dieser verlagerung nicht unbeeinflusst: geschwächt durch den grossen bauernkrieg im mittelland, aber auch durch die erneute niederlage der reformierten gegen die katholischen orte in der ersten schlacht von vilmergen, geriet sie immer mehr in den französischen einflussbereich. höhepunkt dieser französischen ansprüche war der soldvertrag von 1667, der in paris abgeschlossen wurde und als ausrichtung der eidgenossenschaft auf die französische krone gelten kann, die bis zum wiener kongress gültigkeit behalten sollte.

am anfang der unabhängigkeit vom reich steht jedoch der westfälische friede von 1648, der mitunter wegen der schwedischen kontinentalpolitik zustande kam. heja, sverige!

hej då,

stadtwanderer

monarchie und republik im alltag

schweden ist ein land mit 21 provinzen, die wiederum in 289 kommunen aufgeteilt sind. die schweiz ihrerseits hat 26 kantone, aber 2700 gemeinden. schweden ist rund 10 mal so gross wie die schweiz, hat aber nur unwesentlich mehr einwohnterInnen. damit hat ein mensch in schweden etwa 10 mal so viel auslaufmöglichkeiten in seinem alltag wie in der schweiz. eine schwedische kommune, die im mittel 10 mal mehr einwohnerInnen hat als eine schweizer gemeinde, ist deshalb im schnitt so gross wie 100 mittlere schweizer gemeinden zusammen.

das prägt!

keine dorfrepubliken

dabei ist zu erwähnen, dass eine kommune in schweden nicht das gleiche ist wie eine gemeinde in der schweiz. eher noch erinnert sie an die bezirke, ja an amtsbezirke aus den zeiten des ancien regimes: jede schwedische kommune hat ein einziges verwaltungszentrum, das die kommunalen aufgaben für mehrere (klein)städte, dörfer und höfe gemeinsam übernimmt. darin sind sich alten monarchisten und die neue politkerInnen in schweden bis heute weitgehend einig!

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angesichts der bevölkerungsdünne in schweden ist der gedanke der kommunalisierung von siedlungen, wie er in der schweiz schon früh einsetzte, im 19. jahrhundert aber voll durchschlug, in schweden weitgehend fremd geblieben. die dorfbewohnerInnen schwedens verstehen sich entsprechend nicht als angehörige von kleinstrepubliken, die sich gemeinsam raufen, wenn sie voneinander steuern erheben, miteinander strassen bauen oder arme unter sich unterstützen müssen.

man ist in schwedens alltag nicht republikanisch geworden geworden, sondern nachbar geblieben, die gerne etwas auf distanz bleiben. selbstverwaltung findet nicht in der gemeinde, eher noch in der familie, im haus oder hof statt. wer ein grundstück betritt, durchschreitet gerade auf dem dünn besiedelten land häufig ein tor, das nach germanischer manier markiert: ab hier gilt das hausrecht. ausserhalb das jedermannsrecht.

jedoch nicht republikanisches dorfrecht.

hej då

stadtwanderer

bild: zentrale verwaltung der torsby kommun (foto: stadtwanderer)

falu röd (falun rot)

dass blau und geld die schwedischen farben seien, könnte man angesichts der nationflagge meinen, die man bei winter- und sommersportanlässen regelmässig sieht. doch wer in schweden selber ist, der oder die weiss, dass dem nicht so ist: rot ist die häufigste kunstfarbe, wenn man in die landschaft sieht.

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lange konnte man zwei begriffe in einem Zug nennen: kupfer – falun. 1687 entstand durch einen einsturz die grosse grube, aus der in den besten zeiten zwei Drittel des weltweiten kupferabbaus gewonnen wurden. das UNESCO weltkulturerbe erinnert einen daran.

noch heute liefert das rötliche erz den farbstoff, den man braucht, um falu röd herzustellen. wenn man auf dem land nicht aus der norm fallen will, bemalt man mit dieser farbe sein landhaus.

wo auch immer man hinsieht: ferienhäuser im wald, bauernhöfe auf der ebene und kirchen auf hügeln, tragen, wenn sie aus holz sind, das unverwechselbare rot, das in der sonne herrlich glänzt, am schatten jedoch matt wirkt, sich vom weiss der meisten fenster und vom grau der dächer deutlich abhebt. es hält in der regel viele jahre jedem wetter stand, bevor es die holzbauten von neuem bestrichen werden müssen.

die rote farbe ist fast schon ein kult. nicht, dass sich darin der schwedische uebereifer der sozialdemokraten zeigen wuerde. nein, falun röd ist unvergänglich aktuell und wird immer noch geschaetzt. selbst auf flickr gibt es liebhaber der farbe, die ihre bilder untereinander austauschen und vergleichen, damit keine noch so feine nuance des schweden-rot vergessen geht.

stadtwanderer

bild: stadtwanderer (freilichtmuseum von ekshärad)

falu röd auf flickr:
Hälsingland Wooden Theatre

marco polo

nun also sind wir gereist. beinahe 2000 kilometer. wären wir in den osten gegangen, hätte das bis athen, bucarest oder vilnus gereicht. im westen wären wir in cordobaz gelandet und im süden schon längst in der sahara.

holzhausen, irgendwo in schweden

wo genau ich in schweden bin, bleibt mein geheimnis; ich verrate nur soviel: dort, wo der längste fluss in schweden in den grössten see in schweden fliesst, ist die nächst grössere stadt. sie ist 400 jahre alt und war mal sitz eines herzogs. sie fungiert heute als hauptstadt eines mittelschwedischen landes. von da aus sind es nach holzhausen, wo ich meine ferien verbringe, 200 kilometer ins landesinnere, über hügelige landstriche, durch langezogene täler, in dichten wäldern bis hin zu einem der vielen tausend seen, die es in schweden gibt.

kulturvermittlung gefragt

mein reiseführer 2008 heisst “marco polo”, in erinnerung an den italienischen kaufmann, der im 13. jahrhundert asien erkundete, erst nach vielen jahren nach venedig zurückkam und soviel neues zu erzählen hatte, dass man es ihm gar nicht glauben wollte. heute steht marco polo nicht für kulturschocks, sondern für kulturvermittler. das taschenbuch hat in jeder reisejacke platz und ist deshalb stets griffbereit. und das ist gut so: „bloss nicht“ ist beispielsweise die rubrik ganz am schluss, die einen vor den gröbsten fehlern warnt, die man in schweden machen kann:

. ein privathaus mit schuhen betreten
. elchschilder abmontieren
. die schwedische ordnungswut kritisieren
. den schwedischen wohlfahrtsstaat in frage stellen
. schweeden siezen!

höhen und tiefen des hüttenlebens

verfasst hat die schweden-ausgabe des reiseführers aus deutschland der schweizer bruno kaufmann, als nordlandkorrespondent von radio drs und des tages-anzeigers ein begriff. bruno hat seit jahren seinen lebensmittelpunkt im schwedischen falun, ist aber selber ein kleiner marco polo. seine grüsse erreichen einem aus der ganzen welt. Ich hoffe, ihn und seine familie auch dieses jahr an ihrem feriensitz in argoba zu treffen.
den stadtwanderer hat bruno übrigens schon mal im schwedenführer verewigt. meine berichte aus dem mittelschwedischen wald, insbesondere vom grossen waldfest „tiomilaskogen“, haben ihm so gefallen, dass er mein blog unter den 6 deutschsprachigen „tagebücher“ aufführt; einer der bekanntesten blogger der schweiz, der berner publizist c.l., beschäftige sich darin mit seinen höhe und tiefen seines hüttenlebens im 10 meilenwald an dergrenze zwischen värmland und dalarna.
doch wo genau holzhausen im 10-meilen-wald liegt, verrate ich wie gesagt nicht.

stadtwanderer

marco polo schweden online:
http://www.marcopolo.de/reise_und_freizeit/schweden

grenzerfahrungen

überschreitet man die grenze zwischen der schweiz und einem eu-mitgliedsland, erwartet man fast automatisch schwierigkeiten. und siehe da: nichts davon! nimmt man dagegen die fähre von deutschland nach schweden, rechnet man mit einer innereuropäischen grenze, die aufgehoben worden ist. und siehe da: ebenfalls nichts davon!

karte-eu25.jpgeinkaufen in kiel, schleswig-holstein, deutschland, europäische union: „citti“ heisst der riesige supermarkt ausserhalb des stadtzentrums. alles gibt es, was das herz begehrt; und günstiger ist es erst noch, als die schwedische krone es zulässt. schnaps, wein und bier finden hier reissenden absatz. auch unsere aufmerksamkeit ist darauf konzentriert. vor allem auf das tschechische pilsner urquell in dosen, das man in schweden kaum kaufen kann.

doch die kasse im kieler “citti” erweist sich unerwartet als komplizierte eu-binnengrenze: ein pilsner nimmt man nicht mit, wenn man von schleswig-holstein nach schweden (oder norwegen) geht, sondern exportiert es. das wiederum darf man traditionesgemäss nur, wenn man einen gültigen schwedischen (oder norwegischen) pass hat. dann gelten spezielle regelung fuer den ost- und nordseehandel. ohne das exklusive papier gelten diese jedoch nicht. sodass man kein tschechisches pilsner urquell exportieren darf.

weil es anders als auf allen bierdosen auf den pilsner büchsen kein pfand gibt, duerfen eu-passbesitzerInnen (und schweizerInnen) pilsner urquell-dosen nicht von deutschland nach schweden nehmen. denn fuer diese gilt der pfand-zwang. das erklärt uns nicht nur die etwas ungeduldige kassierin, sondern auch der eilends herbeizitierte filialleiter.

selbst das angebot, das pfand von 25 cent pro dose in schleswig-holstein direkt zu bezahlen, lehnt er mit erneutem hinweis auf das eu-recht ab. ohne schwedischen pass oder wenigstens fuehrerschein mit stempel aus stockholm gibt es einfach keine ausnahme!

wir folgern: nur das gute bier können wir mitnehmen, doch die dose rund herum duerfen wir nicht exportieren. so bleibt uns nur die wahl, die 48 dosen pilsner urquells an kasse des kieler citti auszutrinken, oder sie in schlewig-holstein einem schweden für den export von der eu in die eu zu überlassen – nach veraltetem ostseerecht.

echt, eine grenzerfahrung …

stadtwanderer

republikanische suedlichter

„hoch, hoch lebe die republik!“, rief die menschenmenge am 21. september 1848 vor dem rathaus von lörrach. gefeiert wurde an diesem tag und an diesem ort die proklamation der ersten „deutschen republik“.

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im innern des gebäudes hatte gustav struve lörrach zum provisorischen sitz der neuen deutschen regierung erklärt. innert weniger tage verfügte sie über ein territorium von rund 20 kilometer rund um die südliche grenzstadt zur schweiz und zu frankreich.

während monaten hatte sich struve in basel auf diesen revolutionären akt vorbereitet. freiheitsrechte wurden versprochen, sozialer ausgleich ebenfalls, und die verhassten steuern an den grossherzoglichen hof sollten abgeschafft werden.

in lörrach angekommen fackelte struve nicht lange. bereits im märz ´48 war ein erster aufstand der republikanisch gesinnten südlichter gescheitert. das sollte sich jetzt nicht mehr wiederholen! deshalb wollte struve die revolution von oben her erzwingen.

unmittelbar nach der historischen proklamation liess struve in lörrach ein revolutionsheer ausheben, das nach karlsruhe marschieren sollte, um den gedanken der republik auch den etappenweise nordlichtern beizubringen.

nur 9 tage zuvor war in der benachbarten schweizerischen eidgenossenschaft die neue verfassung des bundesstaates in kraft getreten. sie garantierte die ersehnten freiheiten, welche die freisinnige bewegung im sonderbundeskrieg ein jahr zuvor gesamtschweizerische durchgesetzt hatte. das diente im grossherzogtum baden als vorbild.

doch in de schweiz konnte man sich auf die verfassungen in den regenerierten kantone stützen, die zwischen 15 und 18 jahre zuvor im geiste der liberalen französischen revolution von 1830 ausgedacht und eingefuehrt worden waren. diese positive erfahrung fehlte in “deutschland”: die mainzer republik, ganz im geiste der französischen revolution 1793 gestartet, scheiterte bald, und auch die 1830er bewegung erfasste nur die studenten, nichts das volk. diese hatte sich 1832 erstmals im badischen neustadt auf dem hambacher schloss versammelt, um ein republikanisches fest zu feiern. an die schalthebel der politischen macht war es aber nirgends gekommen.

gustav struve schreckte im herbst 1848 nicht davon zurück, mit gewalt der republikanischen bewegung zum durchbruch zu verhelten. die aktion scheiterte schliesslich am widerstand der fürsten rundherum. die anführer wurden zum tod verurteilt oder eingesperrt. es bauchte zwei weltkriege brauchte, um der demokratie in der bundesrepublik deutschland zum durchbruch zu verhelfen.

ein abendlicher spaziergang durch die lörracher altstadt lässt uns dennoch die 48er episode, die hier ihren anfang nahm, erinnern. vielmehr zeit als für dieses zwischenspiel haben wir auch nicht.

denn auch wir kommen aus basel und machen in lörrach nur einen zwischenhalt, um den nachtzug zu nehmen, der uns im schlafwagen von lörrach ueber karlsruhe nach hamburg-altone durch das demokratisch geworden deutschland führt. um ganz zu unseren heutigen nordlichtern zu gelangen …

stadtwanderer

quelle: die strasse der demokratie, ein reisebegleiter auf den spuren der freiheit, kalsruhe 2007