die illusion der geschichte beim wandern in cudrefin

vor uns wellt der neuenburgersee, hinter uns läuft der mont vully aus. dazwischen liegt das stsädtchen cudrefin. ein wanderungsbericht mit geschichten aus dem ort, dem hause savoyen und der familie longchamp.

800px-Cudrefincudrefin von montet aus, mit neuenburg im hintergrund.

mit der juragewässer- korrektur im 19. jahrhundert verkleinerte sich der neuenburgersee. seither hat es zwischen dem landstädtchen cudrefin und dem seeufer platz für einen hafen mit zahlreichen segelschiffen, ein strandbad mit ausgedehntem schilf und ein restaurant, baywatch genannt, sodass an einem warmen sommertag wie heute ferienstimmung aufkommt.

4000 bis 5000 campingleute zählt cudrefin während des sommers. ihnen stehen knapp 1200 ortsansässige gegenüber. die meisten von ihnen sind französischsprachig, eine minderheit spricht deutsch, und die kolonie aus portugal ist die dritte sprachgemeinschaft im waadtländischen landstädchen.

letzter höhepunkt in der stadtgeschichte war die versammlung schweizer diplomaten am ort. 1997 war das, unter der leitung von bundesrat jean-pascal delamuraz. der platz vor der stadt trägt seither seinen namen.

eigentlicher stadtherr ist peter von savoyen. 1246 erwarb der spätere graf den platz vom bischof in sitten, der ihn 999 aus der hand des burgundischen königs geschenkt bekommen hatte. vermutlich war er damals schon besiedelt, aber nicht befestigt.

der drang nach norden steckte im savoyer. nach dem aussterben der zähringer übernahmen seine vorfahren moudon, später wurde peter herr von romont und payerne. die natürliche fortsetzung des weges über avenches und morat blieb ihm indes versperrt, nicht zuletzt weil die orte zum bischof in lausanne und zum kaiser im reich hielten. so wählte peter den pfad über cudrefin, um bei oltingen über die aare ins mittelland vorstossen zu können. das war nicht ohne, peter war ja eine weile schutzherr von bern.

die grossen gegenspieler der savoyer, die habsburger, seit 1273 deutsche könige und förderer von lausanne, kannten, wie schon hundert jahre zuvor die zähringer, den umgekehrten drang nach süden. so kam man sich regelmässig in die quere.
1283 eroberten die habsburger murten, dann payerne und behielten beide orte bis zum tod von rudolf I. erst danach gelang den savoyern der direkte durchstoss nach norden; murten, den entscheidenden platz, nahmen sie 1310 ein und behielten es bis zu den burgunderkriegen.

cudrefin verlor in dieser zeit an herrschaftlicher bedeutung. der graf von grandson, auf der anderen seeseite im süden gelegen, übernahm die verwaltung der stadt. 1393 kam es zum aufstand gegen ihn und zum gottesurteil durch adelskampf. die aufständischen unterlagen; das städtchen cudrefin, das zu den oppositionellen hielt, wurde erstmals zerstört.

von der viereckigen gründungsstadt sieht man bei einer heutigen wanderung kaum mehr etwas. was im 14. jahrhundert überlebte, wurde 1475 bei der freiburgischen besetzung zerstört, und was man danach noch hatte, legte ein stadtbrand im bernischen provinzstädtchen im zeichen der revolutionäre aufstände 1790 in schutt und asche. den schlusspunkt unter die stadtzerstörungen setzen die bürger von cudrefin selber, als sie 1839 die beiden grossen wehrtürme und die stadtmauern abtrugen, und das heutige hotel de ville bauten. übrig geblieben aus früheren zeiten ist der gerechtigkeitsbrunnen aus den zeiten, als man in der gegend bernische untertanen war. und ein turm aus savoyischen zeiten, der zum kirchturm mutierte, ziert den ort.

erlebbare geschichte ist im landstädtchen an den gestaden des neuenburgersee jedoch zur weitgehenden illusion geworden.

schön ist die aussicht von montet aus, wo die heute reformierte kirche von saint theodul steht, die an den patron der wanderer, christen und weintrinker aus dem wallis erinnert. im frühling 1957 arbeitete mein vater da, als ihn die nachricht erreichte, er müsse sofort nach hause, denn es stehe nachwuchs im hause longchamp an – worauf ich das licht dieser welt erblickte …

stadtwanderer

sprachgrenzschlängeln

von weitem gesehen spricht man gerne vom klaren und tiefen röstigraben. von nahem ist das ganze viele komplizierter. erfährt man beim wandern in der grenzregion oder im buch “Die Röstigrabenroute“.

26435786zjean-françois bergier, der kürzlich verstorbene doyen der schweizer historiker, war skeptisch, wenn man vom röstigraben sprach. denn ein loch entlang der sprachgrenze sah er nie. vielmehr zog er die französische metapher des vorhangs vor, in realität bestehend aus sprachen, mentalitäten und weltdeutungen. der röstigraben kam für ihn vor allem im fernsehen vor, das ihn mit seiner auf sprache und region beruhenden eigenheiten vertiefe, meinte er. für die deutschschweizerInnen wurde die französischsprachige schweiz zur romandie, obwohl genf und sitten, lausanne und fribourg, porrentruy und neuchâtel nur beschränkte gemeinsamkeiten haben. genau das gilt auch umgekehrt, wenn die französischsprachigen via fernsehen auf die deutsche schweiz schauen, und die mit dem allgegenewärtigen zürich gleichzetzen oder von den finsteren kräften aus der suisse profonde bestimmt sehen.

an dieser kritik ist einiges richtig. denn es gibt in der schweiz auch andere gegensätze als die sprachregionen. zum beispiel die der städte, ihrem umland, der berge und der täler. zum beispiel die der offenen und verschlossen kulturen. zum beispiel die der konfessionen, die kollektiv oder individuell ausgerichtet sind. zum beispiel die der schichten, die vermögend oder arm sind. überall, und auch entlang der sprachgrenzen.

der journalist christoph büchi, der viel über die verschiedenen verhältnisse in den schweizer regionen nachgedacht hat, glaubt, die alltagskulturen seien entscheidend, die sich in dialekten und kleidungen zeigten, aber auch im humor, der phantasie und der kunst äusserten. das zentrale an den sprachregionen erkennt er einzig in den grössenordnungen: die deutschsprachige schweiz hat viel mehr einwohnerInnen als alle sprachminderheiten zusammen, die ihrerseits ungleich zahlreich zusammengesetzt sind. das lässt verbreitet eine mischung aus ignoranz- dominanzgefühlen genauso wie abwehrreflexe dazu. deshalb existierten die sprachgrenzen vor allem im alltag der minderheiten.

das mag auch erklären, weshalb traditionelle sprachmischungen seit dem 20. jahrhundert vor allem auf der französischen seite am verschwinden sind. einwanderungen aus der deutschsprachigen schweiz – ein phänomen, das mit der uhrenindustrie zusammen hing – gingen wegen des rückgang an arbeitsstellen zurück. wer blieb, passte sich spätestens in der zweiten generation an, und wer das nicht wollte, bekam den politkulturellen druck der lokalen mehrheit zu spüren, wie es der neuenburger sprachforscher frédéric chiffelle ausdrückt. umgekehrt wird die sprachliche integration in der deutschsprachigen schweiz erschwert, weil man sowohl le bon allemand wie auch das patois, die standardsprache wie auch den dialekt, lernen müsste. spätestens an diesem scheitern die meisten einwandererInnen. begründet werden konnte das lange mit der suprematie des romanischen über das germanische, die sich namentlich bei den französischsprachigen mitbürgerInnen erfreute und wenig integrativ wirkte.

biel/bienne ist die einzige stadt, die ganz generell auf ihre zweisprachigkeit in der mehrsprachigen schweiz setzt, sich kulturellen einflüssen aus paris, zürich, basel und – wenn es sein muss auch bern – offen zeigt, eine verbindung zwischen juratälern und mittelland sucht, reichtum wie armut kennt und verschiedene konfessionen, nationalitäten und ideologien achtet. die stadt ist denn auch das eigentliche zentrum der sprachgrenzregion im westen der schweiz. deren vielfalt zwischen neumühle an der elsässisch-schweizerischen grenze und dem matterhorn im übergangsgebiet der schweiz zu italien kennen zu lernen, ist das ziel des sprachgrenzschlängelns, wie es philipp bachmann in seinem ebene erschienen buch im rotpunktverlag vorschlägt. 22 routen hat er ausgeheckt, die interessierte wanderer stück für stück mal dies-, mal jenseits der sprachgrenze fgehen können, die einen über berge führen und in tälern rasten lassen, die einen mal landschaften geniessen und mal auch städte im kulturmix entdecken lassen.

ich habe das buch “Die Röstigrabenroute” heute in murten gekauft, und es mit gewinn in morat gelesen, auprès du lac, wie man die dortigen gestade am murtensee nennt.

stadtwanderer

die läuferInnen von heute sind die söldner von damals

schon von weitem konnte man lesen, dass die stadt für den verkehr heute noch passierbar sei. eine chance, ins innere zu kommen, hatten nur stadtwandererInnen, die unter den zahllosen läuferInnen des 76. gedenklaufes für die schlacht von murten unterzugehen drohten.

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murten 2009: wie an jedem ersten oktobersonntag von den laufhelden der gegenwart besetzt

dort, wo vor 535 jahren die burgundischen truppen unter ihrem marschall jacques de romont angegriffen hatten, standen heute die kolonnen der logista-wagen. wer am gedenklauf zum söldnergemetzel von 1476 mitmachen wollte, konnte hier seine taschen, trainer und turnschuhe, die er oder sie nicht selber ans ziel in fribourg mittragen wollte.

die meisten von ihnen machten sich danach ans aufwärmen, unten am see auf der pantschau. andere sonnten sich vor dem schulhause, genau dort, wo heute das kleine denkmal für adrian von bubenberg, dem besatzer der stadt während der schlacht, steht. sein kommando von damals haben die fitness-vorbilder von heute übernommen. laute musik peitscht die läuferinnen an, während junge frauen auf einer kleinen bühne vormachen, wie man seinen körper rechtzeitig in schwung bringt.

die innenstadt gleicht einer militärischen planzelle. die hauptgasse ist in sektoren eingeteilt, fein säuberlich mit buchstaben auf riesigen ballonen beschriftet. so weiss jeder und jede, die bald kämpfen wird, wo man er oder sie eingeteilt ist. jede pulk sieht aus, als wäre einer der legendären gewalthaufen, dank denen sich die eidgenossen durchsetzten.

viele sind in gruppen gekommen. ihre gemeinsamen dresses gleichen den uniformen von früher. bisweilen haben sie auch fahnen dabei, damit man sieht, für wen sie rennen. andere haben eine begleiterin bei sich, die einer marketenderin gleich für das psychische und physische wohl der laufhelden besorgt ist. da werden die beine nochmals mit dulix gemschmeidig gemacht, und dort gibt es einen kuss, bevor man sich einreiht. wer weiss, vielleicht ist es der letzte.

“noch 10 minuten”, tönt es aus den lautsprechern. die guggenmusik schmettert die gassen noch einmal mit ihren tönen voll. man wähnt sich in der umgebung einer militärkapelle, die mit dem alles durchdringenden marsch eine kollektive identität schafft. “noch 5 minuten”, hört man den platzspeaker sagen, und beifügen, man werde gemeinsam bald viermal um die erde laufen; jeder und jede der knapp 10000 läuferinnen trägt 17,17 kilometer dazu. “noch eine minute” und schliesslich “päng!”.

“hopp, hopp”, schreien nur noch die persönlichen fans, und “allez-y” fügen die zahlreichen zuschauerInnen bei, während es unter den läuferInnen schlagartig ruhig wird. wo noch vor kurzem verschiedenste dialekte der eidgenossen ertönten, französisch, italienisch oder spanischer parliert wurde, ist jetzt konzentration angesagt.

in den engen gassen murtens sind die kleinsten dieser multikulturellen truppe bevorteilt. wenn es dann ausserhalb der stadt hinaus zum schlachtfeld geht, werden die leichtesten die ersten meter zwischen sich und den übrigen legen. sprechen wird dann kaum mehr jemand, denn sie alle müssen zwar keinen feind mehr besiegen, aber sich selber auf der hügeligen strecke. doch den stadtwanderer erinnert es daran, dass die grössten und schwersten ritter damals die schlacht verloren, weil sie gegen die wenigen eidgenossen nichts zu bestellen hatten.

siegen wird heute, wie das letzt jahr schon john mwangangi, nur 1,58 meter grosse und erst 19 jahre alt, aber schon ein erfahrener auf allen schlachtplätzen der strassenläufe. zierlicher wirkt da nur noch die frauensiegerin, helen musyoka, ebenfalls auf der kenianischen truppe. nur ihre 37 kilo körpergewicht nimmt sie auf den gedenklauf nach fribourg mit.

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die vergessene botschaft der schlacht von murten

der gestrige spaziergang begann auf dem “stadtwanderer”. ernst schmid las einige meiner blogbeiträge zur schlacht von murten. er nahm mit mir kontakt auf und schlug ein route vor, die in diesem zusammenhang unüblich erschien, sodass ich spontan zusagte mitzukommen.

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ungewohnter blick auf den bois domingue: ernst schmid und die stelle, von der aus er karl den kühnen in der schlacht von murten angegriffen hätte (foto: stadtwanderer)

beim milchkaffee in der auberge des freiburgischen cressier holt mein wanderkollege sofort aus: “hans waldmann”, der genauso leidenschaftliche wie umstrittene bürgermeister zürichs während den burgunderkriegen, der mit 1000 mann fribourg besetzt hielt, als das fremde heer von lausanne aus vorrückte, “hat den ausschlag gegeben”, führt mich der gelernte informatiker mit dozentenerfahrung in seine eigene theorie ein. vor der schlacht habe er den mittelalterlichen weg von der saanestadt her genommen und sei von ortskundigen menschen geführt durch den bouley-wald geschlichen. denn von dort aus habe man den besten blick auf den hügel bois domingue, wo das zelt des herzogs stand.

anders als es in den schulbüchern stehe, habe waldmann von aus eine zweite angriffstlinie auf die das burgundische heer eröffnet, um einen zangenangriff der vereinigten eidgenossen von osten und süden aus vorzutäuschen und den erschreckten karl in die flucht zu jagen, sagt mein gegenüber.

natürlich wollte ich das sehen! – an der frisch renovierten kapelle von st. urban vorbei, wo man heute noch den betenden vor der schlacht gedenkt, nähern wir uns auf alten wegen und an markigen eichen vorbei dem entscheidenden waldwinkel. und in der tat: einen kleinen moment werde ich schwach, denke ich mir auch, von hier aus sei es nur noch einen lauten schrei bis in herz der burgundischen truppen gewesen. ein paar dutzend reiter, einige hundertschaften fussvolk ausgerüstet mir hellebarden, müssten gereicht haben, um seitwärte auf die burgunder loszustürmen und zeltlager des herzogs zu zerfetzen.

ernst schmid zeigt mir alte bücher, wie das des murtemer pfarrers und lokalhistorikers gottlieb friedrich ochsenbein, die ihn inspiriert haben. denn in den berichten des schwagers von hans waldmann ist von erkundungen im burgunderlager die rede, die der zürcher heerführer unternommen habe. auch eine der wohl authentischen schlachtdarstellungen bei diebold schilling zeigt truppenteile der eidgenossen hinter dem kloster münchenwiler, die gut unseren standort eingenommen haben könnten.

und dennoch kommen mir zweifel auf: alle schulhistoriker, darunter die ganzen militärgeschichtlicher von rang und namen, stellen die schlacht anders dar. die eidgenossen hätten sich in ulmiz gesammelt, seien durch den wald von lurtigen vorgerückt und hätten unter der aufstellung des strassburger oberst wilhelm herter angegriffen. das gilt auch für die zürcher, die im letzten moment zu den eidgenossen traten. die vorhut mit dem aargauer hans von hallwyl an der spitze habe im ersten angriff versagt; erst mit dem zweiten sei der durchbruch am grünhaag gelungen. der gewalthaufen der eidgenossen, angeführt von hans waldmann, sei dann von osten her auf den bois de domingue los getürmt, was den herzog zur flucht bewogen hat.

“die schweiz”, sagt schmid, “besteht nur noch aus opportunisten, die zu keiner gemeinsamen tat mehr fähig sind. vom eidgenössischen geist, der mit dem erfolg an der schlacht von murten entstand, spürt man nichts mehr”, ist er überzeugt.

ernst schmid, der heute kurz vor seiner pensionierung als arbeitnehmervertreter in der ubs steht, wird nicht einmal durch die neue tafel erschüttert, welche den schlachtverlauf an ort und stelle erläutert. denn seit seiner schulzeit ist hans waldmann für ihn ein vorbild. selbst ein theaterstück hat er über seinen held von murten verfasst. hierfür ist er oft in der gegend herum gewandert, und hat er sich die frage gestellt, wie er damals angegriffen hätte.

die historische lehrmeinung der fachhistoriker ist dabei etwas durcheinander geraten. die botschaft der geschichte, die dabei erzählt wird, hat er aber mit neuem leben erfüllt.

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mit kanonen auf elefanten schiessen

“mit kanonen auf spatzen schiessen”, lautet ein sprichwort zur unverhältnismässigkeit. das heisst nicht, dass es verhältnismässig ist, mit kantonen auf elefanten zu schiessen. denn das arme tier überlebt den schlag der kanonenkugel nicht.

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bewegte tage in murten: der elefant, der 1866 aus dem wanderzirkus “bell&myers” angehauen war und nur mit einer kanonenkugel gestoppt werden konnte

in den engen gassen der kleinstadt murten wird am 29. juni 1866 eine kanone postiert, mitten in den häusern ein schuss abgegeben – und der elefant war tot.

tags zuvor war das tier bei der fütterung wild geworden, hatte es den wärter getötet und war es aus seinem wanderzirkus abgehauen.

die versuche, den elefanten wieder einzufangen, schlugen alle fehl. nachdem das tier in der stadt für einige schrecken gesorgt und einigen schaden angerichtet hatte, beschloss der zirkusdirektor den elefanten töten zu lassen.

eine kanone aus der freiburger kaserne wurde hierfür angeschleppt und in position gebracht. ein einziger schuss genügte, und der elefant von murten war tot.

der elefantenwärter wurde gleichen tags auf dem friedhof begraben. der zirkus wanderte weiter, und die metzgereien von murten boten für einige tage murtemer elefantenfleisch an …

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die macht der genüsse

murten rief diese woche zur nacht der genüsse auf und zeigte, wie machtvoll das leben die gassen erobern kann, wenn dunkelheit, musik und tanz statt helligkeit, ruhe und ordnung das stadtbild zu bestimmen beginnen.

„Sehen – Fühlen – Hören und Geniessen“ war das motto des stadtfestes. gesehen wurde man auf der hauptgasse, die sich an diesem abend rasch mit ständen und leuten füllte. hören konnte man manchenorts musik aus vielen stilrichtungen. und fühlen konnte man förmlich, wie die bevölkerung in feststimmung geriet. vor dem schloss erhielten die eintretenden mitten in pflanzen ein stäbchen, verbunden mit der aufforderung, sich selber eine spiessli aus der frischen gemüseernte zu machen, die in grossen körben dargeboten wurde. und wer durstig war, der oder die bekam köstlichen wein aus der region zum degustieren. bekannte gesichter sehen und neue produkte entdecken, war die absicht, welche das stadtmarketing damit verfolgte.

szenen des verzauberten murtens während der nacht der genüsse (fotos: stadtwanderer)

ihren eigentlichen spass hatten die zahlreich anwesenden, als verschiedene damengruppen die hauptgasse zu bevölkern begannen. zuerst die hübschen aus dem dessous-laden „belle femme“. in roten und schwarzen corsagen zogen sich frivol bis in die stadtmitte, einen leiterwagen ziehend, um einen süssen saft zu verteilen, sich umzudrehten, um sich mit einem nur leicht verhüllte po frech zu verabschieden.

dann waren die latinas an der reihe. selbstbewusst versammelte sich das dutzend tänzerinnen auf der höhe der kreuzgasse, um einmal heftig zu klatschen und sich schwungvoll wechselseitig zum tanz aufzufordern. sofort hatten sie so alle zuschauerInnen rund herum in ihren bann gezogen. ihr rhythmus liess einige davon sogar mitgehen, andere nur staunen. wenn sie miteinander den takt bestimmten, drohten sie gar, das altehrwürdige pflaster der gasse zu spalten.

wieder mehr muse brachten drei performance-künstlerinnen in die gasse. gegeleitet von einem saxophon, formten sich ihre weiss gekleideten körper in der dunkelheit der nacht, mal erregung, mal ruhe, mal alleinsein und mal zuneigung zeigend, immer aber mit elegant-weichen bewegungen faszinierend.

als ich in der werdenden nacht trotz all dem spektakel ein wenig kalt hatte, liess ich mir eine kürbissuppe servieren, um mich aufzuwärmen. sitzend konnte ich nur noch staunen, wie schnell dunkelheit, musik und tanz die stadt auf den kopf gestellt hatten. das ältere ehepaar, das neben mir sass, schien meine begeisterung zu merken. „hein, c’est drôle, comment ça change vite. la ville est pleine de vie cette nuit!“

wie treffend meine sitznachbarn die sonst so gezügelte macht der genüsse geschildert hatten, die diese nacht auf murtens strassen so entfesselt war.

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donna muratum

hinter jedem bekannten mann steckt eine starke frau, sagt der volksmund. doch was ist, wenn sie aus seinem schatten hervortritt? das weiss der volksmund nicht zu beantworten. ich schon: was dann geschieht, kann mann&frau, zum beispiel, bei “donna muratum” miterleben.

bild-356.jpgmuratum ist lateinisch und steht für murten. und donna für frau. donna muratum wiederum ist der neue stadtrundgang durch das freiburgische kleinstädtchen murten, der sich szenisch mit den frauen in der eigenen geschichte beschäftigt.

da ist beispielsweise das ortskundige meitschi vom gurwolf, die während der belagerung murtens durch die burgunder im sommer 1476 ausbricht, wegrennt, und das verbündete freiburg informiert. dank ihr, sei murten gerettet worden, sagt die schauspielerin, und die eidgenossenschaft wohl auch nicht in der eu, fügt sie noch bei!

fürs breite publikum in szene gesetzt

das publikum weiss es: das ist zwar übertrieben, aber sympatisch. es kompensiert die bekannten geschichte, indem sie ihnen den spiegel, gehalten von frauenhand vorhält.

die historie murtens, wie auch die geschichte überhaupt, leitet sich zwar von der griechischen muse ab, die erzählen konnte, doch wird sie, seit sie geschrieben wird, (grossmehrheitlich) von männern verfasst. für männer, über männer.

dem wird mit donna muratum begegnet, denn jetzt führen die frauen das staunende pubiklum. und sie interessieren sich für frauen. sie schreiben nicht mehr, dafür erzählen sie aber umso besser. aus dem alltag, aus der kultur, aus der gesellschaft und aus der politik.

die lebenswelt der frauen in der geschichte

die beiden schauspielerinnen, die fast schon sinnbildlich namenslos bleiben und für tourismus murten durch die gassen der kleinstadt ziehen, sind modern in ihren gedanken, jedoch traditionell in ihrer kleidung. sie sind gut informiert, haben extra recherchiert, und sie kennen sowohl berühmte orte wie auch vergessene winkel. sie berichten von tragödien, erheitern mit skurielem, und informieren uns über das gestrige und heutige murten.

und sie stellen uns die treuesten aller treuen murterinnen vor: die mauerseglerinnen, die jährlich zweimal 14000 kilometer fliegen, dabei schlafen, begattet werden und essen, um dann im “zerschossenen turm” der stadtmauer von murten an geschichtsträchtigem ort zu nisten und für nachwuchs zu sorgen, bevor sie mit diesem weiter ziehen und, eben treu bis in den tod, wieder nach murten zurückzukommen.

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fast genauso kommt einem der stadtrundgang vor: die frauen brechen aus der engen welt am murtensee aus, um luft zu bekommen und das unausgesprochenen auszusprechen. doch sie brechen nicht aus, erzählen nur, um dorthin hemzukehren, wo ihre liebe ist. dabei wird eine gesellschaft sichtbar, die nicht ist, die man zu kennen glaubt. sondern die, die dahinter steckt, wenn man über jeremias gotthelf spricht und sein umfeld vergisst oder wenn man paul klee sagt, ohne petra petitpierre zu nennen.

gehen sie mit, wenn es heisst: donna muratum!

neugierig? – dann wenden sie sich doch an donna muratum, gehen sie nach murten, und folgen sie den beiden erzählerinnen auf den spuren der interessantesten frauen aus der geschichte und der gegenwart murtens, die aus dem schatten hervorgetreten sind.

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rückblick auf den 22. juni 1476

(kurzfassung meiner ausführungen an der burgunderausstellung von heute)

ich begrüsse sie. seien sie an diesem wunderschönen und historisch bedeutsamen 22. juni 2008 meine gäste! denn heute vor 532 jahren fand die schlacht von murten statt, während der die eidgenossen die burgunder besiegten. und ich beabsichtige, sie genau heute durch die ausstellung “karl der kühne” in bern zu führen. ganz schön kühn, könnte man das sagen!

legenden und fakten in der schweizer geschichte

die schweizer geschichte, die man in der schule hörte, kennt zwei feinde: rudolf von habsburg und karl den kühnen. könig rudolf von habsburg, lernte man, habe die freiheit der innerschwyzer eingeschränkt und damit 1291 den rütli-bund provoziert. das habe zur gründung der eidgenossenschaft geführt, die fast zweihundert jahre später, 1475/6 vom grössenwahnsinnigen burgunderherzog karl ernsthaft in frage gestellt, von den wehrhaften eidgenossenschaft jedoch heldenhaft verteidigt worden sei. seither seien wir schweizer ein unabhängiges und freies land!

das alles ist legendenbildung!

schwiez1476.JPGdie schweizerischer eidgenossenschaft von heute wurden am 12. september 1848 gegründet. um dem ausgeprägt förderalistischen bundesstaat im zeitalter des aufkommenden nationalismus eine gemeinsame geschichte geben zu können, erfand man zwei generationen später “1291“. fakt ist jedoch, dass damals kein staat schweiz gegründet worden ist, sondern ein lokales bündnis zwischen uri und schwyz entstand, während der grossteil der heutigen schweiz diesem gar nicht angehörte. fakt ist auch, dass das konglomerat eidgenossenschaft, das sich zwischen 1350 und 1500 rasch ausdehnte, bis 1648 teil des heiligen römischen reiches deutscher nation blieb, wenn auch seit 1499 mit einem autonomiestatut.

keine legende ist der militärische sieg der vereinigten eidgenossen vom 22. juni 1476.

ins reich der rechtfertigungen gehört aber, die eigenossen seien von den burgundern angegriffen worden; sie hätten sich nur verteidigt. mitnichten! am 25. oktober 1474 erklärten die eidgenossen unter führung bern dem burgunderherzog karl den krieg. am 14. okobter 1475 erweiterte man diese kriegserklärung an die adresse der herzogin yolanda von savoyen, weil sich diese weigerte, mit den eidgenossen zusammen gegen burgund zu kämpfen. vorgängig hatte man bereits die burgundisch-savoyischen besitzungen in der freigrafschaft und in der waadt zerstört und geplündert.

anfangs 1476 schlug herzog karl zurück.

der herzog marschierte, von der belagerung der lothringischen haupstadt her kommend, durch die freigrafschaft und griff grandson an. den bernischen besatzern versprach er freies geleit, wenn sie sich ergeben würden. doch liess er die 400 mann hinrichten, als sie die schlossfestung verliessen. das hat ihm in bern den bleibend schlechten ruf eingebracht. danach konnte er aber, dem neuenburgesee entlang, nach bern vorstossen, wurde er indessen bei concise von den eidgenossen überrascht. die schlacht war kurz, denn die truppen des herzogs flüchteten vor den unritterlich laut vorpresschenden eidgenossen schnell. in lausanne rüsteten burgund und savoyen zu einem neuen anlauf, der auf bern zielte. die eidgenossen besetzten im gegenzug freiburg und murten, beide mit bern verbündet, aber in savoyischem besitz. herzog karl entschied sich, murten zu belagern, sodass es am 22. juni 1476 vor den toren der stadt zur grossen schlacht kam, in der reichste und mächtigste adelige seiner zeit gegen die vereinigten eidgenossen verlor. mehr als 10’000 menschen starben an diesem tag auf dem feld bei salvanach oder wurden im murtensee ertränkt. nur ein halbes jahr später, kam es erneut zu waffengewalt, nun zwischen dem herzog von lothringen, verstärkt durch 5’000 eidgenossen, und dem burgunder herzog. karl erlag in der schlacht von nancy an den folgen einer verletzung, und mit ihm verstarb der letzte der 4 grossen spätmittelalterlichen herzöge von burgund.

karl der kühne und die valois-herzöge von burgund

karl war nur 10 jahre, von 1467 bis 1477, herzog von burgund. und dennoch beschäftigt sich halb europa noch heute mit ihm. die franzosen und deutschen reagieren eher skeptisch auf ihn. für sie ist er ein grössenwahnsinniger geblieben. den engländern gilt er schon mehr, denn politisch waren die engländer stets auf burgund angewiesen. und für die hollander und belgier ist er so etwas wie der begründer des eigenen selbstbewusstsseins. zwar gelang es karl nicht, die unabhängigkeit der niederländischen handelsstädte vom kaiserreich durchzusetzen; das sollte erst wilhelm von oranjen gut 100 jahre nach karl erreichen. doch legte karl mit seinen lebensplan, zwischen dem heiligen römischen reich, dem kaiserreich, und dem französischen königreich, ein selbständiges königreich burgund zu begründen, das vom ärmelkanal am besten bis an mittelmeer und an die adria reichen sollte, die grundlage hierzu.

karl ist ein früher politikertyp. er dachte in historischen dimensionen, und er handelte aufgrund einer strategie.

402px-karte_haus_burgund_4.png20jährig sieht er, wie byzanz, die christliche kaiserstadt, in die hände des osmanischen sultans fällt, und er plant einen kreuzzug zur befreiung der heiligen stätten im nahen osten, den er aber nicht realisiert. 28 jährig muss er, der angehende herzog, der zu gerne französischer könig geworden wäre, mitereleben, wie sein verwandter, der mit ihm aufgewachsen war, als ludwig xi. den franzosenthron erbt; da beschliesst er, seinen könig hinfort zu bekämpfen. karl ist schliesslich 40, als er, nun schon reicher herzog von burgund, den kaiser friedrich iii. nach trier einlädt, um mit ihm über die erhöhung burgunds zum königreich zu verhandeln, und um mit dem habsburger über die nachfolge als kaiser zu pokern.

karl, der kühne, war der vierte und letzte valois-herzog am burgundischen hof. philipp der gute, sein vater, johann ohnefurcht, sein grossvater, und philipp der kühne, sein urgrossvater, hatten die ambitionierte politik der burgunder begründet. durch heirat, kauf und krieg hatten sie seit 1368 ihre ländereien rund um dijon erheblich erweitert erweitern können. die reichen städte in flandern, brüssel und brügge in brabant, die herzogtümer luxemburg und lothringen kamen wie die freigrafschaft am jura stück für stück zum herzogtum burgund. in mittelalterlichen kategorien gedacht, waren die burgunder vasallen des französischen königs wie des kaisers; in neuzeitlichen konzepten übersetzt, beherrschten sie ein territorium, das problemlos als königreich gelten konnte. kleiner als das königreich von england war das das herzzogtum von karl jedenfalls nicht.

mit diesem königreich versuchten die valois-herzöge an die lange burgundische tradition anzuknüpfen. burgund war schon zu zeiten der völkerwanderung im 5. jahrhundert ein königreich gewesen, das damals das rhone-, saone- und doubstal umfasste. auch beim untergang des fränkischen kaiserreiches im 9. jahrhundert entstand burgund als königreich erneut. dieses kam im 11. jahrhundert zum kaiserreich, ausser dem herzogtum burgund, das sich schon im 9. jahrhundert auf die seite der französischen krone schlug und dort überlebt, während das unselberständige königreich burgund nis 1378 in verschiedenste adels- und stadtherrschaften aufgelöst wurde.

das ende des feudalen mittelalters in frankreich und im kaiserreich

möglich geworden war der spektakuläre aufstieg der herzöge von burgund nur, weil die französischen krone im 100jährigen krieg mit der englischen geschwächt worden war. ausgebrochen war diese fehde, als 1337 der letzte kapetinger auf den französischen thron starb und kein eindeutiger nachfolger bestimmt werden konnte. schliesslich setzten sich die herzöge von valois als französische könige durch, brauchten aber 116 jahre, bis sie die englischen königsanwärter vom festland vertreiben konnten. ihre verwandten bestimmten sie zu herzögen von burgund, mussten aber zur kenntnis nehmen, dass diese im 100jährigen eine konsequent pro-englische und anti-französische politik betrieben. das erlaubte es den herzögen von burgund, stets recht unabhängig von französischen königshaus ihren geschäften und interessen nachzugehen.

bs1burgund.JPGum ihr unübliches herrschaftsgebiet sichern zu können, entwickelten die burgunderherzöge grundsätze der hierarchisch geführten verwaltung, beförderten sie den schriftverkehr in der politik, und vereinheitlichten sie steuern und rechte der städte im adeligen sinne. moderne kunst, im buchwesen, bei den tapisserien und in der malerei sollten von der neuen grösse zeugen, und mit der höfischen kultur und mode sollte sich neue lebensluste entwickeln.

das alles erlaubte es ihnen, auch auf herrschaften im kaiserreich überzugreiffen. das wurde nach 1437 namhaft möglich, als kaiser sigismund aus dem hause luxemburg-böhmen verstarb, ohne einen nachfolger zu hinterlassen. im kernteil des kaiserreiches begann nun der grosse aufstieg der habsburger, die bis 1806 ununterbrochen den kaiser stellen sollten. doch im süden und westen des reiches blieb ihr einfluss vorerst schwach, was anderen neue möglichkeiten eröffnete: den städten am rhein und am po, den burgundischen herzögen in dijon und dem französischen könig in paris.

nach 1450 entwickelt sich ein eigentlicher wettlauf um macht, geld und ehre.

anfänglich schienen die herzöge von burgund die nase vorn zu haben. die wende kam 1473 in der alten kaiserstadt trier, dicht an der grenzen zwischen burgund und kaisereich. da sich karl nur um den preis, seine einzige erbin, maria, mit den habsburgern verheiraten zu müssen, könig und kaiseranwärter werden konnte, winkte er ab. er vertauschte den prunkvoll gedeckten verhandlungstisch mit dem feldherrenstuhl. wie einst caesar, der den gallischen krieg gewann, um in rom alleinherrscher zu werden, aber auch wie karl der grosse, der die sachsen besiegte und zum neuen weströmischen kaiser avancierte, wollte karl herrscher über die rheinischen und am besten auch über die lombardischen städte werden. mit ihnen und ihrem reichtum wollte der das europäische kaisertum neu begründen.

der krieg der eidgenossen mit burgund und savoyen

der burgunderkrieg mit den eidgenossen begann 1474 mit einem erfolgreichen aufstand der breisgauer gegen den burgundischen vogt peter von hagenbach. dieser hatte ganz im sinne der burgunder versucht, eine generelle verwaltungsreform im elsass zu realisieren. basel, bis dahin im konflikt neutral, streckte herzog sigmund von vorderösterreich das nötige kleingeld vor, das man sich bei den burgundern geliehen hatte, sodass der einfluss von karl auf vorderösterreich schwand. burgund geriet in die defensive und sigmund konnte in seinem untertanengebiet eine aufstand gegen den herzog anzetteln.

593px-burgunderkriege.pngnun griff das bürgerliche bern in den jura aus, um sich einen weg durch burgundisches gebiete nach frankreich zu verschaffen. in héricourt besiegten die berner ein burgundisches heer. den französischen könig freute diese entwicklung, und er förderte die pro-französische stimmung in bern und in der eidgenossenschaft durch erhebliche geldzahlungen im dreimonatsrhythmus.

fast schon hätte der kaiser rechts des rheins den burgundischen einfluss rückgängig gemacht und der französische könig sich in der eidgenossenschaft ausgebreitet gehabt, sodass man ohne kampf zur tagesordnung hätte schreiten können. um diese vorzubereiten, vermittelte der französische könig 1474 erfolgreich die ewige richtung der eidgenossen mit habsburg, die sich 150 jahren in den haaren gelegen hatten.

doch wurde damit nicht ruhe geschaffen, sondern der eigentliche krieg vorbereitet. die eidgenossen nutzten nun den friedensvertrag mit dem erzfeind im nordosten in der hand, um im südwesten krieg zu führen. von den den kriegserklärungen an burgund und savoyen resp. vom vernichtungsschlage gegen die romandie war schon einleiteten die rede. doch der tagsatzung missfiel das eigenmächte verhalten der berner unter ihrem pro-französischen schultheissen von diesbach.

auch der bernische senat stellte sich quer, und adrian von bubenberg, im aaretal wie in savoyen begütert, meldete seine opposition an. da wurde er aus der berner politik ausgeschlossen, sodass er sich nach spiez auf seinen freiherrensitz zurückzog. dem siegreichen von diesbach sollte es aber noch schlechter gehen. auf einem feldzug nach pruntrut wurde er in blamont von einem pferd überrannt und erlag kurz darauf den folgen des unfalls.

für herzog karl, der an einem angriff auf die eidgenossenschaft nie besonders interessiert war, bot sich nun die gelegenheit, im führungslosen bern zu intervenieren. er arrangierte sich mit dem französischen könig und griff nun in der freigrafschaft und in der waadt ein. die geschichte kennen wir ja schon. sie muss aber um einen punkt ergänzt werden: nach dem überraschungstreffen in grandson, versuchte karl die habsburger auf seine seite zu ziehen. er willigte an ostern in lausanne in einen heiratsvertrag zwischen seiner tochter und erzherzog maximilian ein, denn er noch 1473 verweigert hatte. doch damit gewann er keinen einfluss, sondern sollte er nach seinem tod definitiv sein erbe verlieren.

die folgen für das europa der neuzeit

die eigentlichen erben der burgundischen erwerbungen unter den valois-herzögen von burgund wurden schliesslich die habsburger. maria, die neue herzogin von burgund, die in den niederlanden anerkennung fand, heiratete maximilian, verstarb aber früh. doch maximilian behielt insbesondere die reichen städte am ärmelkanal. und er heiratete als zweites mal, jetzt bianca sforza, die tochter des herzogen von mailand, und legte so seine hand auch auf die lombardischen städte. damit gelang ihm, was sein verstorbener schwiegervater karl stets wollte, wenn auch mit umgekehrten vorzeichen. maximilian stärkte mit seinen heiraten das reich und wurde auch nachfolger seines vaters friedrich iii. als kaiser, als karl längst tod war. 

der ehe zwischen dem habsburger und der burgunderin  waren mehrere kinder entsprungen, unter anderem auch philipp, später der schöne genannt, der zuerst gouverneur der niederlande war, dann ins spanische königshaus heiratete, dort aber früh verstarb. sein gemeinsamer sohn mit juanita, der spanischen königin, stieg als carlos i. zuerst zum ersten habsburger auf dem spanischen thron, dann unter dem namen karl v. als nachfolger von maxilian auf den kaiserthron auf. er regierte auch das neuentdeckte (mittel)amerika und die philipinen und sagt von sich, in seinem reich gehe die sonne nie unter.

europa_1500.jpgso mächtig habsburg aus dem erbe karls wurde, so enttäuschend blieb es für die kaiserfamilie, dass man das kernland, das eigentlichen herzogtum burgund um dijon, nie erhielt. auf dieses griff könig ludwig xi. erfolgreich zurück, als karl starb. niemehr sollte burgund in der folge von grossen politischer bedeutung mehr sein. einzig die katholische kirche hielt in den klöstern das burgundische erbe aufrecht, bis napoléon auch damit aufräumte, sodass nur noch die weinbauern aus burgund berühmt sind.

habsburg und frankreich einigten sich 1493 im friede von senlis über die teilung des burgundererbes und leiteten so den kampf um italien ein. das stand zwar mit der reanissance kulturell in seiner blüte, politisch war es aber äusserst instabil. vorerst rivalisierten die franzosen und der papst mit venedig, später der papst und der kaiser um die vorherrschaft auf der halbinsel. frieden schloss man erst 1555, und es siegte eigentlich der kaiser karl v., der den franzosenkönig und den papst in die schranken wies, durch die zwischenzeitlich ausgebrochene reformation jedoch geschwächt wurde und als kaiser schliesslich abdankte.

die folgen für die eidgenossenschaft

auch die eidgenossenschaft, 1476 grosser schlachtensieger, struktuierte sich in dieser phase neu. nach 1477 wurde die reisläuferei zur wichtigsten erbsquelle. vorerst interessierte sich der französische könig für die schweizer söldner, wie sie jetzt hiessen, später auch der papst. die hat er heute noch, allerdings nur noch in folkloristisch form, während jener seine schweizer in der französischen revolution verlor. 1478 akzeptierten die eidgenossen die von frankreich und habsburg verlangte versöhnungspolitik mit den nachbarn. die freigrafschaft wurde gegen geldzahlungen an habsburg abgegeben; einzig die burgundischen besitzungen in der waadt gingen an bern und freiburg. die ländereien der savoyer gingen auf französischen drucl an diese zurück, und das bündnissystem zwischen savoyen, bern und freiburg, das vor den burgunderkriegen bestanden hatte, wurde erneuert. 1536 sollte der franzosenkönig den bernern und freiburgern erlauben, die waadt erneut zu besetzen und mit der durchführung der reformationen dem katholischen savoyen definitiv zu entziehen.

seidgenossenschaft_13_ortige_1536_1798.JPGunter sich rangen die eidgenossen lange über ihre neue verfassungsform. entschieden wurde sie 1481. in den bund neu aufgenommen wurden freiburg und solothurn. mülhausen wurde zugewandter ort, während strassburg und konstanz, die sich ebenfalls interessiert hatten, fern bleiben mussten. überhaupt, die angst, die städte würden die aufstrebende eidgenossenschaft nun beherrschen, regierte die verhandlungen. schliesslich setzten sich, unter vermittlung von des obwaldners niklaus von der flüe, die kleinen durch. alle 11, später mit basel und appenzell, alle 13 vollwärtigen orte der eidgenossenschaft sollten bis 1798 gleichberechtigte glieder des bundes sein, egal ob sie gross oder klein waren. dieses bündnis, das im kaiserreich verblieb, setzte 1499 gegen maximilian, der dem reich eine grundlegende reform verordnete, einen autonomiestatus durch, der bis 1648 gültigkeit hatte, und die eidgenossenschaft von der weiterentwicklungen des rechts, der steuern und der verwaltung im reich nun ausnahm. wichtigste wirtschaftliche grundlage wurde nun die reisläuferei, die in italien vorerst zu grossen erfolgen führte, dann aber in der niederlage von marignano mündete und den weg für die reformation als (vorübergehende) anti-söldnerbewegung in der eidgenossenschaft ebnete.

bilanz

karl hat die burgunderkrieg nicht überlebt. niklaus von diesbach, sein grosser gegenspieler, auch nicht. adrian von bubenberg wurde als überlebender held von murten gefeiert. in bern wurde er rehabilitiert, und avancierte er zum dritten mal zum schultheissen der stadt. er war massgeblich an der vermittlung mit savoyen zuständig, verlor aber an einfluss auf die bürger- und söldnerbewegung, die nach dem schnellen geld aus dem reislaufen lechzte. 1479 starb er in bern an der pest. seine familie verarmte und verliess eine generation später alles, was man im aaretal hatte, in richtung savoyen.

“herbst des mittelalters” nennt der niederländische historiker johan huizinga, ein burgunderspezialist, die mit karl dem tollkühnen zu ende gehende epoche. melancholie sei das grundgefühl der zeit gewesen, das sich aus dem wissen ergab, das man die mittelalterlichen traditionen verlassen werde. doch das moderne, das neuzeitliche, sei damals noch bekannt gewesen, und die angst, sie beherrschen zu müssen, sei gerade am burgundischen hof durch prunksucht überspielt worden. die grossen ihrer zeit seien arbeitsame menschen gewesen, die voll von lebenslust waren, und sprunghaft zwischen beidem hin und her schwankten.

so wie ich, in meinen beurteilungen.
stadtwanderer

am sonntag um 10

bald ist es so weit: meine angekündigte führung durch die grossen burgunder-ausstellung in bern findet statt. der tag ist bewusst gewählt. es ist der schlachtentag, an dem die burgunder im menschengetümmel von murten untergingen …

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johannes stumpf: chronik von 1554 über die schlacht von murten

doch will ich hier keine patriotische feier ankündigen, sondern eine museaumsführung durch kultur, politik und krieg in burgund. die sensationelle ausstellung in bern gibt uns anlass dazu!

das ganze erlaubt einen für die schweizerInnen unüblichen perspektivenwechsel: statt aus eidgenössischer sicht wird die geschichte aus burgundischer dargestellt!

hier schon mal das …

programm

kurz vor 10 00 besammlung vor dem historischen museum zu bern, bei schönem wetter warte ich draussen im park, bei schlechtem drinnen in der lobby.

10 00 kleine einführung in die geschichte burgunds und den herbst des mittelalters durch mich

10 15 beginn der führung zu den themen “kultur, politik und krieg der burgunder”

12 00 wir werden uns (hoffentlich pünktlich) am mittag im raum befinden, der die schlacht von murten beschreibt; die begann, auf die stunde genau, 532 jahre zuvor auf dem feld zwischen murten und salvenach.

12 30 ende der führung, für interessierte apéro im hof des museums

der eintritt kostet 24 chf, die führung selber ist frei. es komme, wer mag!jedoch bedenke man: es ist der 10000 rittertag! zieht also die alten rüstungen an, und sattelt euer pferd!

stadtwanderer

meine bisherigen beiträge zur schlacht von murten:

schlachtfeldbegehung anderer art

schlief adrian von bubenberg gut nach der schlacht von murten?

mit adrian von bubenberg duzis gemacht

niklaus der kühne

wenn es um den 16. oktober 1475 in der murtener geschichte geht, überbieten sich die berichterstatter mit unüblichem: die neuenburger chronik hält fest: ” le discord fut si grand, qu’on ne savoit connoître de quel parti il en avoit le plus.” was war geschehen?

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1473 einigten sich der kaiser friedrich iii., ein habsburger, und der burgundische herzog, karl der kühne, nicht auf die wiedergeburt des burgundisches königreichs, das 1378 untergegangen war. ein solcher titel hätte karls position gegenber dem französischen könig gestärkt, jedoch auch gegenüber dem kaiser. friedrich wusste darum und verlangte als preis, dass karl einzige erbin, seine tochter maria, den sohn des kaisers heiraten müsse.

karl entschied sich, den durchbruch auf den schlachtfeldern zu suchen. um ihn zu schwächen, befriedete das haus habsburg, vermittelt durch den französischen könig, den seit 1315 wiederkehrenden zwist mit den eidgenossen.

schultheiss niklaus von diesbach

zentrale figur der eidgenossen war der berner schultheiss niklaus von diesbach. seine familie war als tuchhändler reich geworden und in die berner politik eingestiegen. dabei nutzte man die alten handelsbeziehungen an die europäischen königshöfe, um jetzt diplomatie zu betreiben. niklaus von diesbach war 1465 erstmals berner schultheiss geworden. keiner war so jung wie er in dieses amt aufgestiegen. und das machte ihn bei den alten eliten, den traditionellen junkern wie adrian von bubenberg, von anfang an verhasst.

1474 ist niklaus von diesbach auf der höhe seiner macht. zuerst bindet er bern mit einem bündnis an den französischen königshof, dessen kammerherr er geworden war. dann überzeugt er den habsburgischen herzog für vorderösterreich, mit den eidgenossen einen dauerhaften frieden, die sog. ewige richtung, abzuschliessen. die niedere vereinigung rund um basel schoss zudem dem habsburger geld vor, um ihn aus der burgundischen umklammerung zulösen. schliesslich erklärt der berner schultheiss der herzogin von savoyen und deren stellvertreter, jakob von savoyen, graf von romont, am 14. oktober 1474 den krieg. das sollte nicht ohne folge bleiben, den savoyen war mit burgund verbündet.

die besetzung murtens durch bern und freiburg

noch bevor die tagsatzung das bündnissystem akzeptierten, liess niklaus von diesbach murten besetzen. nur zwei tage nach der kriegserklärung an den savoyischen hof, verlangten berner und freiburger vom savoyischen städtchen unmissverständlich, dass es seine tore öffnen müsse. das löste die unordnung in der stadt aus. die murtener chronik hält fest:

“Gross war die Gährung der Gemüther; tumultuarisch die Berathungen. Selbst die Weiber nahmen Parthey.”

doch die savoyerpartei unterlag: der schultheiss, humbert de lavignies, flüchtete aus der stadt, und der bürgermeister, richard rossel, starb, wie es heisst “aus verdruss”.

der wilde krieg gegen burgund

niklaus von diesbach erhielt für seine aktion vom französischen könig 20’000 livres, was dem staatsetat berns von einem jahr entsprach. die hälfte floss in die familienkasse, die andere hälfte wurde unter den günstlingen von diesbachs verteilt. ein teil der berner kam so zu viel geld, genau das, was den alten junkern fehlte.

mit seinen getreuen unternahm der berner schultheiss 1475 eigenmächtig einen angriff auf die burgundischen truppen, die in pruntrut berner eingekesselt hatten. gleichzeitig griffen die berner und freiburger in diesem sommer plündernd und mordend die waadt an.

die tagsatzung verurteilte das eigentmächtige und brutale vorgehen, und auch adrian von bubenberg opponierte im berner kleinrat. doch gelang es niklaus von diesbach, sich in bern durchzusetzen. adrian von bubenberg wurde auf treiben von diesbachs hin aus dem kleinrat ausgeschlossen und zog sich auf sein landgut in spiez zurück.

nun wollte niklaus von diesbach definitiv zum grossen gegenspieler von herzog karl werden. das war kühn, ja tollkühn. in blamont, in der nähe von pruntrut wurde er nur wenige tag nach seinem sieg in der politik von einem pferd tödlich verletzt.

doch bern befand sich in einem selbstgewollten krieg, ohne vom kriegstreiber geführt zu werden.

à suivre

stadtwanderer

 
   
   
   
   
   
   
   
   
   

der fall der murtener mauer

heute war in murten alles still. die sommerliche abendstimmung lockte die menschen auf die strasse. ein pianist spielte unter den lauben. alles war friedlich.

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nichts, aber auch gar nichts erinnerte einen an den fall der murtener mauer heute vor genau 532 jahren!

damals, am 18. juni 1476, kam es zum heikelsten moment für murten vor der grossen schlacht. in der stadt waren seit dem 8. april 1500 berner, die unter adrian von bubenberg das kleine murten vor möglichen angriffe schützten. überall wurde fleissig gearbeitet, denn vor der stadt lagerten seit 9 tagen die truppen des burgunder herzogs karl.

adrian von bubenberg hatte sein hauptquartier dort, wo heute noch das rathaus von murten steht. von hier aus sandte er signale und boten über den see, die in bern bericht nach bern machten. anfänglich dominierte zuversicht. dann merkte man, dass die anspannung unter den belagerten stieg. doch die eidgenossen konnten sich nicht entscheiden, die stadt mit einem energischen angriff auf die burgunder zu entlasten.

es war ein dienstag, als die burgunder aus richtung muntelier angriffen. die mauer, erst wenige jahre zuvor neu erbaut, wankte zwischen der kirche und dem unteren tor, heute berentor. schon stürzten teile unter dem beschuss der burgundischen artillerie, als jakob von savoyen, graf von romont, 1471 als herr über murten von der murtener bevölkerung gefeiert, abends nach sechs hoffte, die stadt mit grossen getöse einnehmen zu können.

doch der angriff misslang auf mirakulöse art und weise. nach murtener quellen sollen die burgunder an diesem abend mehr als tausend mann verloren haben. über die eigenen verluste gibt es keine angaben. die zerstörte mauer wurde in der nacht notbehelfsmässig repariert, denn man wusste, die burgunder würden nicht locker lassen.

das sollten sie dann am samstag drauf effektiv tun, allerdings nicht mehr vor der stadt, sondern oberhalb gegen salvenach zu, wo die eidgenossen dann effektiv für entlastung sorgten und die schlacht mit weitreichender bedeutung schlugen.

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der fall der murtener mauer mobilisierte die eidgenossen definitiv. die zürcher, die lange warteten, setzten zu einem dreitägigen gewaltsmarsch an, um gerade noch rechtzeitig dabei zu sein, als es auf dem schlachtfeld losging.

vielleicht interessiert das, ausser den stadtwanderer, heute niemand mehr in murtens gassen. bei einem bier sagt man mir, das murtenschiessen sei am sonntag; vom mauerfall wissen die meisten nichts mehr. und so sage ich mir auf dem heimweg: wenn die leute aus allen ländern heute so friedlich beeinander sind, ist das ein gutes zeichen!

stadtwanderer

bilder: stadtwanderer

bild 1: noch heute typisch, die savoyisch anmutenden rundtürme in den mauern um burgen oder städte

bild 2: unverändert sichtbar, wo die mauer vor 532 schweren schaden gelitten hatte.

der aufstieg murtens ins zentrum des weltinteresses

wer nach murten geht, vergisst die lauben und die mauern rund um die mittelalterliche stadt nicht. beides erinnert an den aufstieg der stadt unter den herzögen von savoyen, bis es 1475/76 in murten zu weltpolitischen entscheidungen kam.

bildmurten-148.jpgalles beginnt mit der feuersbrunst

murten wurde in der zweiten hälfte des 12. jahrhunderts von den herzögen von zähringen gegründet und gefördert. nach deren aussterben war man vorübergehend reichsstadt, bis 1255 die grafen von savoyen hand auf die stadt legten, und diese bis 1475 dor behielten.

der eigentliche aufstieg der savoyischen provinzstadt beginnt 1414. die bauern im ganzen dreiseengebiet begehren auf. sie wollen die herrschaften in den burgen und städten stürzen. und sie zünden an, was brennt. so auch murten. die holzstadt von damals wird opfer der flammen.

könig sigismund, auf dem zug von avignon nach konstanz, mit dem ziel, die unübersichtlichen verhältnisse im papsttum neu zu ordnen, teilt die ehemals hochburgundischen gebiete, über die sein vater, kaiser karl iv. noch könig gewesen war, auf: die grafen von savoyen werden herzöge mit zentrum in chambery; die stadt bern wird reichsstadt und darf damit über untertanen aus das blutgericht sprechen. schliesslich akzeptiert sigismund, dass die herzöge von burgund in dijon die herren über freigrafschaft am jura bleiben, obwohl die lehensherren des französischen königs damit imperiales territorium beanspruchen.

bild-212.jpgunter den savoyischen herzögen

herzog amadeus viii. besucht das niedergefackelte murten 1416. als wiederaufbaumassnahme befreit er die stadt für 15 jahre von allen abgaben an seinen hof. zudem dürfen die murtemer nun auf dem lokalen wein eine eigene steuer erheben. 1430 ist es soweit: murten hat sich finanziell erholt, und ist dabei, die stadt neu zu bauen.

wer nun auf strohdächer verzichtet, kann subventionierte ziegel beziehen. und wer vor dem haus keinen vorgarten mehr hat, dafür den raum mit lauben überdeckt, erhält von der stadt verbilligten kalk. damit ändert sich das bild rasant: das holz gehört der vergangenheit an, arkaden mit verputzem gemäuer und häuser mit richtigen dächer beginnen die stadt zu prägen.

bild-215.jpgunter europäischer aufsicht

seit 1353 war murten nicht nur savoyisch, sondern auch zugewandete stadt der 8örtigen eidgenossenschaft. diese eidgenossenschaft war seit 1439 im ersten bürgerkrieg untereinander. zürich wollte sich ab und wieder habsburg zuwenden. das tolerierten die übrigen verbündeten nicht, und sie besiegten die stadt zürich. dabei stieg bern zum eigentliche vorort in der eidgenossenschaft auf.

am ende des zürichkrieges veränderte bern auch die verhältnisse im habsburgischen freiburg: der schultheiss wilhelm von avenches wurde gestürzt, und murten nutzte die gelegenheit, offene rechnungen mit dem alten rivalen zu begleichen. zwischen den beiden städte entstand 1448 eine eigentliche fehde mit verwüstungen rund herum, bis die grossen der umgebungen in die unruhen eingriffen:

der könig von frankreich, 1444 sieger über die eidgenossen an der schlacht von st. jakob an der birs, die herzog von burgund, die stadt basel und die eidgenössischen orte erzwangen friedensverhandlungen, die am 16. juli im murtener wirtshaus adler besiegelt wurde. zuerst savoyen, dann aber auch bern und freiburg ratifizierten das schriftstück, ohne dass damit der status von murten zwischen savoyen und eidgenossenschaft genau geregelt worden wäre.

zusehends polarisierte sich die situation: bern, führend über das savoyisch geworden freiburg, beanspruchte nun auch murten zu bestimmen.

bild-239.jpgunter dem einfluss der herzöge von burgund

1469 lag es an amadeus ix., bei seinem besuch in murten, die stadt aufzufordern, mit dem wiederaufbau der stadtmauern aus dem 13. jahrhundert, die bei der feuersbrunst ebenfalls gelitten hatten, zu beginnen. finanziell wollte er sich auch an diesem werk beteiligen. den mauerbau selber erlebte er nicht mehr direkt, litt er doch chronisch an epileptischen anfällen. deshalb über trug er seiner frau yolante die geschäfts des herzogtums. diese wiederum berief 1471 jakob von savoyen, einen verwandten des herzogs, zum grafen von romont und herrscher über die savoyischen gebiete in der waadt. murten huldigte jakob, als die mauern fertig gebaut waren.

doch nicht nur die murtemer bürger interessierten sich nun für den neuen machthaber aus romont. auch der herzog von burgund, karl, wandte sich 1473 an ihn. um seinen plan, könig von burgund, ja kaiser des römischen reiches zu werden, realisieren zu können, suchte er einen sicheren weg vom ärmelkanal nach rom. und der führte idealerweise bei pontarlier über den jougnepass und bei martigny über über den grossen st. bernhard. romont lag da strategisch günstig dazwischen. und so befördert herzog karl den savoyer jakob, graf von romont und herr über das aufstrebende murten, zu seinem grossmarschall und damit zu seinem stellvertreter am burgundischen hof.

bis die städte bern und freiburg dagegen intervenierten … mehr dazu später!

stadtwanderer

fotos: stadtwanderer

bild 1: pitoreskes murten heute

bild 2: laubenimpressionen heute

bild 3: hotel adler heute

bild 4: mauerbau heute