Neue Stadtwanderung Ochsenbein 1: Sein Leben

Vorspann:
Am 12. September 2020 wird der Bundesstaat 172 Jahre alt. Anlass auf eine vergessen gegangene, aber zentrale Figur der Gründung Rückschau zu halten.

Wir stehen mitten in der Bundesstadt. Dass wir einen Bundesstaat haben und dass Bern dessen Bundesstadt wurde, verdanken wir mitunter Ulrich Ochsenbein. Er ist auch der massgebliche Staatsgründer. Er ist das Thema meiner neuen Stadtwanderung.
Einen symbolischen Ort für Ochsenbein gibt es in Bern nicht. Denn die einzige Büste, die ihn zeigt, steht in Nidau. Nicht einmal der Tag ist bekannt, an dem Ochsenbein geboren wurde. Immerhin weiss man, dass er in Schwarzenegg bei Thun das Licht der Welt erblickte. Man könnte ihn auch unseren Schwarzenegger nennen!
Die Historiker sind sehr unterschiedlich mit Ochsenbein verfahren. Die erste Biografie fiel kritisch aus; sie zeichnete das Bild eines prinzipienlosen Opportunisten. Die zweite ist wohlwollend und würdigt seine Rolle als vermittelnder Staatsmann bei der Gründung des Bundesstaats 1848.
Meine These lautet: Ochsenbein ist der erste Politiker der Schweiz, der vom Parteikämpfer zum Pragmatiker wurde, um in verschiedene politische Richtungen auszustrahlen. Er war ein früher Vertreter der Konkordanzpolitik, – allerdings zu einer Zeit, als es dieses Politikverständnis noch gar nicht gab. Deshalb fiel Ochsenbein schliesslich zwischen Stuhl und Bank.
Ochsenbein war noch ein Junge, als die Familie nach Moudon übersiedelte. 1825 ging es dann Nidau. Da und im benachbarten Port verbrachte Ulrich fast sein ganzes Leben. Nur während seiner Zeit als Bundesrat wohnte er in Bern.
1835 heiratete Ochsenbein die Arzttochter Emilie Sury aus Kirchberg, mit welcher er eine Wohnung an der Nidauer Hauptstrasse bezog.
In Nidau stieg Ochsenbein in die Politik ein. Er wurde Gemeindepräsident und kurz darauf auch Präsident der Burgergemeinde. Später wurde er bernischer Grossrat, Regierungsrat und Regierungspräsident. Er vertrat den Kanton Bern in der Tagsatzung, präsidierte diese im entscheidenden Moment und war auch Präsident der Verfassungskommission. Er überzeugte sein Kantonsparlament, den Entwurf zur ersten Bundesverfassung gutzuheissen. Den neu gegründeten Nationalrat präsidierte er als allererster. Schliesslich wurde er der erste Berner Bundesrat.
Eine Musterkarriere im jungen Bundesstaat!
Doch es gab auch Brüche in Ochsenbeins Leben. 1845 war er militärischer Anführer im zweiten Freischarenzug der radikalen Jugend gegen das konservative Luzern. Der Angriff endete mit einem Desaster für die Angreifer. Nur Dank seinen politischen Verbindungen konnte sich Ochsenbein halten. Im Sonderbundskrieg musste er sich mit dem Posten eines Obersten der Reserve begnügen. Schweizer General wurde er nie.
1854 verpasste er die Wiederwahl in den Nationalrat, die damals nötig war, um als Bundesrat bestätigt werden zu können Folgerichtig wurde er im Amt nicht bestätigt. Diese Demütigung markiert denn auch das Ende seiner politischen Karriere.
Nach dem überraschenden Ausscheiden aus der Schweizer Politik betätigte er sich als General in französischen Diensten, berichtete als Schriftsteller unter anderem über die Juragewässerkorrektion im Seeland und arbeitete als Landwirt und Pferdehändler. Am Ende seines Lebens klagte er zweimal erfolglos gegen Verleumdungen gegen seine Person. Er versuchte auch als Konservativer den Wiedereinstieg in die Politik – genauso erfolglos!
Zuletzt löste sich ein Schuss aus seinem Jagdgewehr und traf seine Frau tödlich.
Ulrich Ochsenbein starb 1890 vereinsamt auf seinem Landgut „Bellevue“ im seeländischen Port. In Nidau ehrt man den prominenten Bürger mit einer Büste im Schloss (Bild oben). Ein nationales Denkmal zugunsten des Staatsgründers gibt es nicht.
Machen wir uns also auf die Wanderung durch die Berner Altstadt, um zu ergründen, warum das so ist.

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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