Raymonde Schweizer, die erste Kantonsparlamentarierin der Schweiz

Heute war ich auf Recherche in Neuenburg. Hintergrund war der Drehtag mit Swissinfo für den fünften „Brennpunkt Demokratie Schweiz“ am kommenden Dienstag. Thema wird die Behebung des grössten Demokratie-Defizits sein, nämlich der Wechsel vom Wahlrecht für Männer zu dem für Erwachsene.


Raymonde Schweizer, die erste Kantonsparlamentarierin der Schweiz 1960, beim Eintritt in den Neuenburger Grossrat

Bekanntlich gelang das landesweit erst 1971. 1959 scheiterte eine erste Abstimmung. 66 Prozent der stimmenden Männer waren dagegen, 19 Kantone auch. Ja sagten Genf, Waadt und Neuenburg. Alle drei führten noch im gleichen Jahr das Stimm- und Wahlrecht für Frauen in ihrem Kanton ein.
1960 gelang der ersten Frau in der Geschichte der Schweiz der Sprung in ein Kantonsparlament. Konkret war es die Lehrerin und spätere Direktorin an der Frauenarbeitsschule in La Chaux-de-Fonds, Raymonde Schweizer. Die überzeugte Gewerkschafterin und Feministin reüssierte auf der SP-Liste auf Anhieb und politisierte neun Jahre lang im Neuenburger Grossrat.
Natürlich wollte ich mehr Wissen über die Trendsetterin in einer Zeit, als die meisten Frauen in der Schweiz nicht einmal die einfachen politischen Rechte wie Wählen und Stimmen ausüben durften! Ich hatte vor Jahren auch ein Bild von ihr gesehen und auch archiviert. Aber ich fand es nicht mehr. Denn der Name war mir effektiv entfallen, und ich wusste nicht wo ich suchen sollte. Freundlicherweise half man mir heute im Historischen Museum der Stadt Neuenburg, fündig zu werden.
Ausgerechnet „Schweizer“, dachte ich mir heute Nachmittag. Denn ich erinnerte mich, dass Emilie Kempin-Spyri, die erste doktorierte Juristin in Europa, 1887 mit einer Anklage ans Schweizer Bundesgericht versuchte, die politischen Rechte von Männern auf Frauen auszudehnen. Ihr Argument war, „Schweizer“ sei ein generisches Maskulinum und stehe für beide Geschlechter. Das Bundesgericht beschied ihr, die Auffassung sei „ebenso
neu wie kühn“, und es wies die Klage rundweg ab.
Raymonde Schweizer hinderte das nicht, ein drei Viertel Jahrhundert Pionierin in Sachen Frauenvertretung in einem Kantonsparlament der Schweiz zu werden. Bravo!
Es war übrigens auch nicht das letzte Mal, dass Neuenburg voraus ging. 1971 zählte Tilo Frey zu den ersten 11 Frauen, die in den Nationalrat einzogen; und die Handelslehrerin, in Kamerun geboren, war auch die erste POC Parlamentarierin der Schweiz. Schließlich wurden 2021 58 Frauen in den 100-köpfige Neuenburger Grossrat gewählt – die allererste Frauenmehrheit in einem Kantonsparlament unseres Landes!

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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