Fernziel Laizismus?

Heute bin ich mit den Freidenkenden unterwegs. Grosses Thema: Ist die gegenwärtige Form der Trennung von Kirche und Staat zeitgemäss?

Die Freidenker-Vereinigung der Schweiz entstand an 12. April 1908. Das war kein Zufall!
Es war auf den Tag genau 110 Jahre nach der Ausrufung der Helvetischen Republik am 12. April 1798. Deren Verfassung postulierte nämlich nicht nur die Gewaltenteilung der französischen Aufklärer, um die staatlichen Institutionen neu aufzubauen. Auch die Menschenrechte fanden erstmals Eingang in die Rechtsprechung.
Die Helvetische Republik propagierte einen laizistischen Staat. Das war ein fundamentaler Bruch mit der vorherrschenden theokratischen Vorstellung von Staatsreligion bei Katholiken und Reformierten. Nicht überraschend gab es Widerstände. Man beharrte ein christlicher Staat zu sein, und Juden weiterhin ausgrenzen zu dürfen.
Bekannt ist, dass die neue Gewerbeschule im revolutionär gesinnten Aarau unsere erste Ausbildungsstätte nach dem laizistischen Muster war. Auch wenn die Helvetische Republik keinen Laizismus nach französischen Vorbild brachte und nach knapp 6 Jahren gescheitert war, blieb gerade die Idee überkonfessioneller Schulen in der Schweiz lebendig. Laizistisch geprägt waren die Hochschulen in Zürich und Bern, die in den 1830 Jahren im liberalen Geist entstanden. Sie waren weltweit ein Novum, den keine kirchliche Instanz stand an ihrem Anfang.
Seit 1874 versteht sich auch der Bund in religiösen Fragen neutral. Das hat der Politik den Boden eröffnet, jenseits religiöser Bekenntnisse nach gemeinsamen Lösungen zu suchen und sie auch zu finden.
Geblieben ist die konfessionelle Grundierung vieler Kantone. Nur die garantierte Glaubens- und Gewissensfreiheit sind ihnen übergeordnet. Einzig Genf und Neuenburg kennen eine strikte Trennung von Kirche und Staat. Die andern bauen auf anerkannten Landeskirchen aus, mit denen der Staat mehr oder weniger eng kooperiert. Bern gehört zu den Kantonen mit starker Zusammenarbeit.
Seit den 1970er Jahren steigt – als neue Herausforderung – die komplette Konfessionslosigkeit in der Schweiz schnell an. Heute gibt es mehr Konfessionslose als Mitglieder in der evangelisch-reformierten Kirche. Nur Katholiken und Katholikinnen sind noch zahlreicher. Die Schweiz, wie sie den Freidenkende vorschwebt, ist schleichend realer geworden.
Heute gibt es zahlreiche gesellschaftliche Diskussionen, wie das Verhältnis von Kirche und Staat den verändern Bedingungen angepasst werden sollen. Der Horizont an Ideen ist weit aber umstritten.
Das aus dem historischen Kontext heraus verstehen zu können, ist die Absicht der morgigen Stadtführung für die Freidenkenden Schweiz. Anschliessend findet ein Podium zur Vertiefung statt.
Ich freue mich!
Stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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