Burger.Barock.Bourbonen – 7. Station: Das Beatrice von Wattenwyl Haus, der Sumpf von Villmergen und das Stadtpalais von General Frisching

Wir stehen vor dem Beatrice von Wattenwyl Haus. Es gehört heute der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der es für Staatsempfänge und wichtige Politanlässe dient. Es steht auch für die wichtigste Etappe im Gleichgewicht der Konfessionen in der Schweiz nach der Reformation: der Schlacht von Villmergen.

Die Frontseite lohnt sich kaum mehr, betrachtet und eingeordnet zu werden. Es ist früher Berner Barock aus dem Ende des 17. Jahrhunderts. Wir kennen das. Umso interessanter ist die Rückseite mit hochbarocker Fassade und riesigem Garten.
„Beatrice von Wattenwyl-Haus“ heisst es, weil ihr Mann es 1934 dem Bund verkaufte und bestimmte, es müsse den Namen seiner verstorbenen Frau tragen. Gebaut wurde es zwischen 1695 und 1710 in mehreren Schüben von Samuel Frisching, der hier drei Liegenschaften nebeneinander besass.

Innovative Architektur des Hochbarock
Neu war damals der Gebäudetyp. Den wir stehen hier vor dem ersten Stadtpalais. Bekannt sind solche Bauten als Wohnsitze von begüterten Patriziern oder als städtische Zweitsitze von reichen Landadeligen.
Neu ist auch, dass ein auswärtiger Architekt am Werk war. Joseph Abeille war Franzose, der in Genf lebte, und hier erstmals beigezogen wurde.
Die Elemente der Rückseite kennen wir teilweise, teilweise nicht. Die Fassade ist dreigeteilt, der Mittelteil mit Dachgiebel und Wappen der Familie. Bekannt sind die Lisenen zur Gliederung der Vertikalen. Ungewohnt ist aber, dass die Fassade teilweise bemalt ist. Das macht sie leichter.
Neu ist auch der Balkon, der auf den Garten gibt. Dieser ist für ein Haus in der Stadt ganz neu. Und wir sehen hier erstmals, dass Fassade und Platz davor eine Einheit bilden.

Parität der christlichen Kongessionen
Die Frischings sind keine alteingesessenen Adeligen, aber seit dem 16. Jahrhundert in Bern bezeugt. Sie waren schon im frühen Soldwesen führend. Im 17. Jahrhundert stieg die Familie auch ohne “von” in die hohe Politik auf. 1688 wurde mit Samuel Frisching I. Schultheiß. Von 1715 bis 1721 war sein Sohn, Samuel Frisching II., im gleichen Amt.
Sein Name steht wie kein anderer für den Sieg der reformierten Berner über die katholischen Innerschweizer in der Schlacht von Villmergen. Da konnte die Stadt die Schmach wettmachen, als sie 1656 in der ersten Schlacht am gleichen Ort und gegen die gleichen Widersacher verlor.

Im Frieden von Aarau 1712 setzten die reformierten Ort die Parität beider christlicher Konfessionen in der Eidgenossenschaft durch. Denn seit ihrem Sieg über Zwingli im Kappelerkrieg von 1531 beanspruchten die katholischen Orte die Führung in der Eidgenossenschaft. Das war nun zu Ende.
Frisching wurde übrigens eher per Zufall oberster General der Berner. Denn man hat gleich drei Generäle aufgeboten. Da sich Niklaus von Diesbach während den Kampfhandlungen verletzte, wurde er erst vor Ort als Chef auf dem Platz durch Frisching ersetzt.

Die unnötigste und blutigste Schlacht
Die Schlacht selber wäre gar nicht nötig gewesen. Denn die reformierten Truppen hatten bereits Wochen zuvor einmal gesiegt und in Aarau einen Friedenvertrag aufgesetzt gehabt. Den lehnten jedoch die Zuger, Schwyzer und Unterwaldner auf Betrieben des päpstlichen Nuntius Caracciola ab, und Luzern und Uri, die schon eingelenkt hatten, schlossen sich ihnen an. So kam es ein zweites Mal zu einer militärischen Auseinandersetzung im Freiamt.
Diesmal war die Schlacht besonders verheerend. 4000 Mann blieben auf liegen oder ertranken in den Sümpfen. Die waren besonders tief, denn es hatte in diesem Sommer fürchterlich geregnet.
Was bleibt ist die blutigste Schlacht unter Eidgenossen auf eidgenössischem Territorium ever.

Beliebter Treffpunkt
Der Schlachtensieg hievte Samuel Frisching ins Amt des Schultheißen, das er bis zu seinem Tod versah.
Das Stadtpalais mussten die Frischings, denen auch Schloss Rümligen bei Toffen gehörte, mit dem Ende des Soldwesens anfangs des 19. Jahrhunderts an die Familie von Wattenwyl verkaufen.
Regelmäßig finden hier die Treffen der Präsidenten statt. Wenn sich die Spitzen des Bundesrats und der Regierungsparteien treffen, sprechen sie sich alle mit „Präsident“ an.
Ausgerechnet unsere zwei FreiämterInnen in der Landesregierung wohnten schon in der tollen barocken Bleibe: Bundesrätin Doris Leuthard und der Bundeskanzler Walter Thurnherr.
Gelebte konfessionelle Eintracht quasi!

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert