#beizentour, 2. Station: Die Stuben der Gesellschaftshäuser als Anfänge des weltlichen Wirtshauswesens in Bern

Im 15. Jahrhundert erfährt die Berner Märitgasse (heute Gerechtigkeitsgasse/Kramgassse) eine erste gründliche Umgestaltung. Denn die neuen Gesellschaftshäuser gruppieren sich mit Vorliebe um den Richtstuhl. Ursprünglich versammelten sie sich in den Stuben der reichen Mitglieder. Mit dem Bau von eigentlichen Gesellschaftshäusern verwendet man den Namen für das Versammlungslokal.
Die erste Gesellschaft an der Märitgasse ist der Distelzwang. Seit 1420 besitzt sie das Haus auf der südlichen Seite des Richtstuhls. Das ist auch Programm: denn man versammelt als einzige Gesellschaft die Elite der junkerlichen Familien: Kleinräte, Stadtschreiber, Kleriker und Offiziere. Die Exklusivität steigt, als man mit der Narrengesellschaft fusioniert.
Die Bedeutung erkennt man am Umzug beim Blutgericht. Die Schuldigen werden im Rathaus eingekerkert, vor dem Richtstuhl verurteilt und ins Münster zur Beichte geführt, während sich die Richter in der Narrengesellschaft zum Besäufnis versammelten.

Vier Handwerkervereinigungen gelingt es trotz Politikverbot in die Politik einzusteigen: Die Gesellschaften der Bäcker, Metzger, Gerber und Schmiede übernehmen die vier Quartierverwaltungen und stellen je einen Venner im Kleinrat. Sie nennen sich Vennergesellschaften und grenzen sich so von den übrigen Gesellschaften ab. Schiffsleute, Zimmermänner, Steinmetze, Schneider und Weber haben alle auch ein Gesellschaftshaus an der Märitgasse, aber keine Aufgaben in der Stadtverwaltung. Verschiedene davon erkennt man heute noch an ihren Gesellschaftshäusern als traditionellen Standort.
Die Gesellschaftshäuser sind der erste Ursprung das Wirtshauswesen. Ursprünglich fand man sich in der Stube eines prominenten Mitglieds. Nach dem Bau der Gesellschaftshäuser behält man den Namen für das Versammlungslokal bei.
Geführt werden die Stuben von einem Wirt, der aus den Mitgliedern stammt, der Stadtobrigkeit aber untersteht. Er hat für Ordnung zu sorgen. Verpönt ist es, seine Rechnung nicht zu bezahlen oder vorzeitig nach Hause zu gehen.
Beliebt sind die Treffen zu hohen Festen wie Neujahr oder Ostern. Sie erstrecken sich über mehrere Tage. Die Einkaufslisten lassen mehrtägige Gelage erkennen, bei denen reichlich gegessen und getrunken wird. Je Teilnehmer rechnet man mit 4 Liter Wein.
Und ja, es waren durchwegs Männergesellschaften. Bedient werden sie von feschen Mädchen, denen die Gesellschaftsmannen ganz gerne unter den Rock greift.

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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