ramadan-dinner als moment der interkonfessionellen begegnung

die einladung lautete auf 18 uhr 20. einfinden sollte man sich im berner kursaal. auf der leuchttafel am eingang stand “apéro: bis 20 uhr 12, danach nachtessen.”

20 uhr 12? – ein schreibfehler?
nein, lautet die antwort!
denn 20 uhr 12 war am 4. september 2008 die zeit des sonnenuntergangs in bern. für die muslime in der stadt, der moment des fastenbrechens während des ramadans.


die begegnung
das religiöse gebot wird an diesem feierlichen abend strikte eingehalten. beim empfang gibt es keine der sonst so üblichen häppchen. und schon gar keinen wein. einfach nichts! dafür vermittelt das dialog institut aus zürich zwischen den anwesenden. schweizerInnen sind da, vertreterInnen der christlichen kirchen, muslime und vor allem türkInnen. selbst der schweizer botschafter in ankara ist gekommen. und eine türkische parlamentarierInnen mit schweizer pass auch.

das erstaunlichste dabei: die lingua franca, die gemeinsame sprache, ist nicht englisch, sondern die schweizer mundart. denn die anwesenden sind fast alle in der schweiz geboren, hier aufgewachsen, haben die schulen in einer schweizer stadt besucht. sie kennen unsere sprache bestens, sie beherrschen sie sogar mit regionalen einfärbungen. doch sie sind muslime und wollen es auch bleiben! das ist ihre botschaft an diesem abend unter den rund 50 geladenen gästen.

das dialog institut

das dialog institut hat es sich zur aufgaben gemacht, zwischen schweizerInnen schweizerischer herkunft und schweizerInnen türkischer herkunft zu vermitteln. cebrail terlermez, wohnhaft in weinfelden, ist der geschäftsführer. er hat in fribourg und im deutschen germanistik studiert. gegründet hat er mit freunden aus der studentenzeit die vermittlungsstelle 2004, die sich speziell den anliegen der secondos aus muslimischen familien in der schweiz annimmt.

wenn beispielsweise medien unter den 300’000 muslimen in der schweiz ansprechpartner suchen, stellt das dialog institut kontakte her. denn es ist den meist nebenamtlichen mitarbeiterInnen ein anliegen, die kontakte zwischen menschen zu fördern. zwischen institutionen findet der dialog statt, hält terlermez fest. zwischen den kulturen auch. nicht aber zwischen den individuen bilanziert er seine erfahrungen in der schweiz.

aynur akalin, eine frau im institutsvorstand, bringt an diesem abend auf den punkt, was damit gemeint ist. wenn man in der türkei zügle, würden einem die menschen am neuen wohnort dabei helfen. so entstehe ein natürlicher kontakt. wenn man in der schweiz zügle, werde erwartet, dass sich die neuankömmlinge bei den ansässigen vorstellen gehen. das sei die erwartete kontaktaufnahme. wenn nun türkisch sozialisierte menschen in der schweiz zügeln würden, beginne das gegenseitig warten aufgrund von missverständnis. eine verpasste chance der begegnung, fügt sie bei.

das symposion
cebrail terlermez kennt die situation, nicht aber das problem. mit seinem charme durchbricht er die barrieren der kulturen schnell. deshalb befürwortet er das zusammenleben der menschen verschiedener kulturen. seinen hintergrund verbirgt er nicht. er will, dass seine glaubenbrüder und -schwester in ihrer verschiedenheit hier leben können, sich aber für die hiesigen verhältnisse interessiere. “wir haben viel zu lernen in der nationalen politik. monika weber, die ehemalige ständerätin aus zürich, ist unser wichtigste ansprechpartnerin”, sagt er. am 11. märz 2009 werde man gemeinsam das bundeshaus besuchen. ich erweitere den ausflug nach bern spontan um eine stadtwanderung. ich wolle zeigen, wie die aufklärung unsere kultur verändert habe, welche werte dadurch neu entstanden worden seinen, und welche normen darauf basierend unser politisches selbstverständnis prägte, ist meine antwort. cebrail macht mit mir sofort duzis und willigt umgehend in die berntour ein.

die fünf gebete, die mein gegenüber täglich bei seiner arbeit und zuhause verrichtet, seien momente der einkehr im tagesablauf. den jahresablauf der muslime durchbricht der fastmonat ramadan. es seinen 30 tage der einkehr, der besinnung, der begegnung und der solidarität. muslime schliessen in dieser zeit vielfach neue freundschaft, um religions- und kulturgrenzen hinaus, weiss ein dialogpartner, während das dinner einnehmen. köstlich-orientalisch zubereitet, musikalisch untermauert, um kleine vorträge bereichert, erinnert es mich fast ein wenig an ein antikes symposion. dem ort der geselligen begegnung unter meschen, die sich in freundschaft auseinandersetzen wollen.

stadtwanderer

das dialog institut in zürich