prediger auf dem fronwagplatz

der anfang in schaffhausen war krass. prediger beherrschten den fronwaagplatz und entsetzten die passantInnenp5160158.JPG.

ich bin heute abend an meinem ziel angekommen und wollte einen kleinen ersten erkundungsspaziergang machen. auf dem fronwaagplatz standen dann fünf herren im mittleren alter. vor ihnen lag ein kleiner koffer: “die bibel” war darauf zu lesen. jeweils einer der fünf herren trat reihum vor und begann zu predigen.

die moral der heutigen zeit sei tief ganz gefallen, war die laute anklage. die menschen würden sich nur noch ihrer gegenwärtig lust hingeben. die frauen von heute seien alles huren. sex vor der ehe sei der normalfall, eine sünde sei das. denn es sei natürlich, damit bis zur heirat zu waren. viele kinder würden so gezeugt, die dann abgetrieben werden müssten. mord sei das, schrieb der vorbeter gerade über den platz, als ich auf ihrer höhe war.

die meisten menschen, die passierten, hörten einige sekunden hin. dann wandten sie sich schockiert ab. nicht wegen dem erzählten, sondern wegen den erzählern. junge paare schauten sich an und schüttelten den kopf. einzelne frauen hielten sich beim vorübergehen gar die ohren mit beiden händen dicht.

auch ich ging vorbei, in den nächsten buchladen, um mich mit literatur über schaffhausen einzudecken. “der rheinfall” war mein thema. doch auch in der buchhandlung verhandelte man schon die bibelleute von nebenan.

“unsere religion ist doch durch prediger entstanden”, sagte meine nachbarin. ihre nachbarin auf der anderen seite wiederum war entsetzt:” ja”, antwortete sie, “aber sie predigten über das leben. die hier wollen uns das leben nur noch schwerer machen. ich kann da nicht mehr zuhören.”

ich habe meine bücher bezahlt und lief zum bahnhof zurück. wem man auf den fronwaagplatz jetzt noch begegnete, der oder beachtete die prediger nicht mehr. nicht wenige von ihnen schienen mit ihrem handy schwer beschäftigt zu sein. ob sie mit ihren lieben verbunden waren, in ihrer eigenen welt, die gerade beklagt wurde, kann ich nur vermuten.

stadtwanderer (erster abend in schaffhausen)

der alltägliche horror

p5150133.JPGden sommer 1993 verbrachte ich im rollstuhl. am 19. märz verunfallte ich und bracht mir beide beine gleichzeitig. bis ende august war ich so stark gehbehindert, dass ich auf einen rollstuhl angewiesen war. das hat mir die augen geöffnet, für vieles, was man im alltag so gerne übersieht.

berns strassen tragen zwar viel zum sympathischen stadtbild bei. doch sind sie für rollstuhlfahren ein horror.

alles beginnt mit den geleisen, die schmale räder gerne gefangen nehmen. es geht mit den pflastersteinen weiter, die nicht nur schrecklich holpern, sondern auch die radführung erschweren. und schliesslich gibt es die zahlreich auf- und abfahrten von trottoirs, die einem das geradeausfahren auf dem gehsteig bisweilen verunmöglichen.

noch nie darauf geachtet? ganz normal!

den was man als fussgängerIn unter den füssen hat, wird zuerst durch schuhwerk abgeschirmt. und es ist so im normalfall auch leicht begehbar. selbst kleine stufen nimmt man mit jugendlichem schritten und ohne jegliches bedenken.

erst als ich im rollstuhl sass, begann ich mich zu wundern, wieviele hindernisse für nicht-fussgänger es überall hat. nicht nur in bern. viele davon entstehen durch mangelnde sensibilisierung. andere sind grenzenlos zynisch. so das behinderten-wc in einem schweizerischen bahnhof, das nur über eine treppe erreicht werden kann. der krasseste fall, dem ich damals so hilflos gegenüber sass, ist heute gottseidank verschwunden.

das hat auch mit dem engagement der behindertenorganisationen in der öffentlichen planung, der ausbildung von architektInnen und den stadtparlamenten zu tun. seit ich die welt vom rollstuhl aus gesehen habe, verstehe ich das viel besser. und ich finde auch jede unterstützung für die erleichterung des alltags von behinderten richtig. denn sie ist keines stück des weges im kampf gegen den vergessenen, alltäglichen horror behinderter menschen.

jede und jeder kann hierzu einen persönlichen beitrag leisten. zum beispiel am berner solidaritätsfest von diesem wochenende, zu dem 30 behinderteninstitutionen aufrufen und an dem über 100 künstler auftreten werden. das ändert zwar die verkehrswege in bern nicht, hilft aber behinderten in der dritten welt. hier schon mal das programm!

ich hatte das glück, im herbst 1993 wieder aus dem rollstuhl aufstehen zu dürfen und seither stadtwandern zu können. das haben nicht alle, die im rollstuhl sitzen.

stadtwanderer

der ungewöhnliche tod eines papstes

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um papst johannes xii. ranken unzählige geschichten. drastisch sind die zu seinem tod. sicher ist nur, dass er am heutigen 14. mai des jahres 964 infolge von gewalt verstarb. eine abendliche kulturgeschichte mit anspielungen auf die schweizerische gegenwart!

mitte des 10. jahrhunderts lag das kaisertum, das karl der grosse im jahre 800 auf der basis des weströmischen imperiums neu begründet hatte, arg darnieder. jeder könig, jeder herzog, der südlich der alpen lebte und etwas auf sich hielt, beanspruchte, mindestens kaiseranwärter, wenn nicht schon imperator und augustus in einer person zu sein. und die päpste in rom, die zwischen den rivalisierenden anwärtern auf den kaisertitel zu entscheiden hatten, war nicht mehr als schachfiguren im frivolen spiel der römischen aristokratie. wahrlich, ein desolater zustand!

johannes xii. wird minderjährig papst

johannes xii. wurde im jahre 955 als bisher einziger papst noch minderjährig auf den stuhl petri gesetzt. sein vater, ein einflussreicher römischer senator, liiert mit der tochter des königs der lombardei verheiratet, hatte das in seinem testament so verfügt. doch klein-johannes gelang es nicht, den kirchenstaat vor den ansprüchen der adeligen aus verona genügend zu schützen. so sah er sich im jahre 960 gezwungen, den westfränkischen könig otto I., seit 951 mit adelheid, der verwitweten erbin des königreichs der lombardei, verheiratet, als neuen schutzherrn nach rom zu rufen.

den preis für die intervention im süden kennt man. papst johannes xii. salbte und krönte otto und adelheid am 2. februar 962, zu kaiser und kaiserin des römischen reiches. gemeinhin gilt dieser akt als neubegründung eines kaiserreiches in europa. die herzöge von spoleto und die markgrafen von verona hatten damals das nachsehen. doch auch der papst, der bald nach der kaiserfeier einen ausgleich der interessen suchte, fiel dem neuen kaiserpaar zum opfer.

johannes xii. wird als papst gestürzt

johannes xii. wurde 963 von einer synode, die der kaiser von pavia aus einberufen hatte, als papst abgesetzt. in der anklage sparte man nicht mit happigen vorwürfen: “Wisset also, dass ihr nicht von wenigen, sondern von allen Geistlichen wie Weltlichen angeklagt seid, des Mordes, des Meineids, des Kirchenfrevels, der Unzucht mit Verwandten und mit zwei Schwestern”. leo viii. war hinfort der papst, der ottos unterstützung genoss.

zwar gelang es dem entmachteten johannes nach dem abzug des kaisers mit hilfe des römischen adels auch papst leo viii. zu stürzen. doch provozierte er damit die rückkehr des kaisers von pavia nach rom, sodass sich johannes anfgangs des jahres 964 in die campagna verziehen musste.

der unerklärte tod des gestürzten papstes

was da geschah, wird unterschiedlich berichtet. das ehrwürdige lexikon des mittelalters hält ohne weitere ausführungen fest, “j. ist eines jähen todes verstorben”. das biografische kirchenlexikon spricht von “einem schlag, der ihn getroffen hat und an dessen folgen der papst gestorben sei”. wikipedia spricht offen aus, was seit dem fluch, den die kaiserliche synode über johannes verhängte, unzertrennlich mitn der person des umstrittenen papstes haftet: er habe ein neues verhältnis zu einer römischen adeligen aufgebaut und er sei, während des geschlechtsaktes mit seiner liebhaberin, vom gehörnten ehemann mit einem hammer erschlagen worden.

die katholische kirche hört solche geschichten bis heute nicht gerne! zuerst erscheinen sie einmal, dann aber doch wiederkehrend. immerhin, johannes xii.hat meine adelheid zur kaiserin erhoben, – was auch immer er sich dabei erhofft hat …

stadtwanderer

bild: elfenbeinrelief mit dem kaiserpaar zu füssen des herren, der gestützt von grössen der kirchen und von engeln über otto und adelheid wacht. heute ist man geneigt zu sagen, der herr hätte besser über seinen ungewöhnlichen stellvertreter auf erden gewacht, dessen aktivitäten selbst jene von abgesetzten walliser grossräten der gegenwart übertreffen …

ende des umbaus in sicht – zeit für den rückblick

keine(r) hat den umbau genauer verfolgt als sie. gelegentlich hatte man den eindruck, sie sei die bauführerin selber. denn kein noch so verwengener standort war ihr zu viel, um ein jahr lang über die bauliche neugestaltung des berner bahnhofplatzes zu berichten.

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wer sich auf flickr auskennt, kam nicht an den fotos von jungle-jill vorbei, die unaufdringlichen, aber umso überzeugenderen von menschen, kranen und bolldozern berichten, welche die alten gebäude einstürzen lassen, neues baumaterial überall hin verteilten und behände am baldachin werklen. und wer den blog bern.bahnhofplatz.ch anclickte, bekam auch noch den einen oder anderen erhellenden kommentar zu alledem, was im letzten jahre rund um den bahnhofplatz geschah dazu.

enstanden ist so, aus der beobachtungs- und mitteilungsgabe von irene karpiczenko, ein etolle geschichte über die neugestaltung des bahnhofplatzes, in der sich die realität des baus und die erinnerung an die eigenen legospiele eigentümlich mischen. was bis jetzt nur virtuell zu sehen war, kommt nun handgreiflich in die bald vollendete realität zurück: denn irene lädt zur ausstellung “bahnhofplatz bern. der umbau in bild, ton und legosteinen” ein, eine art rückblick auf all das, was wir alle in bern in den letzten 12 monaten rund um den bahnhof erlebt haben.

an der vernissage geht es fast wie auf dem bau zu und her: die verpflegung sei echt, schreibt irene in ihrer einladung! leiderleider bin ich an der eröffnung wegen meiner schaffhausen-recherche verhindert, muss ich antworten, doch bin ich jetzt schon gwunderig auf die ausstellung der berner fotoreporterin, die zeitgeschichte festhielt!

stadtwanderer

foto: jungle-jill

verkehrt herum

2480603496_bf8564924f.jpg“In Silber ein schwarzer Baselstab”, so lautet die offizielle blasonierung des wappens, das für den kanton basel-stadt steht. gemeint ist damit ein nach links gerichteter schwarzer krummstab auf weissem (ganz genau: silbernem) feld mit drei querbalken, die den stab durchbrechen; nach unten läuft dieser in drei zacken aus. gemeint ist damit der hirtenstab der früheren so mächtigen bischöfe am rheinknie.

die stadt basel gehörte zu den ersten städten überhaupt, die ein wappen hatten. das motiv ist seit dem 11. jahrhundert geläufig, auf münzen und auf banner. damit gab man kund, stolze bischofsstadt zu, die dem kaiser habe stand.

denn kaiser heinrich II., der letzte in der dynastie der ottonen, beteiligte sich zu beginn des 11. jahrhunderts tatkräftig am aufbau der stadt, in der er mit seiner frau, kaiserin kunigunde, zeitweise auch lebte. knapp 100 jahre zuvor war sie während des einfalls der magyaren zerstört worden, ohne sich davon unter burgundischem schutz erholt zu haben.

im jahre 999 war der bischof von basel angesichts der milleniumsangst der burgunder im eigner des burgundischen klosters moutier-grandval geworden; damit wurde er auch wichtiger grundherr im jura. doch auch in nördlicher richtung dehnte er sich aus, sodass der bischof und kein graf zentraler feudalherr am rheinknie wurde. 1019 begann man, das münster im romanischen stil neu zu bauen, und mit dem münzrecht erhielt die stadt die möglichkeit, selber handel zu treiben.

das alles macht es verständlich, dass die bischofsstadt auf glänzend-hellem silber den bischofsstab in die ganze christliche welt von damals tragen wollte. ausser in bern, scheint man das auch überall zur kenntnis genommen zu haben.

denn in der berner altstadt, seit tagen wegen bea und grand prix mit blumen, farben und wappen geschmückt, hängt ein basler wappen in umgekehrten farben: helles weiss auf dunklem schwarz! “grad vercheert statt lätz”, könnte man sagen.

allenfalls auch auch eine leise vorahnung auf die trauer von yb im st. jakob-stadion von gestern.

stadtwanderer

aussichten auf einen ganz frühen silvestermorgen 2008

stein1.gifgestern war ich in der “arena“. die abstimmung über “volkssouveränität statt behördenpropaganda” wurde verhandelt. unmittelbar nach der sendung wurde ich von einem fan angefragt, ob ich für einen anlass in den freiburgischen sensebezirk käme? “klar”, antwortete ich. mein silvester 2008 könnte damit einen unerwarteten ablauf bekommen.

meine eltern lernten sich im fribuorgischen le mouret kennen. das liegt im saanebezirk, gut 10 kilometer südlich der stadt fribourg, und hart an der sprachgrenze. auf der andern seite des grabens liegt sankt silvester, ein kleines dorf, das sich etwas verträumt an die freiburgischen voralpen anschmiegt. markantes punkt im ort ist die kirche, zuoberst auf einem hügel, der gerade gross genug ist, um dem gotteshaus und dem friedhof rund herum platz zu bieten.

1148 wird st. silvester erstmals in einer urkunde erwähnt. schon damals stand eine kapelle auf dem heutigen kirchberg, die dem heiligen st. silvester geweiht war. die kapelle hat der gegend denn auch den namen gegeben; noch heute ziert der grüne hügel und die weisse kirche, umgeben von zwei bäumen, das wappen der gemeinde.

das alles verweist, wie elementar das leben in der peripherie ist, – gleichzeitig aber auch, wie flächendeckend sich das christentum ausgebreitet hat. denn der heilige silvester war kein beliebiger, sondern der erste bischof von rom, der nach der zulassung des christentums im römischen kaiserreich wirkte und nicht als märtyrer starb. er profitierte vom edikt von mailand, dass die christenverfolgung beendet hatte. erlassen wurde es von konstantin, dem ersten christlichen kaiser, der das zentrum des reiches in die von ihm erbaute (und am 11. mai 330 eingeweihte) stadt konstantinopel (heute istanbul) verlegte. dem bischof von rom gab das die möglichkeit, die sich als herr über die alte kaiserstadt herauszuheben und sich als papst über die anderen bischöfe zu sehen.

papst silvester starb am 31. dezember des jahres 335. im christlichen kalender wurde dieser tag zu jahreswende, weshalb der heilige silvester auch als patron für ein gutes neues jahr angerufen wird. in st. silvester steht man dafür sehr früh auf. um 5 uhr morgens wird in der kirche ein feierliches hochamt abgehalten. die bauern bitten nach traditioneller sitte ihren schutzherrn silvester, was eigentlich waldmann heisst, um ein reiches futterjahr für ihre tiere; hierfür tragen die gläubigen kleine opferfigürchen, die mensch und tier symbolisieren, auf den altar. der pfarrer wiederum erhält seit menschengedenken käse und schinken, als dank dafür, dass auch er seine schäfchen vor seuchen bewahre.

es kann gut sein, dass auch ich am ende dieses jahres in st. silvester bin und, wer weiss, mir in der dortigen “arena” gedanken mache, wie das leben am rande der zivilisation aus heidnischen und christlichen traditionen entsteht, – fast genau dort, wo sich mein vater meine mutter kennen gelernt haben.

freuen tät’s mich!

stadtwanderer

neues projekt: stadtwandern in schaffhausen

1223358951_033dd58e54.jpgich habe eine neue anfrage: stadtwanderung in schaffhausen. meine schwester, monique menk lädt ein. da werd’ ich nicht nein sagen!

zunächst gemischte gefühle

zuerst dominierte der schreck: ausgerechnet schaffhausen! mein verstorbener mittelalterprofessor in zürich, hans conrad peyer, war schaffhauser. er war der erste, der mich für stadtgeschichte zu begeistern sucht. doch er war nicht so überzeugt von mir und meiner arbeit. diejenige über die märkte am rhein, die ich bei meiner schwester in schaffhausen (!) getippt hatte, weil ich mir damals, etwa 1979, noch keine schreibmaschine leisten konnte, liess er gerade durchgehen …

doch dann erwachte ob der anfrage die freude in mir. eine “neue” stadt erwartet mich. eine neue kultur wohl auch: das rheinische, das alemannische, das kleinstädtische dürfte in schaffhausen stärker hervortreten als in bern, wo die mischung aus allem möglichen dominiert. für die geschichten aus der stadt wird das wichtig sein. und dennoch: alle europäischen städte aus dem mittelalter entwickeln sich nach vergleichbaren vergleichbar: man muss die verkehrslage studieren; man muss die kirchlichen und weltlichen verhältnisse im mittelalter kennen. und man muss die sozio-ökonomische entwicklung der stadt nachvollziehen.

orte und figuren gesucht

stadtwandern macht nur spass, wenn es markante plätze, schöne gebäude und auch ausdrucksstarke denkmäler hat. da bietet schaffhausen ja einiges: der wasserfall, das kloster allerheiligen, der munot, die erkerhäuser und die industrieanlagen der georg fischer ag kommen mir schon spontan in den sinn! und ich frage mich: sieht man noch spuren der bombardierung der stadt im zweiten weltkrieg durch die allierten?

für die vermittlung vor ort muss man nach personen fahnden, die eine geschichte erzählen könnten: könig heinrich III. und die nellenburger im hochmittelalter werde ich mir vornehmen, sebastian hofmeister, der reformator, muss vorkommen, genauso wie walther bringolf, der legendäre arbeiterführer und stadtpräsident. vielleicht sollte ich auch geri bührer, den wirtschaftsverbandsboss treffen, und werner minder, den trybol-patron anrufen, um zu verstehen, wie es ist, wenn die interessen des gross- und kleinkapitals in einer so geschlossenen welt wie der stadt schaffhausen aufeinander treffen. oder sollte ich zu meiner einstimmung mit der schriftstellerin isolde schaad ein interview führen, gerade weil sie schaffhausen verlassen hat?

auf der spur von tells geistigem grossvater

eines ist sicher: johannes von müller, den schaffhauser historiker aus der wende vom ancien zum nouveau régime, wird einen gebührenden platz in meiner führung erhalten. seine werke habe ich geschenkt erhalten, und ich werde sie sicher einbauen. denn ohne seine geschichte der schweiz hätte friedrich schiller in weimar seinen wilhelm tell nie hingekriegt, und hätten wir bis heute ein wohl anderes bild der schweiz.

ich sehe: schaffhausen, die stadt am rhein, die vermittlerin zwischen schweiz und deutschland beschäftigt mich schon mehr als ich zeit habe …

stadtwanderer

foto: moha-sh

spinnst du auch?

2465733106_0c01ec848f1.jpg“klar”, antwortet bärbi, stellvertretend für die spinngruppe frienisberg. und sie ist stolz darauf. zurecht, meine ich.

der mühlentag im benachbarten hofen gab dieses jahr erstmals einblick das handwerk des spinnens. bärbi, hedi, rösli und andere frauen kamen auf ihrem spinnrad vorgefahren. im nur waren die wunder-instrumente betriebsbereit, sodass der feste fuss rhythmisch gas geben und der faden aus den flinken fingern fliessen konnte. nein, lärm wie beim autofahren, macht das nicht! es erzeugt nur leise schwingungen, die einen sofort angenehm ziehen.

spinnen ist nicht nur ein traditionelles handwerk. es ist auch meditation und unterhaltung gleichzeitig. bisweilen sieht man die frauen wie wild treten, fleissig spinnen und toll schwatzen, – und dann ist eine von ihnen alleine, und man merkt wie sie es still und leise geniesst, etwas mit hand&fuss zu machen.

die ganztägige vorführung in hofen der spinnerinnen vom frienisberg war die attraktion des tages. sofort bildeten sich menschentrauben rund um die spinnräder, und mann&frau war interessiert zu erfahren, wie man kardet und färbt, sodass am schluss bunter faden für mancherlei sachen von hut bis strumpf entsteht.

ich kann da nur eines sagen: bärbis idee, die mühlen- mit den spinnrädern zu kombinieren, war eine runde sache. beides hat gefallen und das seine zum stimmigen tag beigetragen.

stadtwanderer

mehr bilder zum hofener mühlentag 2008 hier.

ps: bärbi will nun auch bloggen. über die vogelwelt, aus der fernen slowakei. und das in wenigen tagen. ich glaube, jetzt spinne ich auch …

das tagtägliche chaos: skala des bösen

wer kennt das nicht: man hat zeit zum lesen, reisst seiten aus der zeitung, die man gerne vertieft studieren möchte, und dann … klingelt das telefon! danach ist der faden gerissen, den man zu spinnen begonnen hatte, der artikel landet auf der grossen beige um ende woche ungelesen entsorgt zu werden, sodass der traum, die zeit, in der wir leben, besser verstehen zu können, einmal mehr vertagt wird. jetzt ist fertig damit: ich eröffne die rubrik “das tagtägliche chaos verstehen”, – und hoffe, ihr, meine geneigten leserInnen, helft mir bei der verarbeitung der lektüre!

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drei seiten, die mich heute beschäftigt haben: die skala des bösen, die operation bubenberg und die zeitzeichen für die ewigkeit (foto: stadtwanderer, anclickbar)

am meisten beschäftigt hat mich heute der inzest-skandal in österreich. was es braucht, dass man ein so schreckliches leben führt wie josef fritzl, ist mir unerklärlich. michael stone, professor für forensische psychiatrie, hingegen befasst sich, wie die nzz am sonntag schreibt, seit 30 jahren mit dem widerwertigsten verhalten von menschen. also muss er es wissen.

als seinen schlimmsten fall bezeichnet stone den kannibalen von montana. der verkleidete sich als polizist, schleppte jungs ab, vergewaltigte, tötete, koche und ass sie auf. in seinem haus fand man verschlüsselte kochbücher mit rezepten für die eintopf aus menschenfleisch. stone hat aus solchen fällen eine skala des bösen entwickelt. 22 stufen kann er zwischenzeitlich unterscheiden. fritzl, vermutete er, sei auf der 16. von 22. stufen: “psychopaths committing multiple vicious acts”, heisst sie im fachjargon.

die hauptsächlichen ursachen, die für schwerst abweichendes verhalten in frage kommen, sind genetische defekte, gewalt in der kindheit und deformationen durch unfälle. was bei fritzl den ausschlag gab, weiss aber auch der experte nicht.

aus meiner sicht bleibt die frage, was geschehen muss, dass alle grenzen, die der normale mensch kennt, um zwischen drang und verhalten zu unterscheiden, fallen.

stone spricht in diesem zusammenhang davon, dass sexuell motivierte serienmorde, die 17. stufe, seit den 60er jahren des 20. jahrhunderts zunehmen würden. er gehe davon aus, dass mehrere serienmörder unerkannt unter uns leben würden. seine these für diese entwicklung lautet: “Seit der feministischen Bewegung, seitdem die Frauen eine grössere Freiheit erlangen konnten und sich schneller scheiden lassen, sitzen immer mehr sexuell frustrierte Männer alleine zu Hause. Sie kompensieren ihre «verlorene» Macht und Dominanz, indem sie überreagieren und Frauen brutal behandeln.”

da frage ich: stimmt das alles? oder ist es medial überzeichnet? muss ich jetzt die skala des bösen auswendig lernen, um im alltag schwere psychopathen zu erkennen, wenn ich mich auf der strassse bewege, in einem restaurant esse, oder mich an einem fremden ort vergnüge?

stadtwanderer

an unserem burgunderbild arbeiten

“warst du schon in der burgunderausstellung?”, werde ich gegenwärtig viel gefragt. meine antwort lautet meist “ja”. “und, wie war’s?”, ist die normale nachfrage.  das bringt mich regelmässig in verlegenheit: hier mein ordnungsversuch nach dem museumsbesuch!

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das löbliche zuerst: die sicht des reichen, der dennoch verlor

klar, die eben eröffnete burgunderausstellung ist einmalig. man ist überwältigt vom reichtum, der hier in grosser zahl ausgestellt wird. allen voran beeindrucken die gigantischen teppiche, die im 15. jahrhundert als wandbehänge am burgundischen hof dienten und die weltgeschichte von caesars eroberung galliens bis in die damalige gegenwart darstellen. speziell erwähnt seien auch die zahlreichen exklusiven chroniken, die zu sehen sind und die bedeutung der burgunderherzöge in der herausregenden form aufzeigen, die stilistisch üblich war, als es noch keinen serienmässigen buchdruck gab. und schliesslich muss man von der burgunderbeute reden, welche die eidgenossen 1476 in grandson und murten machten, die teilweise im original oder in getreuer kopie in der ausstellung zu sehen.

den grundstein für den versammelten und ausgestellten reichtum der valois-herzöge von burgund legte philipp der gute, als er zwischen 1419 und 1467 nicht nur die ländereien in den oberen landen, der heutigen region burgund vermehrte, sondern auch die niedern lande, die blühnenden städte von flandern und ihre umgebung unter seine herrschaft brachte. macht und besitz gingen dabei eine besondere symbiose ein, in der karl, philipps einziger legitimer sohn, hineingeboren wurde, sodass karl in seinen nur 10 jahren als herzog nach der vervollkommnung greifen musste: der ehre, selber könig, ja kaiser zu sein.  dafür lud der strebsame herzog karl 1473 den amtierenden kaiser friedrich III. nach trier ein. die verbindung seiner einzigen erbin, maria, mit maximilian, den sohn des kaisers war als eintrittspreis gedacht, um nach der ganzen herrschaft zu greifen zu können.

dieser plan scheiterte, wie die ausstellung klar macht, und dieser misserfolg liess herzog karl seine strategie ändern. statt auf verhandlungen setzte er danach auf die infanterie, die kavallerie und die artillerie. in vorwegnahme der kombination von verschiedenen elementen des heeres, die 100 jahre nach karl üblich werden sollte, suchte er die entscheidung auf dem schlachtfeld, – und unterlag 1477 in nancy, wo er auch den tod fand.

neu an der ausstellung ist, dass diese entwicklung konzeptionell aus der sicht des mächtigen, besitzenden und ehrbaren verlierers, aus karls eigener perspektive, dargestellt wird. das wäre noch vor kurzem in der schweiz undenkbar gewesen, denn in unserer kollektiverinnerung, die durch die partriotische geschichtsschreibung geprägt worden ist, erscheint uns karl nicht als zielstrebiger fürst, der das spätmittelalterliche kaisertum im sinne der renaissance erneuern wollte, sondern als blutdrünstiger tyrann, der hochmütig die eidgenossenschaft kassieren wollte, und dabei zu recht vom hohen ross fiel. allerdings ist die neuinterpretation unseres burgunderbildes in der ausstellung unvollständig. denn die aktive kriegspolitik der stadt bern, die niklaus von diesbach im verbund mit karls erzfeind, dem französischen könig betrieb, geht in der reichhaltigen ausstellung ganz unter.

das problematische danach: der raum des gewinners, der immer noch im kampf ist

und damit sind wir bei dem, was weniger einzigartig an der ausstellung ist: es scheint, als würden sich die räume des berner historischen museum still , aber stur gegen die neuerungen in den betrachtungsweisen wehren. denn sie führen einem vor, wie ungeeignet sie sind, um der ausstellung den glanz zu verleihen, der ihr gebührt: das ende des rundgangs offenbart die ganze schwäche. das erbe karls, das die habsburger kaiserfamilie sehr gerne bei sich aufnahm, findet ganz verloren im untergeschoss der ausstellung statt; fast so, wie wenn es gar nicht wichtig gewesen wäre. der hauptteil wiederum wirkt überstellt, sodass man sich ein wenig im kaiserlichen trödlerladen vorkommt, wenn man friedrichs gepanzertes pferde vor, sein silbergeschirr hinter und die schalmeien über sich hat. die präziosen der ausstellung schliesslich, wie karls gebetsbuch, können nur auf behelfsmässig hergestellten pulten in dunkeln hinterräumen betrachtet werden. das alles mag nicht zu überzeugen, wenn man etwas bewirken will!

teil der nötigen arbeit am berner kollektivgedächtnis

doch ich will nicht mit klagen enden: die ausstellung ist das historische ereignis der saison in der stadt bern, bevor sie nach brügge, einem der zentren der burgundischen macht zu karls zeigten, weiter zieht. und es ist gut, dass sich die stadtkultur mit ihren drei komlexen, die sie aus der geschichte mitgenommen hat, auseinandersetzt: die ablehnung albert einsteins ist seit der grossen einstein-ausstellung einer eigentlichen einstein-euphorie gewichen. das zwiespältige verhältnis der stadt zu albrecht von haller, dem berner universalgenie, der nur ausserhalb der stadt gross werden durfte, wird im kommenden herbst zum grossen thema werden. und dazwischen sollen wir alle aktiv an unserem provinziellen bild von herzog karl arbeiten, den wir seiner kühnheit wegen bisher so wenig mochten!

stadtwanderer

mehr infos dazu

schweizer mühlentag 2008 in hofen …

die geschichtsträchtige hofenmühle in wohlen bei bern öffnet morgen samstag ihre pforten. es hat für gross und klein etwas: das Angebot reicht von brotbacken im holzofen bis zum spinnen mit spinnrädern.

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mühle hofen in wohlen bei bern, wo die familie baumgartner bald schon hochwertige energie produzieren will (foto: stadtwanderer, anclickbar)

die hofenmühle ist die einzige mühle meiner wohngemeinde, die noch erhalten ist. die häusergruppe aus dem 18. jahrhundert ist weitherum eine der imposantesten. bevor die aare 1920 zum wohlensee gestaut wurde, lag unterhalb der hofenmühle die kleine gewerbesiedlung “Hofensäge” mit knochenstampfe, hanf- und flachsreibe, sägerei und käserei. bis zu dieser zeit drehten sich sechs grössere und kleinere wasserräder im weiler. ernst baumgartner war der letzte müller, der jedoch 1994 den betrieb einstellen musste. die familie baumgartner lebt seither von der landwirtschaft.

die baumgartners haben grossen vor: sie haben die mühleanlage renoviert. namentlich wurde der wasserzufluss saniert, damit wieder genug wasser fliesst. denn die ehemaligen müller planen, ein kleines, modernes kraftwerk einzurichten. am morgigen mühlentag, der gesamtschweizerisch stattfindet, kann man den stand der arbeiten besichtigen.

der tag der offenen türe bei den baumgartner lässt auch einblicke in die verarbeitung von wolle zu. karden, spinnen, färben, filzen – alle diese schritte der wollproduktion werden vor ort von der spinngruppe “Frienisbärg” gezeigt und können auch selber ausprobiert werden.

der hofener mühlentag 2008 dauert von 9 bis 17 uhr. der eintritt beträgt 8 franken, kinder können gratis hinein. die anreise von bern erfolgt am besten mit postauto bis wohlen, dann sind es 15 minuten zu fuss hinunter nach hofen an den see.

selbstverständlich wird auch der stadtwanderer anwesend sein.

stadtwanderer

mein bericht vom mühlentag 2007 in hofen

mit denis de rougemont nach st. gallen unterwegs

war heute in st. gallen. seit neuestem unterricht an der hsg “empirische politikforschung in der praxis”. und ich will demnächst als stadtwanderer in der gallus-metropole beginnen!


denis de rougemont in seiner studierstube, heute mein unglücklicher zugspatron, der mich zum nachdenken anregte

doch schon in zürich blieb ich heute auf dem weg von bern nach st. gallen stecken. musste unerwartet aus- und umsteigen. so hatte ich ein wenig mehr zeit zum nachdenken.

die lokomotive meines alten zuges war “denis de rougemont” gewidmet. “ausgerechnet!”, reif ich aus. dem konservativen schweizer politphilosphen aus dem neuenburgischen, der 1985 verstarb.

denis de rougement war zeit seines lebens ein intellektueller, – in der schweiz nicht gerade etwas häufiges. er war europäer. auch das eher etwas seltenes.

aber de rougemont war kein grosser anhänger eines vereinten europas. ein wenig wie jean-françois bergier, dem grossen schweizer historiker der gegenwart. de rougemont war ein überzeugter vertreter des europas de kulturen.

in der nachkriegszeit lebte de rougemont zuerst in genf, dann in paris. über schob er kulturelle begegnungszentren für menschen unterschiedlicher herkunft an. in seinem lebenswerk, “die zukunft ist unsere sache” betitelt, dass erst 1977 erschien, bilanziert er “sein” 20. jahrhundert: nation, technik und wachstum waren seine grossen themen, die er kritisch anging. sie hatten für den denker aus der westschweiz etwas gefährliches an sich, denn sie wirkten (und wirken!) seiner auffassung nach wie eine religion. und sie kennen die gleichen erscheinungen wie die institutionalisierten religionen: homogenisierung der kulturen und konzentration der macht.

dagegen empfahl der schweizer politische philosoph des 20. jahrhundert die dezentralisierung: das europa der kulturen, denn nur dieses erlaube bürgerbeteiligung und -mitbestimmung.


die lok “denis de rougemont”, die in zürich stehen blieb (foto: stadtwanderer)

doch dann musste ich mich beeilen. die technische panne ist unlösbar, wir bekamen einen neuen zug. denis de rougemont blieb symbolischen aussen vor. ich fuhr mit dem zug “alice rivaz”, einer welschen schriftstellerin, nach st. gallen.

dort wartete, als ich eintraf, schon der unterricht an der kaderschmiede für die schweizer wirtschaft. einen moment noch staunte ich, dass ausgerechnet die sbb denis de rougemont gedenkt. denn die eisenbahnpolitik der schweiz litt im 19. jahrhundert darunter, dass die schweiz 1848 keine nation, sondern ein bundesstaat wurde. eine nationalen eisenbahnpolitik hat das während jahrzehnten verunmöglicht. erst das gotthard-projekt brachte die gesamtschweizerische dimension in die linienführung der kantonalen eisenbahnen und legte den grundstein für die verstaatlichung der privaten eisenbahnen.

denis de rougemont blieb heute nicht nur symbolisch auf der strecke. doch vielleicht wollte der zugsausfall von heute mir mit auf den weg geben, den neuen managerInnen der schweiz in der globalen welt mitzugeben, nebst aller modernisierung auch die kulturellen eigenheiten der regionen schätzen.

technik braucht grosse räume, um erfolgreich zu sein. doch kultur bleibt gerade in europa regional bestimmt, – und ist genau deswegen erfolgreich geblieben!

stadtwanderer

sattwanderer

sie versehen doch neutsch! bitte besen sie diesen kontext genau durch! ich habe ihn in aller weile im zehnfindersystem geschrieben. das erleichtert die schnelle lecktüre ungeheim, was ja heute, bei den vielen nettbewerbern, die man überschall hat, schrötig ist. denn ohne bahnstrengungen gibt es nirgends mehr einen zertifikater.


Haribo_Buchstaben

habe heute eine kuhsine getroffen, die an nagersucht leidet, genauso wie meine militante. seit beide nicht mehr so sick sind, passt nichts mehr aus ihrem kleiderkrank. “kain wunder!”, wag ich da, ist doch insalata nixda das einzige, was sie noch regelmässig hessen. voller zuversucht haben sie sich angesichts ihrer geschundheit jüngst einem eilpädagogen anvertraut, doch das hat auch nichts geschützt.

lassen wir das, ich muss jetzt ins brett, schafen! morgen geht’s in die gewinnerschweiz. ich halte da einen bissenschaftlichen vortag über die lebensversickerungen bei den findogermanen. ich hoffe, ich muss dann nicht gleich auswandern, nach sparaguay oder wo … bleib ja ganz bern in gern, obwohl ich gelegentlich auch ein fernsehnen habe!

und wer noch nicht genug von meiner schlechtschreibung hat, der schlage “bier” nach, dem hitzigsten blog im winterbett, auf den ich heute vorgestossen bin und auf den ich liebend gern eine merciflage verfasst habe!

euer sattwanderer

liebi manne, liebi froue, liebs volch!

es mag ihn hart getroffen haben, nicht mehr im bild zu sein. ausgerechnet jetzt, wo man nicht mehr an amt und würden denkt, wenn man sich, wie immer an neujahr, ablichten lässt, sondern die nähe des volk – seines volkes, das ihm den auftrag gegeben habe – sucht, ist er nicht mehr im bundesrat.


des bundesrat und sein volk – offizielles neujahrsbild zu 2008

“intrige”, hört man da aus den reihen der weltwoche-chefredaktion nach gewohnter manier dramatisieren. “kaschiert wird da, was das zeug hält”, und der mainstream der staatstreuen medien greift das wieder nicht auf! gott sei dank gibt es da noch das online-fernsehen – sein fernsehen, das nach seinem prinzip funktioniert – das, wie uns winkelried.info flux meldet, bald schon eine korrekte bildinterpretation liefern werde:

zu sehen ist auf dem bundesratsbild 08 nach seiner leseweise nur eine scheinregierung. alles sei so arrangiert worden, um scheinunterstützung zu markieren. und das sei typisch für die scheinkonkordanz. denn es gehe darum, die hände der bundesräte und -rätinnen zu verdecken! das wahre volk solle, wie es die kônkordanz wolle, nicht wissen, wer in tat und wahrheit welchen dreck an welchen händen habe, und wer wessen schmutz mit welcher seife beseitige. deshalb die staffage mit lakaien!

doch das wird sich 2008 alles ändern. denn bald schon, liesst man, werde die partei – seine partei, die nur darauf gewartete habe – die losungen der opposition ins horn stossen, und selber im bad des volkes schwelgen. 10’000 seien der partei beigetreten, seit man ihn, des unbestrittenen leistungsausweises zum trotz, ungerechtferitig und hinterrücks aus dem bundesrat entfernt habe. man sehe sich bei filippo, äh philippi habe man sich geschworen!

liebi manne!

pascal c. nimmt das alles sichtlich gelassen. er überragt das volk und das gerede der unberufenen. sein blick ist entscheidend, und der ist unbeeinflusst gerade aus gerichtet. der bundespräsident strotzt geradezu vor zuversicht, auch wenn es unangenehme botschaften sind, die er wird verkünden müssen. sein gesicht sagt alles, was unter ihm zählen wird: vorwärts soll es gehen mit der schweiz! und selbst sein körper unterstützt ihn in der vermittlung dieser einzig wichtigen botschaft. betont wird er durch die krawatte; sie ist bewusst violett gewählt! man soll ruhig darüber spekulieren, dass er, hätte er nur stimmen dürfen, für die aufstockung des frauenanteils in der landesregierung gewesen wäre. überhaupt, soll man seit jüngstem wieder vermehrt wissen, dass er noch lange mitstimmen wolle, im bundesrat und in der schweiz. so schnell kapituliere ein wahrer staatsmann nicht!

umgeben wird der neue bundespräsident von den beiden schreibgewandten im bundesrat. von mir aus links gesehen ist moritz l. “lüge, leidenschaft und leder” soll sein neueste buch in der zweitauflage heissen, das er als bundesrat momentan vermarktet. mit leder sei sitzleder gemeint, werde sein pressesprecher sagen. denn das habe er wider erwarten! man schaue doch nur, wie er lächeln kann: ein freudiges hamsterlächeln ist das! zähne zeigt er, und unbekannte reserven hat er, wie alle sein artgenossen. deshalb steht er auch stolz zu seiner roten, vielleicht sogar weinroten krawatte.

im gegensatz zu hansrduolf m. dessen krawatte ist blau, vielleicht sogar hellblau. und sein lächeln wirkt aufgesetzt. es ist das lächlen des marders. doch es verrät unsicherheit. wie lange noch soll er den andern in die finanzwaden beissen? jetzt, wo die bundeskasse keine schwarzen löcher, sondern schwarze zahlen habe, jetzt, wo die konjunktur gut gehe, und jetzt, wo man schuldenberge abtragen können, wäre doch ein guter moment, mit applaus zu gehen. wider erwarten schnell könnte er seinen plan in die tat umsetzen, munkelt man. nach südamerika wolle gehen, wo man ungestört bücher schreiben könne.

inmitten der fdp-bundesräte findet sich, auch dieses jahr, samuel s. wieder. an der ersten medienkonferenz nach seinem rausschmiss aus der mörgeli-fraktion (“es hat gewirkt wie ein schub extasy”) wirkte er klar gelöster als auf dem diesjährigen bundesratsbild. nicht mal die krawatte konnte der armeechef ganz gerade richten! doch das hat alles seinen grund: sicherheit schaffen, wie es seine partei sagt, muss er. doch nur da, wo sie nicht daran denke, fügt er bei. denn er ist es, der verantwortlich ist für alle, die auf dem bild sind. und da muss an jede eventualität gedacht werden, denn schwieriger und unberechenbarer sind die zeiten jüngst geworden.

liebi froue!

jetzt, wo man den stil des bundesratsfotos (bisher: wir und das kämmerlein) geändert hat, hätte man auch gleich einen geschlechtsrollenwechsel vornehmen können. einen bescheidenen zumindest. zum beispiel hätte man die frauen direkt um pascal c. gruppieren können. das hätte dann fast schon wie bei einem französischen staatspräsidenten gewirkt!

eine sängerin hat unsere regierung ja schon! und es ist auch micheline c.-r., die sich nahe des machtzentrums aufhält. in festliches rot ist sie gekleidet, mit tiefhängender frontfisur allerdings. denn sie weiss: die hoffnungen ihrer partei ruhen fast ganz auf ihr. denn ganz anders als ihre partei, ist sie nämlich ein siegertyp: den concours de la musique au conseil fédéral hat sie schon gewonnen, und den stafettenlauf ’07 aufs rütli auch. doch da fragt man sich: wo ist da ’08 noch eine steigerung möglich? ist das der grund, dass ihr breites lachen diesmal zurückhaltender ausfällt?

ganz unaufdringlich wirkt dagegen doris l. ihre partei hat sie ganz geschickt umpositioniert. vor dem wahljahr stand doris l., von mir aus, auf dem foto links. jetzt, wo auch sie, wie ihr präsident im verdacht steht, die zusammensetzung des bundesrates betrieben zu haben resp. weiter zu betreiben, steht sie klar auf der bürgerlichen seite. es ist fast schon wie in der arena: wichtiger ist das “wo” als das “was”! doch die volkswirtschaftsministerin reizt nicht der kurzfristig effekt, denn man in der bildmitte erheischen kann. sie hat sich, fast schon die unschuld vom land, hinten eingereiht. das wirkt nicht aufdringlich! doch auch bei ihr ist das lachen verräterisch: es bleibt offen für alles, denn sie braucht den erfolg!

da hat es corina c., die neue bundeskanzlerin schon einfacher. sie wird nicht mit den gleichen ellen gemessen wie die stimmberechtigten regierungsmitglieder. deshalb ist sie auch weniger verantwortlich, wenn es nicht rund läuft. doch das ist falsch: auf ihr geschick als vermittlerin kommt es zentral darauf an, ob die chefs der departemente nicht nur einzeln, sondern auch als team funktionieren! und das weiss sie! ihre neue brille steht für scharfblick, sodass sie es sich sogar leisten kann, ihre schulter leicht gegen aufdringliche ministerInnen zu stellen.

last but not least: evelyne w.-s.! sie wird es in diesem jahr nicht leicht haben. keine erfahrung als bundesrätin bringt sie mit. und keine fraktion, die sie stützen könnte, hat sie rund um sich. doch sie hat gleich mit einem paukenschlag begonnen: keinen generalsekretär aus der alten garde brauche sie da, liess sie sich verlauten! doch jetzt muss sie rasch handeln. taten statt worte ist auch ihr programm gewesen in chur. voran gehen, muss sie, zeigen, was sie will und was sie kann. das ist die devise! denn sie muss einen schweren verdacht loswerden, den sie mit dem bild gleich selber reproduziert hat: dass sie kein anhängsel der linken ist, sondern sehr wohl in die abwesende svp gehört! ihr lächeln zeigt, dass es noch ein grosses stück arbeit auf sie wartet.

liebs volch!

und das volk? es hat noch nichts gesagt, allen auguren und interpreten in eigener sache zum trotz. doch es steht, wie figura zeigt, zu seiner regierung! die jungen sind da, und die alten. sie symbolisieren den generationenvertrag. genauso wie die männer und die frauen, die ihren beitrag in der direkten demokratie der schweiz leisten wollen, damit es allen besser geht. selbst die schwarzen schafe von gestern sind wieder gekommen, und wurden, ohne die unnötige polarisierung, heute schon wieder ganz gut integriert.

das alles gilt, auch wenn man im volk in verschiedene richtungen schaut. doch das ist das neue: die rechten schauen nicht mehr noch weiter nach rechts, sondern nach links. und auch die linken sind interessiert, was rechts von ihnen geht. denn genau das ist die konkordanz: die bescheidene zahl der menschen, die auf kleinem platz vereinigt sind, müssen zusammenhalten. das gilt umso mehr, weil sie kulturell ganz vielfältig zusammengesetzt sind.

da ist opposition ein schlechter ratgeber! ein guter ist es, nicht abseits zu stehen, sondern nahe bei der regierung. denn diese ist gar nicht so abgehoben, wie man gelegentlich meint. sie steht auf dem gleichen boden der schweiz wie das volk.

und das ist gut so, – denn dann kann man ihr fallweise auch auf die füsse stehen! ohne dass es jemand allzu genau sieht. das will uns das bundesratsbild 2008 sagen!

stadtwanderer

meine interpretation des bundesratsbildes von 2007: körpersprache des bundesrates

tells grosser auftritt

es war der 18. november. man schrieb das jahr 1307.

wilhelm tell, der bergler, der jäger und der familienvater aus bürglen, begab sich nach altdorf. dort hatte der landvogt, der im namen des königs, dem habsburger albrecht I., regierte, einen hut als symbol der herrschaft auf dem dorfplatz aufstellen lassen. wer an ihm vorbei ging, musste ihn mit entblöstem haupt grüssen. wer es nicht tat, risikierte viel, gar sein eigenes leben.

tell indessen ging achtlos und ehrbezeugung über den altdorfer platz.

am tag darauf stellte hermann gessler, der herbeigerufene landvogt, den bergler wilhelm tell. er wolle ihn am leben lassen, gabt es ihm bescheid, wenn er beweise, was man von ihm sage. er solle einen apfel auf dem haupt seines sohnes walter mit pfeil und armbrust wegschiessen.


der apfelschuss in altdorf

tell zögerte. er bot sein leben an, um das seines sohnes zu schützen. doch der landvogt entgegnete ihm unwirsch: wenn er nicht schiesse, müssten vater und sohn ihr leben lassen.

tell schoss, und der schuss gelang!

doch tell hatte einen zweiten pfeil aus dem köcher genommen. für den fall, dass der schuss auf den apfel misslungen wäre, hätte er mit dem zweiten pfeil den landvogt umgebracht.

dieser zürnte und liess den rebellischen untertanen verhaften. er wurde in flüelen auf ein schiff gebracht, das ihn ins gefängnis bringen sollte.


der tellsprung am ufer des vierwaldstättersees

als auf dem see zu altdorf ein sturm losbrach, band man den gefangenen los. er wurde ans ruder gesetzt, denn er soll ein guter schiffsmann gewesen sein.

doch als man am ziel angekommen war, sprang tell ans ufer und versetzte dem boote einen kräftigen stoss. seine schergen mussten sich jetzt selber helfen.

tell versteckte sich tags hinter einem baum an der hohlen gasse bei küssnacht. er wusste, dass der landvogt auf seinem weg nach zürich genau hier durch kommen musste.


der tyrannenmord in küssnacht

als gessler kam, zielte tell nur kurz. ohne zu zögern, tötete er mit seinem pfeil den verhassten landvogt.

tell zog sich nach dieser tag in seine berge zurück. er hatte seine freiheit gerettet.

stadtwanderer

ps:
lesen sie morgen: tells wahre geschichte aus den kalten novembertagen

papst nach ermatingen entführt

ich gehe heute ins thurgauische ermatingen – auf den wolfsberg. habe mich schon auf schöne aussichten gefreut. den bodensee vor mir, die herbstsonne über dem schwäbischen meer, das untergehende jahr zu meinen füssen.

doch daraus wird voraussichtlich nicht. es regnet. meine kontakte in die ostschweiz sprechen gar von übergang zu schnee. ich mache mich auf etwas gefasst.

und genau deshalb erzähle ich halt eine vergangene geschichte, die ein wenig erheitern soll, und wenigstes etwas mit ermatingen zu tun hat.


papst johannes XXIII. stürzte auf seinem weg nach konstanz, wo er dann vom heiligen stuhl gestürzt wurde. zuvor wurde er noch in einer spektalären aktion entführt, unter anderem nach ermatingen, wo ich heute sein werde.

das grosse spätmittelalterliche schisma

1415 war die lage der katholischen kirche prekär. bis 1307 residierten die päpste ausschliesslich in rom, waren sie meist römer oder doch italiener, und verfügten sie über den kirchenstaat als teil des heiligen römischen reiches. doch dann wurde papst bonifatius VIII. vom französischen könig gestürzt. seine nachfolger residierten nun in avignon und war ganz im banne des frankenkönigs. 1378 versuchte kaiser karl iv. die unordnung im reich und in der kirche zu bereinigen. er erwirkte die rückkehr des papstes nach rom. doch dann kam es zum eklat. roger, graf von genf, wurde zum neuen papst in avignon. nun hatte man zwei päpste, – eine für das römische kaiserreich und einen für das französische königreich. 1407 versuchte man den zustand zu beheben. die italiener wählten einen weiteren papst, der in pisa residierte. das geschah in der hoffnung, dass die beiden verfeindeten päpst zurücktreten würden. mitnichten!, antworteten sie, und das machte die situation noch schwieriger.

das konzil von konstanz

könig sigismund von ungarn, sohn von karl iv., machte es zu seiner aufgabe, das werk seine vaters, das missglückt war, zu vollenden. 1415 berief er in konstanz ein konzil ein, dass die zentralen fragen behandeln und regeln sollte. zum unrühmlichen teil dieses konzil gehört die verurteilung des prager theologen und priesters jan hus zum ketzer, was ihm das leben kostete. zu den leistungen des konzils wiederum gehört, dass es, ab 1417 wieder nur einen papst gab. oddo colonna, ein adeliger jurist aus italien, wurde zum neuen einheitlichen vertreter der kirche. die nominierung geschah am 11. november, am martinstag, weshalb er den papstnamen martin v. annahm.

vorgängig war es zu einem zähen ringen gekommen, in dessen verlauf die drei bisherigen päpste alle zurücktraten. benedikt XIII. aus avignon, der günstling der franzosen, gregor XII., der vertreter italiens, und johannes XXIII., der favorit der medici.

die entführung von papst johannes XXIII.

anders als die beiden anderen päpst akzeptierte johannes XXIII. die zitierung nach konstanz. doch schon die reise stand unter einem unheilvollen stern. unterwegs kam es zu einem strassenunfall mit seiner kutsche. er landete, fast schon symbolträchtig im strassengraben.

johannes XXIII. wurde, wie die anderen beiden gegenpäpst auch, auf dem konzil gestürzt. als sich das ende der verhandlungen abzeichnet, kam es aber zum eklat. das haus habsburg, das auf johannes gesetzt hatte, versuchte noch zu retten, was zu retten war.

während eines gastspiels am konzil entführten sie papst johannes XIII. – nach ermatingen. dort hielt man ihn vorerst versteckt, dann als die lage unsicher wurde, ging er nach schaffhausen ins kloster, und als auch das nicht mehr verheimlicht werden konnten, entführte man den abgesetzt papst nach freiburg im breisgau, wo er wieder hinter klostermauern versteckt wurde. bei einem unvorsichten ausflug nach breisach am rhein wurde johannes aber gefangen genommen, womit die papstentführung endete. vorerst wurde er eingekerkert, dann begnadigt und schliesslich als kardinal in der kirchenhierarchie weiter beschäftigt.

die folgen für die eidgenosschaft

für die habsburger blieb die entführungsaktion nicht ohne folgen. könig sigismund verhängte über das haus die reichsacht, womit man ihnen alle ländereien abnehmen konnte. die eidgenossen liessen sich nicht lange bitten. allen voran schritt die aufstrebende stadt bern zur tat und eroberte die habsburgischen stammland im aargau, die nun zum berner aargau wurden. luzern und zürich, die vorerst gezögert hatten, schritten reuss- und limmat abwärts, bis man schliesslich in baden zusammentraf und das verbindungsstück zwischen den drei wichtigsten städten der damaligen eidgenossenschaft, das habsburgische wasserschloss in beschlag nahm.

meine reise nach ermatingen

so, jetzt muss ich aber nach ermatingen. durch den aargau, durch den zürichgau, durch den thurgau. im wolfsberg werde ich viele leute aus politik und wirtschaft treffen, ein kleines konzil der schweizerischen bürgergesellschaft findet dort statt. ich werde da in keine kirche der vergangenheit gehen, aber in ein ausbildungszentrum einer weltweit tätigen schweizer bank. und ich werde in der arbeitsgruppe einer jungen badener nationalrätin über die zukunft der schweiz nachdenken.

entführen werde ich aber niemanden! ich versichere es. nur ein wenig spazieren über dem bodensee ist angesagt, wenn mir die sonne scheint …

stadtwanderer

gallus, der weitwanderer

wäre der heilige gallus von luxeuil aus nicht so weit gewandert, müsste ich ihm jetzt nicht so weit nachfolgen …


gallus und columban auf dem bodensee (um 610 nach christus)

gallus, der gefährte columbans

gallus war ein schüler des heiligen columban. mit ihm brach er von luxeuil in den vogesen ins oberste rhein- und limmattal auf. denn sie waren wanderer!

sie sollen in säckingen gewesen sein, in zürich, in tuggen und in arbon gewirkt haben. durch die einfälle der heidnischen alamannen in die gebiete links des rheins war man östlich der zerfallenen stadt vindonissa repaganisiert (noch heute gibt es da geschlechter wie pagani, paganini oder faganini!) worden. dagegen wollte man ankämpfen, – und das nicht mir zimperlichen mitteln.

doch columban blieb nicht in arbon. er wollte nach rom. er wollte seine irische version des christentums dem papst auf dem stuhle petri vortragen. der war gerade dabei, in daraus einen kirchenstaat in mittelitalien zu formen und die misson im frankenreich für sich zu gewinnen.

gallus, der eremit

gallus, erzählt die legende, sei krank gewesen. er habe sei in arbor felix, dem heutigen arbon, geblieben. doch die zeiten waren unruhig. die barbarischen alamannen führten 610 krieg gegen die zivilisierteren burgunder. das aaretal und das rheintal bis ins elsass waren unsicher, denn der fränkische könig hatte alle linksrheinischen gebiete für burgundisch erklärt. doch das wollen sich die alamannischen neusiedler nicht bieten lassen; sie griffen zu den waffen! und siegten!

gallus beschloss 612 der steinach, die in den bodensee mündet, bis an ihre quelle zu folgen. zuunsicher waren ihm die verhältnisse in arbon geworden. die alemannen waren jetzt wer, aber sie waren immer noch wilde heiden!

mit seinem schüler hiltibold wanderte er bis zur mühleggschlucht, wo jedoch ein unüberwindbarer wasserfalls war. dort liess er sich zwangsweise nieder. er baute sich und seiem weggefährten eine klause, die er den burgunderheiligen desiderius und mauritius weihte. deren kulte sollten in alemannien veränderungen bewirken.

gallus verstarb auf ungeklärte art und weise. man nimmt den 16. oktober 640 als todestag an, seit dem man ihm gedenkt.

was bleibt: ein bildungsstätte in alemannien

gunzo, der alemannenherzog, der sich nach dem sieg von 610 über die burgunder im oberen rheintal stark machte, hätte gallus gerne für seinen plan gewonnen, erster bischof von konstanz zu werden. doch der eremit gallus lehnte ab. er blieb in seiner frisch gegründeten klause an der steinach. er übernahm allerdings die aufgabe, von dort aus als lehrer zu wirken. so bildete er johannes, den ersten bischof von konstanz, in theologischer hinsicht aus.

er war es auch, der für einen kulturellen wandel bei den alamannen eintrat: sesshaft sollten sie werden, die provinz im oberen rheintal sollten sie kultivieren, und selber sollten sie zivilisiert werden. seine bemühungen waren nicht direkt erfolgreich. wohl hat er die situation richtig eingeschätzt, dass er als bischof in der stadt konstanz mit seinen mitmenschen mühe bekommen hätte. denn die hätte er von einer religion überzeugen müssen, die sie eigentlich abgelehnt hatten. deshalb blieb er lieber einzelgänger, – wurde er eremit im steinachtal. und lehrer für die neuen führungsschicht im alemannisch-fränkischen gebiet!

seine wirken hat die katholische kirche später geehrt. er wurde heilig gesprochen. dort, wo er gelebt hatte, ist heute nicht gallen, sondern st. gallen!

neue inspiration aus dem burgundischen in st. gallen

und genau dorthin verschlägt es den stadtwanderer aus dem burgundischen bern bald regelmässig, – als lehrbeauftrager an der universität st. gallen – der den politkulturellen wandel in burgund und alemannen der gegenwart lehren soll, die wahlen von demokratischen königen in der heutigen welt erklären muss und über die form der direkten demokratie der germannen unterrichten darf!

wie einfach wäre es gewesen, gallus wäre ins aaretal gekommen, und hätte sich in bümpliz niedergelassen. der regelmässige weg des stadtwanderers wäre klar kürzer geblieben!

stadtwanderer
(von bern)

rideau de roesti – röschtigraben

fast kein abstimmungswochenende vergeht, ohne dass die frage nach den sprachkulturellen unterschieden in den abstimmungsergebnissen gestellt wird. eine ausstellung des bieler museums schwab geht nun den vielfältigen erscheinungsweisen, aber auch den tieferen ursachen des röschtigrabens nach, – bleibt aber auf halbem weg stehen. ein report von der vernissage.


hochgespielt: den “röschtgraben” kann man nicht mal übersetzen, den auf französisch sei er ein vorhang, le rideau de rösti, suggeriert die ausstellung

die problematik

die kultur der modernen direkten demokratie in der schweiz entwickelte sich in den letzten 175 jahren auf kantonaler und nationaler ebene schrittweise. sie ist historisch gesehen “jung”. die kultur des eidgenössischen bewusstseins entstand seit dem 14. jahrhundert mit dem starken hang zu regionaler autonomie. geschichtlich betrachtet ist sie von “mittlerem” alter. die grundlagen aber, die sich an einem abstimmungstag mit sprachregionalen gräben äussern, sind allesamt älter: sie stammen aus der konfrontation von gallo- resp. raetoromanischer und germanischer kultur, die im 5. bis 7. jahrhundert begann und bis heute dauert.

am ende der römischen herrschaft auf dem gebiet der heutigen schweiz, an der wende vom 4. zum 5. jahrhundert, wanderten nacheinander burgunder, alemannen und langobarden ein. sie integrierten sich sehr unterschiedlich in die vorherrschende römisch-keltisch resp. römisch-raetische kultur. bei den burgunden kam dies einem recht raschen aufgabe des germanentums zugunsten der römischen tradition gleich. bei den langobarden verlief der prozess viel langsamer, aber weitgehend vollständig. nur bei den alemannen versagte fast vollständig. sie entwickelten sich in opposition zur mediteran-lateinischen welt weiter.

doch genau diese alemannische kultur ist die basis, auf der die alte eidgenossenschaft im spätmittelalter entstand: als rechtsform, um den lokalen handel auf nicht-adelige art und weise zu sichern, als stadt- und landkultur, die es so nur in der reichsprovinz gab, als militärischer zweckverband, nicht als politischer staat und später als selbstverständnis der protestantischen zentrem gegen die katholischen umländer. doch die herrschaft der alten eidgenossenschaft beschränkte sich nicht nur auf die deutschsprachigen gebiete. sie erstreckte sich auch auf teile jener regionen, die sich in der französischen resp. italienischen kultur entwickelt hatten, hielt sie jedoch als untertanengebiete.

erst mit dem fall der alten eidgenossenschaft unter französisch revolutionärem druck entwickelte sich das selbtverständnis der mehrsprachigen schweiz, das ein produkt des frühen 19. jahrhundert ist und von der freisinnigen grossfamilie im modernen bundesstaat als eine der unverwechselbaren identitäten des sonderfall schweiz gepflegt wurde. mit dem zerfall der fdp seit den 90er jahren des 20. jahrhunderts wieder zum problem wurde.


relativiert: der röstigraben vor dem hintergrund der weltpolitik, karikatur aus der ausstellung

die einladung

ein perfekt zweisprachiges buch von laurent flütsch, das als katalog des musée romain de lausanne-vidy entstanden ist, und den titel „rideau de rösti – röschtigraben“ trägt, geht genau diesem problem mit vielfältigen zeugen ihrer zeit nach:

. zunächst mit karikaturen, die fast alle aus der gegenwart stammen, das heisst, die publizistische verarbeitung rideaus de rösti namentlich in der romandie vorführen,
. dann mit volkskundlichen übersichten, speziell aus den 50er jahren des 20. jahrhunderts, die eine bilanz der alltagskultur dies- und jenseits des saane/sarine ziehen,
. ferner mit ein paar exzerpten aus der zeit des jungen bundesstaates, die den aufbau und zerfall zeitgenössischer eidgenössischer kultur am beispiel des frankens positiv und des ersten weltkrieges negativ aufzeigen, und
. und schliesslich mit archäologischer funden aus der zeit vor der kartoffel, die sich speziell mit der regionalen verbreitung von töpferwaren, alltagskleidern und beschäftigen.

momentan zu sehen ist die wanderausstellung, die auf dem buch flütschs basiert, in der zweisprachigen stadt biel/bienne, genauer gesagt im dortigen museum schwab. sie wurde am wochenende eröffnet und bietet den interessierten verschiedene zugänge zum gleichlautenden polit-kulinarischen thema: einmal als quiz im eingang, das sich mit der entwicklung des bilinguaalismus in der uhrenmetropole beschäftigt, vor allem aber als führung durch den (engen) röschtigraben, sinnbildlich als furche in der landschaft dargestellt: links bekommt man jeweils die französischsprachige perspektive vorgeführt, und rechts kann man sich das gleiche aus deutschschweizericher optik ansehen. der trick der ausstellung dabei ist verblüffend: es beginnt nur vordergründig mit den verschiedenen sprachen, es endet am schluss einer jede erläuterung bei der sichtweise der anderen sprachregion. das verbindet, wo auch immer man anfängt!

selber habe ich mich als freiburger mehrfach in dieser ausstellung wieder gefunden. manchmal habe ich mit über meine eigenen unkenntnissen gewundert. so beim alemannischen grittibänz, den es bis in die frühe nachkriegszeit in der romandie nicht gab, und der als beleg für eine eher barbarische kultur der alemannen vorgeführt wird; so beim arbeitsverkehr, der in der lateinischen schweiz signifikant höher mit dem privatwagen geleistet wird, und als zeichen des materialistischen bewusstseins in der romandie gilt; und so bei der nusstorte und dem birewegge, die, wie mir nicht präsent war, ihre ursprünge in den verschiedenen sprachregionen haben. besonders angesprochen gefühlt habe ich mich als historiker aber, als es in der ausstellung die vorgeschichte der sprachregionen ging, den zahlreichen wanderbewegungen, aus denen im schweizerischen mittelland seit langem ein gemisch aus verbindenden und trennenden alltagskulturen entstanden sind.


perfekt bilingue: der ausstellungskatalog der edition infolio

die bewertung

trotz diesem lob für das spezielle projekt, sei mir eine enttäuschung am ende der ausstellung und der buchlektüre erlaubt: eine durchgehende geschichte der beziehungen zwischen den räumen, die heute zentral zur schweiz, europäisch gesehen aber immer zu den rändern verschiedener grosskulturen gehörten, bekommt man leider nicht. nur zu gerne hätte man am schluss der vorführung eine erläuternde übersicht über die 7500 jahren nachbarschaft, die in der ausstellung und im buch angesprochen werden, die einem die wechselhaften phasen des zusammenlebens mit höhen und tiefen sichtbar gemacht hätte.

sicher wäre es hierfür nötig gewesen, die zeit vom 8. bis 18. jahrhundert nach christus, die weitgehend ausgeblendet wird, mehr informationen und eindrücke vermittelt zu erhalten. denn genau in dieser zeit vollzieht sich die unterschiedliche ethnisierung der mittellandgesellschaft, beginnt die ausbildung der sprachgebiete und setzt ihre verfestigung durch kirchen, staat, schulen und medien ein, bis napoléon dem anachronimus der deutschschweizerischen herrschaft über „die lateiner“ ein jähes ende bereitete.

damit bleibt die zentrale frage offen, was denn, trotz des evidenten röschtigrabens, die schweiz bis heute zusammenhält? ist es die immerwährende herrschaft über die alpen? sind es die verdienstmöglichkeiten vom soldwesen von damals bis zum bankenplatz von heute? oder ist es die drohende marginalisierung der drei randregionen, wenn sie in ihren umliegenden sprachkulturen aufgehen würden?

vielleicht ergibt sich die antwort hierauf auch nicht intellektuell. dann wäre die ausstellung nur der magnet, um anschliessend in die stadt biel/bienne zu gehen, gleihc zwei restaurants zu besuchen, das eine mal eine rösti, angerührt mit öl, das andere mal eine röschti, gemacht mit butter, zu bestellen, und sich mit der jeweiligen bevölkerung in seiner und ihrer sprache über das zusammenleben am berühmten vorhang/graben zu unterhalten. denn auch das bildet!

stadtwanderer

biel/bienner ausstellung

ausstellungskatalog:
laurent flütsch: rideau de rösti – röschtigraben. infolio édition CH, gollion 2006, 2. auflage.

bestelladresse

war sind die longchamps katholisch?

der heimatort der familie longchamp ist malapalud, – ein verträumtes nest, mitten in der waadt. unter bernischer herrschaft (1536 bis1798) gehörte malapalud zu echallens. zwischen 1476 und 1536 war echallens eine bernisch-freiburgische vogtei („gemein(sam)e herrschaft“). 1475 war es durch bernische truppen erobert und im zentrum arg zerstört worden. vor 1475 war man in echallens burgundisch, gehörte den grafen von chalons, die sich ab 1407 über den jura hin ausdehnten. denn man strebte nach oberitalien, und der weg über den jura führt schnurgerade über echallens.

die katholische kirche war damals in einem fürchterlichen zustand. den papst in rom gab es seit 1307 nicht mehr, als bonifatius VIII. nach der ganzen macht in europa gegriffen hatte und einem attentat zum opfer gefallen war. der neue papst wohnte danach in französischer obhut im südburgundischen avignon. die grosse pest von 1347 tat das ihrige, denn die vielen toten liessen den glauben in die schutzmächte aller art schwinden. und als der papst von avignon 1378 wieder nach rom ging, kam es zu eklat: der genfer graf wurde zum gegenpapst und ging seinerseits wieder nach avignon, – und die christenheit war ab jetzt zerrissen zwischen der französischen und der deutschen variante der katholischen kirche. bis 1417 dauerte die spaltung, das grosse abendländische schisma der katholischen kirche, und das kirchenleben zerfiel in dieser Zeit vielerorts. Vollends verwirrlich wurde die situation 1439, als man den damaligen herzog von savoyen, amadeus VIII., ein vater vieler Kinder, in basel zum gegenpapst Felix V. kürte. glücklich wurde dadurch niemand!

eern eroberte 1475 gemeinsam mit freiburg das burgundische echallens. ss ein präventivschlag, wollte man doch dem drohenden karl dem kühnen seine bastion in der waadt wegnehmen. im grossen burgunderkrieg schlugen die vereinten eidgenossen den burgunder herzog in grandson und murten. 1477 starb er in der schlacht von nancy, und burgund kam per erbschaft ans haus habsburg. erzherzog maximilian hatte noch rechtzeitig marie von burgund, die tochter des kühnen, geheiratet. bern und freiburg, welche die ganze Waadt erobert hatten, durften diese jedoch nicht behalten, doch die savoyische herrschaft, die danach entstand, war eher formeller natur. 1536, als bern und freiburg unter oberst jean-françois naegeli mit segen von francois I. in den französisch-habsburgischen krieg eingriffen und die savoyische waadt besetzten, leistete diese kaum mehr widerstand.

doch es machte einen grossen Unterschied, ob man 1475 oder 1536 von bern und freiburg erobert worden war. die waadt wurde reformiert, mit ausnahme der vogteien, die bern und freiburg direkt aus den burgunder-kriegen behalten hatten. in diesen war es 1532, als sich reformierte und katholiken im zürcherischen kappel die köpfe einschlugen und die katholiken die oberhand behielten, folgendes beschlossen worden: die Untertanengebiete, die von mehreren eidgenössischen orten gemeinsam regiert werden, können selber bestimmen, welcher konfession sie angehören wollen. und so entschied man sich in echallens, katholisch zu bleiben, das heisst unvermindert zum (letzten) bischof von lausanne, sébastien de montfalcon, zu gehören. diesen gab es kurz darauf nicht mehr, am 21. März 1536 verliess er seinen sitz st. maire in lausanne, und er kehrte nie mehr dorthin zurück.

so blieben die leute von echallens katholisch. auch die leute von malapalud, die von echallens abhingen. und so auch die longchamps. eigentlich sind wir also unvermindert katholische burgunder! genauso wie adrian von bubenberg, vor meinem büro! habe selber 47 Jahre gebraucht, und zu verstehen, warum meine familie katholisch (geblieben) ist, obwohl wir waadtländer sind.

werde möglicherweise noch 47 brauchen, um zu verstehen, warum ich katholisch (geblieben) bin, obwohl ich in bern lebe. a suivre, à l’an 2053!

gesellschaftsspiele in und über bern

als ich nach bern kam, gabs ein gesellschaftsspiel, das “sherlock holmes in bern” hiess. ich habe das gerne gespielt. damals, in den frühen 80ern, kannte ich bern noch kaum. so schlecht, dass ich bei meinem ersten date eine gasse verschoben gestanden bin, und den termin und die auserwählte verpasst habe. sherlo spielen hat mir dann geholfen, bern und bernerinnen besser kennen zu lernen.
seither gibts verschiedenste spiele über bern. meine mitarbeiterInnen haben mit zum 49. geburtstag, dem 127. von altert einstein …, “wer kennt bern. spielen, entdecken, wissen” geschenkt; ganz schön knifflig, die fragen, hab bei weitem nicht alles gekonnt. werde also wandern und spielen.
jetzt gibts sogar ein brettspiel von “glückschmiede”. geht über bern, und biel/bienne, der zweiten stadt des kantons. werde mir das ansehen müssen, auch wenn die berner zeitung eher kühl reagiert hat, denn das spiel sei zu ereignisarm, genauso wie bern: wie kann man nur so was schreiben: die stadtgeschichte ist ereignisreich, jedenfalls im tollen 15. jahrhundert. erst dann sind die sittenmandate gekommen, die das würfeln, tanzen und dönkle der weiber in den brunnen verboten haben. seither ist es etwas ereignisarmer geworden, muss aber nicht so bleiben. selbst die fasnacht kehrt, seit den 68er unruhen wieder ins protestantische bern zurück.

www.glueckschmiede.ch