schweden und die schweiz

gerade wenn man sich der unterschiede zwischen schweden und der schweiz bewusst wird, sollte man eine wichtige gemeinsamkeit nicht vergessen: wie frankreich steht auch das königreich schweden am anfang der völkerrechtlichen unabhängigkeit der eidgenossenschaft vom kaiserreich. aus eigener kraft wäre das nicht geschehen, nur dank der hilfe zweier monarchien, die den kaiser schwächen wollten, erinnert sich der stadtwanderer an diesem regnerischen sonntag, über seinem historischen atlas des nordens brütend.

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1648 ging der 30jährige krieg zu ende, in dessen verlauf zuerst böhmen, dann dänemark, schliesslich schweden und frankreich gegen den kaiser antraten. der krieg, der in prag auf der burg mit dem fenstersturz der habsburgertreuen verwalter begann, endete nur wenige kilometer davon entfernt auf der karlsbrücke der böhmischen metropole mit einem vergleich: der kaiser blieb nominell oberhaupt des reiches, faktisch beschränkte sich sein einfluss hinfort aber auf die habsburgischen erblande, während sich in den übrigen reichsgebieten eine vielzahl von fürsten mit unterschiedlichsten titeln durchsetzten. auf druck von frankreich und schweden, die den verheerenden 30jährigen bis zum letzten geführt hatten, wurden auch die grenzen des „heiligen römischen reiches deutscher nation“ neu geregelt.

während die spanische niederlande, lothringen, das elsass, die freigrafschaft und mailand im reich, aber unter verwaltung des spanischen königs blieben, wurde die eidgenossenschaft dank der unterschrift der französischen und schwedischen verhandler und des basler bürgermeisters aus dem reichsverband ausgegliedert. sie sollte von nun an als eigener staatenbund der 13 orte und ihrer verbündeten bestehen, den die tagsatzung führte. nur wenige gebiete in der eidgenossenschaft, namentlich katholische klöster wie engelberg, verharrten bis zum wiener kongress von 1815 beim reich.

der einfluss der beiden garantiemächte auf die eidgenossenschaft entwickelte sich in der folge unterschiedlich. das königreich schweden, welches damals das heutige finnland und die baltischen staaten umfasste und beim heutige norwegischen trondheim kurz auch an den atlantik grenzte, konzentrierte sich auf seine grossmachtpolitik von frankfurt bis konstantinopel und kiev. es wurde zuerst von russland, das unter peter dem grossen aufstreben sollte, militärisch besiegt, bevor ihr kriegerkönig karl xii. in norwegen den tod fand. Damit endete die schwedische grossmachtpolitik auf dem kontinent anfangs des 18. jahrhunderts weitgehend.

frankreich wiederum rückte unter karls xii. zeitgenossen könig ludwig xiv. seine grenze immer mehr nach osten. so kamen die freigrafschaft, das elsass und lothringen unter die französische krone. auch die eidgenossenschaft blieb von dieser verlagerung nicht unbeeinflusst: geschwächt durch den grossen bauernkrieg im mittelland, aber auch durch die erneute niederlage der reformierten gegen die katholischen orte in der ersten schlacht von vilmergen, geriet sie immer mehr in den französischen einflussbereich. höhepunkt dieser französischen ansprüche war der soldvertrag von 1667, der in paris abgeschlossen wurde und als ausrichtung der eidgenossenschaft auf die französische krone gelten kann, die bis zum wiener kongress gültigkeit behalten sollte.

am anfang der unabhängigkeit vom reich steht jedoch der westfälische friede von 1648, der mitunter wegen der schwedischen kontinentalpolitik zustande kam. heja, sverige!

hej då,

stadtwanderer

republikanische suedlichter

„hoch, hoch lebe die republik!“, rief die menschenmenge am 21. september 1848 vor dem rathaus von lörrach. gefeiert wurde an diesem tag und an diesem ort die proklamation der ersten „deutschen republik“.

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im innern des gebäudes hatte gustav struve lörrach zum provisorischen sitz der neuen deutschen regierung erklärt. innert weniger tage verfügte sie über ein territorium von rund 20 kilometer rund um die südliche grenzstadt zur schweiz und zu frankreich.

während monaten hatte sich struve in basel auf diesen revolutionären akt vorbereitet. freiheitsrechte wurden versprochen, sozialer ausgleich ebenfalls, und die verhassten steuern an den grossherzoglichen hof sollten abgeschafft werden.

in lörrach angekommen fackelte struve nicht lange. bereits im märz ´48 war ein erster aufstand der republikanisch gesinnten südlichter gescheitert. das sollte sich jetzt nicht mehr wiederholen! deshalb wollte struve die revolution von oben her erzwingen.

unmittelbar nach der historischen proklamation liess struve in lörrach ein revolutionsheer ausheben, das nach karlsruhe marschieren sollte, um den gedanken der republik auch den etappenweise nordlichtern beizubringen.

nur 9 tage zuvor war in der benachbarten schweizerischen eidgenossenschaft die neue verfassung des bundesstaates in kraft getreten. sie garantierte die ersehnten freiheiten, welche die freisinnige bewegung im sonderbundeskrieg ein jahr zuvor gesamtschweizerische durchgesetzt hatte. das diente im grossherzogtum baden als vorbild.

doch in de schweiz konnte man sich auf die verfassungen in den regenerierten kantone stützen, die zwischen 15 und 18 jahre zuvor im geiste der liberalen französischen revolution von 1830 ausgedacht und eingefuehrt worden waren. diese positive erfahrung fehlte in “deutschland”: die mainzer republik, ganz im geiste der französischen revolution 1793 gestartet, scheiterte bald, und auch die 1830er bewegung erfasste nur die studenten, nichts das volk. diese hatte sich 1832 erstmals im badischen neustadt auf dem hambacher schloss versammelt, um ein republikanisches fest zu feiern. an die schalthebel der politischen macht war es aber nirgends gekommen.

gustav struve schreckte im herbst 1848 nicht davon zurück, mit gewalt der republikanischen bewegung zum durchbruch zu verhelten. die aktion scheiterte schliesslich am widerstand der fürsten rundherum. die anführer wurden zum tod verurteilt oder eingesperrt. es bauchte zwei weltkriege brauchte, um der demokratie in der bundesrepublik deutschland zum durchbruch zu verhelfen.

ein abendlicher spaziergang durch die lörracher altstadt lässt uns dennoch die 48er episode, die hier ihren anfang nahm, erinnern. vielmehr zeit als für dieses zwischenspiel haben wir auch nicht.

denn auch wir kommen aus basel und machen in lörrach nur einen zwischenhalt, um den nachtzug zu nehmen, der uns im schlafwagen von lörrach ueber karlsruhe nach hamburg-altone durch das demokratisch geworden deutschland führt. um ganz zu unseren heutigen nordlichtern zu gelangen …

stadtwanderer

quelle: die strasse der demokratie, ein reisebegleiter auf den spuren der freiheit, kalsruhe 2007

radiowandern wird wieder in

290679512_5b6165ebf7.jpgradiowanderungen waren mal in. ich habe als junge selber daran teilgenommen. ich weiss aber auch, dass sie heute kein grosser wanderzirkus mehr sind. dafür kommen als neue medienform wieder auf: wandern sie virtuell mit, wenn der stadtwanderer mit radio “casablanca” durch die stadt bern, ihre gassen und geschichten spaziert und ins erzählen kommt.

Rathaus: Scharfrichter und Puffmutter
Bundesplatz: Wie Bern nicht Hauptstadt wurde
Zähringerdenkmal: Der Stadtbrief vom Analphabeten
Altes Schloss Bümpliz: Karriere einer Berner Adligen
Rosengarten: Wie die Juden Berns Krieg bezahlten
Anna-Seiler-Brunnen: Die Pest in Bern
Erlacherhof: Adrian von Bubenberg bringt Waschfrauen
Münsterplatz: Die Reformation in Bern
Du Théâtre: Musik statt Theater für die Obrigkeit
C&A: Napoleon steigt nicht aus der Kutsche aus

wer einen lautsprecher hat, kann sich die ausgewählte geschichte anhören. viel spass beim lauschig-kühlen eistee!

stadtwanderer

originalhinweis

foto: bärbi

donna muratum

hinter jedem bekannten mann steckt eine starke frau, sagt der volksmund. doch was ist, wenn sie aus seinem schatten hervortritt? das weiss der volksmund nicht zu beantworten. ich schon: was dann geschieht, kann mann&frau, zum beispiel, bei “donna muratum” miterleben.

bild-356.jpgmuratum ist lateinisch und steht für murten. und donna für frau. donna muratum wiederum ist der neue stadtrundgang durch das freiburgische kleinstädtchen murten, der sich szenisch mit den frauen in der eigenen geschichte beschäftigt.

da ist beispielsweise das ortskundige meitschi vom gurwolf, die während der belagerung murtens durch die burgunder im sommer 1476 ausbricht, wegrennt, und das verbündete freiburg informiert. dank ihr, sei murten gerettet worden, sagt die schauspielerin, und die eidgenossenschaft wohl auch nicht in der eu, fügt sie noch bei!

fürs breite publikum in szene gesetzt

das publikum weiss es: das ist zwar übertrieben, aber sympatisch. es kompensiert die bekannten geschichte, indem sie ihnen den spiegel, gehalten von frauenhand vorhält.

die historie murtens, wie auch die geschichte überhaupt, leitet sich zwar von der griechischen muse ab, die erzählen konnte, doch wird sie, seit sie geschrieben wird, (grossmehrheitlich) von männern verfasst. für männer, über männer.

dem wird mit donna muratum begegnet, denn jetzt führen die frauen das staunende pubiklum. und sie interessieren sich für frauen. sie schreiben nicht mehr, dafür erzählen sie aber umso besser. aus dem alltag, aus der kultur, aus der gesellschaft und aus der politik.

die lebenswelt der frauen in der geschichte

die beiden schauspielerinnen, die fast schon sinnbildlich namenslos bleiben und für tourismus murten durch die gassen der kleinstadt ziehen, sind modern in ihren gedanken, jedoch traditionell in ihrer kleidung. sie sind gut informiert, haben extra recherchiert, und sie kennen sowohl berühmte orte wie auch vergessene winkel. sie berichten von tragödien, erheitern mit skurielem, und informieren uns über das gestrige und heutige murten.

und sie stellen uns die treuesten aller treuen murterinnen vor: die mauerseglerinnen, die jährlich zweimal 14000 kilometer fliegen, dabei schlafen, begattet werden und essen, um dann im “zerschossenen turm” der stadtmauer von murten an geschichtsträchtigem ort zu nisten und für nachwuchs zu sorgen, bevor sie mit diesem weiter ziehen und, eben treu bis in den tod, wieder nach murten zurückzukommen.

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fast genauso kommt einem der stadtrundgang vor: die frauen brechen aus der engen welt am murtensee aus, um luft zu bekommen und das unausgesprochenen auszusprechen. doch sie brechen nicht aus, erzählen nur, um dorthin hemzukehren, wo ihre liebe ist. dabei wird eine gesellschaft sichtbar, die nicht ist, die man zu kennen glaubt. sondern die, die dahinter steckt, wenn man über jeremias gotthelf spricht und sein umfeld vergisst oder wenn man paul klee sagt, ohne petra petitpierre zu nennen.

gehen sie mit, wenn es heisst: donna muratum!

neugierig? – dann wenden sie sich doch an donna muratum, gehen sie nach murten, und folgen sie den beiden erzählerinnen auf den spuren der interessantesten frauen aus der geschichte und der gegenwart murtens, die aus dem schatten hervorgetreten sind.

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im schlossgarten zu spiez

meine letzte führung durch die grossen burgunderausstellung im historischen museum zu bern ist vorbei. das kühle bier nach der kühnen führung war für alle wohl verdient. und wer die aus-führung-en noch verdauen muss, kann mal hier nachlesen.

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am nachmittag habe ich mich, nun ganz alleine, nach spiez aufgemacht, an den landsitz der familie von bubenberg. quirinius reichen, der konservative historiker aus frutigen, mit dem ich seinerzeit studiert habe, hat im idyllisch gelegenen schloss am thunersee eine ausstellung zu adrian von bubenberg konzipiert.

anders als die kühne schau in bern ist sie ganz bernisch gehalten. hellebarden säumen den aufstieg in die ausstellung. karten aus der militärgeschichte erklären einem die allgemeinen und spezielle lage. der stammbaum der bubenbergs zeigt einem, wer von wem abstammt und wer mit wem für nachwuchs sorgte. und die biografie von adrian ist fein säuberlich aufgeführt.

doch das ist nicht schon alles: ganz spannend sind die ausführungen zu den ländereien der freiherren von spiez. wie die bubenbergs hier heissen. denn sie waren nicht nur im bernischen grossen- und kleinen rat, sondern seit dem laupenkrieg von 1339 grundherren am thunersee besitzungen.

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ihre ländereien bildeten allerdings klein ganzes, wie das karl der kühne mit den erweiterungen des herzogtum burgund gesucht hatte. vielmehr waren der boden, die rechte und leibeigenen der von bubenbergs breit zwischen jura und alpen zerstreut.

auch existierte keine straffe verwaltung, wie man sie in dijon aufgebaut und danach reihum kopiert hatten. der adrian von bubenberg-saal, wo das herz der administration lag, wirkt eher wie eine herausgeputzte bauernstube.

da liegt der schluss nahe: adrian von bubenberg verteidigte bern nicht nur aus ritterlicher ehre. es ging ihm auch um seinen besitz, als er murten besetzte, und als er nach der schlacht für den ausgleich mit savoyen besorgt war.

doch hat dies alles nichts genützt. die ausstellung in spiez hält lakonisch fest: die verwaltung des verstreuten erbes der freiherren von spiez fiel je länger je mehr schwer, und das war auch der grund für den niedergang der familie von bubenberg im aaretal. der bär an der wand hängt schon mal schief herum!

danke, quirinius, dass das alles, wenn auch bernisch verklausuliert, ganz gut sichtbar gemacht wird

so, jetzt ist aber genug mit den burgundergeschichten! ich bestelle in adrians schlosspark einen wein. gleich einen halben weissen bietet man mir ungefragt an. spiezer-, nicht burgunderumsatz soll man hier scheffeln …

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fotos: stadtwanderer

rückblick auf den 22. juni 1476

(kurzfassung meiner ausführungen an der burgunderausstellung von heute)

ich begrüsse sie. seien sie an diesem wunderschönen und historisch bedeutsamen 22. juni 2008 meine gäste! denn heute vor 532 jahren fand die schlacht von murten statt, während der die eidgenossen die burgunder besiegten. und ich beabsichtige, sie genau heute durch die ausstellung “karl der kühne” in bern zu führen. ganz schön kühn, könnte man das sagen!

legenden und fakten in der schweizer geschichte

die schweizer geschichte, die man in der schule hörte, kennt zwei feinde: rudolf von habsburg und karl den kühnen. könig rudolf von habsburg, lernte man, habe die freiheit der innerschwyzer eingeschränkt und damit 1291 den rütli-bund provoziert. das habe zur gründung der eidgenossenschaft geführt, die fast zweihundert jahre später, 1475/6 vom grössenwahnsinnigen burgunderherzog karl ernsthaft in frage gestellt, von den wehrhaften eidgenossenschaft jedoch heldenhaft verteidigt worden sei. seither seien wir schweizer ein unabhängiges und freies land!

das alles ist legendenbildung!

schwiez1476.JPGdie schweizerischer eidgenossenschaft von heute wurden am 12. september 1848 gegründet. um dem ausgeprägt förderalistischen bundesstaat im zeitalter des aufkommenden nationalismus eine gemeinsame geschichte geben zu können, erfand man zwei generationen später “1291“. fakt ist jedoch, dass damals kein staat schweiz gegründet worden ist, sondern ein lokales bündnis zwischen uri und schwyz entstand, während der grossteil der heutigen schweiz diesem gar nicht angehörte. fakt ist auch, dass das konglomerat eidgenossenschaft, das sich zwischen 1350 und 1500 rasch ausdehnte, bis 1648 teil des heiligen römischen reiches deutscher nation blieb, wenn auch seit 1499 mit einem autonomiestatut.

keine legende ist der militärische sieg der vereinigten eidgenossen vom 22. juni 1476.

ins reich der rechtfertigungen gehört aber, die eigenossen seien von den burgundern angegriffen worden; sie hätten sich nur verteidigt. mitnichten! am 25. oktober 1474 erklärten die eidgenossen unter führung bern dem burgunderherzog karl den krieg. am 14. okobter 1475 erweiterte man diese kriegserklärung an die adresse der herzogin yolanda von savoyen, weil sich diese weigerte, mit den eidgenossen zusammen gegen burgund zu kämpfen. vorgängig hatte man bereits die burgundisch-savoyischen besitzungen in der freigrafschaft und in der waadt zerstört und geplündert.

anfangs 1476 schlug herzog karl zurück.

der herzog marschierte, von der belagerung der lothringischen haupstadt her kommend, durch die freigrafschaft und griff grandson an. den bernischen besatzern versprach er freies geleit, wenn sie sich ergeben würden. doch liess er die 400 mann hinrichten, als sie die schlossfestung verliessen. das hat ihm in bern den bleibend schlechten ruf eingebracht. danach konnte er aber, dem neuenburgesee entlang, nach bern vorstossen, wurde er indessen bei concise von den eidgenossen überrascht. die schlacht war kurz, denn die truppen des herzogs flüchteten vor den unritterlich laut vorpresschenden eidgenossen schnell. in lausanne rüsteten burgund und savoyen zu einem neuen anlauf, der auf bern zielte. die eidgenossen besetzten im gegenzug freiburg und murten, beide mit bern verbündet, aber in savoyischem besitz. herzog karl entschied sich, murten zu belagern, sodass es am 22. juni 1476 vor den toren der stadt zur grossen schlacht kam, in der reichste und mächtigste adelige seiner zeit gegen die vereinigten eidgenossen verlor. mehr als 10’000 menschen starben an diesem tag auf dem feld bei salvanach oder wurden im murtensee ertränkt. nur ein halbes jahr später, kam es erneut zu waffengewalt, nun zwischen dem herzog von lothringen, verstärkt durch 5’000 eidgenossen, und dem burgunder herzog. karl erlag in der schlacht von nancy an den folgen einer verletzung, und mit ihm verstarb der letzte der 4 grossen spätmittelalterlichen herzöge von burgund.

karl der kühne und die valois-herzöge von burgund

karl war nur 10 jahre, von 1467 bis 1477, herzog von burgund. und dennoch beschäftigt sich halb europa noch heute mit ihm. die franzosen und deutschen reagieren eher skeptisch auf ihn. für sie ist er ein grössenwahnsinniger geblieben. den engländern gilt er schon mehr, denn politisch waren die engländer stets auf burgund angewiesen. und für die hollander und belgier ist er so etwas wie der begründer des eigenen selbstbewusstsseins. zwar gelang es karl nicht, die unabhängigkeit der niederländischen handelsstädte vom kaiserreich durchzusetzen; das sollte erst wilhelm von oranjen gut 100 jahre nach karl erreichen. doch legte karl mit seinen lebensplan, zwischen dem heiligen römischen reich, dem kaiserreich, und dem französischen königreich, ein selbständiges königreich burgund zu begründen, das vom ärmelkanal am besten bis an mittelmeer und an die adria reichen sollte, die grundlage hierzu.

karl ist ein früher politikertyp. er dachte in historischen dimensionen, und er handelte aufgrund einer strategie.

402px-karte_haus_burgund_4.png20jährig sieht er, wie byzanz, die christliche kaiserstadt, in die hände des osmanischen sultans fällt, und er plant einen kreuzzug zur befreiung der heiligen stätten im nahen osten, den er aber nicht realisiert. 28 jährig muss er, der angehende herzog, der zu gerne französischer könig geworden wäre, mitereleben, wie sein verwandter, der mit ihm aufgewachsen war, als ludwig xi. den franzosenthron erbt; da beschliesst er, seinen könig hinfort zu bekämpfen. karl ist schliesslich 40, als er, nun schon reicher herzog von burgund, den kaiser friedrich iii. nach trier einlädt, um mit ihm über die erhöhung burgunds zum königreich zu verhandeln, und um mit dem habsburger über die nachfolge als kaiser zu pokern.

karl, der kühne, war der vierte und letzte valois-herzog am burgundischen hof. philipp der gute, sein vater, johann ohnefurcht, sein grossvater, und philipp der kühne, sein urgrossvater, hatten die ambitionierte politik der burgunder begründet. durch heirat, kauf und krieg hatten sie seit 1368 ihre ländereien rund um dijon erheblich erweitert erweitern können. die reichen städte in flandern, brüssel und brügge in brabant, die herzogtümer luxemburg und lothringen kamen wie die freigrafschaft am jura stück für stück zum herzogtum burgund. in mittelalterlichen kategorien gedacht, waren die burgunder vasallen des französischen königs wie des kaisers; in neuzeitlichen konzepten übersetzt, beherrschten sie ein territorium, das problemlos als königreich gelten konnte. kleiner als das königreich von england war das das herzzogtum von karl jedenfalls nicht.

mit diesem königreich versuchten die valois-herzöge an die lange burgundische tradition anzuknüpfen. burgund war schon zu zeiten der völkerwanderung im 5. jahrhundert ein königreich gewesen, das damals das rhone-, saone- und doubstal umfasste. auch beim untergang des fränkischen kaiserreiches im 9. jahrhundert entstand burgund als königreich erneut. dieses kam im 11. jahrhundert zum kaiserreich, ausser dem herzogtum burgund, das sich schon im 9. jahrhundert auf die seite der französischen krone schlug und dort überlebt, während das unselberständige königreich burgund nis 1378 in verschiedenste adels- und stadtherrschaften aufgelöst wurde.

das ende des feudalen mittelalters in frankreich und im kaiserreich

möglich geworden war der spektakuläre aufstieg der herzöge von burgund nur, weil die französischen krone im 100jährigen krieg mit der englischen geschwächt worden war. ausgebrochen war diese fehde, als 1337 der letzte kapetinger auf den französischen thron starb und kein eindeutiger nachfolger bestimmt werden konnte. schliesslich setzten sich die herzöge von valois als französische könige durch, brauchten aber 116 jahre, bis sie die englischen königsanwärter vom festland vertreiben konnten. ihre verwandten bestimmten sie zu herzögen von burgund, mussten aber zur kenntnis nehmen, dass diese im 100jährigen eine konsequent pro-englische und anti-französische politik betrieben. das erlaubte es den herzögen von burgund, stets recht unabhängig von französischen königshaus ihren geschäften und interessen nachzugehen.

bs1burgund.JPGum ihr unübliches herrschaftsgebiet sichern zu können, entwickelten die burgunderherzöge grundsätze der hierarchisch geführten verwaltung, beförderten sie den schriftverkehr in der politik, und vereinheitlichten sie steuern und rechte der städte im adeligen sinne. moderne kunst, im buchwesen, bei den tapisserien und in der malerei sollten von der neuen grösse zeugen, und mit der höfischen kultur und mode sollte sich neue lebensluste entwickeln.

das alles erlaubte es ihnen, auch auf herrschaften im kaiserreich überzugreiffen. das wurde nach 1437 namhaft möglich, als kaiser sigismund aus dem hause luxemburg-böhmen verstarb, ohne einen nachfolger zu hinterlassen. im kernteil des kaiserreiches begann nun der grosse aufstieg der habsburger, die bis 1806 ununterbrochen den kaiser stellen sollten. doch im süden und westen des reiches blieb ihr einfluss vorerst schwach, was anderen neue möglichkeiten eröffnete: den städten am rhein und am po, den burgundischen herzögen in dijon und dem französischen könig in paris.

nach 1450 entwickelt sich ein eigentlicher wettlauf um macht, geld und ehre.

anfänglich schienen die herzöge von burgund die nase vorn zu haben. die wende kam 1473 in der alten kaiserstadt trier, dicht an der grenzen zwischen burgund und kaisereich. da sich karl nur um den preis, seine einzige erbin, maria, mit den habsburgern verheiraten zu müssen, könig und kaiseranwärter werden konnte, winkte er ab. er vertauschte den prunkvoll gedeckten verhandlungstisch mit dem feldherrenstuhl. wie einst caesar, der den gallischen krieg gewann, um in rom alleinherrscher zu werden, aber auch wie karl der grosse, der die sachsen besiegte und zum neuen weströmischen kaiser avancierte, wollte karl herrscher über die rheinischen und am besten auch über die lombardischen städte werden. mit ihnen und ihrem reichtum wollte der das europäische kaisertum neu begründen.

der krieg der eidgenossen mit burgund und savoyen

der burgunderkrieg mit den eidgenossen begann 1474 mit einem erfolgreichen aufstand der breisgauer gegen den burgundischen vogt peter von hagenbach. dieser hatte ganz im sinne der burgunder versucht, eine generelle verwaltungsreform im elsass zu realisieren. basel, bis dahin im konflikt neutral, streckte herzog sigmund von vorderösterreich das nötige kleingeld vor, das man sich bei den burgundern geliehen hatte, sodass der einfluss von karl auf vorderösterreich schwand. burgund geriet in die defensive und sigmund konnte in seinem untertanengebiet eine aufstand gegen den herzog anzetteln.

593px-burgunderkriege.pngnun griff das bürgerliche bern in den jura aus, um sich einen weg durch burgundisches gebiete nach frankreich zu verschaffen. in héricourt besiegten die berner ein burgundisches heer. den französischen könig freute diese entwicklung, und er förderte die pro-französische stimmung in bern und in der eidgenossenschaft durch erhebliche geldzahlungen im dreimonatsrhythmus.

fast schon hätte der kaiser rechts des rheins den burgundischen einfluss rückgängig gemacht und der französische könig sich in der eidgenossenschaft ausgebreitet gehabt, sodass man ohne kampf zur tagesordnung hätte schreiten können. um diese vorzubereiten, vermittelte der französische könig 1474 erfolgreich die ewige richtung der eidgenossen mit habsburg, die sich 150 jahren in den haaren gelegen hatten.

doch wurde damit nicht ruhe geschaffen, sondern der eigentliche krieg vorbereitet. die eidgenossen nutzten nun den friedensvertrag mit dem erzfeind im nordosten in der hand, um im südwesten krieg zu führen. von den den kriegserklärungen an burgund und savoyen resp. vom vernichtungsschlage gegen die romandie war schon einleiteten die rede. doch der tagsatzung missfiel das eigenmächte verhalten der berner unter ihrem pro-französischen schultheissen von diesbach.

auch der bernische senat stellte sich quer, und adrian von bubenberg, im aaretal wie in savoyen begütert, meldete seine opposition an. da wurde er aus der berner politik ausgeschlossen, sodass er sich nach spiez auf seinen freiherrensitz zurückzog. dem siegreichen von diesbach sollte es aber noch schlechter gehen. auf einem feldzug nach pruntrut wurde er in blamont von einem pferd überrannt und erlag kurz darauf den folgen des unfalls.

für herzog karl, der an einem angriff auf die eidgenossenschaft nie besonders interessiert war, bot sich nun die gelegenheit, im führungslosen bern zu intervenieren. er arrangierte sich mit dem französischen könig und griff nun in der freigrafschaft und in der waadt ein. die geschichte kennen wir ja schon. sie muss aber um einen punkt ergänzt werden: nach dem überraschungstreffen in grandson, versuchte karl die habsburger auf seine seite zu ziehen. er willigte an ostern in lausanne in einen heiratsvertrag zwischen seiner tochter und erzherzog maximilian ein, denn er noch 1473 verweigert hatte. doch damit gewann er keinen einfluss, sondern sollte er nach seinem tod definitiv sein erbe verlieren.

die folgen für das europa der neuzeit

die eigentlichen erben der burgundischen erwerbungen unter den valois-herzögen von burgund wurden schliesslich die habsburger. maria, die neue herzogin von burgund, die in den niederlanden anerkennung fand, heiratete maximilian, verstarb aber früh. doch maximilian behielt insbesondere die reichen städte am ärmelkanal. und er heiratete als zweites mal, jetzt bianca sforza, die tochter des herzogen von mailand, und legte so seine hand auch auf die lombardischen städte. damit gelang ihm, was sein verstorbener schwiegervater karl stets wollte, wenn auch mit umgekehrten vorzeichen. maximilian stärkte mit seinen heiraten das reich und wurde auch nachfolger seines vaters friedrich iii. als kaiser, als karl längst tod war. 

der ehe zwischen dem habsburger und der burgunderin  waren mehrere kinder entsprungen, unter anderem auch philipp, später der schöne genannt, der zuerst gouverneur der niederlande war, dann ins spanische königshaus heiratete, dort aber früh verstarb. sein gemeinsamer sohn mit juanita, der spanischen königin, stieg als carlos i. zuerst zum ersten habsburger auf dem spanischen thron, dann unter dem namen karl v. als nachfolger von maxilian auf den kaiserthron auf. er regierte auch das neuentdeckte (mittel)amerika und die philipinen und sagt von sich, in seinem reich gehe die sonne nie unter.

europa_1500.jpgso mächtig habsburg aus dem erbe karls wurde, so enttäuschend blieb es für die kaiserfamilie, dass man das kernland, das eigentlichen herzogtum burgund um dijon, nie erhielt. auf dieses griff könig ludwig xi. erfolgreich zurück, als karl starb. niemehr sollte burgund in der folge von grossen politischer bedeutung mehr sein. einzig die katholische kirche hielt in den klöstern das burgundische erbe aufrecht, bis napoléon auch damit aufräumte, sodass nur noch die weinbauern aus burgund berühmt sind.

habsburg und frankreich einigten sich 1493 im friede von senlis über die teilung des burgundererbes und leiteten so den kampf um italien ein. das stand zwar mit der reanissance kulturell in seiner blüte, politisch war es aber äusserst instabil. vorerst rivalisierten die franzosen und der papst mit venedig, später der papst und der kaiser um die vorherrschaft auf der halbinsel. frieden schloss man erst 1555, und es siegte eigentlich der kaiser karl v., der den franzosenkönig und den papst in die schranken wies, durch die zwischenzeitlich ausgebrochene reformation jedoch geschwächt wurde und als kaiser schliesslich abdankte.

die folgen für die eidgenossenschaft

auch die eidgenossenschaft, 1476 grosser schlachtensieger, struktuierte sich in dieser phase neu. nach 1477 wurde die reisläuferei zur wichtigsten erbsquelle. vorerst interessierte sich der französische könig für die schweizer söldner, wie sie jetzt hiessen, später auch der papst. die hat er heute noch, allerdings nur noch in folkloristisch form, während jener seine schweizer in der französischen revolution verlor. 1478 akzeptierten die eidgenossen die von frankreich und habsburg verlangte versöhnungspolitik mit den nachbarn. die freigrafschaft wurde gegen geldzahlungen an habsburg abgegeben; einzig die burgundischen besitzungen in der waadt gingen an bern und freiburg. die ländereien der savoyer gingen auf französischen drucl an diese zurück, und das bündnissystem zwischen savoyen, bern und freiburg, das vor den burgunderkriegen bestanden hatte, wurde erneuert. 1536 sollte der franzosenkönig den bernern und freiburgern erlauben, die waadt erneut zu besetzen und mit der durchführung der reformationen dem katholischen savoyen definitiv zu entziehen.

seidgenossenschaft_13_ortige_1536_1798.JPGunter sich rangen die eidgenossen lange über ihre neue verfassungsform. entschieden wurde sie 1481. in den bund neu aufgenommen wurden freiburg und solothurn. mülhausen wurde zugewandter ort, während strassburg und konstanz, die sich ebenfalls interessiert hatten, fern bleiben mussten. überhaupt, die angst, die städte würden die aufstrebende eidgenossenschaft nun beherrschen, regierte die verhandlungen. schliesslich setzten sich, unter vermittlung von des obwaldners niklaus von der flüe, die kleinen durch. alle 11, später mit basel und appenzell, alle 13 vollwärtigen orte der eidgenossenschaft sollten bis 1798 gleichberechtigte glieder des bundes sein, egal ob sie gross oder klein waren. dieses bündnis, das im kaiserreich verblieb, setzte 1499 gegen maximilian, der dem reich eine grundlegende reform verordnete, einen autonomiestatus durch, der bis 1648 gültigkeit hatte, und die eidgenossenschaft von der weiterentwicklungen des rechts, der steuern und der verwaltung im reich nun ausnahm. wichtigste wirtschaftliche grundlage wurde nun die reisläuferei, die in italien vorerst zu grossen erfolgen führte, dann aber in der niederlage von marignano mündete und den weg für die reformation als (vorübergehende) anti-söldnerbewegung in der eidgenossenschaft ebnete.

bilanz

karl hat die burgunderkrieg nicht überlebt. niklaus von diesbach, sein grosser gegenspieler, auch nicht. adrian von bubenberg wurde als überlebender held von murten gefeiert. in bern wurde er rehabilitiert, und avancierte er zum dritten mal zum schultheissen der stadt. er war massgeblich an der vermittlung mit savoyen zuständig, verlor aber an einfluss auf die bürger- und söldnerbewegung, die nach dem schnellen geld aus dem reislaufen lechzte. 1479 starb er in bern an der pest. seine familie verarmte und verliess eine generation später alles, was man im aaretal hatte, in richtung savoyen.

“herbst des mittelalters” nennt der niederländische historiker johan huizinga, ein burgunderspezialist, die mit karl dem tollkühnen zu ende gehende epoche. melancholie sei das grundgefühl der zeit gewesen, das sich aus dem wissen ergab, das man die mittelalterlichen traditionen verlassen werde. doch das moderne, das neuzeitliche, sei damals noch bekannt gewesen, und die angst, sie beherrschen zu müssen, sei gerade am burgundischen hof durch prunksucht überspielt worden. die grossen ihrer zeit seien arbeitsame menschen gewesen, die voll von lebenslust waren, und sprunghaft zwischen beidem hin und her schwankten.

so wie ich, in meinen beurteilungen.
stadtwanderer

am sonntag um 10

bald ist es so weit: meine angekündigte führung durch die grossen burgunder-ausstellung in bern findet statt. der tag ist bewusst gewählt. es ist der schlachtentag, an dem die burgunder im menschengetümmel von murten untergingen …

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johannes stumpf: chronik von 1554 über die schlacht von murten

doch will ich hier keine patriotische feier ankündigen, sondern eine museaumsführung durch kultur, politik und krieg in burgund. die sensationelle ausstellung in bern gibt uns anlass dazu!

das ganze erlaubt einen für die schweizerInnen unüblichen perspektivenwechsel: statt aus eidgenössischer sicht wird die geschichte aus burgundischer dargestellt!

hier schon mal das …

programm

kurz vor 10 00 besammlung vor dem historischen museum zu bern, bei schönem wetter warte ich draussen im park, bei schlechtem drinnen in der lobby.

10 00 kleine einführung in die geschichte burgunds und den herbst des mittelalters durch mich

10 15 beginn der führung zu den themen “kultur, politik und krieg der burgunder”

12 00 wir werden uns (hoffentlich pünktlich) am mittag im raum befinden, der die schlacht von murten beschreibt; die begann, auf die stunde genau, 532 jahre zuvor auf dem feld zwischen murten und salvenach.

12 30 ende der führung, für interessierte apéro im hof des museums

der eintritt kostet 24 chf, die führung selber ist frei. es komme, wer mag!jedoch bedenke man: es ist der 10000 rittertag! zieht also die alten rüstungen an, und sattelt euer pferd!

stadtwanderer

meine bisherigen beiträge zur schlacht von murten:

schlachtfeldbegehung anderer art

schlief adrian von bubenberg gut nach der schlacht von murten?

mit adrian von bubenberg duzis gemacht

die rückkehr des ausgeschlossenen bubenbergs

eigentlich wissen wir wenig über adrian von bubenberg. seit johannes von müller, der erste nationalhistoriker der schweiz, ihn am ende des 18. jahrhunderts als standfesten helden in der schlacht von murten verklärt hat, gibt es mehr geschichten, legenden und gerüchte über ihn, als gesicherte historische interpretationen. eine spurensicherung durch den stadtwanderer!

2591933225_db12738be8.jpgdazu passt, dass ein er als einer der wenigen grössen der stadt bern ein denkmal erhalten doch, dieses jedoch von der ersten stunden an umstritten war und selbst der standort im verlaufe der zeit gezügelt wurde. nicht einmal der berühmteste spruch, den man von ihm kennt, ist historisch: “solange eine ader in uns ist, gibt keiner nach”, wäre zwar nach dem desaster, das die kapitulierenden bernischen besatz von grandson erlebt hatten, ein durchaus nachvollziehbarer befehl gewesen, allein, der erste beleg dafür ist gut 300 jahre jünger als das ereignis.

dafür ist der hut echt, den adrian momentan trägt: er ist unfreiwillig zum held der niederländischen fussball-touristen avanciert, die in erklommen und sein haupt bedeckt haben.

die kontroverse zwischen von diesbach und von bubenberg

zu den historisch gut belegten teilen des lebens von adrian von bubenberg gehört dagegen seine rivalität zu niklaus von diesbach, weil sie sich selbst in den ratsprotokoll der bernischen regierung spiegelt. altersmässig waren beide vergleichbar. in die bernische politik stiegen sie gemeinsam ein. beide wurde bei pilgerfahrten in den nahen osten zu rittern geschlagen. beide brachten sie es mehrfach auf den stuhl des schultheissen. und beide spielten als heerführer in den burgunderkriegen eine wichtige rolle.

doch ihr herkunft war anders: die von bubenbergs gehörten zu den traditionsreichen adelsfamilien in bern, derweil bei den von diesbach das “von” nicht echt war. denn er war ein bürgerlicher. einer mit viel geld, das er im tuchhandel gemacht hatte und mit dem er sich in die politik eingekauft hatte, während die von bubenbergs, überall verschuldet, ihre rechnungen meist anschreiben liessen, bis es wirklich nicht mehr ging. der eigentliche gegensatz äusserte sich in ihren aussenpolitischen beziehungen: niklaus von diesbach war dem frankenkönig ergeben, während adrian von bubenberg mit den burgundischen herzögen verhängt war.

zum eigentlichen eklat zwischen beiden kam es, als der königliche stand bern dem benachbarten herzogen von savoyen 1474 den krieg erklärte. schultheiss niklaus von diesbach fühlte sich nun frei, offensiv zu handeln. er wollte seine mission im dienste des französischen königs möglichst ungehindert realisieren. dazu war er zu allem bereit. ganz anders war kleinrat adrian von bubenberg disponiert. er suchte den konflikt auf die savoyischen besitzungen einzugrenzen und eine ausdehnung auf burgund zu verhindern. er wirkte vermittelnd, war zu allerlei kompromissen bereit.

der eklat: von bubenbergs ausschluss

als die tagsatzung das aggressive vorgehen von diesbachs 1475 im jura und in der waadt kritisierte, hätte die stimmung zugunsten von bubenbergs kippen können. doch der mächtige schultheiss von diesbach setzte sich in seiner vaterstadt durch. er inszenierte eine handfeste intrige gegen seinen widersacher, isolierte diesen und scharte den handlungsunfähigen kleinrat um sich.

adrian durfte sich vor seinen regierungskollegen nicht einmal verteidigen. er wurde auf antrag des schultheissen direkt aus der regierung und aus der politik ausgeschlossen.

niklaus von diesbach bezahlte seinen griff nach den sternen kurz danach mit dem leben.

der triumph: von bubenbergs rückkehr

adrian von bubenberg, der ausgestossene, schmollte noch eine zeit in seinem spiezer schloss. als bern im burgunderkrieg ernsthaft in die bedrouille kam, rief man den ausschlossenen, aber wohlverdienten altpolitiker wieder an die aareschlaufe zurück. dem erfahrenen feldherr wurde die ehrenvoll aufgabe übertragen, murten zu besetzen und gegen alle angriffe zu verteidigen.

man weiss es: das gelang adrian von bubenberg, selbst wenn er damit seinen jugendfreund karl den kühnen ins verderben stiess.

adrian von bubenberg wurde danach rehabilitiert, stieg nochmals ins amt des schultheissen auf und unternahm in savoyen und frankreich vermittelnde missionen gegenüber berns nachbarn. er starb später an pest. doch solange eine ader in ihm war, gab er nicht nach!

stadtwanderer

niklaus der kühne

wenn es um den 16. oktober 1475 in der murtener geschichte geht, überbieten sich die berichterstatter mit unüblichem: die neuenburger chronik hält fest: ” le discord fut si grand, qu’on ne savoit connoître de quel parti il en avoit le plus.” was war geschehen?

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1473 einigten sich der kaiser friedrich iii., ein habsburger, und der burgundische herzog, karl der kühne, nicht auf die wiedergeburt des burgundisches königreichs, das 1378 untergegangen war. ein solcher titel hätte karls position gegenber dem französischen könig gestärkt, jedoch auch gegenüber dem kaiser. friedrich wusste darum und verlangte als preis, dass karl einzige erbin, seine tochter maria, den sohn des kaisers heiraten müsse.

karl entschied sich, den durchbruch auf den schlachtfeldern zu suchen. um ihn zu schwächen, befriedete das haus habsburg, vermittelt durch den französischen könig, den seit 1315 wiederkehrenden zwist mit den eidgenossen.

schultheiss niklaus von diesbach

zentrale figur der eidgenossen war der berner schultheiss niklaus von diesbach. seine familie war als tuchhändler reich geworden und in die berner politik eingestiegen. dabei nutzte man die alten handelsbeziehungen an die europäischen königshöfe, um jetzt diplomatie zu betreiben. niklaus von diesbach war 1465 erstmals berner schultheiss geworden. keiner war so jung wie er in dieses amt aufgestiegen. und das machte ihn bei den alten eliten, den traditionellen junkern wie adrian von bubenberg, von anfang an verhasst.

1474 ist niklaus von diesbach auf der höhe seiner macht. zuerst bindet er bern mit einem bündnis an den französischen königshof, dessen kammerherr er geworden war. dann überzeugt er den habsburgischen herzog für vorderösterreich, mit den eidgenossen einen dauerhaften frieden, die sog. ewige richtung, abzuschliessen. die niedere vereinigung rund um basel schoss zudem dem habsburger geld vor, um ihn aus der burgundischen umklammerung zulösen. schliesslich erklärt der berner schultheiss der herzogin von savoyen und deren stellvertreter, jakob von savoyen, graf von romont, am 14. oktober 1474 den krieg. das sollte nicht ohne folge bleiben, den savoyen war mit burgund verbündet.

die besetzung murtens durch bern und freiburg

noch bevor die tagsatzung das bündnissystem akzeptierten, liess niklaus von diesbach murten besetzen. nur zwei tage nach der kriegserklärung an den savoyischen hof, verlangten berner und freiburger vom savoyischen städtchen unmissverständlich, dass es seine tore öffnen müsse. das löste die unordnung in der stadt aus. die murtener chronik hält fest:

“Gross war die Gährung der Gemüther; tumultuarisch die Berathungen. Selbst die Weiber nahmen Parthey.”

doch die savoyerpartei unterlag: der schultheiss, humbert de lavignies, flüchtete aus der stadt, und der bürgermeister, richard rossel, starb, wie es heisst “aus verdruss”.

der wilde krieg gegen burgund

niklaus von diesbach erhielt für seine aktion vom französischen könig 20’000 livres, was dem staatsetat berns von einem jahr entsprach. die hälfte floss in die familienkasse, die andere hälfte wurde unter den günstlingen von diesbachs verteilt. ein teil der berner kam so zu viel geld, genau das, was den alten junkern fehlte.

mit seinen getreuen unternahm der berner schultheiss 1475 eigenmächtig einen angriff auf die burgundischen truppen, die in pruntrut berner eingekesselt hatten. gleichzeitig griffen die berner und freiburger in diesem sommer plündernd und mordend die waadt an.

die tagsatzung verurteilte das eigentmächtige und brutale vorgehen, und auch adrian von bubenberg opponierte im berner kleinrat. doch gelang es niklaus von diesbach, sich in bern durchzusetzen. adrian von bubenberg wurde auf treiben von diesbachs hin aus dem kleinrat ausgeschlossen und zog sich auf sein landgut in spiez zurück.

nun wollte niklaus von diesbach definitiv zum grossen gegenspieler von herzog karl werden. das war kühn, ja tollkühn. in blamont, in der nähe von pruntrut wurde er nur wenige tag nach seinem sieg in der politik von einem pferd tödlich verletzt.

doch bern befand sich in einem selbstgewollten krieg, ohne vom kriegstreiber geführt zu werden.

à suivre

stadtwanderer

 
   
   
   
   
   
   
   
   
   

der fall der murtener mauer

heute war in murten alles still. die sommerliche abendstimmung lockte die menschen auf die strasse. ein pianist spielte unter den lauben. alles war friedlich.

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nichts, aber auch gar nichts erinnerte einen an den fall der murtener mauer heute vor genau 532 jahren!

damals, am 18. juni 1476, kam es zum heikelsten moment für murten vor der grossen schlacht. in der stadt waren seit dem 8. april 1500 berner, die unter adrian von bubenberg das kleine murten vor möglichen angriffe schützten. überall wurde fleissig gearbeitet, denn vor der stadt lagerten seit 9 tagen die truppen des burgunder herzogs karl.

adrian von bubenberg hatte sein hauptquartier dort, wo heute noch das rathaus von murten steht. von hier aus sandte er signale und boten über den see, die in bern bericht nach bern machten. anfänglich dominierte zuversicht. dann merkte man, dass die anspannung unter den belagerten stieg. doch die eidgenossen konnten sich nicht entscheiden, die stadt mit einem energischen angriff auf die burgunder zu entlasten.

es war ein dienstag, als die burgunder aus richtung muntelier angriffen. die mauer, erst wenige jahre zuvor neu erbaut, wankte zwischen der kirche und dem unteren tor, heute berentor. schon stürzten teile unter dem beschuss der burgundischen artillerie, als jakob von savoyen, graf von romont, 1471 als herr über murten von der murtener bevölkerung gefeiert, abends nach sechs hoffte, die stadt mit grossen getöse einnehmen zu können.

doch der angriff misslang auf mirakulöse art und weise. nach murtener quellen sollen die burgunder an diesem abend mehr als tausend mann verloren haben. über die eigenen verluste gibt es keine angaben. die zerstörte mauer wurde in der nacht notbehelfsmässig repariert, denn man wusste, die burgunder würden nicht locker lassen.

das sollten sie dann am samstag drauf effektiv tun, allerdings nicht mehr vor der stadt, sondern oberhalb gegen salvenach zu, wo die eidgenossen dann effektiv für entlastung sorgten und die schlacht mit weitreichender bedeutung schlugen.

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der fall der murtener mauer mobilisierte die eidgenossen definitiv. die zürcher, die lange warteten, setzten zu einem dreitägigen gewaltsmarsch an, um gerade noch rechtzeitig dabei zu sein, als es auf dem schlachtfeld losging.

vielleicht interessiert das, ausser den stadtwanderer, heute niemand mehr in murtens gassen. bei einem bier sagt man mir, das murtenschiessen sei am sonntag; vom mauerfall wissen die meisten nichts mehr. und so sage ich mir auf dem heimweg: wenn die leute aus allen ländern heute so friedlich beeinander sind, ist das ein gutes zeichen!

stadtwanderer

bilder: stadtwanderer

bild 1: noch heute typisch, die savoyisch anmutenden rundtürme in den mauern um burgen oder städte

bild 2: unverändert sichtbar, wo die mauer vor 532 schweren schaden gelitten hatte.

der aufstieg murtens ins zentrum des weltinteresses

wer nach murten geht, vergisst die lauben und die mauern rund um die mittelalterliche stadt nicht. beides erinnert an den aufstieg der stadt unter den herzögen von savoyen, bis es 1475/76 in murten zu weltpolitischen entscheidungen kam.

bildmurten-148.jpgalles beginnt mit der feuersbrunst

murten wurde in der zweiten hälfte des 12. jahrhunderts von den herzögen von zähringen gegründet und gefördert. nach deren aussterben war man vorübergehend reichsstadt, bis 1255 die grafen von savoyen hand auf die stadt legten, und diese bis 1475 dor behielten.

der eigentliche aufstieg der savoyischen provinzstadt beginnt 1414. die bauern im ganzen dreiseengebiet begehren auf. sie wollen die herrschaften in den burgen und städten stürzen. und sie zünden an, was brennt. so auch murten. die holzstadt von damals wird opfer der flammen.

könig sigismund, auf dem zug von avignon nach konstanz, mit dem ziel, die unübersichtlichen verhältnisse im papsttum neu zu ordnen, teilt die ehemals hochburgundischen gebiete, über die sein vater, kaiser karl iv. noch könig gewesen war, auf: die grafen von savoyen werden herzöge mit zentrum in chambery; die stadt bern wird reichsstadt und darf damit über untertanen aus das blutgericht sprechen. schliesslich akzeptiert sigismund, dass die herzöge von burgund in dijon die herren über freigrafschaft am jura bleiben, obwohl die lehensherren des französischen königs damit imperiales territorium beanspruchen.

bild-212.jpgunter den savoyischen herzögen

herzog amadeus viii. besucht das niedergefackelte murten 1416. als wiederaufbaumassnahme befreit er die stadt für 15 jahre von allen abgaben an seinen hof. zudem dürfen die murtemer nun auf dem lokalen wein eine eigene steuer erheben. 1430 ist es soweit: murten hat sich finanziell erholt, und ist dabei, die stadt neu zu bauen.

wer nun auf strohdächer verzichtet, kann subventionierte ziegel beziehen. und wer vor dem haus keinen vorgarten mehr hat, dafür den raum mit lauben überdeckt, erhält von der stadt verbilligten kalk. damit ändert sich das bild rasant: das holz gehört der vergangenheit an, arkaden mit verputzem gemäuer und häuser mit richtigen dächer beginnen die stadt zu prägen.

bild-215.jpgunter europäischer aufsicht

seit 1353 war murten nicht nur savoyisch, sondern auch zugewandete stadt der 8örtigen eidgenossenschaft. diese eidgenossenschaft war seit 1439 im ersten bürgerkrieg untereinander. zürich wollte sich ab und wieder habsburg zuwenden. das tolerierten die übrigen verbündeten nicht, und sie besiegten die stadt zürich. dabei stieg bern zum eigentliche vorort in der eidgenossenschaft auf.

am ende des zürichkrieges veränderte bern auch die verhältnisse im habsburgischen freiburg: der schultheiss wilhelm von avenches wurde gestürzt, und murten nutzte die gelegenheit, offene rechnungen mit dem alten rivalen zu begleichen. zwischen den beiden städte entstand 1448 eine eigentliche fehde mit verwüstungen rund herum, bis die grossen der umgebungen in die unruhen eingriffen:

der könig von frankreich, 1444 sieger über die eidgenossen an der schlacht von st. jakob an der birs, die herzog von burgund, die stadt basel und die eidgenössischen orte erzwangen friedensverhandlungen, die am 16. juli im murtener wirtshaus adler besiegelt wurde. zuerst savoyen, dann aber auch bern und freiburg ratifizierten das schriftstück, ohne dass damit der status von murten zwischen savoyen und eidgenossenschaft genau geregelt worden wäre.

zusehends polarisierte sich die situation: bern, führend über das savoyisch geworden freiburg, beanspruchte nun auch murten zu bestimmen.

bild-239.jpgunter dem einfluss der herzöge von burgund

1469 lag es an amadeus ix., bei seinem besuch in murten, die stadt aufzufordern, mit dem wiederaufbau der stadtmauern aus dem 13. jahrhundert, die bei der feuersbrunst ebenfalls gelitten hatten, zu beginnen. finanziell wollte er sich auch an diesem werk beteiligen. den mauerbau selber erlebte er nicht mehr direkt, litt er doch chronisch an epileptischen anfällen. deshalb über trug er seiner frau yolante die geschäfts des herzogtums. diese wiederum berief 1471 jakob von savoyen, einen verwandten des herzogs, zum grafen von romont und herrscher über die savoyischen gebiete in der waadt. murten huldigte jakob, als die mauern fertig gebaut waren.

doch nicht nur die murtemer bürger interessierten sich nun für den neuen machthaber aus romont. auch der herzog von burgund, karl, wandte sich 1473 an ihn. um seinen plan, könig von burgund, ja kaiser des römischen reiches zu werden, realisieren zu können, suchte er einen sicheren weg vom ärmelkanal nach rom. und der führte idealerweise bei pontarlier über den jougnepass und bei martigny über über den grossen st. bernhard. romont lag da strategisch günstig dazwischen. und so befördert herzog karl den savoyer jakob, graf von romont und herr über das aufstrebende murten, zu seinem grossmarschall und damit zu seinem stellvertreter am burgundischen hof.

bis die städte bern und freiburg dagegen intervenierten … mehr dazu später!

stadtwanderer

fotos: stadtwanderer

bild 1: pitoreskes murten heute

bild 2: laubenimpressionen heute

bild 3: hotel adler heute

bild 4: mauerbau heute

die überraschende kulturgeschichte der farbe orange

orange ist unbestrittenermassen die farbe der orangenfrucht. und es ist ebenso unbestrittenermassen die farbe der niederländer. dennoch sind die niederländer – unbestrittenermassen – nicht alles orangen.

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das orange der niederländer ist vielmehr der versuch des hauses oranje-nassau, die erbmonarchie, die seit 1813 ungeborchen dessen familienmitgliedern gehört, in der bevölkerung zu popularisieren. die farbe gehörte (damals) keiner partei, und so wurde sie im 20. jahrhundert die nationalfarbe der niederländer. die briefkästen in amsterdam sind orange, und die fussballnationalmannschaft hat selbstverständlich auch diese farbe gewählt.

wenn die niederländer die nationalhymne singen, dann erinnern sie sich an wilhelm von oranjen. das war ein deutscher, und er war der gouverneur, der im 16. jahrhundert unter den habsburgischen spaniern die unabhängigkeit der niederländischen nation erkämpfte. dass er dabei starb, hat ihn zum heldenhaften märtyrer gemacht, auf den man sich in den niederlanden gerne beruft.

doch auch oranjen, der titel von wilhelm, ist in keinem niederländischen gewächshaus entstanden. er kommt aus dem rhonetal. aus orange! das ist kein apfelsinenhain, sondern eine kleinstadt in frankreich, die heute nicht einmal 30000 einwohner zählt. doch 1186 erhob kaiser friedrich i., der mit dem roten (nicht orangenen) bart, die stadt zum selbständigen fürstentum im kaiserreich. seither nannte sich der herr von orange prinz von oranien.

der titel ging später an die burgundischen grafen von chalon und von dort durch heirat an das hause nassau, das sich hinfort durch den zunamen nassau-oranien einen besonderen glanz unter den adeligen gab. und aus dieser familie stammte wilhelm, prinz von oranien, der urvater der holländer, seeländer und utrechter, der so den namen an den kanal brachte.

das französische orange im rhonetal ist eigentlich das lateinische aurausio. das war im altertum ein gefürchteter name. denn an diesem ort verloren die truppen der römer 105 vor chrsitus erstmals gegen die germanen. wandernde kimbern und teutonen, grossgewachsene, kampfeslustige männer(und frauen) besiegten die kleinstämmigen und etwas schlappen römer und begründeten so die furcht der südländer gegen die nordländer.

so schliesst sich der bogen fast. denn orange ist die farbe der niederländer, ohne eine orange zu sein. nicht einmal oranje meint orange, sondern nur ein titel. der ist zwar aus orange, aber nicht aus orangen.

diese kommen in europa aus portugal. persische und arabische händler vermittelten die kreuzung von mandarinen und pamplemusen, die man in china vorgenommen hatte, im 15. jahrhundert in unseren kontinent. deshalb haben die araber noch heute nur ein wort für orangen und portugiesen. und diese sind, würden wir schweizer sagen, auch ganz süss, wenn sie gegen uns im fussball verlieren. aber sie sind gottseidank nicht in orange gekleidet. denn sonst würde diese kulturgeschichte zu den orangen gar nie enden!

stadtwanderer, auf dem weg in die orangene stadt bern

(und morgen erzähle ich wie die berner den prinzen von oranien tatsächlich einmal besiegt haben …)

bildquelle: apropos

die merkwürdige geschichte der schweizer landeshymne

die schweiz wähnt sich, seit dem 1. august 1291 zu bestehen. eine eindeutige und offizielle nationalhymne hat sie aber erst seit seit dem 1. august 1981. dabei greift sie auf ein lied zurück, dass es schon gab, als die “schweizerische eidgenossenschaft”, der bundesstaat von heute noch gar nicht existierte.

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1961 legte der bundesrat fest, der sog. schweizerpsalm sei die provisorische landeshymne. er reagierte damit auf die im häufiger gewordenen verwechslungen zwischen der britischen und der schweizerischen nationalhymne, die damals noch zur gleichen melodie gespielt wurden. in grossbritannien lief der text seit 1745 unter „god save the queen“ (populärer in der schweiz als „god shave the queen“), derweil in der schweiz das lied „rufst du mein vaterland“ 1811 von johann rudolf wyss getextet wurde.

nach dreijähriger probezeit konnten sich die kantone 1965 zur provisorischen landeshymne vernehmen lassen, und sie taten es so, wie man es von ihnen erwartete: 12 waren dafür, 6 dagegen, und 7 votierten für die verlängerung des provisoriums, – ein nullentscheid! die suche nach einer neuen landeshymne, die eingeleitet wurde, führte jedoch nicht zu einem höheren konsens, sodass der bundesrat 1981 der unwürdigen übung ein ende setzte und den schweizerpsalm eigenmächtig zur unverwechselbaren offiziellen landeshymne erklärte.

erstmals veröffentlicht wurde das lied 1843. der text stammtevon leonhard widmer, während die melodie alberich zwyissig kompoiniert hatte. dieser war bis zur aufhebung des zisterzienserklosters wettingen im jahre 1841 daselbst mönch gewesen und hatte den schweizerpsalm an der kirchweihe in wettingen 1835 vorgestellt. das lied selber, das heute bei sportanlässen und staatsempfängen zu ehren der confoederatio helvetica gespielt wird, ist damit älter als der bundesstaat, der erst 1848 gegründet wurde.

1894, auf dem höhepunkt der nationalen welle in der schweiz, wurde das sakral anmutende lied als schweizer nationalhymne vorgeschlagen. doch der bundesrat lehnte dies wiederholt ab. er war der auffassung war, eine nationalhymne müsse sich in der volksabstimmung durch die kehlen durchsetzen, nicht durch ein staatliches dekret. so existierten längere zeiten mehrere versionen der schweizer nationalhymne, wobei „rufst du mein vaterland“ lange populärer war.

heute wirkt der schweizerpsalm mächtig antiquiert. in der regel kann man den text nicht auswendig. an bundesfeiertagen hilft man sich deshalb mit handzetteln aus, selbst wenn das nicht besonders überzeugend wirkt. bei länderspielen würde das aber definitiv blamabel wirken, wenn die jungs von köbi kuhn vor dem dem anpfiff die nationalhymne ablesen würden.

das hat übrigens nichts damit zu tun, dass viele von ihnen secondos sind. auch die meisten schweizer können den text nicht, und summen aus anstand maximal mit.

der versuch, die nationalhymne, pardon, landeshymne, wie man das in der schweiz nennt, auf eine zeitgemässe basis zu stellen, den die nationalrätin margret kiener nellen 2004 unternommen hatte, versandete nach einigen jahren in den mühlen des parlaments.

und so hören wir bald zum letzten mal den schweizerpsalm an der euro 08, ohne etwas besseres in aussicht zu haben.

stadtwanderer

berns (g)arten

zuerst ist da nur der berner botanische garten. dann sieht man ein plakat, eine statue und einige wartende. schliesslich entführt schauspieler matthias zurbrügg sein publikum in die ebenso spannenden wie tragischen geschichten zu albrechts von hallers (g)arten.

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haller zwischen bern und göttingen

der kleine albrecht haller wurde am 16. oktober 1708 geboren. aus seiner familie stammte im 16. jahrhundert berns reformator, und dessen nachfahren gehörten in bern zu den patriziern, wenn auch nicht zu den höchstgestellten. doch albrecht mochte keiner der unter gleichen werden. er war herausragend. im geist, nicht mit seiner macht. und so wurde er arzt. forscher. wissenschafter. und dichter.

zu gerne wäre albrecht schon in jungen jahren auch berner politiker, später wohl auch staatsmann geworden. doch dafür war haller einfach nicht angepasst genug. denn er sagte, was er dachte. mehr noch: er schrieb es auch auf, und er liess es gar drucken!

zum beispiel mit seinem gedicht über die “die alpen“. darin lobte er das einfache, unverbrauchte leben der hirten in den bergen, das er dem luxus und der prestigesucht seiner zeitgenossen in der stadt gegenüber stellte.

deshalb musste der erwachsene albrecht haller auswandern, um vorwärts zu. die neu gegründete königliche universität göttingen nahm ihn 1737 noch so gerne als biologen und anatomen auf, und sie ermöglichte es ihm, einen mustergültigen botanischen garten mit allen pflanzenarten, die man damals zu unterscheiden lernte, aufzubauen. in der ferne war seine schaffenskraft noch grösser als zuhause, sodass man bis heute mühe hat, sich einen überblick über sein wissen zu verschaffen. zurecht bezeichnet man ihn einen der universalgelehrten seiner zeit, der sich schliesslich mit königlichem erlass auch von haller nennen durfte.

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haller zwischen vergangenheit und gegenwart

genau aus dieser ferne kommt im ein-mann-stück von christine ahlborn, das matthias zurbrügg spielt, ein sebastian hallter nach bern. nein, er ist kein uneheliches kind des professors; der name steht nur symbolisch für die rückkehr albrecht von hallers im jahre 1753 ins unaufgeklärte, patrizische bern.

ganz unten muss haller nochmals anfangen: einfacher abwahrt im rathaus war der grossrat, als er seine professur aufgab, um in bern wieder fuss zu fassen. später wurde er salzdirektor in bex, weit weg in der waadt, und erst am schluss seines befrachteten lebens stieg er im bernischen gesundheitswesen bis zu seinem tod 1777 zu einer art generelsekretär auf.

zeit seines lebens war albrecht von haller ein gemässigter aufklärer gewesen. der montesquieu von bern quasi. er stellte die wissenschaft über die religion, und er brauchte den verstand, um die gewohnheiten zu kritisieren. doch er war wohl nicht nur herausragend für seine zeit; für viele seiner zeitgenossen war sein charakter schlicht monsterhaft.

das alles muss sebastian haller, den fiktiven studenten aus göttingen, nicht kümmern. das “wandern ist des hallers lust” singt er, als er aus dem norden in albrechts vaterstadt ankommt. und er erzählt munter, was der grosse haller in göttingen für möglichkeiten geboten bekam, die man ihm in bern verwehrt hatte. wenn matthias zurbrügg, der in diesem kurzen freilichtbühnenstück in viele rollen schlüpft, hingegen hallers mentor, den späteren schultheissen friedrich von steiger, mimt, dann bricht die verachtung für den nonkonformisten haller hinter jedem stein im berner botanischen garten erneut hervor.

christine ahlborn lanciert deshalb albrecht von haller neu: als teemixer. sei lässt ihn symbolisch im botanischen alpengarten umher wandern, um margrit, die weise kräuterfrau zu treffen, die so vieles über die pflanzen im gebirge weiss, dass es der professor nur pflücken und in sein herbarium einkleben muss. was ihm dabei am meisten gefällt, kippt er in einen eigenen kräutertee, der ihn, so die hoffnung der autorin, noch berühmter machen wird, als er es schon ist.

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berns (g)arten in hallers (g)arten

in der knappen halben stunde, die man rund um die statue hallers im berner botanischen garten verbringt, erfährt man in kürze einiges über die herausragendste persönlichkeit im bern des 18. jahrhunderts, und man spürt, wie komplex die erinnerung an sie ist, auch wenn sich der geburtstags hallers demnächst schon zum dreihundertsten mal jährt.

für alle, die sich für berns (g)arten in der vergangenheit interessieren oder das schicksal des unangepassten in berns (g)arten kennen, ist das stück eine abwechslungsreiche sonntägliche zugabe zur naturhistorischen ausstellung im boga.

wandern sie einmal mit, wenn es wieder heisst: halleri, hallera, hallerititititida …

stadtwanderer

zum programm

foto: stadtwanderer

wenn sich der stadtwanderer mit den landwandererInnen trifft

es ist zwar schon eine weil her, aber ich erinnere mich gut: letzten herbst ging ich mit dem kurs der exkursleiterInnen des bernischen natur- und vogelschutzes den mont vully besuchen. und ich entschied mich spontan, ihnen die kulturgeschichte des berges erzählen. mit vollem erfolg: jetzt ist die rede in der sondernummer des “turmfalken”, der hauszeitschrift der natur- und vogelfreunde erschienen.

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foto: stadtwanderer-flickr

die exkursionsleiterInnen machen sich mehrfach im jahr an einem sonntag morgen auf und davon, um all das, was sich in der natur bewegt, zu beobachten. erstmals dabei, hörte ich den spezialistInnen unter den landwandererInnen gebannt zu, als es um schmetterlinge, käfer und vögel ging, die ich alle noch nie gesehen hatte.

und ich revanchierte mich: während der mehrstündigen exkursion entschied ich mich, am hang des mont vully mit herrlichen blick über den murtensee den wanderer-kollegInnen die kulturgeschichte des berges zu erzählen, dessen natur sie soeben studiert hatten. manche staunt zuerst nicht schlecht, doch immer mehr öffneten sich nun ihnen die augen für sache und zusammenhänge, die sie sonst übersehen hätten.

der “turmfalke”, das publikationsorgan der natur- und vogelschützer, hat dieser tage eine sondernummer zum mont vully herausgegeben, und meine verschriftlichte rede über einen meiner lieblingsberge abgedruckt.

wen es interessiert, die zusammenhänge zwischen natur und kultur, zwischen sesshafter und wandernder bevölkerung, zwischen verkehrs- und stadtgeschichte, zwischen römischer und germanischer zivilisation von der kuppe des mont vully aus erzählt zu erhalten, der lese ganz einfach unter dem nachstehenden link weiter!

stadtwanderer (in gedanken wieder mal auf dem land)

turmfalke.pdf

meine geschichte, die ich damals über die wanderung auf dem stadtwanderer erzählte


die unüblichste museumsführung aller zeiten

wer kennt das nicht: der geschichtslehrer monologisiert über die heroischen zeiten der eidgenossen, als sie noch schlachten gewannen. und wenn würde es nicht reizen, sich am 532. jahrestag der schlacht von murten sich durch den stadtwanderer durch die grosse burgunder-ausstellung führen zu lassen.

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mein thema: bern im spannungsfeld zwischen karl dem kühnen und adrian von bubenerg

früher war es fast wie jetzt im fussball: wer nicht der eigenen mannschaft hilft, ist ein verräter. und wer in der schule nicht mit den eidgenossen mitfieberte, sei es im morgarten, in laupen, in sempach, in näfels, in grandson, in murten, in dornach, an der calven und in novarra, der galt als schlechter schweizer.

heute ist das alles offener: historische optiken werden hinterfragt, dafür ist der perspektivenwechsel gefragt; ideologische geschichtsschreibung muss de- und rekonstruiert werden; und es gilt fragen zu beanworten, was geschehen wäre, wenn …

und genau zu diesem grossen experiment lade ich die freunde und freundinnen des stadtwanderers nach bern ein: präzise am 22. juni 2008, um 10 uhr, steigt meine grosse führung durch die grosse burgunder-ausstellung im historischen museum zu bern. sie wird zirka 3 stunden dauern, sodass wir zur mittagszeit, auf die minute genau! 532 jahre nach beginn der schlacht von murten, im kleinen saal zum schlachtengeschehen sein werden.

doch das ist gar nicht das eigentliche ziel meiner führung. dieses folgt der ausstellung über karl den kühnen, dem verlierer der schlacht, der wenigstens posthum dieser tage bern nach den regeln der werbung eingenommen hat.

ich möchte sie in die mittelalterliche geschichte burgunds einführen, zeigen, wie die vier berühmten valois-herzöge von burgund, von denen karl der letzte war, in dijon, brügge und weiss ich wo gelebt, hof gehalten und kunstfördernd gewirkt haben, wie sie europäische politik betrieben, und wie sie den krieg als unmittelbare fortsetzung ihrer interessen verstanden.

in diesen krieg für eine neuartiges kaiserreich in europa mischten sich bekanntlich auch die alten eidgenossen ein, – und sie gewannen auf fast schon wunderbare art und weise am grünhag bei murten die entscheidungsschlacht, die in die weltgeschichte eingehen sollte. das blieb nicht ohne folgen: man wurde reich, und die politik war gefordert, eine beuteverteilordnung zu erstellen, aus der unsere bundesverfassung herausgewachsen ist!

wenn sie also interessiert sind, auf meine reise durch die lokal-, nationl- und kontinentalgeschichte mitzukommen, wenn sie eine wertesynthese aus bernburgund und burgunderbern nicht scheuen, dann melden sie sich bei mir an: denn wir wollen mehr sein als in all den fussballstadien der euro ’08

und seien sie am 22. juni 2008 um 10 uhr pünktlich in der fan-meile des berner historischen museums. denn wer zu spät kommende, der wird an der beute nicht beteiligt!

stadtwanderer

alles echt

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ob die farben der burgunderteppiche echt seien, wurde ich heute im berner historischen museum gefragt. spontan musste ich passen. deshalb hole ich hier die antwort nach.

peter jetzler ist direktor des historischen museums zu bern. damit ist der oberste hüter einiger der zentralen stücke aus der burgunder-beute. und er gibt eine klar antwort auf die gestellte frage: ja, die farben sind echt.

denn bern hütet die teppiche sorgsam. meist vor licht geschützt aufbewahrt, werden sie nicht dauerhaft ausgestellt. der berühmste teppich in der berner sammlung ist die tausend-blumen-tapisserie. in der gegenwärtigen ausstellung kann mann aber auch beispielsweise die vier teppiche sehen, die das wirken von caesar im gallischen krieg zeigen.

herzog karl soll 200 solcher teppiche besessen haben. auf italienisch nennt man sie “arrazzi”, weil die berühmteste werkstatt im französischen arras stand. mehrere webstühle produzierten dort parallel einen teppich. tapisserien von 5 metern höhe und 10 metern breite waren keine seltenheit.

jeder teppich ist ein kunstwerk. und jedes kundstwerk hat einen künstler. die machte die entwürfe; doch dann musste ein reicher einen vorschuss bezahlen. denn das gold und der seidenfaden, die eingewoben wurden, musste in grossen mengen im voraus beschafft werden. und das ging ordentlich ins geld.

in frankreich und in den niederlanden gibt es keine originale mehr. in bern schon. und peter jetzler ist stolz darauf, die farbigsten im berner museum zu wissen.

stadtwanderer

ps:

selbstverständlich darf man die tapisserien im museum nicht einfach fotografieren, weshalb ich mich hier auf eine billige wiedergabe aus google beschränken muss.

wenn zeitalter sterben

keine hat sich so stark mit dem burgundischen lebensgefühl beschäftigt wie der niederländer johan huizinga. mit dem “herbst des mittelalters” prägte der kulturhistoriker aus leiden unsere vorstellungen einer epoche, genauso wie er das bild ihrer markanten repräsentanten, den herzögen von burgund, zeichnete.

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jan van eyck: die madonna des kanzlers rolin (um 1437, heute im louvre, paris)

“herbst des mittelalters” erschien unmittelbar nach dem ersten weltkrieg, der mit seinem stellungskrieg zwischen deutschen und franzosen schrecklich viele tote in einem grausam geführten krieg gebracht hatte. auch wenn die herzöge von burgund alles andere als zimperlich waren, ihr verständnis von macht und herrschaft war nicht das der generäle über den maschinengewehren des frühen 20. jahrhunderts.

mit den herzögen von burgund verbindet man seit johan huizinga zurecht vor allem das höfische leben. die schöne illusion ist es, was die menschen von damals trieb. dabei mischten sich asketische weltabgewandtheit einerseits mit ein draufgängerischer lebensgier anderseits.

genau diese schöne illusion suchte huizinga in seinem “herbst des mittelalters”, einem standardwerk der kulturgeschichte, mit quellen aus literatur und kunst aufzuzeigen. maler wie jan van eyck wurden dabei neu interpretiert.dessen werke sind nach huizinga nicht mehr nur der frühling vor der neuzeitlichen renaissance. vielmehr sind sie die vollendung des mittelalterlichen herbstes, der dabei verblühte.

melancholie und schwermut in der kunst mischen sich nach johan huizinga mit genuss- und prunksucht im höfischen leben. das ist für den kulturhistoriker typisch, wenn epochen sterben und der horror vacui, die angst vor der kommenden leere, entsteht. mit dieser these im hinterkopf liefert huizinga das portrait der epoche, in der die herzöge von burgund als vollendung der kultur erscheinen.

bis heute gilt herbst des mittelalters in der literatur als preisgekröntes standardwerk. das in zahllose sprachen übersetzt wurde. derweil meckern viele fachhistoriker seit seinem erscheinen unverändert an diesem unkonventionellen geschichtsbuch herum. eine einfühlsamere interpretation des lebensgefühls, mit dem karl, der arbeitsam und kühn zugleich war, gelebt haben könnte, habe ich bei ihnen aber nicht gefunden.

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mehr über johan huizinga

mehr über jan van eyck

meine morgige rede vor der burgunder-ausstellung

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als im 5. jahrhundert unserer zeitrechnung das römische reich nördlich der alpen unterging, liessen sich verschiedenen germanenstäme – zuerst die burgunden, dann die alamannen und schliesslich die langobarden – im gebiet der heutigen schweiz nieder. das erkennt man heute noch an der sprache: die burgunden und die langobarden nahmen die lateinische lebens- und ausdrucksweise an, und ihre nachfahren in der romandie und im tessin sprechen heute französisch und italienisch, während sich die alamannen der latinità verweigerten; sie sprechen heute noch ihre mundart und schreiben leidlich deutsch.

das mittelalterliche königreich burgund

über die drei wandervölker errichteten seit dem 6. jahrhundert die franken, ebenfalls latinisierte germanen, ihr grössen königreich, das im jahre 800 die nachfolge des untergegangenen weströmischen kaiserreiches antrat. doch die karolingische herrschaft zwischen den pyrenäen im südwesten und sachsen im nordosten hielt nicht lange: 843 teile man das kaiserreich unter den enkeln karls, und 888 endete die vorherrschaft der legitimen nachfahren. karls reich zerfiel denn auch fast unwiederruflich in eine westfränkisches resp. ostfränkischen königreich und in ein mittelreich mit achen im norden und rom im süden. doch auch dieses schmale und lange landstück hielt nicht zusammen: es zerfiel in die königreiche lothringen, burgund und lombardei.

burgund, das war nach im 10. jahrhundert das gesamte rhonetal von der mündung ins mittelmeer hinauf, mit den wichtigen zuflüssen saône und doubs jenseits des juras und das aaretal diesseits bis hin zur reuss. so wichtig für die christianisierung nicht nur der eliten, sondern auch der bevölkerung dieses zeit war, so instabil blieb die herrschaft der burgundischen könige, bischöfe und klöster gegenüber dem aufstrebenden adel. 1032 vererbte der letzte burgunderkönig rudolf iii. sein restreich dem römischen kaiser, der seit 962 wieder ostfranken samt lothringen und über italien herrschte.

burgund und das mittelalterliche kaiserreich

drei grosse dyastien hat das kaiserreich im hochmittelalter gesehen: zuerst die römisch geprägten ottonen, dann die teutonisch inspirierten salier und schliesslich die schwäbischen staufer, die zwischen überzeitlich-christlichen universalimus und frühem nationalismus hin und her gerissen waren.

1250 starb der letzte staufer, kaiser friedrich II. mit seinem tod stürzte das kaiserreich in eine grosse krise, die den übergang zum spätmittelalter markierte. das reich zerfiel in unzählige rivalisierende einheiten: mittelgrosse bistümer, kleine grafschaften und städtebündnisse. zuerst gabe es nur auswertige könige, bis sich drei konkorrierende adelshäuser im reich etablierten: die habsburger, natürlich, die luxemburger, verbunden mit dem erbe des hauses böhmen, und die wittelsbacher. sie wechselten sich bis mitte des 15. jahrhunder in der herrschaft über das reich ab, das sich nun heiliges römischen reich nannte, aber nur noch nördlich der alpen anerkenung fand.

vorerst am erfolgreichsten ist das haus luxemburg-böhmen. heinrich vii., karl iv. und sigismund i. waren drei kraftvolle kaisergestalten des spätmittelalters, die bestrebt waren, das zerfallene kaiserreich neu zu ordnen. indem sie es vom ersonenbezogenen feudalwesen der vielen kleinen hin zum territorial und institutionell definierten reich der grossen überleiteten, – ein prozess, indem die frühe eidgenossenschaft ebenfalls vom losen bündnissystem zum räumliche geschlossenen autonomen gebiet im kaiserreich entstand.

einem wesentlichen moment dieses prozesses – dem krieg zwischen den eidgenossen und den herzögen von burgund – nimmt sich die gegenwärtige sonderausstellung im historischen museum zu bern an. sie ist gerade für schweizerische verhältnisse speziell: denn in der traditionellen geschichtsschreibung betonte man liebe gerne den sieg der bäuerlichen eidgenossen über die überheblichen herzöge auf brügge. die jetzige ausstellung kehrt die perspektive um: uns vorgeführt wird die welt der reichen fürsten, die an einer neuordnung europas im geiste des zerfallen karolingischen reiches rangen. und wenigstens für eine sommer sind sie die neuen herren von bern!

der griff der herzöge von burgund nach königs- und kaiserkrone

um zu verstehen, wie es nach griff zur kaiserkrone durch die herzöge von burgund kam, muss man sich in die 1430er jahre versetzen.

im französischen königreich, das seit bald 100 jahren in einem thronfolgekrieg mit england verwickelt war. normalisierte sich die lage. die herzöge von burgund, damals philipp iii. die, obwohl aus dem gleichen hause der valois wie der französische könig stammend, stramm mit den engländern paktiert hatten, wechselten 1435 das lager. sie hielten nun wieder zu eigenen krone, hatten sich aber eine starke stellung am rande des königtum erarbeitet, denn sie waren in den besitz der reichen flandrischen städte gelangt. dieses gebiete nannten sie nun die niederen lande, derweil ihr kerngebiet um dijon die oberen lander wurden. 1437 starb kaiser sigismund ohne leiblichen nachfolger. seine kronen von ungarn, böhmen und jene der deutschen gingen an den habsburger albrecht III. im westen des reichs gelang es aber den burgundischen herzögen, nun auch lehen auf reichtsgebiet zu erlangen.

402px-karte_haus_burgund_4.pngphilipps sohn, karl, reichte das jedoch nicht. als er mit 33 herzog wurde, strebte er nach höherem. neben besitz und macht wollte der ambitiöse herzog auch ehre. er reklamierte vom kaiser die burgundische königskrone, die dieser zwischen 1032 und 1378 getragen hatte. denn ihm schwebte vor, das fränkische mittelreich, das im 9. jahrhundert in den vielen erbteilungen so kläglich zerfallen war, wieder herzustellen. am liebsten hätte er von seinem herzogtum aus bis an die nordsee und bis nach rom und so über die städte in flandern und der lombardei regiert. denn das hätte ihm die aussichten verleihen, der glaich auch neue kaiser zu sein.

mit dem amtierenden kaiser, friedrich III., einem habsburger traff er sich 1473 in der ehemaligen römischen kaiserstadt trier. es wurde verhandelt. es ging um titel – und um frauen. friedrich verlangte maria von burgund, karls tochter, für seinen sohn, erzherzog maximilian, dem möglichen kaisernachfolger. das liess karl zögern, bis die verhandlungen scheitertn. der arme kaiser konnte nicht einmal seine hotelrechnungen bezahlen, als er ging, während der magnat karl mit einem klacks trier verliess. er änderte nicht einmal seinen lebensplan, nur seine strategie.

nun wollte karl, wie damals gaius iulius caesar mit seinem gallischen krieg herr der schlchtfelder werden. sollte ihm das gelingen, würde er seinen anspruch auf die höchste ehre im reich mit der macht der waffen durchsetzen können. wir wissen es: es gelang nicht! es gelang ihm weder ein burgundisches königreich zu etablieren, noch kaiser zu werden.

der krieg mit den eidgenossenschaft

in diesem entscheidungskampf der burgunderherzöge gegen die habsburger kaiser und die französische könige ging es auch um die pässe über die alpen. diese, von den herzögen von savoyen beherrscht, waren von jeher von strategischer bedeutung für die nord-süd verbindung. die allianz der burgunder mit den savoyern bedrohte jedoch die eidgenossschaft im alemannischen mittelland. vor allem deren westlicher teil war auf den freien durchgang nach genf und von da aus ans mittelmeer aus wirtschaftlichen gründen angewiesen.

um die gefahr militärisch abwenden zu können, arrangierten sich die eidgenossen 1475 mit dem erzfeind habsburg im einem ewigen frieden. die berner führten mit zustimmung ihrer kaiserlichen nachbarn dnach einen präventivkrieg gegen die savoyer durch, der schrecklicher nicht geführt werden konnte.

doch anfangs 1476 schlug karl, der bedrohte herzog von burgund, zurück. er besetzt egrandson, die zentrale bastion der verbliebenen berner im savoyischen. damit mobilisierte er aber die versammelten eidgenossen, die bern zur seite standen, und ausserhalb von grandson das heer von karl dem zu kühnen in einer wilden schlacht in die flucht schlugen.

karl regelte nun seine nachfolge. er unterzeichnete den heiratsvertag seiner tochter maria mit dem kaiser. würde er gegen die eidgenossen gewinnen, würden seine trümpfe steigen, kaiser zu werden. würde er jedoch verlieren, wusste er, dass sein erbe an den nun verwandten kaiser gehen würde. und er verlor nach grandson, wo er sein gut liegen liess, in murten seinen mut. in nancy wiederum, verlor er gegen den lothringischen herzogen renatus schliesslich auch sein blut. das bedeutete das ende stolzen herzöge aus dem hause burgund in der manneslinie.

die eidgenossen machen vorerst kaum territoriale gewinne. sie erhielten die herrschaften von grandson, orbe und echallens zugestanden. den rest, den sie erobert hatten, mussten sie savoyen; 1512 erhielten zwar die militärische oberherrschaft über die freigrafschaft, und 1536 akzeptiere frankreich, dass sich die berner in der waadte bis vor die tore genfs zu lasten der savoyer ausbreiten werden. doch zu einem spätmittelalterlichen staat zwischen könig und kaiser stieg man nicht auf.

die bedeutung der burgunderkriege für die werdene eidgenossenschaft

dennoch sind die burgunderkriege ein konstituierender moment für die werdende eidgenossenschaft. durch die burgunderbeute wurden die eidgenossen erstmals sagenhaft reich. viel geld floss in die armen taschen. und die berühmten burgunderteppiche von karl gehören heute noch der eidgenossenschaft. es gab auch kanonen, denn die berühmte artillerie von karl fiel den eidgenossen in grandson die hände. feldschlangen nannten die infanteristen die geschosse, mit denen sie nicht viel anfangen konnten. mehr bedeuten ihnen dagegen die 3000 marketenderinnen von karl, die im mittelland eine willkommene blutauffrischung waren.

um die beuteverteilung, bei der es zu erheblichen unregelmässigkeiten kam, zu regeln, mussten sich die eidgenossen auch neu organisieren. 1481 schlossen sie das stanser verkommnis, das die gleichberechtigung der um freiburg und solothurn erweiterten 8 alteidgenössischen orte im falle von neuen eroberungen festhielt, über die tagsatzung als eigentlicher militärrat fortan wachen sollte. gemeinsam kämpfte man sich im schwabenkrieg die autonomie im reich, die maximilian 1499 anerkannte.

die siegertypen der burgunderkrieg jedoch hatten keine glück. adrian von bubenberg, der die besatzung von murten leitete, verstarb nur 3 jahre nach der schlacht an der pest. als ritter blieb er anerkannt, für seine anerkennung als staatsmann standen ihm seinen sympathien zu karl im weg. schlechter noch ging es hans waldmann, der den entsatz vor murten leitete. als sich der zürcher bürgermeister anschickte, etwas besseres als seine zünfler und bürger zu sein, enthauptete man ihn. seither regiert das mittelmass die eidgenossenschaft.

das burgunder-erbe in der neuzeit

1493 regelten frankreich und habsburg im friedensvertrag von senlis das grose burgundische erbe jedoch unter sich. das herzogtum burgund ging an frankreich und blieb bis heute dort. die niederlande, die von der herzogin maria beherrscht wurden, kamen mit ihrer heirat mit maximilian an das haus habsburg. der frühe tod von maria bei der jagd liess damit auch in diesem gebieten das burgundische erben im kaiserreich aufgehen.

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johan huizinga, der grossen niederländische historiker, der das spätmittelalter der herzöge von burgund porträtierte, nannte sein werk “herbst des mittelalters“. das macht klar, das mit karl, dem letzten ritter, eine epoche ihre reife vollendung erreichte, ohne weiter zu gehen.

immerhin, karls tocher maria hatte mit maximilian gemeinsam kinder, unter ihnen philipp, später wegen seiner attraktion auf junge frauen, der schöne genannt. er lebte im burgundischen flandern, heiratete juanita aus kastilien und wurde für kurze zeit spanischer könig. nach seinem rätselhaftgen tod übernahm carlos, sein sohn, die königskrone und die ländereien in der neuen welt, bevor als karl v. kaiser des reichs wurde und sagen konnte, in seinem reich, dem kaiserreich der frühen neuzeit, gehe die sonne nie unter.

wo und wie im burgundischen diese sonne aufgegangen war, werden wir nun in der ausstellung über die fabulösen valois-herzögen von burgund sehen. kommen sie mit!

stadtwanderer

bild: das historische museum zu bern, am ende des 19. jahrhunderts durch den berner erziehungsdirektor charles-albert gobat gebaut, dem späteren friedensnobelpreisträger für seine vermittlungen zwischen germanen und romanen, wo gegenwärtig die burgunderausstellung “karl der kühne” stattfindet (foto: stadtwanderer).

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literatur: eine knappe übersicht über die komplexe geschichte Burgunds auf deutsch gibt: Hermann Kamp: Burgund. Geschichte und Kultur, München 2007

was sie morgen in der bz lesen – und worüber sie übermorgen nachdenken sollten!

“Immer, wenn Bern in Schwierigkeiten steckt, ruft es Adrian von Bubenberg zu Hilfe.” so eröffnet der historiker-journalist stephan von bergen in der morgigen “bz” seine berühmt-berüchtigte “zeitpunkt”-beilage. und er spart nicht mit seitenhieben in die gegenwart und vergangenheit, an die geschichtsschreiber und politiker, wie der stadtwanderer heute schon weiss!

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der vordergründige aufhänger ist klar: am sonntag eröffnet das schloss spiez seine “bubenberg-ausstellung“. es sieht fast ein wenig nach trotz-reaktion aus. denn jetzt, wo karl der omnipräsente post festum das mittelländischen bern in beschlag genommen hat, scheint adrian von bubenberg von seinem unbekannten grab wieder auferstanden zu sein, um wenigstens seinem rittersitz am oberländischen thunersee aufrecht zu verteidigen.

doch stephan von bergen wird uns morgen nicht nur diese pointe präsentieren. vielmehr nimmt er den jüngst erfolgten aufruf der liberalen in der berner svp, ihren stammplatz in der schweizer politik aufrecht gegen christoph den omnipräsenten verteidigen zu wollen, zum anlass für einen grossen artikel über meinen “ädu“.

zu viele legenden rankten um das wirken von adrian von bubenberg, seit ihn historiker und politiker für alles mögliche modelliert hätten, ist von bergens these. und: als urvater der aufrechten tauge er nichts, modelliert der polithistoriker mit blick auf die “operation bubenberg” der liberalen svpler gleich weiter! warum das nach ansicht der bz so sei, kann man, wie gesagt, morgen nachlesen.

und bis dann mache man sich bittschön gedanken zu meiner these: zu wenig weiss man über das reale wirken der “operation bubenberg” in der berner svp, die zu einer neuen politischen partei in der schweiz führen soll, um sich wirklich ein bild der gegenwärtigen vorgänge in der schweizer politik machen.

in der hoffnung, die bz vom übernächsten samstag trage etwas dazu bei, um die legendenbildung in dieser sache genauso kompetent wie morgen aufzudecken, sage ich: stephan von ber(ge)n übernehmen sie!

stadtwanderer

hier noch der ganze artikel aus der bz.