nachwort zum geschichtsunterricht

es war eine überraschung für sie. der nachdiplomkurs „Politische Kommunikation“ der zürcher hochschule winterthur kannte mich zwar als dozenten. dass ich auch stadtwanderer bin, wussten sie jedoch nicht. Und schon gar nicht ahnten sie, dass sie von mir durch bern geführt würden!

die leistungs-klasse aus winterthur …

seit die ausbildung fertig ist, trifft sich der kurs regelmässig und besucht gemeinsam eine stadt. am samstag war bern dran. monia hatte alles eingefädelt, eine spezielle stadttour versprochen, von einem bekannten unbekannten geführt.


foto: stadtwanderer (anclickbar)

ich warte um 14 Uhr 01 schon leicht ungeduldig im nydegghof auf meine ehemaligen studentInnen. sie waren es spät, es war, wie wenn ich unterrichten müsste. aber ich hatte keinen beamer bei mir, keine powerpointpräsentation vorbereitet, die ich nochmals rasch durchgehen konnte. denn ich weiss, in dieser klasse ist leistung gefragt.

ich hatte an diesem tag nur zu einer stadtwanderung geladen. „In 80 Minuten um die Welt“, lautete der Titel,- ein anspielung, dass meine gäste an diesem tag ein volles programm zu bewältigen hatten, und man (im Voraus) nur beschränkt zeit opfern konnte.

da kamen die Ersten von der nydegg-brücke in den hof hinunter. Sie staunten nicht schlecht. ihr dozent für demoskopie als stadtführer? Der theoretiker der meinungsbildung als lokalhistoriker?

die klasse-leistung aus bern …

die Begrüssung war freundlich, aber kurz: „Keine Angst“, sage ich. „Meine Welt ist nicht der erdrund. Meine Zeit ist nicht die von Jules Vernes. Und ich führe Sie nicht 80 Tage an der nase herum. Ich bin Stadtwanderer. Ich führe sie durch Bern. Ich zeige Ihnen in 80 Minuten meine kleine Welt.“


foto: stadtwanderer (anclickbar)

es sollte ein städterundflug im zeitalter des SWISSAIR-groundings werden. deshalb blieben wir auf dem boden der harten realitäten: “Die Schweiz ist passé, es lebe Bern!”, war mein motto. doch anders als es im alten bern üblich war, geht die zeit heute schnell. so habe ich die stadtgeschichte im “20 minuten”-format, aber mit nzz-qualität gegliedert: eindrückliche bilder, kleinere geschichten und ein paar infoboxen. sind noch fragen? iht stadtwanderer!

• wir starten mit der schwäbischen stadtgründung 1191 im burgunderland beim zähringer-denkmal.

• wir betrachten die stadt, oben von der Rathaustreppe aus, wie das Sigismund, der deutsche könig, bei der einweihung 1414 gemacht hatte.

• wir stehen zwischen münster und chorherrenstift auf dem platz an der sonne, wie 1476 adrian von bubenberg, als er die herzöge von burgund besiegt hatte.

• wir hören von theater ums “Du Théâtre”, dessen bau mit der ersten berner aktiengesellschaft 1766 erfolgte, und revolutionäre kultur fördern wollte, die dann in form von französischen truppen kam.

• wir lauschen der gründung des bundesstaates 1848, berns erhebung zur bundesstadt, und der demokratisierung von macht, basierend auf ideen eines deutschen flüchtlings.

und wir besuchen den neuen bundesplatz, wo der unbekannte stadtführer eine lobrede auf den bekanntesten beamten in Bern hält. einstein, der beamter III. klasse im amt für geistiges eigentum gelingt mit der erfinder des heutigen physikalischen weltbildes eine geistige tat erster klasse!

schöner könnte der schluss nicht sein, also finale!

mehr klasse im geschichtsunterricht: mehr stadtwandern im curriculum!

„Geschichte war mit immer ein Gräuel“, erzählt mit ein student unterwegs. „Mein klassenlehrer in der Sek war fürchterlich“, ergänzt eine weitere. „Erst im Gymnasium, bei unserer tollen Geschichtslehrerin, begann ich zu verstehen, um was es da geht“, höre ich im hintergrund tuscheln. und: „Es ist schade, dass man im unterricht den zweiten weltkrieg von vorne bis hinten behandelt, sich aber nicht mit der eigenen geschichte befasst … „


foto: stadtwanderer (anclickbar)

„Das war spannend“, werde ich am schluss heimlich gelobt. „Danke!“, sage ich da. es ist motivation für mehr. „Es gibt keinen Grund, Geschichte langweilig zu erzählen“, las ich am morgen in einem spannenden buch zur frage: „Was wäre geschehen wenn …?“ ich habe es mir zu herzen genommen, heute, wie schon bei früheren stadtwanderungen. und ich hoffe, ich werde mich auch inskünftig immer daran erinnern!

„Stadtwandern als Nachwort zum Geschichtsunterricht“, gar kein schlechtes motto! mehr klasse während den geschichtslektionen bedeutet: raus aus dem klassenzimmer, rein in die stadt! stadtwandern ist angesagt, lebendige geschichte vor ort ist spannend, nicht jahreszahlen beigen und befreiungsgeschichte büffeln!

an den 80 minuten als zeitliche begrenzung für meine meine geschichtslektion muss ich allerdings noch etwas arbeiten …

stadtwanderer