werde bärnfan! – bin bärnfan!

und so einfach ist das: du gehst auf die website “www.werde-baernfan.ch”, registrierst dich, und du bist mitglied. du wirst regelmässig elektronisch über aktuelles informiert, und du erhälst zugang zu den spezialangeboten. das persönlich nummerierte t-shirt (1957, mein jahrgang, ist jetzt vergeben) gilt als mitgliederausweis.

die bärnfans sind im verein idéeBern mitglied. die organisation zählt einige hundert mitglieder aus wirtschaft, kultur, tourismus, sport und neuerdings dem stadtwandern! der stadtpräsident, alexander tschäppät, steht der organisation vor.

“werde-bärnfan” ist eine aktion der vereinigung, die im februar 2007 gestartet worden ist. man zahlt 200 chf mitgliederbeitrag, die für die förderung neuer projekte in der stadt verwendet werden.

mitglieder können von aktuellen angeboten profitieren. die laufenden aktionen sind:

. der stadtpräsident empfängt bärnfans
. spirit of new orleans
. 25% ermässigung auf artikeln der berncollection
. jungfrau, hofer, ragusa
. einstein ganz nah…
. bärnfans rennen für den bärenpark
. küss den frosch!

registrierte mitglieder haben zudem die möglichkeit, untereinander in kontakt zu treten und anhand der bärnfan-nummer mehr informationen über das jeweilige mitglied zu erfahren.

ich bin die 1957! – werde auch du mitglied!

stadtwanderer

ps:
natürlich sollte man die stadt bern etwas kennen. das kann man ja bei mir aber regelmässig vor- und nachholen …

der grosse mediator

es war winter 1797, der 23. november 1797. napoléon bonaparte durchquerte gerade mit der kutsche die schweiz. er machte in murten halt, um das beinhaus der schlacht von 1476 zu besuchen. geführt wurde er von louis d’affry, einem freiburger patrizier, der sich in prehl bei münchenwiler niedergelassen hatte. das treffen war der unverhoffte startschuss zu einer politkarriere als mediator in der kommenden helvetischen republik – zwischen frankreich und der schweiz, zwischen anhängern der revolution und der reaktion und zwischen romanen und germanen. begonnen hat sie 1m 19. februar 1803, vor 204 jahren, als die mediationsakte in kraft trat.


louis auguste philippe d’affry (1743-1810), der erste landamman(n) der helvetischen republik

der freiburger patriziersohn louis d’affry

louis d’affrays vater war ein angesehener militärkopf in der schweizergarde im dienste des französischen königs gewesen. der graf blieb in versaille, bis louis xiv. gestürzt wurde; erst nach dem sturm der tuilerien zog er sich 1792 auf sein landgut bei echallens zurück.

louis, eigentlich louis auguste philippe, der am 8. februar 1743 als sohn von comte louis auguste augustin d’affry und marie-anne-constantine de diesbach-steinbrugg in freiburg im üechtlan geboren wurde, war bereits in jungen jahren fähnrich der schweizergarde gewesen. doch er quitterte, kaum 22, den französischen dienst, um nach freiburg zurückzukehren. ab 1765 politisierte er in seiner vaterstadt, indem er den rat der führenden bürgerfamilien leitete. 1798 brachte ihm das die leitung der freiburgischen armeen ein, die am 2. märz, von den franzosen belagert, keinen nennenswerten widerstand leistete. die napoléonischen truppen konnte kampflos in freiburg einziehen, und sich hier auf die schlacht von neuenegg gegen die trutzige republik bern vorbereiten.

louis d’affry war zeit seines lebens ein freiburger patrizier. er war ein föderalist. aber er war gemässigt. er hing nicht nur der alten ordnung an. er hatte auch seine lehre aus der französischen revolution gezogen. er war ein bedingsloser anhänger von napoléon bonaparte geworden. deshalb stand er dem general und späteren kaiser der franzosen stets zu diensten.

1802 wurde er teil der consulta. diese berief napoléon nach paris, um im bürgerkrieg zwischen patriotischen helvetiern und konservativen bauern, der zwischen murten und faoug getobt hatte, zu vermitteln. die anhänger der neuen ordnung waren enttäuscht, als sie von napoléon im stich gelassen wurden. denn die helvetische republik sollte nach ansicht des ersten consuls kein einheitsstaat mehr sein, sondern ein bundesstaat. in der mediationsakte legte napoléon die prinzipien des zusammenlebens zwischen den ehemaligen kriegsparteien fest. und zu seinem mediator der mediation vor ort bestimmte er louis d’affry. während den beratungen zur mediationsakte hatte er zum ausschuss von 10 männern gezählt, auf die sich der erste konsul ganz besonder gestützt hatte.


wo louis d’affry in fribourg/freiburg wirkte (foto: stadtwanderer, anclickbar)

le landamman/der landammann

anfangs 1803 wurde louis d’affry avoyer von freiburg. jetzt war er schultheiss des umstrittensten cantons. und er war ausersehen, der erste vertreter der helvetischen republik zu werden. den deutschsprachigen, bis 1798 den herrschenden, präsentierte man sich in anlehnung an traditionsreiche titel der vergangenheit als landammann mit zwei “n”, den französischsprachigen, weiland die untertanen, als “landamman” mit bloss einem “n”.

die zeit, als d’affry schon avoyer, indes noch nicht landamman war, gilt als seine grosse herausforderung. zusammen mit gleichgesinnten wie nicolas rudolph de wattenwyl aus berne, und hans von reinhard aus zürich, die untereinander konsequent französisch parlierten, regierte das triumvirat fast nach römischer sitte. die vermittelnde ordnung wurde von oben her mit strenger hand erzwungen, – nach napoléonischem vorbild fast diktatorisch. am 4. juli war es dann soweit: in fribourg wurde die neuen tagsatzung eröffnet, und louis d’affry, der gastgeber wurde zu ihrem vorsitzenden bestimmt. damit übernahm er für ein jahr auch die ordentlichen regierungsgeschäfte. bis 1809, als er zum zeiten mal landamman de la république wurde, bestimmte er die frankreichfreundliche politik der helvetik massgeblich mit, wurde er doch 1805 und 1807 jeweils als mediator zum napoléon, jetzt kaiser der franzosen, geschickt. 1810 unternahm er letztmals eine solche mission. kurz nach seiner rückkehr war er, der schon 1807 einen verheimlichten schlaganfall gehabt hatte, ermattet und ergraut; er starb im selben jahr am 26. juni in fribourg.


der gealterte mediator zwischen allen fronten

was für eine persönlichkeit, was für ein titel?

lange hat es keine biografie des wichtigsten mediators der helvetischen repubik gegeben. fred de diesbach, ein nachfahre d’affrys mutter, verfasste 1947 eine erste version, die jedoch nie veröffenticht wurde. 2003, zum zweihundersten jubiläums der austiegs von louis auguste philippe, erschien das buch “louis d’affry (1743-1810), premier landammann de la suisse”, das die freiburger historiker georges andrey und alain-jacques czouz verfasst und in der editions slaktine herausgegeben haben. die übersetzung ins deutsche steht noch aus, sie wird für 2009 erwartet.

bis dann wird man louis d’affry vielleicht womöglich weitere kontroverse titel verleihen, denn an ihm schieden sich die geister der zeitgenossen und scheiden sie sich bis heute: fréderic-caesar la harpe, dem waadtländer revolutionär, galt d’affry als simpler prefäkt der schweiz. für die patrioten seiner zeit war er der président de la nouvelle république, und für ihre gegner eher der bauernkönig, ein aristokrat mit eidgenössischem profil. andrey und czouz wiederum feiern ihn als fähigsten staatsmann der helvetik, gar als einzigen politiker seiner zeit, der internationales format hatte.

für mich ist und bleibt er vor allem der landamman(n) mit einem und zwei “n”. der mediator zwischen den staaten, zwischen den politischen lagern und zwischen den sprachkulturen.

randonneur urbain
bien que c’est français, avec deux “n”

fondue – fasnacht – fribourg

jahre habe ich mich nicht mehr darum gekümmert. das bunte treiben habe ich den andern überlassen. doch dieses jahr packt mit die freude wieder mehr. am samstag war ich sogar mitten drin. und am Sonntag las ich nach, beim volkskundler paul hugger, und merkte, wie schräg mein bild der fasnacht ist!


rathaus von fribourg, hoch über der unterstadt

fondue im restaurant gotthard, tilleul, fribourg

nach einer ausgiebigen stadtwanderung steht ein feines fondue an. wir sind 13! es ist also ein grosser tisch nötig. und wir erhalten ihn. im restaurant gotthard.

macht schnell, sagt man uns, denn wenn die fasnächtlicher kommen, sitzt, wer sitzt. und als wir sitzen kommt die strenge wirtin und fragt, ob wir reserviert hätten. heute sei das haus voll, sie müsse zuerst den koch fragen. der wiederum freut sich, vor dem grossen sturm eine runde richtige fondue in ruhe machen zu machen. also werden wir serviert.

“moitié-moitié” à la fribourgeoise ist einfach anders! es kocht nicht, es schmilzt nur. es ist nicht dünn, es ist wie double-crème. so isst man weniger brot, dafür gibt es kleine kartoffeln dazu. und im gotthard ist die vorspeise kondition: vor jeder fondue gibt es eine kleine platte mit einem knäckebrot, etwas butter, einem stück schinken, gurken und silverzwiebeln.

dann ist es soweit: 4 caquelons (nicht: gagglons!) werden aufgetischt, währschafte pfannen aus gusseisen, die so dick sind, dass die fondue (ausser ganz am schluss) nicht anbrennt, werden auf die rechauds stellt, um bei kleinem feuer warm gehalten zu werden. es mundet allen …


fondue im gotthard: unübertreffliche spezialität

fasnacht: zurück zum kollektiv

draussen in der stadt haben sich die fasnächtler versammelt. unzählige musiken sind hier: die einen mehr klassisch, mit paucken und trompeten, die andern ganz individualistisch: das spektrum reicht da von arabischer karavane bis künstlischer avantgarde.

dann kommt die erste gruppe ins gotthard. das restaurant ist an sich schon bumsvoll. doch mit der musik kommen 40 weitere personen samt ihren instrumente. der saal scheint zu bersten. die musikerInnen stellen sich auf, wo es keinen platz mehr hat, – in den engen gängen, auf der treppe, und einer gar auf dem tisch: der gibt das zeichen zum auftakt!

die töne erfassen in sekundenschnelle alle. Wer meint, er sei allein, spürt wieder einmal, was es heisst, zum kollektiv zu gehört. Die musik verbindet. Die fasnacht vereint. alles schaut nach den fasnächtlern, die sich ob ihrem streich sichtbar freuen. sogar jean tinguely, früher gern gesehener gast im gotthard, scheint sich auf dem bild an der wand zu drehen.

vorerst geht es noch gesittet zu und her. doch bald wird die stimmung locker; es tanzen die ersten. der fantasie sind keine grenzen mehr gesetzt, obwohl es erst abends um 8 ist …


buntes treiben im gotthard, schon vor den fasnächtlern

das fleisch weglegen …

bei meinen nachbereitungen zur fasnacht habe ich wieder mal in volkskundebüchern gekramt. bei paul hugger zum beispiel. und gestaunt! mein bild der fasnacht ist immer wieder falsch: nichts urtümlich alemannisches ist an der fasnacht, und kein heidnischer brauch steckt dahinter. fasnacht schreibt man auch nicht mit zwei “s”, denn es hat nicht mit der “nacht des fasses” zu tun. Selbst wenn viel getrunken wird. und wenn man es mit einem “s” schreibt, meint man nicht “faseln”, schlecht und töricht reden. Selbst wenn auch das an der fasnacht vorkommt …

vielmehr ist carneval der moment, an dem man das fleisch wegräumt. es kommt von “carne(m) levare”. bezeugt ist das wort in rom seit dem 13. jahrhundert. in frankreich wird carnaval daraus. Und in der schweiz ist es seit 1283 bezeugt. ob das, was man damit meint, mit dem heutigen verständnis von fasnacht in verbindung steht, kann man bezweifeln: gemeint ist nicht das bunte treiben, sondern die fastenzeit vor ostern, die 40 tage der reinigung oder die quarantäne der entsagung und enthaltsamkeit.


es geht los!

der siegeszug des volksbrauches

das volk hat sich um solche vorstellungen wenig gekümmert. der siegeszug der fasnacht beginnt in der deutschsprachigen schweiz im spätmittelalter in stadt und land. ursprünglich eher ein männerbrauch, scheint er sich schnell für beide geschlechter geöffnet zu haben.

überall wird die fasnacht die zeit des überschwangs: das grosse mahl gehört genauso wie der gegenseitig besuch dazu. vielerorts findet man wettkämpfe, überall eigentlich schaubräuche.

seit es fasnachten in der eidgenossenschaft gibt, versuchen die obrigkeiten sie zu unterdrücken. in basel spricht man schon im 15. jahrhundert vom “unfug des gemeinen volkes”. den reformatoren ist fasnacht “papistisches treiben”. und selbst die jesuiten bekämpften mit der gegenreformation gemeinsam mit der weltlichen herrschaft die fasnacht.

die blüte der fasnacht setzt an den meisten orten erst im 18. jahrhundert ein, als die patrizische jugend, die in ausländischen diensten war, das strenge leben zuhause aufbricht. fasnacht entwickelt sich danach zum mehrtätigen treiben, das die säle verlässt und die strassen erobert. Vereine, comitees organisieren jetzt die fasnacht und ziehen guggenmusiken von nah und fern an. mit der alternativbewegung bricht das fasnachtstabu überall. seit 1982 hat sogar bern seine fasnacht!


sogar jean tinguely erwacht während des fasnacht wieder

und mich hats wieder einmal gepackt, das fasnächtlen …

stadtwanderer

closed society

die idee ist spitze! doch das verhalten ist stumpf! irgendwie typisch für das drama einer begabten stadt …


berner fondue tram 2007

seit anfangs jahr kurvt eine trambahn von 1935 durch die berner altstadt. eine nostalgische rundfahrt durch strassen und gassen der stadt bern ist zu haben. familien, freundInnen, arbeitskollegInnen und bekannten wird vom tramverein ein zweistündiger plausch mit fondue und allem drum versprochen!

klar, den stadtwanderer spricht auch sowas an! käse geht ihm über alles, die stadt aus unbekannten winkel zu sehen, ist sein geschäft, – und ein wenig nostalgisch ist er auch!

also nichts wie buchen, denn bald wird er 50!!!

doch weit gefehlt: wer meint, die tolle idee werde auch toll umgesetzt, sieht sich getäuscht.

ausgebucht!, ist die aktion.

noch toller, sagt der stadtwanderer da! spricht dafür, dass man einen volltreffer lanciert hat. entwickeln, ausnutzen, eine tolle welle daraus machen, denkt er sich …

und was macht der tramverein?

keine neuen daten hängt der tramverein nicht ins internet, sondern folgende lapidare mitteilung:

Fondue-Tram 2007
Das Fondue-Tram ist leider schon vollständig ausgebucht.
Bitte nicht mehr anrufen!

den 640 glücklichen, die einen platz ergattert haben, sag ich: “bon apétit!” allen andern fans wünsche ich “bonne chance”: auf dass es bald eine flexibleres marketing für berner stadtattraktivität gibt!

stadtwanderer

ps:
das ist diese woche schon das zweite mal, dass ich dieses muster erlebe. am mittwoch las lukas hartmann im “stauffacher” aus seinem neuen roman: “die letzte nacht der alten zeit”. auch das ein volltreffer! und was teilt mit der “stauffacher”. anmeldung geschlossen, schon genug zuhörerInnen. closed society, denk ich mir, und meinte, der alten zeit habe die letzte stunden schon längst geschlagen.

hütet eure zunge!

wie immer, wenn post aus thun bei mir ankommt, und dem mittelalter gewidmet ist, macht der stadtwanderer eine notiz. diesmal zu den unglaublichen jahresaktivitäten des jungen vereins:


chütet eure tschunge! (quelle: flickr_schoschie)

Haupt-Versammlung, Freitag, 16. Februar 2007, 19.00 Uhr, Venner-Zyro-Turm, Berntorgasse 8a, Thun

“Mittelalter!Thun ist ein Verein. Wie jeder andere Verein auch werden an unserer Hauptversammlung die Jahresrechnung und der Jahresbericht abgenommen. Zudem wählen wir den Vorstand neu und besprechen das Jahresprogramm. Die Haupt-Versammlung ist exklusiv für unsere Mitglieder. Wer es noch nicht ist und trotzdem mitreden möchte, kann uns auch an diesem Abend beitreten.”

und ganz speziell: die neu königin von burgund und der ihr ergebene schultheiss der stadt geben sich die ehre, die mitglieder ganz persönlich zu begrüssen!

Elfen-Night
Disco mit Dress-Code, mit den DJs Jigsaw & Odin, Irish Folk – Celtic Folk – Medieval, Samstag, 17. März 2007, ab 21.30 Uhr, “The Rock”, Burgstrasse 6, Thun

“Schon lange nicht mehr stundenlang fröhlich rumgehüpft? Dann ist unsere Elfen-Night genau das richtige für dich. „Elfen haben doofe Ohren“, heisst es auf provokativen T-Shirts. Ist das wirklich so? Komm in den kleinen, aber feinen Gewölbekeller vom „The Rock“ – und urteile selbst!”

da sage ich yeah!, so viel folk music aus irland, habe ich in den letzten 30 jahren nicht mehr geboten bekommen. meine gedanken an die famosen “the dubliners” und an die klassische familie “clanad” mit ihrer unübertrefflich schönen sängerin werden sofort wieder wach.

Tanzen wie im alten Thun
Samstag, 31. März 2007, 14.00 – 17.00 Uhr, im Rittersaal vom Schloss Thun

“Ein beschwingter Nachmittag in historischem Ambiente für 65.- Franken
Mittelalter!Thun und Adreas Rutschmann laden euch ein zu einem historischen Tanzkurs. Die Teilnehmer/innen lernen fünf Tänze aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Es braucht keinerlei Vorkenntnisse, denn alles wird von Grund auf angeleitet. Andreas Rutschmann hat die mittelalterlichen Tänze vor einigen Jahren wieder in die Schweiz gebracht und versteht es, auf das Wesentliche eines Tanzes einzugehen und die Tanzenden in lockerem, natürlichem Tanzschwung zu halten. Aufspielen zum Tanz wird eine Hand voll Musikanten auf Schalmeyen, Rauschpfeifen, Dudelsäcken, Flöten und Schlagwerk. Interessiert? Dann melde deine Teilnahme bis am 15. März an – eine Antwort-Mail genügt.”

hoppla! doch da der kursleiter schon mal ein rutschmann ist, kann ich wohl auch teilnehmen, und ein wenig rum rutschen, das letzte mal war, glaub ich, im spätmittelalter …

Tafeln wie im alten Thun
Samstag, 31. März 2007, 19.00 – 23.00 Uhr, im Rittersaal vom Schloss Thun

“Erlebe die Geschichte des Mittelalters von seiner genussvollsten Seite!
Lasse dich von ungewöhnlichen Kombinationen der spätmittelalterlichen Küche überraschen und erlebe für 85.- Franken einen gediegenen Abend in historischem Ambiente. Interessiert? Dann melde deine Teilnahme bis am 15. März an – eine Antwort-Mail genügt. Du erhältst nach der Anmeldung eine persönliche Einladung mit Einzahlungsschein.”

ja das ist der höhepunkt des ersten quartals! werde da dabei sein, und den hoffentlich köstlichen wein mit wonne schlürfen, das opulente essen mampfen. bringe nach alter sitte mein messer mit, gabel brauch ich keine, doch löffel sollt ihr selber tischen!

mehr hierzu später, … wie immer, auf diesem kanal!

stadtwanderer

ps:

“hütet eure zunge!”, war ja das motto des heutigen beitrags, – und das hat folgenden grund:

“Hast du etwa auch schon mal über die Schwaben gelästert? Das solltest du nicht wieder tun. Ausser, du willst bei deinem nächsten Aufenthalt im Rittersaal vom Schlossgespenst gemassregelt werden. Denn das steht loyal zu den Erbauern des Thuner Schlosses, dem schwäbischen Fürstengeschlecht der Zähringer. Vielleicht handelt es sich ja beim Schlossgespenst sogar um den Geist des letzten Zähringer Herzogs, dem 1218 verstorbenen Berthold V..
Also hüte deine Zunge!”

LiTeeratur!

ich war ein bisschen in fribourg unterwegs. recherchieren, für meine expansionsabsichten in sachen stadtwandern. doch davon erst später: vorerst will ich vom schmucksten ort berichten, den ich gefunden habe.


eine entdeckung, die dem leben wert gibt …

meine gemischten gefühle

fribourg ist meine geburtsstadt. vor bald 50 jahren kam ich da im trauten kreise meiner familie zur welt. später sagte ich gelegentlich, “auf die welt!”, denn lange waren meine erinnerung gemischt, obwohl wir wegzogen, als ich erst sechs war.

ich empfand fribourg lange als kleinstädtisch. als eng. als doppelbödig. eben, als katholisch! dann wurde ich zur verhassten rekrutenschule aufgeboten: ausgerechnet nach freiburg i.ü.! gottseidank war die kaserne zu klein für meinen jahrgang, und so wurde ich schon am ersten tag verlegt. ich weiss nicht, wie es raus gekommen wäre, hätte ich die 17 wochen in fribourg absolviert.

meine expansionspläne …

heute stehe ich wieder friedlicher zu fribourg. die altstadt hat ihren eigenen charme. sie wirkt urtümlich, gerade im vergleich zu bern! heute sehe ich in fribourg das multikulturelle stärker als früher. das hat mir das auge und den sinn geöffnet.

ich gehe heute gerne über mittag rasch nach fribourg, – eine stunde stadtwandern… und suche material für eine neue stadttour. neuerdings besuche ich auch den freiburger markt: ich liebe die misteln, das gebäck, das fleisch und den käse. und: unvergesslich sind die fondues im gotthard danach …

das liteeratur!

die schönste entdeckung habe ich aber vor kurzem gemacht: das “liteeratur”!

es ist der schmuckster ort der stadt, den ich gegenwärtig kenne. leicht übersieht man es, doch dann staunt man wegen dem schild: “literatur” ist klar, und “tee” ist es auch. doch “liteeratur”?

drinnen wird man angenehm überrascht: kein grosser raum, kein reiches geschäft, und keine anmache zum kaufen! nein, eine kleine sitzgruppe, eine ladentheke (ladenteeke?) mit unendlich vielen sorten feinen kräutern, – und jene menge bücherregale. alles antiquarisch.

man wird nett gegrüsst, bestellt sich einen tee nach seinem geschmack, schmöckert in den den gestellen nach ein paar büchern, die einem interessieren können, und setzt sich hin. man kann schlürfen und lesen solange man will. gerade wenn es so kalt ist, wie momentan, erwärmt man sich gerne im kombinierten laden-salon-antiquariat: einfach friedlich, – und wirklich entspannend!

eine kleine entdeckung, die das leben wertvoll macht …

ich habe zahlreiche entdeckungen gemacht: bücher, die ich noch nie gesehen hatte: zum beispiel, die 150 jahre festschrift des sensebezirkes. schöne bilder, zurückhaltende texte, und viel lustiges über das nebeneinander von christen- und heidentum! ich bin in einer unaufgeräumten kiste auch auf den letztling meines früheren lehrers, erich gruner, gestossen. seine monumentale “geschichte der familie” lag da einfach rum. ich glaub, die wollte niemand mehr verlegen. eine berner buchhandlung an der münstergasse hats dann quasi ihm zuliebe gemacht, – und jetzt habe ich es ausgerechnet in fribourg gefunden. der stadt meiner familie …

es bleibt immer wieder eine spezielle entdeckung, dieses fribourg!

stadtwanderer

LiTeeratur

das grosse treffen in hauterive

1122 wurde der epochale streit zwischen dem papst und dem kaiser zur einsetzung der bischöfe förmlich beigelegt. doch damit begannen die umsetzungsprobleme erst, die 1156 ihren dramatischen höhepunkt im zisterzienserkloster hauterive kannten. der stadtwanderer hat an ort und stelle ein wenig luft geschnappt, – und sich erinnert!


das transjoranische hochburgund war das einfallstor der herzöge von burgund auf ihrem drang nach süden. hier das tor beim eintritt ins heutige kloster hauterive (foto: stadtwanderer, anclickbar)

das rektorat der zähringer über burgund

kaiser heinrich v., der dem konkordat von worms 1122 zugestimmt hatte, um den frieden mit dem papst in sachen investitur der bischöfe zu ermöglichen, war danach kein langes leben mehr beschieden. 1125 starb er; ohne einen männlichen nachfahren hinterlassen zu haben. sein nachfolger als kaiser wurde lothar, ein sachse aus supplingenburg, der eine papsttreue politik verfolgte, und im südwesten seines reiches die zähringer herzöge gegen seinen grössten widersachen, conrad von hohenstaufen, herzog von schwaben stützte. der anführer des hauses zähringen, ebenfalls conrad mit namen, wurde 1127 nicht nur herzog von zähringen, sondern auch rektor des burgunds und der provence.

das ganze war jedoch nicht mehr als ein titel. einen realen rückhalt unter den burgundischen feudalherren hatten man damit noch nicht. vor allem der graf von genf war gar nicht erpicht, einen neuen herrscher über sich zu haben. er berief sich dabei auf kaiser heinrich IV., der den genfer garantiert hatte, niemanden ausser dem kaiser selber über sich dulden zu müssen. und der genfer graf war einer der profiteure des wormser konkordat. die weltlichen teile der bischöflichen diözesen, die dem kaiser gehörten, wurden als vogteien organisiert. vogt nicht nur über die genfer regalien des dortigen bischofs, sondern auch über jenes des bischofs von lausanne war der genfer graf aymon geworden.

in lausanne war das verhältnis zwischen bischof und seinem vogt gespannt, sodass der bischof schnell zum äussersten entschlossen war: er bannte den grafen aus der katholischen kirche, und verdrängte ihre aus seinem umfeld. aymons nachfolger, graf amédée I., verhielt sich aber noch dreister: er schleifte die bischöfliche burg in lucens. dafür baut er demonstrativ vor den toren der stadt eine neue burg, mit der er signalisierte, dass er statt dem bischof von lausanne aus über das broyetal herrschen wollte.

in den schwelenden konflikt griff erstmals der rektor des burgunds, herzog conrad von zähringen, ein. er stellte sich ganz auf die seite des bischofs, womit er sich die dauernde feindschaft des genfer grafen einhandelte. 1131 kam es in payerne zum kräftemessen zwischen beiden, bei dem der zähringer militärisch siegte. was danach geschah, ist wenig bekannt. eine hohe zeit für den lausanner bischof war es aber sicher nicht. seiner weltlichen macht beraubt, war er nicht mehr der gleiche feudalherr; und der streitenden adel rund herum vereinfachte die lage auch nicht.


klostergründungen des zisterzienserordens brachten nach dem investiturstreit neuen bewegung in die hochmittelalterliche gesellschaft; hier das neuaufgebaute kloster von hauterive im überblick (foto: stadtwanderer, anclickbar)

der aufschwung der katholischen kirche mit der zisterzienserbewegung

potenziert wurde der streit durch die schenkung des seignieurs von glâne, welche dieser vor seinem tod dem aufstrebenden zisterzienserorden von bernard de clairvaux machte: in hauterive an der sarine wurde zwischen die beiden kampfparteien ein brückenkopf der kirche gebaut, den der bischof von lausanne und der papst in rom 1138 anerkannten.

mit den zisterziensern kam auch neuer schwung nach lausanne. amedee de clermont, ein gebildeter mönch und schüler von bernard de clairvaux, wurde neuer bischof von lausanne. er konnte sich nicht nur auf das aufstrebende hauterive stützen. er arrangierte sich auch mit dem hause savoyen gegen die genfer grafen. schliesslich fand er auch rasch die anerkennung des neuen königs, condrad III. aus dem hause staufen, der die dynastiebildung von kaiser lothar erfolgreich unterlaufen hatte.


die macht über die klöster bedeutet bis ins 12. jahrhundert auch die macht über den ländlichen raum; hier die strenge klosterarchitektur als symbol der herrschaft (foto: stadtwanderer, anclickbar)

der potenziert konflikt

damit meldeten schon drei regionale fürsten ihren anspruch auf eine vorherrschaft über hochburgund an:

der herzog von zähringen, formell in der besten position,
der bischof von lausanne, neu durch die zisterzienser gestützt, und
der graf von genf, militärisch unterlegener, aber nicht definitiv besiegter.

die lage war gespannt!


kaiser friedrich I. entschied die gespannte lage im transjoranischen hochburgund, indem er es zur provinz erklärte und sein “sacer imperium” in der bischofsstadt besançon ausrief; hier der geheimnisvolle klosterhof von hauterive (foto: stadtwanderer, anclickbar)

kaiser friedrich I., barbarossa, als matchwinner

alles schien vorerst auf den lausanner bischof zuzulaufen. kirchlich gesehen profitierte er von der zisterzienserbewegung. diese war, wegen ihres engagement in den kreuzzügen für jeden kaiseraspiranten unentbehrlich. das wusste auch bischof amédée,- der vorerst wie der sieger in dreikampf aussah.

1152, als friedrich I., später barbarossa genannt, neuer könig mit kaiserambitionen wurde, schloss sich amédée dem spross aus der hohenstaufdynastie sofort als ergebener vasall an. er wirkte aktiv mit, als sich friedrich mit dem papst balgte, und seinen reichsteil zum imperium sacer, zum “heiligen reich” erhob.

der eine seiner gegenspieler im transjoranischen hochburgund war berchtold iv., ebenfalls seit 1152 herzog von zähringen und inhaber des titels eines rektors von burgund. diesen liess der gekrönte kaiser friedrich jedoch bald links liegen, als er sich mit beatrix von burgund vermählte, und so das zentrum hochburgund auf die andere seite des juras nach besançon verlegte.

das erachtete der genfer graf für den geeignetesten moment, gegen seine früheren widersacher vorzugehen. er organisierte in lausanne einen aufstand der bürgerschaft, die in gespanntem verhältnis zu ihrem mächtigen bischof lebte. der anschlag auf den bischof war blutig, selber wenn bischof amédée überlebte. er musste indessen lausanne verlassen und suchte in moudon unterschlupf. die bewohner der kleinstadt verweigern ihm diesen jedoch, sodass er sich nach hautrive ins kloster begeben musste.

hier kam es zum grossen treffen. der bedrohte bischof musste die weltliche herrschaft des herzogs definitiv anerkennen. die militärische macht, sich selber verteidigen zu können, fehlte ihm. für die zähringer war das auch ein kleiner sieg. erstmals reichte ihr einfluss, nicht nur titelmässig, sondern auch faktisch bis nach lausanne. man kann die bedeutsame begegnung in hauterive auch als wende in der beziehung zwischen lausanne und zähringen bezeichnen.

dem bedrohten bischof gelang es nur dank unterstützung von berchtold iv. nach lausanne zurückzukehren. damit verlor er gleich doppelt: berchtold war jetzt auch in lausanne präsent, und der bürgerschaft musste der bischof erstmals schriftlich festgehaltene freiheiten einräumen. damit verlor er gleich ein zweites mal: nicht nur die zähringische oberherrschaft in weltlichen fragen hatte er akzeptieren müssen, auch die weltliche eigenständigkeit der bürger unterhalb seines bischofshügels zeichnete sich ab!


die provinzialisierung des transjoranischen hochburgunds oeffnete der städtegründungsbewegung den weg, hier der vorplatz auf des klosters hauterive (foto: stadtwanderer, acnlickbar)

der wendepunkt von der kloster- zu stadtwelt

das treffen in hauterive war also der wendepunkt im wiederaufstieg des lausanner bischofs nach regelung des investiturstreits. sein durchstarten als mächtiger feudalherr über seine diözese, die von alpennordhang über aare bis an den jurasüdfuss reichte, misslang. für die römische kurie sollte der lausanner bischof weiterhin von grösster wichtigkeit sein. als feudalherr war seine zeit vorbei.

verlierer war in diesem streit zwischen den feudalherren das ganze transjoranischen hochburgund. das machtzentrum verlagerte sich mitte des 12. jahrhundert nach besançon und in die franche comté. dies kannte keine kampf der lokalmatadoren um herrschaft über zeit und ewigkeit der einfachen untertanen. deshalb blieb die freigraftschaft als einheitliches herrschaftsgebiet bestehen, während im arc lémanique und auf dem plateau der kleinkrieg der herzöge, grafen und barone noch im ganzen 12. jahrhundert andauern sollte.

die einzigen gewinner dieses streits waren die zahlreichen städte, die neu entstanden war, ursprünglich um die machte der feudalherren zu sicher. wie das beispiel von lausanne zeigt, zeugte diese damit die zelle, die sie ablösen sollte. rue und freiburg markierten rund um hautrive als erstes den übergang von der kloster- zu stadtwelt. die zähringischen gründungen rechts der aare, die savoyischen links davon sollten noch folgen, und den charakter des hochburgundischen gebietes auf unserer seite des juras nachhaltig verändern.

daran erinnert man sich in hauterive kaum mehr, auch wenn es der dort der epochalen wende symbolisiert.

stadtwanderer

hauslehrer hofmeister hegel

wem ist hegel kein begriff? der schlage unter georg wilhelm friedrich hegel, 1777-1831, nach. und mache eine erstaunliche entdeckung: der grosse philosoph des deutschen idealismus lebte von 1793 bis 1796 als hauslehrer der familie von steiger in bern und in tschugg. eine erkundungsreise des stadtwanderers, was er dabei trieb und wie es ihm erging.


junkerngasse 51: das traditionsreiche haus der von steigers 1793-1806, den hausherren von georg hegel, während seinen berner jahren als hauslehrer (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

der revolutionäre funke


am 20. september 1793 bestand hegel das abschlussexamen in tübingen. dort hatte er am “stift” theologie studiert. als georg mit dem studium angefangen hatte, war die pariser bastille gestürmt worden; volksaufstände erschütterten das land, der kampf gegen den adel und dessen feudalsystem begann, frankreich zu erschüttern. die menschenrechte wurden erklärt. die nationalversammlung tagte, und die bürgerInnen übernahmen die herrschaft.

auf den jungen studenten wirkte das faszinierend. georg schloss sich einer verbindung von kommilitionen an, die sich als revolutionäre verstanden, ja, selbst jakobiner nannten sie sich, noch bevor der könig hingerichtet, und die republikanische verfassung in kraft trat. doch damit war man noch lange nicht am ende. die montagnards, die revolutionären hinterbänkler in der nationalversammlung übernahmen die macht, und stützten die gemässigten girondisten; die aufstände der bauern beginnen sich gegen die revolutionäre selber zu wenden.

georg hegel beendete in diesen tagen sein studium der theologie. er geht nach stuttgart, um sich bei seinen eltern zu erholen. fast wäre sein theologisches studium wertlos geworden. denn am 7. november 1793 überstürzen sich die ereignisse in paris: der konvent erklärt das christentum für abgeschafft! man ersetzt den gregorianischen kalender mit all den katholischen feiertagen durch den revolutionären. es lebe das fest der vernunft, ruft man in paris aus.

derweil befand sich georg hegel auf dem weg nach bern. in stuttgart hatte ihm der wirt seine lieblingswirtschaft eine stelle vermacht. hauslehrer sollte er werden; aber bei einem partizier!

immerhin war man allseits protestantisch, lutheraner der deutsche student, reformiert der dragonerhauptmann, bei dem hegel einheurte. die förderung der bildung beider kinder des hauses wurde ihm für drei volle jahre übertragen. im winter würde man in der stadt leben, an der soeben erworbenen junkerngasse 51; im sommer aber würde man auf der campagne der familie in tschugg sein, die man geerbt hatte. da würde hegel hofmeister sein, – und er würde genügend zeit für sein selbststudium haben.


steigerhaus: campagne der von steigers, in der georg hegel im sommer als hofmeister lebte (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

die geistige nahrung


3841 bände umfasste die bibliothek der familie von steiger. mit dem amtierenden schultheissen war man nicht direkt verwandt; aber man kannte sich allseits, in der kleinen hauptstadt der republik. das meiste an büchern im steigerhaus war zur politischen philosophie aus der antike und aus dem mittelalter. der grossvater von karl friedrich, dem hausherren, war der erste berner schultheiss aus der familie und hatte sich interessiert resp. engagiert; der bestand hielt den vergleich mit jeder anderen privatbibliothek auf diesem gebiet aus.

hegels anwesenheit im patrizischen bern entbehrte nicht einer gewissen ironie. in der familie von karl friedrich von steiger war man zwar für neue, liberale ideen einigermassen offen. man kannte die kritiken am bestehenden system. doch blieb kein zweifel, dass man selber ein zentraler teil des alten, konservativen systems war, von dem auch der junge hegel schlecht, aber gerade recht profitierte.

kam war hegel in bern, spürte er seinen widerstand gegen die lokale aristokratie. er schloss sich gedanklich bald den waadtländischen oppositionellen an. so übersetzte er die schriften von jean-jacques cart ins deutsche und versah sie mit einem wohlwollenden kommentar. eine regelrechte abrechnung mit der berner oligarchie war das!

doch hegel sagte in seinem herrenhaus niemand nichts davon; erst 1798, als die französischen truppen das ancien régime gestürzt hatten, wurde das buch gedruckt, – und über 100 jahre blieb unerkannt, wer und wo die übersetzung besorgt und die kommentare verfasst hatte.

einer der aufkommenden politiker war hegel nicht. er war eigentlich immer noch student. er wollte professor werden. doch fehlte ihm dazu das geld; viel verdient hatte er mit seiner famosen anstellung nicht, jedenfalls würde es nicht reichen, um eine universitätskarriere anzustreben.

dafür las der student umso mehr. ausgiebig war das studium von montesquieus “esprit des loix”, aber auch die denker der naturphilosophie, der politischen philosophie und der aufkommenden ökonomischen und sozialen fragen wie grotius, hobbes, hume, leibniz, locke, macchiavelli, rousseau, spinoza, thucydides und voltaire gehörten zum stoff, von dem hegel nun lebte.

zwischenzeitlich war die revolution in frankreich, mit dem man in bern auf vielfältige art und weise verbunden war, nicht still gestanden. danton, der warnende revolutionär, war guillotiniert worden; danach war robespierre zum eigentlichen diktator aufgestiegen, – bis auch er von den revolutionären hingerichtet wurde. danach lage der konvent in den letzten zügen.


die alpen: hegels sehnsucht im sommer 1796 (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

die selbstzweifel

hegel genügte das leben auf der tschugger campagne bald nicht mehr. im sommer 1795 verschaffte er sich erstmals abwechslung von seinem leben als hofmeister. er reiste nach genf, das sich der revolution angeschlossen hatte. das gab dem jungen philosophen auftrieb, denn im sommerlichen tschugg plagten ihn selbstzweifel. angesichts des lebens bei den verhassten aristokraten soll er bisweilen zynisch, bisweilen auch depressiv gewesen sein.

im winterlichen bern gefiel es hegel besser; er hatte anschluss gefunden an intellektuelle kreise. nach dem besuch von des philosophen johann gottlieb fichte 1793 in der hauptstadt der alten republik hatte sich unter der leitung des schriftsteller johannes baggesen ein diskussionszirkel zusammengefunden, der die prinzipien der französischen revolution und ihre folgen für theologie und philosophie behandelte. kontakte ergaben sich so auch zum “politischen institut” der berner akadamie, an dem die kantianer joseph ith und philip albert stapfer unterrichteten. besonders befreundet war hegel damals mit dem maler sonnenschein, ebenfalls am politischen institut tätig.

1796 überbrückte hegel den sommer in tschugg mit einer ausgedehnten reise ins berner oberland, von der er in seinem tagebuch ausführlich berichtete. schliesslich nutze er seine kontakte mit ehemaligen kommilitonen und mit jungen autoren wie hölderlin und schelling, die er sich im briefwechsel erarbeitet hatte, um seine rückkehr nach deutschland vorzubereiten.


tschugg heute: der philosophische garten als teil einer klinik (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

die revolution ist tot, ihr geist aber lebt weiter

die revolution in frankreich hatte zwischenzeitlich ein neues, bürgerliches gesicht erhalten. es regierte das direktorium in paris. ihm stand der mächtige rat der 500 gegenüber. und dieser wusste, dass man im krieg, in dem man sich mit der aristokratischen opposition befand, nur dank den armee überleben würde. und hatte sich vor allem einer empfohlen: nabulione buonaparte, der korse, der auf den feldern der artillerie und der politik von sieg zu sieg eilte, und die verbliebene revolution jetzt mehr stützte als hegel.

im oktober 1796 verliess hegel, reich an eindrücken aus der steiger-bibliothek, seine stelle als hofmeister und hauslehrer in der bernischen repubik. der tod seines vaters nach seiner übersiedlung nach frankfurt vermachte hegel ein kleines vermögen, mit dem er seine promotion berappen konnte. seine beispielslose karriere solle mit der eines philosophieprofessors in berlin enden. unterbrochen wurde sie aber in jena, wo hegel eine vorläufige stelle als professor angenommen hatte. 1806 beendete er seine phänomenologie des geistes mit dem besuch des einzugs französischer truppen in die stadt. vor dem chaos, das jetzt entstand, verzog er sich aber nach bamberg, nürnberg und heidelberg, bis er endlich als nachfolger von fichte 1818 nach berlin berufen wurde.

der hauslehrer von bern war nun zum populären universitätslehrer georg wilhelm friedrich hegel avanciert. der unterrichte keine kinder mehr, und der hatte auch seine selbstzweifel abgelegt. er war jetzt der öffentliche star des preussischen staates, dessen jugend und staatsbeamte er in philosophischen fragen beriet. mit dem weltgeist der dragonerpferde hatte er sich zwischenzeitlich arrangiert.

der revolutionäre geist, den die bibliothek von tschugg im doktoranden hegel genährt hatte, entzündete sich erst dessen tod wieder: karl marx, der linkshegelianer unter den deutschen philosophen, nahm den faden auf, und berief sich ausdrücklich auf die politische theorien, die hegel auf der berner campagne eher heimlich als öffentlich entwickelt hatte. nur musste man sie zuerst noch vom kopf auf die füsse stellen, das heisst von der theorie in die praxis überführen!

stadtwanderer

ligerz: vielfach speziell!

strahlende sonne! silberner see! und überraschende geschichten! das bekam man an diesem wochenende zuhauf: ganz besonders in ligerz!


fotos: stadtwanderer (anclickbar)

speziell schmal

nach ligerz kommt man beispielsweise über den see, – den bielersee. seit er im 19. jahrhundert gesenkt wurde, ist er berechenbarer. denn er reicht nicht mehr ganz ans strassendorf. bahn und autos danken es ihm. denn so haben sie etwas platz bekommen, um zwischen wasser und wein durchzudonnern. ligerz hat seither sogar einen kleinen bahnhof, doch halten die meisten züge hier nicht: tagsüber ist sind es die personenkombis von zürich über biel nach genf, und während der nacht ist es der güterverkehr, der hier die ruhe bricht.

viel platz hat ligerz dennoch nicht. der weg durchs dorf ist meist nicht mehr als 2 meter breit. zwei häusserreihen kleben förmlich daran und formen enge gassen: ein haus zeigt jeweils zum see, das andere zum berg. 500 menschen leben hier auf engstem raum; fast alle sprechen heute deutsch. gléresse, wie ligerz auf französisch heisst, ist seit dem 19. jahrhundert fast ganz in vergessenheit geraten.

das leben in ligerz findet auf engstem raum statt. aber es ist detailreich: weinfässer und kellertüren verdeutlichen einem das wirtschaftsleben; misteln und plakate symbolisieren den einfluss der tradition und der moderne, sowie zerfallene wie auch renovierte hausfassenden erinnern einen selbst hier dann die unaufhaltsam gewordene zeit.

schmal, speziell schmal ist hier alles, was eigentlich platz bräuchte. es ist so eng, dass der name des zentralen restaurants fast etwas komisch wirkt: “hotel kreuz”, heisst es, und man stellt sich unweigerlich jesus vor, am kreuz, die arme jedoch eng angewinkelt und nicht weit ausgestreckt. was für eine vorstellung!

über dem dorf ist der weinberg! und mitten drin steht die kirche. sie ist die gewinnerin der höhe: sie ragt auf dem hügel. sie überblickt die schäfchen. und sie beherscht die wege auf land und wasser. eine steile strasse führt hinauf. noch steiler ist in ligerz nur noch die kleine bergbahn, die nach schernelz geht, der siedlung auf dem plateau weit oben am hang, das zu ligerz gehört.


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speziell hoch

heute ist das eine speziell schöne wohnlage. früher sass dort ein seignieur, – zu deutsch freiherr. “festi” nannte man seine burg; heute ist das noch ein flurname. bezeugt ist die seignieurie seit den 1230er jahren, als man angesichts der zerfallenden macht im kaiserreich überall daran ging, den lokalen handel durch eine eigene obrigkeit zu sichern.

massgeblich im gebiet von gléresse waren die grafen von neuenburg, die nachfolger der herren von fenis, die auf der anderen seite des bielersees residiert. im 14. jahrhundert wurden sie vielfach geschwächt; neuenburg, und die von ihnen abhängigen orte kamen in den einflussbereich der aufstrebenden stadt bern.

die sepziellste persönlichkeit der freiherrenzeit ist heinrich. “von ligerz” hiess er, als er der weltlichen macht entsagte und ins benediktinerkloster in st. johannsen bei erlach eintratt. 1324 ging er nach einsiedeln, wo er rasch zum thesaurar des klosters aufstieg. er war damit für alles zuständig, was heilig war.

seinen grössten rückschlag erlebte heinrich 1354: zwar besuchte karl iv., der spätere kaiser aus dem hause luxemburg-böhmen, das kloster. doch der könig nicht in friedlicher absicht: die eidgenossenschaft, die sich zwischen den waldstätten sowie den städten zürich und bern angesichts der pestkrise gebildet hatte, war ihm ein antifeudaler dorn im auge. er strebte die restaurierung der hergebrachten verhältnisse an, – und betätigte sich als eifriger sammler von reliquien. solche nahm er von einsiedeln, wo er residierte, in grosser zahl mit nach prag. ausgerechnet heinrich von ligerz musste ihm die kostbarkeiten übergeben!


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speziell farbig

seit 1385 machte sich der eidgenössische einfluss breit. mit dem stanser verkommnis nahm diese gestalt an, und gewährte den bauern den freikauf von der leibeigenschaft, die in ligerz noch gegenüber dem basler bischof bestand. das ende der feudalherrschaft war damit gekommen, ausburger von biel und bern war man jetzt! 1551 erwarb das reformierte bern alle rechte in ligerz, vereinheitlichte die komplizierten unterstellungen ganz und vermachte das städtchen dem landvogt von nidau, der die bestehenden rechte am markt, an der fischerei und den steuereinnahmen bestätigte.

nun setzte die grosse zeit der rebbesitzer ein, – den einheimischen und den auswärtigen. ligerz wurde so zu einer frühen riviera. sonne und wein, see und schwein gab es hier in mengen. und das zog das städtische patriziat an. selbst familien wie die patrizier von wattenwyl besassen in gléresse stattliche herbsthäuser.


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speziell mobil

1803 kam ligerz ganz zum amt nidau; 1834 wurde es bernische gemeinde, und seit 1848 gehört man zur schweizerischen eidgenossenschaft. mit dem modernen staat setzte auch die verkehrserschliessung ein. bis dahin war man fast nur über den see erreichbar gewesen. die pontonniere in ligerz erinnern heute noch daran.

in den 1830er jahren wurde die bielerseestrase eröffnet, was leider unüberhörbar geworden ist. und in den 1850er jahren kam die besagte bahn zwischen biel und neuenburg hinzu. gottseidank, kann man für das unterdorf sagen, ist die heutige autobahn untertunnelt worden: das hätte ligerz sonst womöglich ganz platt gedrückt.

man dankt es als reisender, wenn man in ligerz ist. der schafiser im “kreuz” mundet uns auch ohne die angeschriebene, aber ausgegangene treberwurst ausgezeichnet, – und leicht erheitert spaziert man gerne noch ein wenig am see, geniesst die untergehende sonne, die sich silbern im wasser spiegelt.


foto: stadtwanderer (anclickbar)

speziell für ligerz

hier es wird ausgesprochen schnell ruhig, sodass man in gedanken über den see schwebt – bis zur vorgelagerten petersinsel.

so entsteht doch noch weite – in ligerz etwas ganz spezielles!

die konsorten des reiches

natürlich haben sie es alle vergessen. der “spiegel” erfindet wieder mal den deutschen, und die italiener stehen im banne des abgesetzten berlusconi, der sich öffentlich für seine flegelahften eskapaden bei seiner frau entschuldigen muss. die schweizer schliesslich sind damit beschäftigt, was die gründe für den swissair absturz waren.

der stadtwanderer scheint einmal mehr der einzig zu sein, der sich der historischen bedeutung des tages bewusst ist: am 2. februar 962, heute vor 1045 jahren, wurde otto I., der sachse, der könig von ostfranken war, zum neuen kaiser des römischen reiches gekrönt.

doch nicht nur: seine frau, adelheid, königin der lombardei, wurde gleichzeitig zur kaiserin erhoben. westeuropa hatte mit ihr erstmals eine kaiserin, die dem kaiser gleichgestellt war. denn adelheid war die consors regni. zusammen waren sie die konsorten des neuen römischen reiches!


die razzien der magyaren nach konstantinopel, rom und ins untergehende fränkische reich im 10. jahrhundert

unruhige zeiten im zerfallen frankenreich

476 wurde der letzte weströmische kaiser in die verbannung geschickt. anders als im osten, in konstantinopel, später byzanz genannt, gab es im westen danach keinen kaiser mehr. erst im jahre 800, als der fränkische könig karl in rom zum kaiser gekrönt worden war, kam der übergeordnete reichsgedanke zurück in den westen. er hielt sich aber nur 87 jahre; dann stürzten die franken karl III., den letzten legitimen nachfahren karls, der die kaiserkrone inne gehabt hatte, gleich selber. von da an war nicht mehr klar, wer kaiser werden würde. verschiedenen lokalen machthabern gelang es immer wieder, von neuem ein kaiserreich zu begründen, das diesen namen allerdings nicht mehr verdiente. und die zeiten waren unsicher im zerfallenen frankenreich: zuerst die normannen im westfränkischen teilreich, dann die sarazenen im mittelmeergebiet und schliesslich die magyaren im osten verunsicherten das leben nachhaltig.


der sachsenkönig otto I. besiegt mit den franken, schwaben und bayern die magyaren bei der schlacht auf dem lechfeld am 10. august 955

ottos aufstieg zum soldatenkaiser

otto I. gelang es als erstem, im osten wieder einigermassen für ruhe zu sorgen. vor allem magyaren hatten von ottos vater heinrich 933 eine erste, von otto selber 955 eine zweite lektion in kriegsführung erhalten. sie sollten sich in der pannonischen ebene niederlassen, und einen vasallenstaat ottos aufzubauen. und auch die sarazennen hatte otto namentlich in burgund, gemeinsam mit könig conrad, den er erzogen hatten, zurückgedrängt.

otto galt den zeitgenossen als imperator; sicher war er der soldatkaiser; vielleicht war er auch schon der neue caesar. aber zum erhabenen war er nicht geworden.


landnahme der besiegten magyaren in der pannonischen ebene

unterschiede im fränkischen und lombardischen reich

otto hatte nach 955 die zeit genutzt, weniger mit dem schwert, dafür mehr mit den bischöfen nördlich der alpen zu regieren. sein reichskirchensystem diente der christianisierung der germanischen bevölkerung; es sicherte ihm aber auch die macht in friedenszeiten. eine einflussreichen adel ausserhalb der königssippe gab es damals noch kaum.

in italien waren die verhältnisse anders. der papst hatte den untergang des römischen reiches überlebt, und seinen eigenen kirchenstaat zwischen rom und ravenna aufgebaut. rundherum hatten sich die langobarden breit gemacht. überall gab es unter ihren nachfahren einen adel, der einflussreich war und die herzogtümer resp. markgrafschaften nach eigenem gutdünken besetze.


die lombardische königin adelheid heiratet in pavia den ostfränkischen könig otto I (bilder aus dem fernsehfilm “theophanu”)

adelheids aufstieg in der lombardei

diese welt wiederum kannte adelheid. sie war eine prinzessin aus hochburgund gewesen, wurde aber zur lombardischen königin. anders als bei den franken war sie damit nicht nur staffage neben dem könig. vielmehr regierte sie mit. und nach langobardischem recht war sie, im todesfalle des königs, die alleinige erbin des königreichs, die mit ihrer heirat bestimmen konnte wer, neuer könig sein sollte.

951 hatte sich adelheid, die 19jährige, die wegen eines anschlages auf ihren mann, könig lothar, schon witwe war, für eine ehe mit otto I., den ostfränkischen könig entschieden. dank ihr war er nicht nur lombardischer könig geworden; er hatte so auch eine wichtige voraussetzung geschaffen, der neue kaiser zu werden.

doch ottos macht in italien war schwach. der papst verhielt sich reserviert, und der adel hatte sich dem markgrafen berengar II., dessen vater mal “kaiser” gewesen war, verschanzt. so war otto auf biegen und brechen auf adelheid und ihre reichtümer in italien angewiesen, wenn er bis nach rom wollte, um sich zum kaiser erheben zu lassen.


die kaiserkrone der ottonen

die salbung und krönung in rom

das powerduo würde man heute sagen, die konsorten, wie man sie damals nannte, machten sich 961 tatsächlich auf, die kaiserkrone zu empfangen. im januar 962 war man in pavia, der alten königsstadt der lombardei, in der adelheid schon einmal gelebt und regiert hatte, angekommen.

zuerst musste man kräftig aufräumen, und signale setzten: die urkunden, die otto ausstellte, machten klar, wer hier regierte: die ganze ottonische familie, das heisst der könig u n d die königin, in deren namen er das neue recht sprach.

an maria lichtmess wollte man gemeinsam in rom sein. tatsächlich war der 2. februar 962 ein sonntag, an dem man von papst johannes XII. in der alten kaiserstadt empfangen werden wollte.

die eigentliche zeremonmie war gleich am ersten tag in der peterskirch: zuerst wurde otto gesalbt, dann gekrönt. und gleich anschliessend widerfuhr adelheid das gleiche.


die verhandlungen zwischen papst johannes XII. und kaiser otto I.

der kampf der theokraten

die tage danach waren verhandlungen gewidmet. der kaiser wollten bei der künftigen ernennung der päpste beteiligt sein; wenigstens bestätigt werden sollten die nachfolger petri durch das oberhaupt des reiches. alles andere wäre für otto nicht in frage gekommen. denn nördlich der alpen setzte er als könig die bischöfe ein; weshalb sollte er als kaiser deshalb den obersten bischof, den reichsbischof nicht bestimmen dürfen. der papst akzeptierte schliesslich, verlangte aber garantien für seinen kirchenstaat.

adelheid wusste, dass otto damit schwierigkeiten bekommen würde. sie hatte ihn gewarnt, war aber nicht durchgedrungen: der papst war es seit dem untergang des römischen reiches der antike nicht mehr gewohnt gewesen, jemanden über sich zu haben. er selber verstand sich als herrschender theokrat. er war der pontifex maximus, der grosse brückenbauer. kaiser brauchte er eher als feldherren, um die flussläufe zu sichern. einen zweiten theokraten, wie sich otto verstand, brauchte der papst nicht.

am valentinstag verliessen kaiser otto und kaiserin adelheid rom, um nach pavia zurückzukehren. doch der aufenthalt in der lombardei dauerte nicht lange: denn papst johannes XII. spielte ein doppelspiel.


der alte petersdom mit der basilika von kaiser konstantin

der kirchenstaat und seine günstlinge wehren sich

nachdem das kaiserpaar weg war, liess papst johannes XII. umgehend berengars sohn, adalbert, herzog von spoleto, der den opponierenden adel organisiert hatte, in seine stadt.

kaiser otto zürnte!

er kehrte gleich nach rom zurück, liess die bischöfe des reichs nördlich und südlich der alpen zu einer synode zusammenkommen, welche johannes als papst absetzte, und leo VIII. einsetzte, der den segen des kaisers hatte.

johannes wurde mit den denkwürdigen worten verurteilt: “Wisset also, dass ihr nicht von wenigen, sondern von allen Geistlichen wie Weltlichen angeklagt seid des Mordes, des Meineids, des Kirchenfrevels, der Unzucht mit Verwandten und mit zwei Schwestern”.

doch johannes gab nicht auf; noch bevor er starb, setzte er seinerseits leo als papast ab, und bestimmte benedikt V. zu seinem eigenen nachfolger.

dem gedehmütigten kaiser otto blieb nichts anderes übrig, als wieder nach rom zu kommen, benedikt ganz in den norden seines reiches, nach hamburg, zu verbannen, und leo erneut als nachfolge petri zu bestätigen.

das neue römische reich war zwar geboren, doch wurden geburtsfehler sichtbar: die ottonen strebten nach einer theokratischen herrschaft wie der kaiser in byzanz, doch der papst wollte davon nichts wissen.


die krönung von otto und adelheid zum kaiser und kaiserin des neuen römischen reiches

die konsorten des reiches: nur gemeinsam stark

965 erst konnten otto und adelheid die alpen überqueren, um sich in den wichigen bischofsstädten des norden, schliesslich auch in sachsen, seiner heimat als neuer kaiser feiern zu lassen.

immer aber war kaiserin adelheid an ottos seite. ohne sie wäre otto wohl nie könig der lombardei geworden. und ohne sie wäre er wohl auch nicht bis rom vorgelassen worden. und ganz sicher hätte er, ohne ihre vermittlung mit dem italienischen adel, die turbulenzen zwischen rom und pavia nicht überlebt. und das wusste er nun genau: nur dank seiner kaiserin aus der lateinischen welt konnte er sich als kaiser bei den germanen halten. denn sie waren nur gemeinsam die konsorten des neuen römischen reiches.

man vergisst das gerade heute noch am wenigstens in italien, wo frau berlusconi ihren mann öffentlich massregelt. man weiss es aber kaum mehr in deutschland, wo das männliche verständnis des kaisertums schon hundert jahre nach otto und adelheid überhand nahm. und man erinnert sich gar nicht mehr in der schweiz, weil man dem reich nichts zu tun haben will.

ausser dass der stadtwanderer unverändert zu seiner burgunderin adelheid, die aus bümpliz stammen könnte, steht.

stadtwanderer

sabotage beim “stadtwanderer”?

da wollte ich normal arbeiten, – endlich meine pendenzen aufarbeiten und mich dem “stadtwanderer” ein wenig widmen. doch genau dann geschah es: die stadt bern sabotierte das schaffen “ihres” stadtwanderers! dieser entschuldigt sich bei der interessierten leserschaft, die deshalb keinen zugang zu seinem blog mehr hatte.


nicht unterbelichtet, sondern ganz ohne strom (foto: stadtwanderer, anclickbar)

seit dieser woche wird der berner bahnhofplatz umgebaut. über den ellenlangen streit hierzu habe ich ja berichtet. eigentlich habe ich mich gefreut, dass sich die vernunft durchgesetzt hat und der zentrale platz endlich umgestaltet wird. nicht nur wegen der euro08 verspreche ich mir da vorteile!

doch jetzt ist der fehlstart perfekt: die bagger der stadtregierung, die zugunsten eines raschen umbaus dampf macht, haben schon am fünften tag für das erste desaster gesorgt: wasserleitungsbruch, durch den mehrere gassen in de nähe des hauptbahnhofes überschwemmt worden sind.

aus sicherheitsgründen, aber ohne jede vorwarnung!!!, wurde einfach der strom abgeschaltet, wie stadtingenieur hampi wyss auf anfrage sagte. und er fügte gegenüber ap bei: “Zum Wasserleitungsbruch an der Schwanengasse war es kurz vor 10.00 Uhr gekommen. Er stand in Zusammenhang mit den derzeit laufenden Bauarbeiten für den neuen Bahnhofplatz. Die genaue Ursache müsse aber noch eruiert werden.”

keine geregelte arbeit, nicht einmal mein freizeit vergnüngen waren mehr möglich: draussen ein wasserstrom, drinnen dafür keinen elektrischen strom!

wäre ich wandern gegangen, hätte es nur nasse waden gegeben, und wäre ich drinnen geblieben, hätte ich nicht einmal mehr zugang zum “stadtwanderer” gehabt: was nur habe ich habe ich in dieser auswegslosen situation getan?

sorry auf jeden fall, für alle unannehmlichkeiten, die man weltweit deswegen hatte …

stadtwanderer

PS:
dem vernehmen nach sind andere noch schlimmer betroffen worden, am ärgsten “Präsenz Schweiz”, die stelle die geschaffen wurde, um das bild des landes im ausland zu verbessern, wenn die schweiz angegriffen wird. die angestellten unserer staatlichen pr-agentur sind echt nicht zu beneiden: von oben werden sie mit dem tourismus fusioniert (!!!), und von unter werden sie von den bauarbeiten für die euro08 unterminiert. MEINE AUFRICHTIGE ANTEILNAHME!

vorgeschichte zur entscheidung:
christoffelturm, baldachin und gemischter grüner salat

mit euren favoriten unterwegs (januar 2007)

das war ja spektakulär: diesen monat hatte ich eine neue rekordzahl von besuchen, und einige der artikel haben eingeschlagen wie noch nie. ganz speziell natürlich meine neujahrsgrüsse an die plakatgesellschaft unter dem titel “das beginnt ja schlecht”, die so oft kommentiert und angeschaut wurden, wie fast nichts auf diesem blog. ich sag da nur: das beginnt ja gut!


gleich schon im ersten monat abgehoben …
quelle: flickr_antimehtod

und hier sind sie, die 10 beliebtesten artikel des monats januar.

1. das beginnt ja schlecht 512 direktviews
bern, alltag, politik

2. felix austria 334 direktviews
bern, alltag, politik

3. ab ins pfefferland 265 direktviews
murten, geschichte

4. körpersprache des bundesrates 243 direktviews
bern, alltag, politik

5. sternstunde philosophie: die schweiz – ein projekt 199 direktviews
schweiz, aktualität, politik

6. das leben der kaiserin adelheid 187 direktviews
bern, burgund, geschichte

7. graffiti city 134 direktviews
bern, alltag, gesellschaft

8. politisches standortmarketing bern 114 direktviews
bern, schweiz, geschichte, politik

9. die königin von burgund und der schultheiss von thun geben sich die ehre 122 direktviews
thun, burgund, geschichte

10. sind sie schon wieder nicht könig oder königin geworden? 112 direktviews
thun, burgund, geschichte

meine leserschaft kommt übrigens immer mehr aus dem (nicht-schweizerischen) ausland: deutschland, oesterreich, niederlande, belgien, luxemburg, polen, ungarn, grossbritannen, frankreich, italien, usa, mexico, russland, türkei, singapur, und alle interessieren sich für meine verrücktheiten.

ich hoffe, das beginnt 2007 nicht nur gut, sondern endet noch besser!

stadtwanderer

es-kommt-mir-vor-wie-wenn-zwillinge-sich-streiten

„was war in canossa?“ wollte H.W. wissen. gute frage, die gar nicht so einfach zu beantworten ist!, sagte der stadtwanderer auf anfrage. deshalb haben wir unsern sonderreporter heinrich-gregor der allerletzten ausgesandt, um nachzuhacken. beim abendspaziergang gewährte er uns ein exklusiv-interview zu seinem frieren auf der hasenburg und dem zusammenhang mit der europäischen geschichte des 11. jahrhunderts. hier die live-mitschrift, ohne umschweife und socken für die blogosphäre!


das römische reich der salier im 11. jahrhundert mit der reise von könig heinrich iv. von speyer nach canossa im winter 1076/77, quelle: perthes atlas geschichte, stuttgart 2006, 4. auflage (anclickbar, doppelclick um zu vergrössern)

„wer war in canossa?“

papst gregor vii. hielt sich im januar 1077 auf der burg canossa in der toskana auf, weil er das nahen des römischen königs heinrich iv. nicht erwartet hatte und die alpenüberschreitung des herrschers als militärischen angriff fürchtet. deshalb hatte ihn die einflussreiche herzogin von tuszien, mathilde, eine treue dienerin des papstes, die burg als winterlicher aufenthaltsort angeboten.“

„warum kam der deutsche könig nach italien?“

deutsch ist in diesem zusammenhang ein gefährliches wort. der ostfränkische könig, aus sachsen oder franken stammend, wurde 962 zum römischen kaiser gekürt; seither trug er den titel römischer könig. das sicherte ihm das vorrecht zu, vor allen anderen königen auf den kaisertitel zu aspirieren. das wort deutsch gab es noch gar nicht, nur das italienische wort teodesc, was aus dem volke kommend meinte, und im gegensatz zu römisch verwandt wurde, das man mit traditionsbewusst übersetzen könnte.

„also dann verbessert: was beschäftigte den papst so, wenn ein römischer kaiser nach italien kommt?“

die könige aus dem norden stützten ihre macht in der regel auf die reichskirche: die bischöfe, einerseits oberste seelsorger, anderseits mächte grundherren und träger königlicher rechte, waren ihr eigentlicher machtinstrument. 1075 beanspruchte der papst, allein oberster hirte zu sein und niemanden über sich zu beanspruchen. deshalb lehnt er es auch ab, dass könige, auch römische, die bischöfe einsetzen durften, – und wachte genau, dass das in seinem einflussgebiet nicht mehr geschah. dieses reichte nicht nur bis an die grenzen des kirchenstaates, mindestens ganz rom, sprich italien, zählte er dazu. eigentlich meinte er aber auch, dass er über die burgundischen bischöfe, die meisten aus spätantiken städten kommend, bestimmen dürfe.

„wollte der könig in canossa einen bischof einsetzen?“

nein, aber könig heinrich iv. hielt sich im fall von mailand nicht daran, und er wurde dafür gemassregelt. er versammelt als reaktion darauf 1076 die meisten bischöfe nördlich der alpen in worms, um den papst abzusetzen. die bischöfe von basel und lausanne, die beiden “hochburgunder” nahmen auch daran teil. als der papst davon erfuhr, war er ausser sich und bestrafte den könig und die ihm treuen bischöfe mit der strengsten strafe: dem kirchenbann. würden sie innert einem jahr und einem tag nicht busse tun, würden ihre untertanen die pflichten, die sie ihnen gegenüber eingegangen war, nicht mehr einhalten müssen.

„aha, heinrich kam nach canossa, um busse zu tun!“

richtig, und er befand sich in einer misslichen lage. die herzöge von schwaben, von bayern und von kärtnen hatten im verlaufe des jahres 1076 die seite gewechselt. sie haben ihrem könig die treue aufgekündigt sich dem papst angeschlossen. sie sperrten die alpenübergänge, insbesondere die beliebt brenner-route, weshalb der papst nicht mehr mit dem rechtzeitigen erscheinen des königs in italien rechnete. der könig war schon abgeschrieben, und das eintreffen des papstes nördlich der alpen wurde schon vorbereitet. doch heinrich, mit einer savoyerin verheiratet, wählte den weg durch das im ergebene burgund, und überstieg mitten im winter den savoyischen mont cenis, was italien in aufruhr brachte. jetzt verschanzte sich gregor in canossa, das schutz bot.

„ja, und was zum t.. tschuldigung, was geschah jetzt zwischen papst und kaiser?“

heinrich kam als bittsteller, mit den burgundischen bischöfen im tross, aber ohne heer. dafür hatte er den abt von cluny, seinen taufpaten und den einflussreichsten mönch, bei sich. dieser verhandelte für den könig mit dem papst. sollte heinrich den papst als oberster schiedsrichter in allen streitfällen nördlich der alpen anerkennen, würde er ihn vom fluch befreien. das war das ergebnis. heinrich scheint eingewilligt zu haben und spielte danach das vorgeschriebene ritual: nur mit dem büsserhemd bekleidet bat er drei tage und nächte um vergebung, – immer ohne erfolg. doch am vierten tag, wusste er, würde man ihn erhören. heinrich wurde denn auch in die burg gelassen, um mit dem papst ein rituelles abendmahl einzunehmen.

„was kam auf den tisch?“

huch, das weiss ich nicht …

“… sehr schade, war sicher lecker …”

der geschichte nach war das aber gar nicht wichtig. heinrich gab sich nämlich wortkarg, ass nichts, trommelte nur mit den fingern auf den tisch, ganz nach dem motto: wann nur kann ich gehen!

„wohin wollte der könig?“

der junge könig, der sein schmach der exkommunikation abgelegt hatte, machte sich zurück über die alpen, ganz im osten, denn die herzöge, welche die alpen sperrten, wollten nicht nachgeben. sie wählten – mit duldung des papstes – einen gegenkönig: rudolf von rheinfelden, herzog von schwaben, wurde nun zum grosse gegenspieler von heinrich. er sollte den norden regieren, der papst den süden. und rudolf sollte burgund an das neue reich binden. denn er war 1060, als heinrich noch in die windeln machte, von heinrichs mutter mit der verwaltung von burgund betraut worden und war seither im aaretal und am genfersee reich begütert.

„2:1 für den papst!“

natürlich kam es zum krieg zwischen heinrich und rudolf. wer militärischer sieger war, war nie so recht klar. aber rudolf wurde 1080 in einer schlacht verletzt, und verlor sein rechte hand! ausgerechnet, die schwurhand hatte er nicht mehr, – und er starb an den folgen der verletzung. nach ihm wagte es niemand mehr, heinrich entgegenzutreten, und der machte sich sofort daran, burgund zurückzugewinnen. die herren von fenis, kaisertreue seit der ersten stunde im reich, macht er zu grafen, die auch über den gau härkingen verfügen durften. damit sperrten sie den weg von rheinfelden hinunter, über den grossen st. bernhard. und am genfersee doppelte er nach: der bischof von lausanne erhielt verschiedene seignieurien, vor allem die von st. saphorin.

„gabs damals schon guten wein?“

ob er gut war, weiss ich nicht, doch er kam im 11. und 12. jahrhundert mächtig im schwang. der letzte burgunderkönig aus dem hause der welfen, rudolf III., der sein reich gegen die aufstrebenden adeligen nicht mehr zusammenhalten konnte, hatte sich 999 frustriert nach neuenburg zurückgezogen, lebte dort wie ein landgraf und liess im nahe gelegenen kloster bevaix am neuenburgersee erstmals weinreben anpflanzen lassen. der dezaley wiederum ist ein wein, dass der lausanner bischof im 12. jahrhundert einführte.

„konnte könig heinrich mit weisswein anstossen, oder feierte der papst mit rotem?“

heinrich überwand die anfängliche krise. 1084 ging er gestärkt nach italien, diesmal mit einem heer, und stürtze den verhassten gregor vii. jetzt setzte e r einen gegenpapst ein, der ihn, heinrich, im gegenzug zum kaiser krönte. gregor lebte danach in der verbannung, wo er zwei jahre später auch starb. seine nachfolger versuchten den streit zu schlichten, doch brauchte es noch fast 40 jahre, bis man sich wieder einigermassen einigte. burgund wurde damals wieder päpstliches einflussgebiet.

„und die moral von der geschicht?“

papst und kaiser waren im mittelalter wie zwillinge: der eine ist nichts besonderes ohne den anderen, – was sie aneinander kettet. doch jeder der beiden möchte der wichtigere sein. der eine sagt: ich bin zuerst auf die welt gekommen, und der andere sagt, ich bin dafür stärker. genauso kommt es mir vor, wenn man an canossa denkt: wie wenn zwillige sich streiten! in diesem bild wäre der papst der erstgeborene, aber starke im himmel, während der kaiser als zweiter geboren wurde, aber die militärische macht auf erden besass. die exkommunikation des kaiseranwärters durch den papst war für die menschen im jahre 1077 ein beispielloses stück, während man den sturz des ungenehmen papstes seit den zeiten von otto I. kannte. gregor hatte mit seiner aktion den nimbus des beschützers der christenheit, den der römische könig hatte, zerstört. mit der regelung des konfliktes wurde das sakrale königtum, seit den zeiten chlodwigs am ende des 5. jahrhunderts, aufgebrochen: für das ewiggültige wurde der papst zuständig, wenn es auch erst im himmel realisiert werden konnte, während der kaiser für das zeitlich zuständig war, immerhin auf erden. und diese temporale macht verschrie papst gregor nach gutdünken: teodesc wurde in dieser zeit erfunden und hatte der politisch unkorrekten nebenton: volkstümlich! und das spaltete den adel: er war nicht mehr die elite des reichs, sondern simpler interessenvertreter der tradtionalisten oder der volkstümlichen!

„und warum interessiert sich der stadtwanderer dafür?“

der streit der grossen spaltete auch die kleinen in hochburgund. diesseits des juras gewann der kaiser zwischen basel und lausanne vorerst die oberhand, während der papst vom grossen st. bernhard hinunter durchs voralpengebiet, über den hauenstein nach rheinfelden wichtiger blieb. die herren von fenis stiegen unter heinrich iv. zu mächtigen grafen auf, die mehrere bischöfe stellten, zerstörte städte wieder aufbauten oder neue gründeten und schlieslich die grafen von neuenburg wurden. zu ihren eigentlichen gegenspielern wurden die zährigner, mit dem haus rheinfelden ehelich verbunden. sie erbten beim aussterben dieses geschlechts ihre güter und ihre rechte in burgund, die sie zum aufbau ihres neuartigen territorialstaaten mit neuen strassen und neuen städten nutzten.

„danke, stadtwanderer, für das gespräch. ich hoffe, du bist nicht zu fest ausser atem gekommen. deine leserInnen wissen jetzt hoffentlich besser, warum du frieren gingst. doch sag: auf wessen seite stehts du? auf der von fenis oder der von zähringen?“

phahh, so schnell sage ich das nicht!

und lief davon …

heinrich-gregor der allerletzte
reporter vor ort

die burgunder- und die alemannenthese für die geschichte des schweizer raumes – und für meinen lebensraum

ende der serie: “burgund in bern”

teil 7 der serie: “burgund in bern”
teil 6 der serie: “burgund in bern”
teil 5 der serie: “burgund in bern”
teil 4 der serie: “burgund in bern”
teil 3 der serie: “burgund in bern”
teil 2 der serie: “burgund in bern”
teil 1 der serie: “burgund in bern”
vorschau zur serie: “burgund in bern”

in den meisten schulbüchern geht die geschichte anders als in meinem blog. da kamen die alemannen in der silvesternacht des jahres 406/7 scharenweise über den zugefrorenen rhein. sie nutzen die machtschwäche roms, die durch den truppenabzug nördlich der alpen entstanden war. sie drangen das aaretal hinauf und schwärmten in die seitenarme aus. und bald war fast das ganze mittelland alemannisch, genauso wie es heute ist. eigentlich sind die alemannen die nachfolger der helvetier, zwischen denen die römer eine weile über die schweiz regierten. die alemannen aber gehörten nie zu einem königreich, waren immer frei und bildeten dann 1291 die eidgenossenschaft, zwischenzeitlich gut 700 jahre alt.

das ist die alemannenthese. in der neuen geschichtsschreibung der schweiz, wie sie von den spezialisten der spätantike und frühen neuzeit, etwa von professor reinhold keiser an der uni zürich oder dr. justin favrod von der uni lausanne vertreten wird, zeichnet für die das 5., 6. und 7. jahrhundert ein ganz andere bild. von diesem habe ich mich inspirieren lassen, als ich meine burgunderthese in den vorangegangenen blogbeiträgen entwickelt habe. hier nochmals die grundlegende argumentation.

die schwäche der alemannenthese

gegen die alemannenthese spricht vor allem die spätantike geschichtsschreibung. demnach waren die alemannen kein germanenvolk, das aus dem norden kam. vielmehr entstanden sie nach 260 aus der germanischen stämmen, die den zerfall des limes zwischen rhein und donau nutzten, um sich rechts des rheins, aber auf römischem gebiet niederzulassen. ihnen bot man einen föderatenvertrag an, der sie verpflichtete, den boden zu bebauen und militärdienste zu leisten. sie sollten die grenzen für die römer und gegen weitere germanen schützen.

das arrangement klappte bis etwa 350 gut. doch dann brachen alle schutzwälle, selbst wenn sie rhein hiessen. die alemannen drangen weit über die germania links des reihen in die belgica vor und bedrohten selbst die kaiserstadt trier. kaiser julian eilte in den norden, und er besiegte die alemannen 357 bei argentorate, dem heutigen strassburg. danach setzte man den föderatenvertrag aus und heuerte die burgunder, deren vorhut im main-gebiet lebten für den gleichen zweck an; weiter im norden übernahmen die franken diese aufgabe.

407, als die römer unter general stilicho ihre truppen in britannien und gallien nach süden beorderten, um die nach italien vordringenden westgoten aufzuhalten, nutzten verschiedene stämme das effektive machtvakuum: allen voran die vandalen, die sueben und die alanen, die tief ins gallische gebiet eindrangen und selbst nach spanien weiterwanderten. in ihrem gefolge setzten auch die erst burgunder über, um zwischen worms und strassburg rechts des rheins zu siedeln. von einer grossen einwanderung der alemannen ist indessen nirgends die rede. ihre lektion von strassburg wirkte noch nach, denn nach ihrer militärischen niederlage im jahre 357 verharrten sie in ihrem refugium rund um den schwarzwald.

die stärke der burgunderthese

es waren die burgunder, die 435 vor den hunnen, zwischenzeitlich mit den römern verbündet, auswichen. wiederum war trier das ziel der eindringlinge, das die römer nicht zuliessen. die militärisch besiegten burgunden wurden danach in die sapaudia verfrachtet und ebenfalls mit einem föderatenvertrag bedient. lange glaubte man, diese sapaudia sei das rhonetal nach genf gewesen. heute geht man eher davon aus, es sei die maxiama sequania gewesen, das gebiet der sequaner und helvetier mit den zentralen orten vesontio (das heutige besançon) und aventicum (das heutige avenches). archäologische funde, aber auch die schriftlichen berichte über die ausdehnung der burgunden sprechen für diese auffassung.

von hier aus dehnten sich die burgunden nach der schlacht auf den katalaunischen feldern, welche die römer gegen die nun verfeindeten hunnen schlugen, die aber zu destabilisierung des weströmischen kaiserreiches führte über genf hinaus aus und wurden nach 455 die herren nicht nur des aare-, saane- und broyetales, sondern auch des rhone-, saone- und doubstales. Hier hatte ihre spätere burgundia denn auch ihr zentrum, und hier regierten die burgundischen unterkönige in den spätantiken römerstädten.

die verbindung von germanischen burgunden, die nun sesshaft geworden waren, und der galloromanischen bevölkerung gelang der burgundern mit ihrer volksgesetzgebung unter könig gundobad. die christianisierung der burgundern, wie man sie jetzt nennen konnte, gelang unter könig sigismund, der mit st. maurice in agaunum das burgundische hauskloster nahe des genfersees schuf.

die nachfolger der keltischen helvetier, die romanisiert worden waren, sind die burgunden, die sich ebenfalls von der römischen kultur angezogen fühlten. die alamannen, die sich der gallorömischen kultur verschlossen, scheiden also aus!

militärisch waren die burgunder jedoch nur solange stark, als sie in der römischen armee auftreten und römische heere mit germanischen söldnern führen konnten. auf sich gestellt waren die burgunder jedoch zu schwach, sich vor allem gegen die mächtig ausgreifenden franken zu bestehen, weshalb sie den schutz zuerst der westgoten, dann der ostgoten suchten und fanden. nach dem tod ihres königs theoderich konnten sie dem fränkischen druck nicht mehr wiederstehen und wurden erobert.

die einheit des rhonetals mit seinen seitenarmen und des aaretales mit zuflüssen zerfiel jetzt allerdings. der arc lémanique, würde man heute sagen, blieb burgundisch und wurde von orléans aus fränkisch regiert, während das plateau davon abgetrennt zum fränkischen königreich kam, das in reims sein zentrum hatte. hier regierten die ripuarischen franken, das heisst die am wenigsten romanisierten, die unter könig theuderich I. vor allem die gebiete rechts des rheins erschliessen und neu ordnen wollten, um eine ausdehnung des oströmischen reiches zu verhindern.

der prägende konflikt zwischen burgundern und der alamannen

das ist der moment, indem die alamannen, die in der geschichtsschreibung häufiger alamannen genannt werden, wieder ins spiel kommen. vorher waren sie nie ein königreich gewesen; vielmehr kann man sie nach 496, als sie von den franken besiegt wurden, als fränkisches herzogtum ansprechen, wurden aber am oberrhein bald zu einem ostgotischen protektorat. jetzt, wo die goten vom oströmischen kaiser bekämpft wurden und die franken am nach osten ausgriffen, waren die alamannen unter ihren herzögen als teile der fränkischen eroberungszüge in italien willkommene, aber nicht durchschlagend erfolgreiche helfer.

es erscheint am plausibelsten, dass die alamannen zwischen 534 und 555 über den rhein drängten. sie waren ein teil der fränkischen expansion dieser zeit. sie siedelten sich unter anderem wieder dort an, wo sie 357 vertrieben worden waren, nämlich im heutigen elsass, und drangen auch das aaretal hinauf nach süden vor. wie weit sie dabei kamen, bleibt umstritten. in der regel geht man aber davon aus, dass mitte des 6. jahrhunderts im aaretal ein mischung der burgundischen und alamannischen bevölkerung entstand.

der sich anbahnenden kultur- und herrschaftskonflikt, den man 561 mit der aare als natürlicher grenze regeln wollte, wird im harmonisierenden schweizerischen geschichtsbewusstsein gerne, aber zu unrecht vergessen, denn er ist der ursprung der heute sprachregionalen gegensätze, die auch kulturunterschiede darstellen.

man kann das auch so sagen: am ende der völkerwanderungszeit waren burgunder, alamannen (und langobarden) im gebiet der heutigen schweiz, welche die galloromanischen und rätoromanischen überlagerten, aber in sehr unterschiedlichem masse in die vorherrschende kultur integriert waren. am wenigsten war das offensichtlich bei den alamannen der fall.

deshalb zerfallen die römischen zentren, die von den alamannen umgeben waren ganz. typisch hierfür ist vindonissa, das heutige windisch bei brugg, das 517 nachweislich noch burgundisch war, dann aber ganz abgeht. ganz so drastisch war die situation im westlichen plateau nicht, aventicum, das notdürftig gehalten wurde, blieb noch bestehen, doch verliess auch hier der bischof seinen angestammte sitz, um in lausanne – und dort auf den höchsten und damit sichersten hügel – ruhe vor dem sturm zu finden.

der fränkische bruderkrieg, der 561 zuerst im norden zwischen den königen in reims und tournai ausgebrochen war, fand nach 595, dem tod von könig childebert, seine fortsetzung am oberrhein. childbert hatte zu seinen lebzeiten bestimmt, dass sein beiden söhne, theuderich, in frankreich besser als könig thierry, und theudebert, in deutschland mehr als könig dietrich geläufig, die königreiche von austrien und burgund erhalten sollten, die sich wie neustrien als zuverlässige regionen nach dem zerfall der spätantiken strukturen erweisen hatten.

doch die grenzziehung zwischen beiden war nicht eindeutig, seit die alamannen den rhein überschritten hatten und im elsass und im aaretal siedelten. vereinfachend legte childebert den rhein als grenze fest, folgte damit wenigstens in der alten maxima sequania der alten grenze, täuschte sich wohl aber über den wandel der gesellschaft. thierry und dietrich mussten sich 610 im elsässischen seltz treffen, um die grenzstreitigkeiten zu bereinigen. dabei wurde thierry überrumpelt, denn die alamannen griffen im elsass und im aaretal flächendeckend an. Im aaretal dürften sie bei dieser gelegenheit die ansiedlung burgundischer bevölkerung mindestens bis über die saane nach westen verdrängt haben. Gesicherter orte der burgunder war jetzt aber nicht mehr das plateau, sondern der lausanne mit dem dortigen bischof.

die folgen für die schweizergeschichte

mit der burgunderthese bekommt die geschichte im gebiet der schweiz während der völkerwandung ein neues gepräge:

erstens, die alemannenthese, die ein unmittelbare nachfolge der germanischen alamannen auf die keltischen helvetier postuliert, muss zeitlich und örtlich revidiert werden. Im unteren aaretal dürfte die burgundische besiedlung nie bedeutsam gewesen sein; ihre herrschaft dürfte von der existenz von vindonissa abgehangen sein. das obere aaretal, samt dem saane- und broyetal dagegen dürfte mindestens auf der linken seite, das zum gebiet von aventicum zählte, bis zum weggang des dortigen bischofes primär burgundisch bevölkert gewesen sein. Die archäologie, aber auch die ortsnamenforschnung sprechen hierfür. hier folgten die alamannen den galloromanen und burgundern vor allem als plünderer, ohne dass sie je das gebiet beherrscht hätten. gerade für den raum der späteren stadt bern sind diese gewichtung nicht ohne bedeutung.

zweitens, für die schweizer raumgeschichte bedeutsam ist aber, dass die alamannen nicht ein freies volk waren, sondern untertanen der römer, der franken, der goten und wiederum der franken, mit denen sie sich selten auf längere zeit gut verstanden. sie liessen sich nach militärischen niederlagen einbinden, kannten aber kaum je stabile herrschaftsverhältnisse, die das hätten garantieren können. deshalb blieben die alamannen für wen auch immer unsichere kantonisten. das erschwerte es auch, sie zu christianisieren. der bischof in konstanz, um 600 eingesetzt, weil mainz zu weit weg war, um die alamannen zu bekehren, war nie eine autorität bei ihnen, und die mönchen, die man den alamannen bis mitte des 8. jahrhunderts schickte, wurden entweder erschlagen oder wanderten wieder aus. damit vertiefte sich der ethnische, kulturell und sprachliche graben zwischen den burgundern und alamannen, soweit, dass nur eine grenzraum zwischen ihnen, wohl zwischen aare und saane, und die strenge hand der karolinger über ihnen das zusammenleben nebeneinander sicherte.

dieses nebeneinander bewirkte aber auch andere entwicklungen, die sich im 9. jahrhundert, als die fränkische macht zerfiel zeigen sollten. das grosse thema dieser zeit, in der das königreich burgund von st. maurice, und das schwäbische herzogtum von chur aus wieder entstanden, war es, formen der friedlichen koexistenz der bauern- und kriegergesellschaften zu entwickeln, die sich nicht mehr verstanden. adelsheiraten, imperiale vorgaben, zähringischer strassen- und städtebau legte die grundlagen dazu, dass sich im 13. jahrhundert verschiedenste eidgenossenschaften als städte- oder landbünde entwickelten, die nach der grossen pest von 1350 zusammenschlossen und im sempacherbrief von 1393 nach der vertreibung der habsburger aus dem aaretal resp. im stanser verkommnis, das nach dem sieg über die letzten burgunder aus dijon geschlossen wurde, die grundlage für die schweiz legte, die sich 1495 von der reichsreform, 1648 von heiligen römischen reich deutscher nation und 1815 von frankreich emanzipierte, um 1848 zur schweizerischen eidgenossenschaft zu werden.

die schweizerische eidgenossenschaft hat die helvetischen wurzeln der schweiz in der eisenzeit wieder und die befreiungsgeschichte von habsburg in der nationalgeschichtsschreibung betont. mit ihr wurde die alemannengthese populär, in den 30er jahren des 20. jahrhunderts sogar doktrinär. letztmals aufgewärmt worden ist sie anfangs 2007 in der weltwoche, welche die schweizer geschichte kurz vor dem wahljahr neu ausrollen wollte.

die folgen für meinen lebensraum und meine lebenswelt

in der geschichtsschreibung seit johannes von müller, in der die brugunderthese immer eine grössere rolle gespielt hatte, sieht man das ganze in einem grösseren zusammenhang: demnach die schweiz nicht 1291 gegründet worden, sondern schrittweise entstanden, und erst 1648 selbständig resp. erst 1848 souverän geworden. vorher war sie aber ein bisweilen essentieller, bisweilen randständiger bestandteil des römischen, später des römisch-fränkischen und schliesslich des römisch-deutschen reiches. Und in diesem spielte burgund, das in der völkerwanderungszeit entstanden war, am ende des 9. jahrhundert wieder als selbständiges königreich entstehen sollte, nach 1034 als unselbständiges königreich letztlich bis 1378 bestand, und in der person von karl dem kühnen, 1475 wieder entstehen sollte, eine erhebliche rolle.

diese aufzuspüren als teil der herrschafts- kultur- und raumgeschichte meines lebensraumes, war der sinn der kleinen, ersten serie über burgund in bern, die hiermit vorläufig abgeschlossen wird.

stadtwanderer

zius später sieg: die eroberung des aaretales durch den alemannischen kriegsgott

teil 7 der serie: “burgund in bern”

teil 6 der serie: “burgund in bern”
teil 5 der serie: “burgund in bern”
teil 4 der serie: “burgund in bern”
teil 3 der serie: “burgund in bern”
teil 2 der serie: “burgund in bern”
teil 1 der serie: “burgund in bern”
vorschau zur serie: “burgund in bern”

noch einmal versuchten die burgundischen könige, die teilung des mittellandes entlang der aare, wie sei 561 beschlossen worden war, wettzumachen. doch dabei wurden sie von ihrem kriegsgott ganz verlassen: 610 kam es zum desaster für die burgunder in der schlacht von wanga, wohl dem heutigen wangen an der aare: sie unterlagen den alamannen!


fränkisches reich nach 561 mit neustrien, austrien und burgund als zentrale vaterländer

der aufstieg austriens im fränkischen reich

nach dem tod des frankenkönigs chlothar im jahre 561 wurde sein reich unter seine vier söhne aufgeteilt. chilperich erhielt tournai und den norden, charibert paris und den westen, gunthram orléans und den süden, und sigibert wurde könig von reims, dem der osten zufiel.

anders als seine brüder, die nach fränkischer sitte, mägde des eigenen hofes oder sklavinnen des marktes zu ihren frauen nahmen, vermählte sich sigibert mit der westgotischen prinzessin brunichilde und feierte die hochzeit nach römischem vorbilde. sein halbbruder chilperich, der es nicht verkraften konnte, nicht der einzige erbe von chlothar gewesen zu sein, erzürnte und begehrte galswintha, die schwester brunichildes. nach längeren verhandlungen, die sich vor allem um sein abendteuerliches vorleben drehten, erhielt er galswintha zur frau. doch die ehe stand unter keinem glücklichen stern, denn chilperich wandte sich schon im ersten jahr von seiner gemahlin ab, liess die erst 17jährige galswintha erdrosseln, um fredegunde, seine frühere geliebte, zu heiraten.

nun war der gegensatz zwischen brunichilde und fredegunde, sigibert und chilperich unüberbrückbar geworden. beide paare strebten nach dem ganzen im frankenreich. sigibert schickte sich an, die gebiete seines halbbruders zu erobern, was ihm auch gelang. es zeichnete sich schon eine neue monarchie ab: im osten hatte sigibert die anerkennung des kaisers gewonnen, und im westen war er mit haus des mächtigen westgotenkönigs verheiratet. und über die auvergne, die ihm gehörte, hatte er schon einen fuss beinahe ans mittelmeer gesetzt!

als sich sigibert in vitry auf den schild heben liess, wurde auch er meuchlings ermordet. jetzt war plötzlich chilperich war seinem ziel, alleiniger herrscher des frankenreiches zu werden, nahe, da auch charibert, sein anderer bruder verstorben war. nur noch gunthram in orléans, der könig von burgund war, konnte ihn gefährden, – und dem machte er nun den hof mit geschenken! denn wer burgund hatte, hatte im frankenreich die mehrheit …


heirat von könig sigibert von austrien und königin bunichilde, westgotische prinzessin

königin brunichildes programm für das frankenreich

doch wer so dachte, war noch ganz in der fränkischen tradition verbunden. er rechnete aber nicht mit brunichilde. diese bemerkenswerte westgotin, schön im ansehen, tatkräftig im handeln, und schlau in ihrer politik, verführte in der gefangenschaft in rouen ihren wächter, chilperichs sohn merowech, kam so wieder frei und übernahm für ihren entführten und zum könig erhobenen sohn childebert die regentschaft, bis dieser volljährig war. childebert stieg denn auch zum könig des fränkischen ostens, austrien genannt, auf und regierte in metz. es gelang ihm gar, burgund vertraglich gesichert zu erben, den könig gunthram überlebte seine vier söhne allesamt.

als nun 595 auch childebert starb, chilperich und fredegunde tot waren, übernahm brunichilde erneut die regentschaft für ihre beiden minderjährigen enkel. einzig der junge chlothar, der sohn von chilperich und fredegunde konnte ihr jetzt noch gefährlich werden. doch sie hatte vorher noch andere herausforderungen im eigenen hause zu bestehen!

ihr älterster enkel, theudebert, war von seinem vater childebert zum könig von austrien bestimmt worden, während theuderich, der andere enkel, burgund erhalten sollte. brunichilde blieb in metz, um für theudebert zu regieren, während sie in chalons-sur-saone, nach öströmischer sitte einen hausmeier mit der verwaltung des reiches von theudrich beauftragte.

ihre die beiden prinzen bestanden ihre taufe im kampf gegen chlothar, den sie besiegten. doch dann trennten sich die wege der beiden: theudebert spannte mit dem austrasischen adel zusammen, heiratete die skalvin bilichilde und verstiess seine grossmutter brunichilde vom hof in metz. diese wählte nun chalons zu ihrem sitz, denn theuderich nahm die grossmutter bei sich auf.

nun kam es deftig: brunichilde setzte jetzt auch ein schlimmes gerücht in die welt, wonach theudebert gar kein rechtmässiger nachfahre von childebert sei, sondern von dessen gärtner gezeugt worden war. einzig ihr lieblingsenkel theudrich in chalons habe das recht, sich fränkischer könig zu nennen. das kam ihr teuer zu stehen: der adel bezichtigte sie, ein verhältnis mit dem hausmeier zu haben, und sich nur so in chalons halten zu können.


alamannen – schlachtensieger bei wanga im jahre 610 – prägen bis heute die kultur der deutschsprachigen schweiz

der krieg zwischen burgund und alemannien

der zwist, der so um 605 zwischen den brüder entstand, blieb nicht ohne folgen: könig childebert hatte nämlich veranlasst, dass theuberich nicht nur das burgund von gunthram erhalten sollten. er hatte auch bestimmt, dass die alte burgundia in ihrem alten grenzen wieder hergestellt werden sollte. demnach wäre der rhein zwischen burgund und astrasien zur grenze geworden, womit das elsass und das aaretal, seit mitte des 6. jahrhunderts durch alamannen besiedelt und dem dukat des alemannischen herzogs zugeordnet, wieder an burgund gekommen wären.

theudebert hatte sich geweigert, auf diese gebiete zu verzichten, und die beiden verkrachten brüder trafen sich 610 im elsässischen seltz. dabei liess sich theudrich übertölpeln, und theudeberts heere griffen flächendeckend über den rhein hinaus an. auch die aare war jetzt keine grenze mehr für sie. bei wanga, wohl wangen an der aare, kam es zum blutigen kräftemessen zwischen alamannen und burgundern, bei dem die alamannen siegten.

in der folge unternahmen die siegreichen alamannen plünderungszüge bis weit nach südwesten vor und zerstörten aventicum ein weiteres (und letztes) mal. der dortige bischof hatte sich angesichts der unsicheren zeiten schon jahre nach lausanne auf den sicheren hügel hoch über dem lac leman zurückgezogen.


bis heute legendenbildend: die hinrichtung der als königin brunichilde durch ihren widersacher könig chlothar II. 613 in renève

königin brunichildes brutales ende

theuderich setzte 612 zum gegenschlag gegen theudebert an, während dem er seinen bruder in metz auch umbrachte. doch fiel auch er einem blutigen anschlag zum opfer und verstarb 613. damit hatte es im austroburgundischen frankenreich einmal mehr keine könige mehr,

– ausser der alten königin brunichilde.

und sie tat, was sie schon beim tod ihres mannes sigibert 575 und eim tod ihres sohne childebert 595 getan hatte: nie nahm der kleinen sigibert, den sohn ihre enkels theuderichs, in gewahrsam und beanspruchte ein drittes mal, die regentschaft für einen ihrer nachfahren führen zu können.

doch jetzt erhoben sich die adeligen von austrien gegen die königin, und sie zogen auch den burgundischen hausmeier auf ihre seite. eine monarchin wollten sie auf keinen fall über sich haben! zusammen riefen sie nach chlothar, dem sohn der fredegunde, um ihn auf den schild aller franken zu heben.

brunichilde floh und versuchte über den jura in burgundische gebiete, die noch zu ihr hielten, zu gelangen, wurde aber in orbe gefangen genommen und an chlothar ausgeliefert. dieser erwartete sie in renève, nahe dijon. er machte ihr den prozess, beschuldigte sie, schuld am tod von 10 fränkischen königen und prinzen zu sein, liess sie foltern, stellte sie seinem heere zur schau, bevor sie auf schreckliche weise gerichtet wurde.

ein jahr darauf liess sich chlothar II. zum könig aller franken erheben, und regierte das reich, das zwischenzeitlich in drei vaterländer, neustrien, austrien und burgund, aufgeteilt war, in personalunion. mit dem edikt von paris 614 musste er aber die weitgehende autonomie des adels anerkennen. selber stand chlothar neutrien vor, während in austrien und burgund hausmeier an seiner stelle das reich verwalteten, und anderem die vorfahren der späteren karolinger.


gregor, bischof von tours, war einer der intellektuellen führer der fränkischen kirche am ende des 6. jahrhunderts; er war auchd er verfasser der “historia francorum” der monumentalen geschichte über die franken, die bis heute unersetzbar ist

die neue macht der bischöfe – ausser bei den alamannen

die macht der adeligen war jetzt die kirche. sie hatte sich zwischenzeitlich dogmatisch auf der basis der dreifaltigkeitslehre verfestigt, mit konzilen eigene instititonen gewonnen, welche das leben der regionalkirchen regelten, und spiesen mit den abgaben, die sie bei den bauern erhoben, ihre eigenen ausgaben unabhängig vom könig. den arbeitsfreien sonntag hatten sie dafür durchgesetzt, an dem sie, von brunichilde beeeindruckt und beänstigt, ernsthaft über die frage nachdachten, ob frauen auch menschen seien und ihn den himmel kommen könnten …

für das schweizerische mittelland war das nicht ohne folgen: die teilung von 561 entlang der aare hatte in der zeit brunichildes weder durch königliche erbschaft, noch durch königliche einflussnahme wettgemacht werden können. vielmehr hatte der versuch, der alten burgundia nach spätantikem vorbild eine ausdehnung zu geben, die bis an den rhein reichte, zum völkerkrieg geführt, den die alamannen gewannen.

es ist nicht bekannt, wie weit die alamannen nach südwesten vorstiessen und sich festsetzen konnten. doch sind die verzweifelten hilferufe der adeligen aus der burgundischen westschweiz, man wolle den eigenen könig wieder haben, unübersehbar.

am wahrscheinlichsten ist, dass der raum zwischen aare und saane nicht mehr besiedelt war und zum grenzraum zwischen alemannen und burgundern wurde, zu deren garant der bischof von lausanne wurde, während der neu eingesetzte bischof von konstanz bei den selbstbewussten alemannischen siedlern im aaretal chancenlos blieb. denn es zeichnet sich ab, dass der römische kriegesgott mars auch im westen des mittellandes in die versenkung verschwunden war, während ziu, der germanische kriegsgott bei den alamannen unverändert hoch im schwang war. nach den vorstössen germanischer schlägerbanden im jahre 260, der burgundisierung des raumes im 5.jahrhundert, der christianisierung der burgundischen könige im 6. jahrhundert, wurde er, ziu, im 7. jahrhundert zum eigentlichen sieger über das aaretal mächtige aaretal.

die plurikulturellen voraussetzungen der herrschaft über das mittelland waren damit geschaffen, und dauern bis heute nach. zius tag wurde der heutige “zischti” (dienstag), – und bis heute streiten sich die lokalen fürsten im deutschschweizerischen fernsehen im “zischtigsclub” um die vorherrschaft über alemannien, während es eine solche sendung im fernsehen der romandie nicht gibt. da interessiert man sich mehr für die fränkische frage, ob der eingewanderte sarkozy oder die einheimische royal monarch oder monarchin werde.

stadtwanderer

die folgenreiche spaltung des mittellandes im jahre 561

teil 6 der serie: “burgund in bern”

teil 5 der serie: “burgund in bern”
teil 4 der serie: “burgund in bern”
teil 3 der serie: “burgund in bern”
teil 2 der serie: “burgund in bern”
teil 1 der serie: “burgund in bern”
vorschau zur serie: “burgund in bern”

im 5. jahrhundert ging das weströmische reich schrittweise unter. nach 476 gab es nur noch im osten einen kaiser; im westen beanspruchte der papst die religiösen aufgaben des kaisers fortzusetzen, ohne dass es im westen eine macht gegeben hätte, die das im militärischen und staatlichen hätte leisten können. so machten sich germanische königreiche auf dem boden des weströmischen reiches breit, die in unterschiedlichen masse in die galloromanisch gebliebene kultur integriert waren. gemeinhin geht man davon aus, dass die spätantiken strukturen, die den weströmischen kaiser überlebt hatten, 561 gänzlich zusammenkrachten, und neuen, frühmittelalterlichen platz machten. das ist auch für das gebiet der schweiz nicht ohne folgen gewesen, denn die aare wurde damals zu einer grenzlinie zwischen ethnien, kulturen und herrschaften.


oströmisches kaiserreich im 6. jahrhundert und die rückeroberungen unter dem kaiserpaar justinian I. und theodora (527 beim regierungsantritt, 533 nach den ersten eroberungen (vandalen), 550 nach neuerlichen eroberungen (westgoten) und 553 nach abschluss der eroberungen (553)

die rückeroberung des westens durch kaiser justinian

am 1. august 527 wurde justinian I. mit seiner frau teodora in konstantinopel zum neuen kaiser, zur neuen kaiserin gekrönt. justinian sollte bis am 14. november 564, seinem todestag dieses höchste amt der antike bekleiden. und er sollte der letzte kaiser im gefolge augustus gewesen sein, der versuchte, die einheit des auseinander gefallen römischen reiches wieder herzustellen.

nach dem zerfall der imperialen macht im westen stiegen die völker der goten, der vandalen, der franken und der burgunder zu mehr oder weniger selbständig handelnden königreichen auf weströmischem boden auf. die franken und die burgunder waren dabei an ihrer spitze zum trinitarischen (oder katholischen) glauben übergetreten, der im römischen reich staatsreligion gewesen war und in den bischofsstädte das weströmischereich überdauert hatte. demgegenüber blieben die vandalen und die goten bei ihrem arianischen glauben, der spätestens 395 als ketzerbewegung von der kirche ausgeschlossen worden war.

justinian richtete seine rückeroberung, die 533 begann, genau gegen diese germanisch-arianischen königreiche. schnell besiegte er die vandalen in nordafrica, während er gegen die goten in italien und spanien jahrelang kämpfen musste und nie gänzlich beherrscht. durch seine machtverlagerung von konstantinopel nach westen, sahen sich die franken, die im ehemaligen gallien ihr zentrum hatten, bedroht, und sie nahmen als erstes burgund in ihren besitz.


fränkische expansion und reichsteilungen im 6. jahrhundert (bis zum tode von könig chlodwig, 511, 1. teilung unter seinen söhnen, 511, 2. reichsteilung unter den söhnen von chlothar I., 561)

die verschiedenen fränkischen teilkönigreiche

könig chlodwig, der die verschiedenen fränkischen stämme links- und rechts des rheins vereinigt hatte, hinterliess bei seinem tod 4 söhne aus zwei ehen. doch war nur der älteste sohn, der einzige aus der ersten ehe, war damals volljährig. er sicherte ihm die nachfolge in den rechtsheinischen gebieten als fränkischer unterkönig zu, während seine witwe, chlotilde die regentschaft links davon für ihr drei eigenen söhne übernahm.

rechts des rheins entwickelte sich die fränkische herrschaft in der folge relativ selbständig weiter: der sohn chlodwigs, theuderich, sein enkel theudebert und sein urenkel theudobald waren nacheinander fränkische unterkönige für die gebiete, die weitgehend germanisch geblieben waren.

überragende figur war könig theudebert, der zwischen 533 und 548 von reims aus regierte und zum eigentlichen gegenspieler von justinian aufstieg. er unterwarf die thüringer, die immer ausserhalb des römischen reiches gestanden hatten, die alamannen, die bis zum gotenkrieg des kaisers den schutz der ostgoten genossen hatten, und die rätier, die so erstmals nicht nach süden, sondern nach norden eingebunden wurden. er prägte auch, was vor ihm niemand gewagt hätte, eigene münzen, die den handel mit dem slwaischen osten befördern sollten.

unter theudeberts herrschaft wurden die alamannen, die nie ein eigenes königreich gebildet hatten, nach süden gedrängt, und überschritten dabei erstmals wieder seit ihrer verdrängung in den schwarzwald mitte des 4. jahrhunderts nei zurach den rhein. aareaufwärts begannen sie das vormals römische, dann burgundische herrschaftsgebiet in beschlag sukzessive zu nehmen.


die verdrängung der alamannen unter könig theudebert I. (anclickbar)

das schicksal der burgundia

die burgundia wurde 534 bei ihrer eroberung durch die franken in zahlreiche gaue aufgeteilt. die meisten davon wurden dem fränkischen könig chlodomir, der in orléans redisierte zur verwaltung übergeben. nicht so verfuhr man indessen mit der alten sapaudia, dem hinterland von genf. dieses kam jetzt unter die herrschaft der könige von reims, was der regermanisierung durch die alamannen tür und tor öffnete.

561 war es dann soweit: könig chlothar I., der während knappen 6 jahren als letzter für lange zeiten alle fränkischen gebiete in personalunion regiert hatte, starb. mit ihm, kann man sagen, ging gallien im römischen sinne definitiv unter. die spätantiken verwaltungsstrukturen, die chlodwig und gundobad noch übernommen hatten, waren obsolet geworden. geblieben waren davon noch die bischofsstädte und das fränkische königtum.


merowingische dynastie bis zur grossen krise von 613

die reichsteilung von 561

561 teilte man die fränkische welt unter chlothars söhnen, wiederum vier, neu auf: sigibert wurde fränkischer könig von austrasien, das die gebiete am rhein umfasste. charibert wiederum wurde könig von neustrien, im wesentlichen das gebiet von paris, während chilperich die fränkischen stammland im norden des heutigen frankreichs erhielt, und gunther fränkischer könig des wieder hergestellten bugund wurde.

durch die ethnische aufteilung des schweizerischen mittelland zwischen burgundischen und alamannischen einwanderern nach 534 wurde das gebiet zwischen jura, oberrhein und alpen nun herrschaftlich geteilt:

erstens, die gebiete links der aare blieben burgundisch, jene rechts davon wurde nun austrasisch.

zweitens, links siedelten die romanisiserten und christianisierten burgunder, rechts hatten sich die alamannen, die germanisch geblieben waren, breit gemacht und mit ihnen wurden das land auch wieder repaganisiert.

drittens, 561 wurde das mittelland aber auch herrschaftlich geteilt. rechts der aare herrschte ein dux, ein herzog, über den ducatus alemanorium, der gefolgsmann von könig sigibert wurde. das gebiet links der aare nannte man bis auf die jurahöhe von nun an ducatus transioranourum, die transjurassischen gebiete, die dem fränkischen könig von burgund mit sitz in orléans unterstellt wurden.


die aare als grenzlinie nach 561 wurde erst mit dem handeln der burgundischen könige 917 wieder überwunden; erst städte wie bern, 1191 gegründet und 1254 mit einer brücke versehen, reintegrierten die landstriche und beiseits langsam und bauten die kulturellen gegensätze langsam ab.

die bleibende teilung

kommt ihnen das nicht unbekannt vor? die kelten, die keine grenzen kannten hätten den kopf geschüttelt ob der neuerung. die römer, die gerne schnurgerade grenzen hatten, wären nie auf die idee gekommen, die aare zur grenze zu machen. sie liessen das land helvetiens in den voralpen einfach auslaufen, hielten aber mit ihren strassen von genf bis arbon das mittelland zusammen.

die germanen nun, die in unterschiedlichem massen römische traditionen aufgenommen resp. abgelehnt hatten und die seit dem 6. jahrhundert das mittelland bevölkerten, teilten dieses erstmals. mit der teilung entwickelten sich nicht nur zwei verschiedene völker weiter, sondern auch zwei kulturen und zwei herrschaftsgebiete.

erst mit dem zerfall der fränkischen macht im 9. jahrhundert sollte sich eine neu perspektive entwicklen, die gegensätuzlich gewordenen teile des heute schweizerischen mittellands mit mitteln der adeligen konkordanz wieder zusammen wachsen zu lassen.

bis es jedoch dazu kam, brauchte es nicht nur zeit, sondern auch noch eine phase der diskonkordanz: den krieg zwischen den burgundern und den alemannen, angestachelt durch rivalisierende fränkische adelige.

davon später mehr …

stadtwanderer

von sigismund zu sigismund – die ausrichtung burgunds am katholizimus

teil 5 der serie: “burgund in bern”

teil 4 der serie: “burgund in bern”
teil 3 der serie: “burgund in bern”
teil 2 der serie: “burgund in bern”
teil 1 der serie: “burgund in bern”
vorschau zur serie: “burgund in bern”

sigismund war der zweite könig der vereinigten burgundia. wann er geboren wurde, weiss man nicht. als er jedoch 524 starb, entstand mit seinem märtyrium das verständnis vom heiligen königtum. das war bei sigismund jedoch erstmals nicht mehr im germanischen sinne der fall, sondern im christlich-katholischen.


hl. avitus von vienne, könig sigismund taufpate

sigismund zwischen machtpolitik und religion

gundobad regelte einen der beiden grossen konflikte in seiner burgundia mit dem burgundischen volksrecht. er vermittelte so zwischen den städtischen galloromanen und den romanisierten burgunden auf dem land. die andere grosse spannung versuchte erst sein sohn, sigismund, zu überbrücken. anders als die meisten burgunder, die arianischen glaubens waren, folgte sigismund der trinitarischen strömung im christentum, die im römischen reich die staatsreligion war und im 11. jahrhundert in den heutigen katholizismus mündete. sein ziel war es, burgund auf den pfad des richtigen römischen glaubens zu bringen.

machtpolitisch hielt sich sigismund ganz an die goten. in ravenna regierte theoderich im namen des kaisers in konstantinopel über italien, wo seine ostgoten lebten, und später wachte er auch über die westgoten im südwesten galliens. diese verbindung baute sich sigismund durch die heirat an den gotischen könighof auf. vom glaubensbekenntnis her, richtete er sich aber ganz am kaiserlichen hof in konstantinopel und am papst in rom aus. dieser sah sich auch als verbliebener hüter der imperialen tradition im westen, hatte er doch den kaiserlichen titel des pontifex maximus, des grossen brückenbauers über die konfessionellen strömungen, übernommen. gleichzeitig hatte er den arianismus als erste ketzerbewegung von der kirche ausgeschlossen, weil dieser die trinitität des christlichen gottes leugnete.

sinnbildlich für diesen übergang war sigismunds reise als designierter könig der burgundia. wie sein vater ging er nach rom. doch anders als dieser, eroberte er die stadt nicht mit einem burgundischen heer. und er stürzte auch keine kaiser, den es in rom zu seiner zeit gar nicht mehr gab. dafür pilgerte er in die stadt des papstes, um für ihn zu beten. noch war die burgundische kirche nicht päpstlich; sie meldete aber damit den anspruch an römisch und damit zur staatskirche im grossen rhonetal zu werden.


kloster und schloss st. maurice heute

st. maurice als burgundisches hauskloster

noch vor dem tod seines vater gründete sigismund, der unterkönig in genava (genf) war, in agaunum, heute als st. maurice an der oberen rhone bekannt, ein religiöses zentrum, das den richtigen glauben verkünden sollte. selber hatte er sich vom bischof in vienne, aviatus, taufen und zum trinitarischen glauben bekehren lassen. jesus wurde für ihn so nicht nur ein künder gottes, wie für die anderen burgunder, sondern wie der vater und der heilige geist ein teil der dreifaltigen göttlichkeit.

damit forderte sigismund aber auch die franken heraus. diese hatten die römische staatsreligion schon unter ihrem könig chlodwig, einem zeitgenossen gundobads, übernommen, und so ihren führungsanspruch in ganz gallien markiert. die merowingersippe, die in tournai und soissons über die vereinigten franken und die ihnen unterworfenden alamannen regierte, wartete seither nur auf die gelegenheit, auch die burgundia zu unterwerfen. chlodwig selber hatte im jahre 500 gundobad angegriffen, war dann aber unter dem macht der burgundisch-gotischen heere zurückgeschreckt.


die burgundia zwischen gotischem und fränkischem reich

die krise der königsherrschaft

könig sigismund heiratete nach dem tod seiner gotischen frau ein zweites mal. seine zweite frau war nun, wie er, vom richtigen glauben. und sie misstraute sigrich, dem sohn sigismunds aus erster ehe. sie verpfiff ihn im sechsten jahr der königsherrschaft bei ihrem mann, er strebe nach der königsmacht und wolle den arianismus in der burgundia wieder einführen, der im volk unverändert beliebt war.

sigismund schenkte seiner frau glauben und liess sigerich im affekt umbringen.

aviatus, der taufpate von sigismund, unterrichtete seinen sohn, dass seine tat mit dem richtigen glauben nicht vereinbar sei und dass sie gesühnt werden müsse. sigismund zog sich darauf hin nach agaunum zurück und überliess godomar, seinem bruder, die burgundische königsherrschaft. sigismund bekenntnis zur reue, überzeugte indessen die arianischen goten nicht: sie versagten godomar ihren schutz, denn sigrich war auch von ihrem blut gewesen, und als könig hätte er die burgundia gut mit dem gotenreich verbinden können, womit von der adria bis zum atlantik ein einheitlicher herrschaftsraum entstanden wäre.

nun griffen die franken unter könig chlodomir die burgunder an. zu seinen truppen zurückgekehrt, konnte sigismund nur noch ihre niederlage feststellen. er und seine familie fielen gar den franken in die hände, die sie abschleppten. in der burg von coulmiers, wo sigismund, seine frau und seine zwei söhne gebracht worden waren, wurden sie im jahre 524 gemeinsam in einem brunnen ertränkt.

jetzt fühlten sich die goten von den expandieren franken bedroht, und sie unterstützen den bedrängten burgunderkönig godomar. dieser griff in den alpen bei vézeronce die franken an, und schlug sie mit gotischer hilfe, wobei könig chlodomir selber fiel.

die franken zogen sich danach wieder nach orléans zurück, doch nur, bis theoderich gestorben war. 534 griffen sie könig godomar erneut an, stürzten ihn und besetzen die ganze burgundia. die zeit des selbständigen königtums der burgunder auf römischem boden war damit beendet. eingeleitet wurde dafür die zeit der fränkischen herrschaft über burgund, die wechselhaft genug bis in die mitte des 9. jahrhunderts dauern sollte.


sigismund-kult im mittelalter

bilanz: der sigismund-kult am ende des königreichs burgund

sigismund war es nicht gelungen, die burgundia machtpolitisch zu festigen, wie das sein vater gundobad so mustergültig vollbracht hatte. unter ihm hätte sie zur römischen herrschaft zuerst in südgallien, dann über ganz gallien werden sollen. so wäre die nachfolge des weströmischen kaisertums, das zu gundobads zeiten untergegangen war, burgundisch geworden. man weiss es: dem war nicht so, vielmehr sollte das weströmische kaiserreich erst an der schwelle des 8. zum 9. jahrhundert wieder auferstehen, und war in fränkischer gestalt.

doch begründete sigismund mit seiner religiösen orientierung die geistige tradition burgunds, die in der klosterwelt des mittelalters gross wurde und so den katholizimus dieser zeit prägen sollte. sein märtyrium wurde von der burgundischen kirche zum anlass genommen, ihn zum heiligen zu erheben, womit erstmals ein germanischer könig christlichen glaubens über seinen tod hinaus von der kirche verehrt wurde.

536 wurden sigismunds reliquien nach agaunum, dem heutigen st. maurice gebracht, und mit dem ewigen lob, der laus perensis, tag und nacht besungen. noch heute steht neben dem kloster, das sigismund 515 begründet hatte, die sigismund-kirche.


kaiser sigismund ordnete das untergegangene mittelalterliche königreich burgund neu und erhob die stadt bern zum königlichen stand

seine gebeine sind jedoch 1365 von kaiser karl iv. aus dem hause luxemburg-böhmen, der als letzter kaiser auch die burgundische krone trug, nach prag in den veitsdom gebracht worden. seinen sohn zweiten sohn taufte karl iv. ebensfall sigismund, und der sollte 1414 das zerfallenen königreich burgund neu ordnen: savoyen wurde damals in den rang eines herzogtums erhoben, das sich wiederum wie zu zeiten gundobads um das (obere) rhonetal und die alten alpenübergägne in die lombardei kpmmern sollte, während könig sigismund im gleichen jahr 1414 bern zum königlichen stand erhob und die bedeutung der stadt als zentrum in der alten sapaudia erhob. sinnbildlich hierfür ist das heute noch stehende berner rathaus, das sigismund einweihte.

stadtwanderer

vom gedächtnis der ortsnamen

teil 4 der serie: “burgund in bern”

teil 3 der serie: “burgund in bern”
teil 2 der serie: “burgund in bern”
teil 1 der serie: “burgund in bern”
vorschau zur serie: “burgund in bern”

viel weiss man nicht über die frühen burgunder und ihre leben auch in unseren breitengraden. aber eines fällt bis heute auf: der charakter der unübliche charakter von ortsnamen, vor allem im heutigen kanton freiburg und waadt. und der hat burgundische ursachen: ortsnamen, die auf -ens enden, entsprechen den -ingen-ortsnamen auf deutsch, die germanischen ursprungs sind, sie kommen auf französisch aber nur im gebiet der alten burgundia vor und haben entsprechend burgundische wurzeln.


sah es so in aventicum aus, als die burgunden in unsere gegenden kamen? – bild der untergangenen römischen stadt pompeii, die bei einem ausbruch des vulkan vesuv verschüttet wurde und deshalb heute noch fast unverändert wie beim untergang aussieht (anclikcbar)

das entstehen der multikulturellen gesellschaft in der sapaudia

wie viele burgunden 443 in die sapaudia kamen, weiss man bis heute nicht so recht. im vergleich zu den heutigen bevölkerungszahlen, waren es sich er wenige; in bezug auf die damalige population von 300000 im alten gebiet der helvetier war es sich ein respektabler anteil.

die römischen berichte sprechen von 20’000 einwanderern. die zahl ist jedoch wenig wahrscheinlich, wenn man daran denkt, dass die burgunden nur eine halbe generation nach ihrer verfrachtung in den süden in der völkerschlacht auf den katalaunischen feldern eine entscheidende rolle spielten. und wenn man an die rasche expansion der burgunden ins rhonetal denkt, dünkt einem die zahl erst recht viel zu klein.

die burgunden waren in der untergehenden imperialen welt auf jeden fall nicht zu vernachlässigen, denn sie erhielten einen föderatenvertrag, der sie nicht nur zu militärdienst verpflichtete. er gab ihnen auch land zur eigenen nutzung in der sapaudia, und selbst an den steuereinkünften wurden die burgunden, die sich niedergelassen hatten, beteiligt. damit teilten die verbliebenen galloromanen nicht nur ihren besitz, sie schufen auch eine voraussetzung für das zusammenleben verschiedener kulturen auf engstem raum.


verteilung von ortsnamen, die auf -ens enden, in der alten burgundia von gundobad (anclickbar)

das gedächtnis der ortsnamen

einen hinweis, wie man sich das vorzutellen hat, kann man heute noch beim kartenlesen bekommen. speziell in den kantonen freiburg und waadt häufen sich ortschaften mit einer endung auf -ens. und sie liegen in unmittelbarer nähe von orten, die auf -y oder -iez aufhören.

die namenskonstruktionen auf dem land sind eigentlich immer gleich. der erste teil des ortsnamens ist der eigenname des sippenführers oder gutshofbesitzers, im einen fall keltisch oder römisch, im andern fall germanisch. endungen auf -ingen sind im deutschen häufig die zentren der frühen besiedelung durch alamannen im 6. jahrhundert, und wortausläufer auf -ens im französischen verweisen auf das gleiche durch die burgunden.

echallens, von wo ich komme, ist ein typisches beispiel hierfür: die wortendung verweist an sich auf eine burgundische namensgebung; der eigenname ist höchstwahrscheinlich “charles”; abgeschliffen hat sich indessen mit der das “r”, das zu einem “l” geworden ist, und aus dem wort “challens”, dessen bedeutung man im 13. jahrhundert nicht mehr kannte, wurde e-challens, “aus challens”. oder ganz zurück übersetzt: echallens ist “aus challens” resp. “aus dem ort, wo die leute des charles wohnen”. wie “charles” auf burgundisch hiess, ist nicht so eindeutig klar. meist nimmt man an, dass es “car(a-o)lingos” war, dem am anfang des ortsnamen steht. das wiederum ist ein untrügerisches zeichen, dass es ein spezieller sippenführer war, den namen wie karl sind in allen kulturen herausgehobene. herausgehoben ist schliesslich auch der ort von echallens: auf dem plateau ist der ort nicht nur leicht erhöht und deshalb sei der bronzezeit bewohnt, er ist auch für verkehrverbindungen von südwesten nach nordosten resp. von nordwesten nach südosten ein wichtiger kreuzungspunkt.

die exklusive verbreitung der endung -ens in der alten burgundia

das witzige an dieser ortsnamentheorie ist nun, dass sich namen, die auf -ens enden, nicht nur in der heutigen romandie gehäuft finden, sondern mit schwerpunkten im ganzen gebiet der burgundia von gundobad vorkommen. das ist ein untrügerischer hinweis dafür, wo die einwandernden burgunder ausgehend vom 5. jahrhundert ihre sippen hinführten, land nahmen und bewirtschafteten, und mit der nahe gelegenen römischen stadt in verbindung traten.

in gegenden mit massierungen von ortsnamen, die auf -ens enden, dürften die burgunden gehäuft vorgekommen sein und ihre eigene kultur gepflegt haben, während sie an anderen orten schneller in die gallorömische integriert wurden. vorangetrieben wurde die assimilierung sicher auch durch die sippenführer, die – wie gundobad selbst – in einer art doppelwelt lebten: im römischen militär stellten sie nicht selten die führer und waren stark angepasst, bei sich zuhause lebten sich nach alten regeln und war der könig.


verbreitungsgebiet des heutigen frankoprovenzialischen im gebiet der alten burgundia (anclickbar)

vom frankoprovenzialischen und dem patois im burgundergebiet

die assimilierung der burgunden in ihrem kerngebiet geschah gerade in der sprache, dem eigentlichen träger von kultur, nie ganz. im 19. jahrhundert entdeckte man, dass das französisch gerade im erweiterten im rhonetal eine eigene wendung hatte und sich allen französisierungen zum trotz von der sprache des nordens und des ostens unterschied. geboren wurde damals die bezeichnung des frankoprovenzialischen, der französischen sprache der mont blanc leute, die sich vom okzitanischen (lange d’oc) und nordfranzösischen (langue d’oil) unterschied.

zu diesem frankoprovenzialen gehört übrigens auch das schweizer französisch oder patois. zwar haben calvin, die schulen und das fernsehen in den letzten 500 jahren viel dazu beigetragen, dass es verschluckt wird. doch wird es in rückzuggebieten der romandie immer noch gesprochen oder wenigstens verstanden. es liegt nahe, dass damit eine der letzten spuren des ausgestorbenen ostgermanischen, das im burgundischen als mischung aus germanischen und romanischen elemente überlebt hat(te), langsam aber sicher ganz verschwindet …

… weshalb ich gerne daran erinnere!

stadtwanderer

im zeichen der wasseruhren

teil 3 der serie: “burgund in bern”

teil 2 der serie: “burgund in bern”
teil 1 der serie: “burgund in bern”
vorschau zur serie: “burgund in bern”

gundobad war zwischen 478 und 516 der erste könig der frühen burgunder, dem es nach der grossen wanderungszeit gelang, alle burgunder im rhone-, saone- und doubstal zu vereinigen. rr nannte sein regnum „burgundia“, und er war der rex. dafür erhielt er zahlreiche ehrungen geschenkt, so auch die errungenschaft der damaligen zeit: die wasseruhr, von denen er im ehemaligen gallien die allererste besass.


die von den hunnen 375 ausgelöste germanische völkerwanderung fand 451 in der schlacht auf den katalaunischen feldern ihren kriegerische höhepunkt und brachte den aufstieg burgunds zum eigenständigen königreich auf imperialem boden (anclickbar)

die eigentlichen sieger auf den katalaunischen feldern

die schlacht zwischen römern und hunnen auf den katalaunischen feldern 451, die man heute in der nähe von chalons-sur-marnes vermutet, kam es nicht nur zum grössten kräftemessen des 5. jahrhunderts, denn es sammelten die römer links alle germanen, denen man links des rheins habhaft werden konnte, und es verfuhren rechts des rheins die hunnen genau gleich. mehr als 100’000 krieger sollen auf beiden seiten gestanden sein, als man zuschlug. und es waren so viele, dass man heute noch nicht weiss, wer gewonnen hat.

jedenfalls destabilisierte diese schlacht die herrschaft gewaltig: general aetius, der „sieger“ auf römischer seite, wurde vom eigenen Kaiser umgebracht, weil er nach dessen macht strebte, und khan attila, der „sieger“ auf der hunnischen seite verstarb nur kurz danach, weil er zu seiner stärkung nochmals heiratete, in der hochzeitnacht mit der germanin ildico („hildchen“) an einem blutsturz verstarb.

nutzniesser in unserer gegend waren die burgunder, die auf römischer seite gekämpft hatten. sie nutzen den zerfall des imperiums in rom und trier, um ihr eigenes königreich von der sapaudia aus auszudehnen. rasch besetzten sie nach genève auch vienne, lyon und besançon. lyon machten sie zu ihrer neuen Königsstadt, und fenf, das vorher diesen rang inne hatte, blieb hauptstadt im der sapaudia.

die burgunden nutzten ihre starke stellung im rhonetal, wo der handel noch funktionierte, und machten nun druck auf den römischen Kaiser. dieser war nurbnoch ein hampelmann, denn er hing auf biegen und brechen von den germanischen heeren in italien ab. 472 schloss sich gundobad dem ranghöchsten germanen im römischen heer, ricimer, an. gemeinsam griffen sie mit ihren soldaten rom an und plünderten es. ricimer verschied hierbei, und gundobad übernahm den posten des patricius, wie der oberste general der kaiserlichen truppen hiess. auch er ernannte einen weströmischen kaiser, den drittletzten, dessen namen ich vergessen habe …


ausdehnung der burgunden von der sapaudia aus ins rhone-, saone- und doubstal

gundobad wird erster gemeinsamer burgundischer könig

nach dem tod seines vaters gundowech trat gundobad, wie es bei den germanen sitte war, die nachfolge als burgundischer unterkönig an. dabei rangierte er seine drei brüder, die auch unterkönige waren, einen nach dem andern aus, und überliess chrodechilde, eine halbschwester, dem aufstrebenden frankenkönig clovis, der wiederum eine seiner töchter dem ostgotenkönig theoderich vermachten, während theoderich seine tochter Ariadne gundobad zur frau gab. das machte durchaus sinn, denn so bekämpften sich die drei germanischen könige auf römischem boden nicht.

doch clovis änderte die regeln. Zuerst besiegte er die alamannen, die es nicht zu einem eigenen königtum gebracht hatten, und trat, von chrodechilde hierzu angestiftet, zum katholizismus über. chrodechilde überredete ihren Mann auch, gundobad anzugreifen, denn er hatte bei seinem aufstieg seine brüder umgebracht. anfänglich war clovis mit seinem angriff erfolgreich, musste sich aber aus dem rhonetal zurückziehen, als die goten die burgunder zu unterstützen begannen.


monogramm von könig gundobad

lex gundobada als bleibende errungenschaft der burgunder

gundobad festigte nun seine macht mit 32 comes und stellvertreter im rang eines beamteten grafen. und er gab seinem reich auch ein eigenes gesetz: die Lex Romana Burgundionum, besser bekannt als Lex Gundobada, mit der er bestrebt war, germanisches und römisches verständnis von recht zu verbinden, um das zusammenleben der ansässigen galloromanen in den städten und der eingewanderten germanen auf dem lande auch ohne kaiserlichen schutz zu ermöglichen. damit begründete er aber auch die heimat der burgunden, die alte burgundia, die vom heutigen arles bis an den doubs und den rhein reichte.

gundobad stellte er sich mit seiner verbindung von galloromanen und germanen in die tradition von theoderich, dem könig der goten, der in italien gleiches anstrebte, grenzte sich aber von clovis ab, der im norden erstmals ein christlich-germanischen königreich anführte. theoderich war es denn auch, der gundobad den titel eines ehrenkonsuls bei den goten verlieh, dessen regnum erstmals „burgundia“ nannte, und gundobad mit der technischen errungenschaft seiner zeit, der wasseruhr beschenkte.

mechanisch waren die beiden ihrer zeit voraus, doch militärisch sollten sich clovis und seine söhne durchsetzen. Damit sollten sie, und nicht gundobad, für das anbrechende mittelalter stilbildend wirken: die verbindung von wildem germanentum und römischem christentum sollte die europäische welt die nächsten 1000 jahre regieren.

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von den wilden burgunden  …

teil 2 der serie: “burgund in bern”
teil 1 der serie: “burgund in bern”
vorschau zur serie: “burgund in bern”

„Noch bin ich zwar gesund, allein wie kannst du
heitren Liebesgesang von mir verlangen, der ich
des langhaarigen Volkes Tischgenosse,
hab germanische Worte auszuhalten,
muss auch wieder und wieder ernsthaft, was da
der burgundische Vielfrass vorsingt, loben
der mit ranziger Butter sich den Kopf salbt.
Du darfst Augen und Ohren glücklich preisen,
glücklich preisen dir auch die Nase, dem nicht
früh am Morgen schon zehn Portionen Knoblauch
und elendige Zwiebel rülpst entgegen …“

vom schock der galloromanen

sidonius appollinaris, der dies mitten im 5. jahrhundert über die burgunder schrieb, war sichtlich geschockt. der frühere stadtpräfekt von rom, der aus gallien stammte und als bischof der auvergne wieder dorthin zurückkehrte, wusste zwar um die bedeutung der burgunder für die verteidigung der römer gegen die wilden völker. doch waren ihm auch die burgunder ungeheuer: letztlich waren sie aus seiner sicht genau so unzivilisiert; einzig unterschieden sie sich von den alamannen darin, dass sie selber römer werden wollten.


eine kulturbegegnung besonderer art: schockiert über den knoblauch-gebrauch der frühen burgunden waren die spätantiken römer

wie heute nicht anders definitierte sich eine hochkultur über das essen: was und wie man isst, zeigt, wer man ist!

und die essgewohnheiten der burgunder unterschieden sich offensichtlich von jenen der römer: knoblauch und zwiebeln waren den römern damals noch nicht so gläufig wie den burgundern; erst die klöster sollten diese gemüse und gewürze in gezähmter form auf den mittelalterlichen speisezettel der franken setzen, und so asiatisches kulturgut in europäisches übersetzen.

von der kultur der frühen burgunder in der heutigen schweiz

den burgundern, die in die sapaudia kamen, wurde auch nachgesagt, die asiatische sitte, den frischgeborenen kindern ihrer fürsten die köpfe zu bandagieren, übernommen zu haben. damit sollte der noch weiche schädel geformt, ja erhöht werden. bis ins hohe alter sollten so vor allem die weiblichen nachfahren der erfolgreichsten krieger als besondere frauen gekennzeichnet werden. in den burgundischen gräbern, die man beispielsweise im kanton waadt entdeckt hat, konnte man diese form der auszeichnung für die erste generation der anwesenheit von burgundern nachweisen; danach scheint die fremde sitte jedoch zu verschwinden. heute interpretiert man das so: die burgunder, die in die sapaudia kamen, waren ein sammelvolk, das einen gemeinsamen burgundischen könig akzeptiert hatte; es vermischten sich in ihm verschiedenste sitten, so auch die hunnischen, von denen man die schädelverformung übernommen hatte.


schädelverformung bei den burgundern, vor allem bei frauen, gibt bis heute anlass für kontroverse diskussionen über die sitten, die im volk der burgunden geherrscht hatten, die im 5. jahrhundert in das gebiet der heutigen westschweiz kamen.

man hat solche spuren der frühen burgunder in unseren gegenden zum anlass genommen, von einer raschen anpassung der burgunder an fremde herrschaften und damit auch an die gallorömische lebensweise zu sprechen. ganz anders als die alamannen haben sich die burgunder rasch assimiliert. dafür spricht auch, dass es ihnen ab dem 6. jahrhundert erlaubt war, sich mit römischen familien zu verheiraten. selbst das christentum in der orthodoxen form übernahmen sie in dieser zeit, und auch ihre sprache, eigentlich aus dem ostgermanischen stammend, haben sie auf eigentümliche art mit dem vulgärlatein vermengt. daraus entstand die regionalsprache des langue d’oc, die als patois auch in der romandie bis ins 20 jahrhundert überdauert hat.

vom wilden germanen zum integrierten romanen

so galten die ehemals wilden burgunder nur 200 jahre nach ihren ersten kontakten mit der römischen zivilisation plötzlich als die angepasstesten germanen, anders als die wiederspenstigen alamannen von den galloromanen kaum mehr unterscheidbar. die burgunder selber haben das in ihre geschichte übernommen, und ihre ostgermanischen wurzeln zu verleugnen resp. durch römische zu überlagern begonnen. keinem burgunder in frankreich käme es heute in den sinn, ein nachfahre der barbaren zu sein. vielmehr waren nach dem zerfall des weströmischen imperiums nebst den westgoten und franken zu einem der drei grossen königreiche aufgestiegen, die das ehemalige gallien sah, und herrschten mit ausnahme der mittelmeerküste während jahrhunderten über das ganzen rhone-, saone- und doubstal. traditionesreiche römische bischofsstädte wie lyon, vienne, genève und besançon gehörten zu ihrem königreich. zusammengehalten wurde es durch die lex burgundiones, eines der ältesten codifizierten germanenrechte, das an die gallorömische lebenweise der spätantike angepasst worden war.


burgunderin aus dem 5. jahrhundert, bei der ankunft in der sapaudia und nach einigen generation der assimilierung an die gallorömische lebensweise (darstellung der universität lausanne)

das burgunderrecht regelte selbstverständlich die aufgaben des königs, namentlich seine vorrechte auf die jagd im wald, aber auch die einkünfte, die er aus bussen bezogen, welche man für verletzungen oder tötungen von freien burgundern, halbfreien angehörigen anderer stämme und unfreien skalven zu entrichten hatte. das alles war mehr als nur ein gesetzeswerk. es war das burgundische volksrecht, das die späteren imperialen herrcshaften über- oder unterdauert hatte, denn es ist bis in die heutigen tage als loi gombetta im burgundischen kulturbereich bekannt.

ganz offensichtlich haben die burgunder mit ihrem volksrecht viel mehr wert auf äusseres gelegt, als es der gallorömische historiker sidonius auf den ersten blick bemerkt hatte. so gehörte es zum fehlverhalten von burgundern, übergewichtig zu sein. und auch dafür zahlte man dem könig ein bussgeld!

von der vorsicht bei verallgemeinerungen von volkscharakteren

auch daran spürt man es: die verwendung von volksnamen ist stets mit stereotypen verbunden: “germanen” sind unsympathisch, “galloromanen” sind imperial, und “burgunder” sind anpassungsfähig. damit muss man aufpassen: denn in der ersten erwähnung der burgundiones durch die römer, die plinius der ältere im jahre 70 unserer zeit festhielz, nannte er sie noch als teile der vandalen. auch diese sind im 5. jahrhundert ins römische reich eingedrungen und haben ihr eigenes königreich vor allem in nordafrika, der kornkammer des reiches, errichtet. geblieben ist von ihnen nichts, ausser dem miserablen ruf, den sie nicht zuletzt bei den christlichen schriftgelehrten genossen. das haben die reaktionäre während der französischen revolution gerne aufgewärmt, indem sie die revolution mit vandalismus gleich setzten. sie haben damit ein stehendes bild geschaffen, das bis heute in der polizeisprache der demokratie erhalten geblieben ist.

ganz anders hat sich die bedeutung des wortes “burgunder” seit plinius entwickelt: “burgund” steht heute für kultur, für katholizismus und weinbau und gutes essen. von vandalischen einflüssen auf die spätantike will man heute gar nichts mehr wissen, während es sich für europäer immer noch gut macht, burgundische wurzeln zu haben und sie in der vergangenheit nachzuspüren.

für mohamedaner ist das übrigens ganz anders: sie haben das andenken an die vandalen positiv bewahrt und ihnen den namen al-vandalus gegeben, woraus in südspanien europäisch verformt andalusien entstanden ist. was wiederum positiv besetzt ist …

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