imagine all the goals

bild-100.jpg“na also, geht doch”, sag’ ich mir, als ich bern verlasse. und denk mir: was nur wäre möglich gewesen, wenn …

soeben hat die schweiz in ihrem letzten vorrundenspiel den mitfavoriten portugal 2:0 besiegt. die beiden tore schoss hakan yakin, – das eine genial durch die beine des gegnerischen torhüters, das andere mit einem unhaltbaren penalty ins latenkreuz.

im taxi nach hause sind wir schnell beim thema. mein chauffeur hat die 90 minuten während des spiels nicht gearbeitet. er ist ausländer, lebt aber schon lange in bern, gibt er sich zu erkennen.

“zweimal gut für uns”, sagt er: “die schweiz hat gezeigt, was sie kann, und yakin von yb ist der beste in der mannschaft!”

ich nicke, schon bevor mein nachbar sagt, was ich eigentlich denke: “doch kuhn hat wieder den gleichen fehler gemacht wie immer. in seiner besten phase nimmt er yakin einfach aus dem spiel. ”

“damit er nicht noch ein drittes tor schiesst”, kontere ich den gedankengang, “sonst würde er neben dem gewöhnlichen kuhn definitiv zum unsterlichen star.”

man stelle sich nur vor, was geschehen wäre, hätte yakin von anfang an in der standard-formation der schweizer spielen dürften, spinne ich den faden weiter, als ich ausstieg, um mich in den sonntäglichen schlaf abzumelden.

stadtwanderer

foto: stadtwanderer, am anderen morgen, andem der blick genau das thema unseres gesprächs auf die frontseite brachte.

kulturen aus bern – kultur(en) in bern

bild-459.jpgin theaterstück “charta von bern” ist alles verkehrt: deshalb widerspreche ich der these des bühnenschauspiels, dass es keine kultur in bern, nur kulturen aus bern gäbe.

die zuschauerInnen im berner stadttheater haben es diesmal nicht leicht. sie können die schwelle zum theater nur passieren, wenn sie einen ausländerausweis akzeptieren und sich einer leibesvisitation unterziehen. im theater selber sitzen sie dann dicht gedrängt auf der bühne, fast so, wie wenn sie in einem flüchtlingsboot über das offene meer rudern müssten. derweil spielen die darstellerInnen in den weiten sitzreihen. ein rednerpult für politik haben sie vorne rechts aufgestellt, und eine plattform für expertenrunden steht ihnen in der mitte zur verfügung. darüberhinaus diskutieren sie in den vorderen rängen über ihren lebensalltag, oder ruhen sich in den hintern bänken von den strapazen eben dieses alltages aus. denn sie alle sind migrantInnen, während im publikum vor allem schweizerInnen sind.

die unüblichen perspektive auf die integration

das thema der “charta von bern” ist die integation. doch ist es nicht die integration der vorherrschenden ma cht in die vorherrschende kultur, die hier interessiert. vielmehr geht es geht um die integrationsvorstellungen der kommenden, der verweilenden, der gehenden. und deshalb kommen in diesem stück die betroffenen eingebürgerten, einbürgerungswilligen und passantInnen gleich selber zu wort. der “président de la république” ist ein afrikaner aus dem kongo. genauso wie der dunkelhäutige integationsminister, während der viehwirtschaftsminister aus einer der vielen ranches aus lateinamerika stammt. sie alle äussern die hoffnungen, aber auch ihre skepsis jener menschen, um die es bei der integation geht, ohne dass sie sich selber äussern können.

so klagt präsident der republik an, wenn er sich fragt, was denn an europa zivilisierter sei, stammten doch die pädophilen pfarrherren in seiner heimat samt und sonders aus eben diesem europa. der viehwirtschaftsminister, ein erfahrener schafzüchter, wiederum erläutert die prinzipien der lebewesen, wenn er äussert, es gäbe nicht weisse und schwarze schafe, sondern nur schafe. die schafe selber wüssten das am besten. unter den menschen gäbe es aber zwei sorten: jene, die schafe nach ihrer fellfarbe einteilten, und solche, die das nicht machen würden. und der integrationsminister macht sich gedanken über eben jene kulturen unter den menschen, welche diese, je nach ausrichtung, desintegrieren oder integrieren würden.

in den expertenrunden, die aus männern und frauen aus allen fremden ländern, die in allen orten rund um bern wohnen, bestückt sind, geht es dann um eben diese kultur: “was ist berner kultur”?, fragt man sich, ohne eine eigentliche antwort zu erhalten. schliesslich einigt man sich nach einigem hin und her darauf, dass es eine berner kultur gar nicht gäbe. denn das einzig kulturelle in bern sei der fussball, jener von “yb”, und der sei letztlich universell. “was also ist integration?”, fragt des diskussionsleiter bei den fachleuten nach. integation in die kulturen sei, so kommt man der sache dann doch auf die spur, das essen der menschen an einem fremden ort kennen zu lernen, das meist ein essen sei, das aus anderen kulturen stamme, die nicht am ort selber entstanden seien, wo man esse. deshalb, so die quintessenz, sei integration eigentlich überall integration in die allgegenwärtige weltweite multikultur.

“charta von bern”: das spiegelbild auf die integrierte kultur

das theaterstück leitet seinen namen von der “charta von birr” ab, einem schriftstück, das 2007 in birr zum zusammenleben von einheimischen und fremden entwickelt und in alle haushaltungen der aargauer gemeinde birr abgegeben worden ist. die “charta von bern” versteht sich zwar als gegenprojekt, es geht nicht um integrationsregeln der ansässigen für zuwandernde. vielmehr geht es in diesem theaterstück aber keine verpflichtenden gesellschaftsregeln, sondern bühnereife spiegelbilder der lebenslagen in der multikultur: die lebensfrohe senegalesin fragt sich, ob die frauen in der schweiz ihre männer überhaupt lieben würden; sie zweifelt, wenn sie sieht, wie schlecht die frauen die männer ernähren und wie wenig sie sie des abends massieren würden. und der brasilianer, der eine sittenstrenge trachtenfrau aus den alpen imitiert, zeigt dem publikum, wie rasch aus der sittenstrengen kuhschweizerin wieder liebestolle verführerin werden könnten. derweil begrüssen sich die experten aus muri und zollikofen derart rituell überfreundlich, dass man schon auf einen durchbruch in der eigenen kultur hofft. doch der kann nicht zu stande kommen, weil sich die diskutierenden in ihren stühlen so akrobatisch verklemmt hineinzwängen, dass schon die körperhaltungen jegliches aufeinander zugehen in der auseinandersetzung verhinderent. erheiterung im publikum, das hier vorgeführt wird, bleibt angesichts des spiels nicht aus!

intendant marc adam tritt mit diesem stück mutig gegen die momentanen berner befindlichkeit. während vor dem stadttheater im banne des europäischen fussballs völkerverbürderung gefeiert wird, lässt er im stadttheater über die realitäten des zusammenlebens von fremden in der fremde und von einheimischen in ihren heimen nachdenken. da passt die weiche musik von isak biaa bestens dazu, gespielt aus der yb-fane, welche die verschiedenen akte des bühnestücks verbindet, dichte folge der eindrücke aber auch angenehm lockert.

der erfrischende abschluss statt des cüplis in der pause

wie gesagt: in diesem theaterstück ist alles unüblich. so gut das für die dramaturgie des schauspiels ist, so wenig braucht man mit der pointe der aufführung einverstanden zu sein. üblich wäre, dass man mit dem aussage des theaters einverstanden ist, und mit cüplis während der pause darauf anstösst. in der “charta von bern” ist es auch erlaubt, der these, dass es keine kultur in bern, nur kulturen aus bern, zu widersprechen, selbst wenn man sich damit nicht als freund der “charta vonbirr” outet.  denn das theaterstück selber ist ein stück lebender kultur in kulturellen leben von bern. denn kulturen sollen offen sein für andere, ohne sich dabei gleich aufzugeben. das gilt für alle seiten in der kulturbegegnung. und die gibt es am schluss der charta bei erfrischenden getränk unter sesshafteren und wandernden aller art.

stadtwanderer

nächste aufführung: 16. juni 2008 im berner stadttheater

foto: stadtwanderer, beim erfrischenden getränk zur “charta von bern”

endlich hauptstadt

wie nur hat bern gelitten, dass es 1848 sitz der bundesbehörden wurde, ihr aber der titel der hauptstadt der schweiz verweigert wurde. bundesstadt ist sie seit dem, denn offiziell hat die schweiz gar keine hauptstadt. diesen titel teilen sich inoffiziell verschiedene städte: zürich sei die hauptstadt der wirtschaft, heisst es. genf jene der internationalen beziehung, und basel ist die hauptstadt der kultur in der schweiz, kann man hören.

2577501356_10f4330bb9.jpg

jetzt aber ist alle klar. bern ist endlich hauptstadt. hauptstadt des europäischen fussballs. nirgendswo sonst geht die post während der laufenden europmeisterschaften so toll ab, wie in bern. bern ist quais über nacht zum epizentrum der der fussballemotionen. dank den holländern, welche die stadt vollständig in beschlag genommen haben, und, je mehr sie mitfavoriten auf den em-titel entzaubern, die stadt bern verzaubern.

fast schon glaubt man bernerdam seit 2008 zur neuen hauptstadt von holland geworden!

stadtwanderer

bildquelle

die merkwürdige geschichte der schweizer landeshymne

die schweiz wähnt sich, seit dem 1. august 1291 zu bestehen. eine eindeutige und offizielle nationalhymne hat sie aber erst seit seit dem 1. august 1981. dabei greift sie auf ein lied zurück, dass es schon gab, als die “schweizerische eidgenossenschaft”, der bundesstaat von heute noch gar nicht existierte.

2570466468_53a85e0cd911.jpg

1961 legte der bundesrat fest, der sog. schweizerpsalm sei die provisorische landeshymne. er reagierte damit auf die im häufiger gewordenen verwechslungen zwischen der britischen und der schweizerischen nationalhymne, die damals noch zur gleichen melodie gespielt wurden. in grossbritannien lief der text seit 1745 unter „god save the queen“ (populärer in der schweiz als „god shave the queen“), derweil in der schweiz das lied „rufst du mein vaterland“ 1811 von johann rudolf wyss getextet wurde.

nach dreijähriger probezeit konnten sich die kantone 1965 zur provisorischen landeshymne vernehmen lassen, und sie taten es so, wie man es von ihnen erwartete: 12 waren dafür, 6 dagegen, und 7 votierten für die verlängerung des provisoriums, – ein nullentscheid! die suche nach einer neuen landeshymne, die eingeleitet wurde, führte jedoch nicht zu einem höheren konsens, sodass der bundesrat 1981 der unwürdigen übung ein ende setzte und den schweizerpsalm eigenmächtig zur unverwechselbaren offiziellen landeshymne erklärte.

erstmals veröffentlicht wurde das lied 1843. der text stammtevon leonhard widmer, während die melodie alberich zwyissig kompoiniert hatte. dieser war bis zur aufhebung des zisterzienserklosters wettingen im jahre 1841 daselbst mönch gewesen und hatte den schweizerpsalm an der kirchweihe in wettingen 1835 vorgestellt. das lied selber, das heute bei sportanlässen und staatsempfängen zu ehren der confoederatio helvetica gespielt wird, ist damit älter als der bundesstaat, der erst 1848 gegründet wurde.

1894, auf dem höhepunkt der nationalen welle in der schweiz, wurde das sakral anmutende lied als schweizer nationalhymne vorgeschlagen. doch der bundesrat lehnte dies wiederholt ab. er war der auffassung war, eine nationalhymne müsse sich in der volksabstimmung durch die kehlen durchsetzen, nicht durch ein staatliches dekret. so existierten längere zeiten mehrere versionen der schweizer nationalhymne, wobei „rufst du mein vaterland“ lange populärer war.

heute wirkt der schweizerpsalm mächtig antiquiert. in der regel kann man den text nicht auswendig. an bundesfeiertagen hilft man sich deshalb mit handzetteln aus, selbst wenn das nicht besonders überzeugend wirkt. bei länderspielen würde das aber definitiv blamabel wirken, wenn die jungs von köbi kuhn vor dem dem anpfiff die nationalhymne ablesen würden.

das hat übrigens nichts damit zu tun, dass viele von ihnen secondos sind. auch die meisten schweizer können den text nicht, und summen aus anstand maximal mit.

der versuch, die nationalhymne, pardon, landeshymne, wie man das in der schweiz nennt, auf eine zeitgemässe basis zu stellen, den die nationalrätin margret kiener nellen 2004 unternommen hatte, versandete nach einigen jahren in den mühlen des parlaments.

und so hören wir bald zum letzten mal den schweizerpsalm an der euro 08, ohne etwas besseres in aussicht zu haben.

stadtwanderer

wasserballeuropameister

2569733063_26159ac843.jpgwas trauert ihr? – wir sind auf dem besten weg, europameister im wasserball zu werden. das ist doch schon mal was, um sich ein klitzekleines bisschen zu freuen. zeigt euch nicht nur als schönwetter-europäerInnen. seid abgehärtete und beständige schweizerInnen. ein kleines völklein, das sich vor allem in widerlichen klimatischen situationen durchzusetzen weiss!

stadtwanderer

stadtwandern vor 150’000 fans

das wird eine grosse herausforderung: am kommenden freitag den 13 habe ich meine nächste stadtwanderung in bern: vor 15 gästen und 150’000 fans!

bubpl.gif

die demokratie-tour ist schon lange abgemacht. für eine gruppe aus thun, rund um heinz fahrni, dem säckelmeister des mittelalter!thun-vereins. das alles ist kein problem: demokratie leuten zu erklären, die sich in finanzen oder mittelalter auskennen, ist zwar nicht ohne, aber lösbar!

doch nun kollidiert der termin mit dem fussballspiel italien-rumänien, und findet im unmittelbaren vorfeld von frankreich-niederlande in der stadt bern statt. nach dem montag-erlebnis erwartet man ja unmengen von fans in der stadt bern. und genau das wird die herausforderung sein: den link zu finden, der meine 15 gäste u n d die 150’000 zuschauer begeistern wird! werde noch daran arbeiten …

stadtwanderer

start:

17 uhr 30 beim gerechtigkeitsbrunnen in der berner altstadt (geschlossene gesellschaft, steht jedenfalls in meinen notizen)

ps:

soeben hat die berner stadtregierung entschlossen, extra für uns eine dritte fanzone in der stadt einzurichten. es kann also nichts mehr nicht schief gehen …

bild:

tagesanzeiger

die stadt als stadion

weder der berner bundesplatz, noch der benachbarte waisenhausplatz sind ein fussballfeld. es ist kein rasen in der stadt, auf dem ein spieler gegen einen torwart einen elfmeter schiessen könnte. und doch ist das publikum da. so zahlreich wie noch nie. die meisten sind heute orange, von oben bis unten. die wenigsten sind blau, wenigstens des t-shirts wegen.

bild-248.jpg

die farbenlehre ist ganz nützlich. wenn der schreie von der orangenen seite kommen, dann sind die hupländer im angriff, und wenn sich die stimmen in blau anschwellen, waren die tifosi im gegnerischen strafraum. wobei niemand in der stadt ernsthaft damit rechnet.

diese signalsprache lernt man rasch, wenn man nicht in der vordersten reihe ist und keinen blick auf die mega-leinwand werfen kann. denn so bleibt man auf dem laufenden, wie das spiel im weit entfernten berner wankdorf real steht. dort ist ja die prominenz, und es sind die elite-fans anwesend.

für die vielen normalen supporterInnen, die sich kein ticket leisten oder keines ergattern konnten, ist die stadt das stadion. die zuschauerzahl multipliziert sich so fast ins unendliche. genauso wie die gefühlswallungen der anhängerInnen. denn alle sollen heute dabei sein dürfen, wenn gefühle ausbrechen, freudentränen fliessen, trauer die menge erfasst.

mit emotionen wartet man jedoch nicht, bis das abendliche em-spiel beginnt. denn die wahrhaftigen fans sind seit dem morgen in der stadt. sie haben die cafes gestürmt, vielleicht in einem souvenirladen geschmöckert, sicher einige biers getrunken, um ich im nahen stadtpark ausgzuruhen

schon über mittag waren sie wieder auf der gasse. haben gelacht, getanzt und sich gefreut. fliegt ein ball durch die luft, sammelt sich die energie in der masse spürbar. denn jeder möchte den kopfball kicken, der zum entscheidenden tor führt. und wenn er misslingt, applaudiet die menge rundherum lachend. denn die stimmung ist mehr ausgelassen als auf angriff angestellt.

wo ein brunnen ist, kommt es unweigerlich zur männershow. schon steht der berner söldner auf dem peiler im holländer-nationaldress wache, und sein hund hat einen italiener-tanga über die ohren gestreift erhalten. im brunnentrog toben sich die oranjer aus, bis selbst das wasser die farbe ihren hosen annimmt.

unter dem druck der masse scheint nun die stadt zu schwanken. wenn die fans auf der terassenrestaurant in fahrt kommen, schwappt die stimmung schon mal über die ganzen plätze. dann vereinigen sich die vielen stimmen zum kollektiv. damit jeder in der stadt weiss, wer die lufthoheit inne hat.

public viewing ist in bern neu. das phänomen mit grossleinwänden, fanzonen und massenaufläufen ist erst im 21. jahrhundert aufgekommen. 2002 wurde es in südkorea kreiiert. und seither globalisiert sich die bewegung. sie erfasst die menschen aller kontinente, die bei grossen sportereignisse freiwillige zu botschafterInnen ihrer länder werden.

getreiben wird die bewegung allerdings durch den kommerz. breitflächige werbung wacht über den massen. plakate und schaufenster reizen die blicke, und artikel, die dazu da sind, identifikationen zu schaffen, finden in der aufkommenden trance reissenden absatz. nichts ist dem zufall überlassen, selbst wenn überall volounters die arbeit verrichten.

zu zehntausenden sind vor allem die holländer heute in bern. nie wurde die stadt in so kurzer zeit so umfassend schnell und gründlich besetzt. immerhin, die allermeisten kickerfreunde sind friedlich, scheuen sich letztlich doch, eine schlechte falle zu machen. und fürchten wohl auch die zahlreich patroullierenden sicherheitskräfte.

unmittelbar vor dem ominösen spiel gegen den weltmeister strömen die holländer aus allen richtungen in die altstadt. die kramgasse füllt sich, und der kornhausplatz gehört im nu den flachländern. selbst über die aarebrücke dehnen sie sich aus, soweit das auge reicht. kein stehtplatz ist heute nicht besetzt heute!

sie freuen sich, dass sie aus der stadt ein stadion, aus den strassen schauplätze und aus den trottoirs tribünen gemacht haben, ohne dass wirklich jemand weiss, wer eigentlich gewinnt oder verliert. selbst wenn in der aufgekommenen stimmung nie jemand daran gezweifelt hat, dass holland 3:0 siegen würde.

stadtwanderer

mehr bilder vom tag:

berns (g)arten

zuerst ist da nur der berner botanische garten. dann sieht man ein plakat, eine statue und einige wartende. schliesslich entführt schauspieler matthias zurbrügg sein publikum in die ebenso spannenden wie tragischen geschichten zu albrechts von hallers (g)arten.

bild-044.jpg

haller zwischen bern und göttingen

der kleine albrecht haller wurde am 16. oktober 1708 geboren. aus seiner familie stammte im 16. jahrhundert berns reformator, und dessen nachfahren gehörten in bern zu den patriziern, wenn auch nicht zu den höchstgestellten. doch albrecht mochte keiner der unter gleichen werden. er war herausragend. im geist, nicht mit seiner macht. und so wurde er arzt. forscher. wissenschafter. und dichter.

zu gerne wäre albrecht schon in jungen jahren auch berner politiker, später wohl auch staatsmann geworden. doch dafür war haller einfach nicht angepasst genug. denn er sagte, was er dachte. mehr noch: er schrieb es auch auf, und er liess es gar drucken!

zum beispiel mit seinem gedicht über die “die alpen“. darin lobte er das einfache, unverbrauchte leben der hirten in den bergen, das er dem luxus und der prestigesucht seiner zeitgenossen in der stadt gegenüber stellte.

deshalb musste der erwachsene albrecht haller auswandern, um vorwärts zu. die neu gegründete königliche universität göttingen nahm ihn 1737 noch so gerne als biologen und anatomen auf, und sie ermöglichte es ihm, einen mustergültigen botanischen garten mit allen pflanzenarten, die man damals zu unterscheiden lernte, aufzubauen. in der ferne war seine schaffenskraft noch grösser als zuhause, sodass man bis heute mühe hat, sich einen überblick über sein wissen zu verschaffen. zurecht bezeichnet man ihn einen der universalgelehrten seiner zeit, der sich schliesslich mit königlichem erlass auch von haller nennen durfte.

bild-169.jpg

haller zwischen vergangenheit und gegenwart

genau aus dieser ferne kommt im ein-mann-stück von christine ahlborn, das matthias zurbrügg spielt, ein sebastian hallter nach bern. nein, er ist kein uneheliches kind des professors; der name steht nur symbolisch für die rückkehr albrecht von hallers im jahre 1753 ins unaufgeklärte, patrizische bern.

ganz unten muss haller nochmals anfangen: einfacher abwahrt im rathaus war der grossrat, als er seine professur aufgab, um in bern wieder fuss zu fassen. später wurde er salzdirektor in bex, weit weg in der waadt, und erst am schluss seines befrachteten lebens stieg er im bernischen gesundheitswesen bis zu seinem tod 1777 zu einer art generelsekretär auf.

zeit seines lebens war albrecht von haller ein gemässigter aufklärer gewesen. der montesquieu von bern quasi. er stellte die wissenschaft über die religion, und er brauchte den verstand, um die gewohnheiten zu kritisieren. doch er war wohl nicht nur herausragend für seine zeit; für viele seiner zeitgenossen war sein charakter schlicht monsterhaft.

das alles muss sebastian haller, den fiktiven studenten aus göttingen, nicht kümmern. das “wandern ist des hallers lust” singt er, als er aus dem norden in albrechts vaterstadt ankommt. und er erzählt munter, was der grosse haller in göttingen für möglichkeiten geboten bekam, die man ihm in bern verwehrt hatte. wenn matthias zurbrügg, der in diesem kurzen freilichtbühnenstück in viele rollen schlüpft, hingegen hallers mentor, den späteren schultheissen friedrich von steiger, mimt, dann bricht die verachtung für den nonkonformisten haller hinter jedem stein im berner botanischen garten erneut hervor.

christine ahlborn lanciert deshalb albrecht von haller neu: als teemixer. sei lässt ihn symbolisch im botanischen alpengarten umher wandern, um margrit, die weise kräuterfrau zu treffen, die so vieles über die pflanzen im gebirge weiss, dass es der professor nur pflücken und in sein herbarium einkleben muss. was ihm dabei am meisten gefällt, kippt er in einen eigenen kräutertee, der ihn, so die hoffnung der autorin, noch berühmter machen wird, als er es schon ist.

bild-218.jpg

berns (g)arten in hallers (g)arten

in der knappen halben stunde, die man rund um die statue hallers im berner botanischen garten verbringt, erfährt man in kürze einiges über die herausragendste persönlichkeit im bern des 18. jahrhunderts, und man spürt, wie komplex die erinnerung an sie ist, auch wenn sich der geburtstags hallers demnächst schon zum dreihundertsten mal jährt.

für alle, die sich für berns (g)arten in der vergangenheit interessieren oder das schicksal des unangepassten in berns (g)arten kennen, ist das stück eine abwechslungsreiche sonntägliche zugabe zur naturhistorischen ausstellung im boga.

wandern sie einmal mit, wenn es wieder heisst: halleri, hallera, hallerititititida …

stadtwanderer

zum programm

foto: stadtwanderer

“bern wirkt wunder”

bild-049.jpgpatriotisch gesprochen hatten die schweizer pech. der lattenschuss war so was von ärgerlich. 10 zentimeter tiefer, und vonlanthens ball wäre im gegnerischen lattenkreuz verschwunden. sportlich ausgedrückt können die schweizer jedoch unverändert keine tore schiessen, – egal ob es sich um vorbereitungs- und meisterschaftsspiele handelt.

entgegen allen guten vorsätzen war ich heute während des spiels schweiz gegen tschechien in der stadt. wo menschen sind, zieht es einen einfach hin.! dem sog der masse kann ich mich einfach nicht entziehen. genau 1 minute vor spielbeginn war ich an der ominösen, illegal aufgestellten euro-tafel, die uns wochenlang vorgerechnet hatte, wann endlich das spiel der spiele beginnt.

mein erstes “public viewing” auf dem bundesplatz war schrecklich. pumpenägeli voll war das grosse gatter. ich kam mir vor wie ein schaf, das wartet, ins bundeshaus geführt zu werden. bei der eingangskontrolle nervten sich schon die ersten, die nicht eingelassen wurden. und so hatte ich schnell mal ein nachsehen, und räumte meinen viertelquadratmeter für eine anderes schaf.

die kleinen bars auf dem kornhausplatz und in der aarbergergasse waren da viel gemütlicher. überall interessierte menschen, die einen am fussball, die anderen andern am mädchen nebenan. aber alle blieben korrekt. gelegentlich war da auch ein bronco oder eine polizistin, die aufwallungen im gemüt noch schneller konterten als valon behrami auf die fehler der tschechen reagierte.

natürlich war das grobe foul gegen unsere freiheit ein stimmungsdämpfer. der ganze spuk könnte für alex schon nach einer halbzeit vorbei gewesen sein. tränen bei profis sind eher selten und fliessen kaum grundlos.

in bern sorgte natürlich die einwechslung von hakan mächtig für stimmung. man war restlos überzeugt. die schweizer nati ist jetzt so gut wie es yb jüngst in basel war.

“scheiss euro 08” steht auf kleinen klebern, die heute überall in der stadt angebracht wurden. trotz ihrer recht hohen zahl gehen sie allerdings schon flächenmässig unter. die pro-werbung für die em domininert fast so haushoch wie weiland bei der einbürgerungs-initiative.

die leute, die heute so zahlreich in der stadt sind, haben politik längst weggekippt. sie freuen sich, wenn die grazile cubanerin serviert, gerade weil sie das im portugiesen-dress macht. und die riesigen dunkelhäutigen sicherheitsmenschen irritieren in den fanzonen auch niemanden. eigentlich ganz gut, das politische kommunikation nicht nachhaltig ist.

“huere geili stimmig ir stadt”, meinte der jugendliche zuschauer neben mir. und stösst mit mir an, als die zweite halbzeit anfängt. “bern wirkt wunder” steht auf unseren bechern. doch das ist nur werbung, die stapi tschäppät als teil seiner wiederwahlkampagne abgesegnet hat. und so bleibt das wunder denn auch aus.

die schweiz verliert das eröffnugnsspiel zur euro08 0:1. soviel habe ich sogar als fussballbanause begriffen.

stadtwanderer

hoher besuch aus korea

am letzten freitag abend war noch meine stadtwanderung mit meinem hohen besuch aus korea. der war eben erst um die halbe erde angereist, um in bern gleich als erstes in die geschichte der demokratie in der schweiz eingeführt zu werden.

chang.gif

(foto: bruno kaufmann)

viel zum gelingen der tour beigetragen hat jun-ho chang, politik-professor in soeul, der in münchen studiert hatte und der, soweit ich rückmeldungen bekommen habe, ausgezeichnet zwischen deutsch und koreanisch übersetzte und interpretierte. besondere freude hatte professor chang, als ich ihm zeigte, wo einst georg friedrich hegel in bern gelebt hatte, denn chang hat über eben diesen hegel als begründer internationaler normen der weltgesellschaft doktoriert. vor überraschung hat er mich gleich umarmt! er fand übrigens auch meinen vortragsstil speziell. am anfang musste er immer wieder ein wenig lachen. er sagte beim nachtessen, er sei es nicht gewohnt gewesen, dass ein wissenschafter so herzhaft aus dem leben gegriffen anschaulich-bildhaft und dramatisch-energisch erzähle.

die gruppe selber war im auftrag der korea democracy foundation unterwegs. diese wird seit 2001 staatlich gefördert und hat die aufgabe, an der demokratisierung der gesellschaft zu arbeiten. das formelle war der gruppenleitung ganz besonders wichtig. beim nachtessen hat die stiftung mit dem stadtwanderer gleich einen eigentlichen freundschaftsvertrag signiert. bald wandere ich also auch in soeul! vor dem neuen baldachin hat man mich schon mal umgebung von kreanischen parlamentariern fotografiert.

während und nach der führung hatten wir einige interessante diskussionen über die bestimmung von demokratie, vor allem über moderne und vormoderne demokratievorstellungen. diese debatte ist nicht nur für die schweiz von belang, sondern ganz offensichtlich auch für korea. dr. lee, die weltgewandte delegationsleiterin, zum beispiel war der auffassung, in korea gäbe es mehr vormoderne traditionen von demokratie als moderne.

da waren sie natürlich bei mir gerade an der falschen adresse: denn meine demokratieführung leitet demokratie nicht auf der polis-herrschaft der antiken griechen städte ab, weil diese keine vorstellung von der gleichberechtigung aller menschen entwickelt hatte. das gehört für mich unverzichtbar zu den demokratischen grundwerten.

vielmehr begründe ich bei meinen führungen demokratie in der europäischen aufklärung, dem naturrecht, den menschenrechten und in den ideen der französischen revolution. und das hat meine teilnehmerInnen, glaub ich, durch die vermittlung von professor chang verstanden zu haben, schon mal ganz stark herausgefordert. nicht nur die zeitverschiebung, die meine mitwandererInnen in ihren immer schwerer gewordenen beinen mitschleppten!

stadtwanderer

neues berner postkartenbild

gestern nahmen die berner senatoren den neuen bahnhofplatz in beschlag. exklusiv. heute nun ist das volk an der reihe. gut durchmischt feiert es unter dem baldachin. doch an die 400 bauarbeiter, welche die büez geleistet haben, scheint niemand zu denken.

postkarte34.JPGpostkarte11.JPGpostkarte22.JPG

ausser irene karpiczenko-wasem. auf diesem blog keine unbekannte. sie hat den ganzen umbau des berner bahnhofplatzes dokumentarisch mitverfolgt und belegt. und sie hatte eine originelle idee: das berner postkarten-bild soll neu geprägt werden. ihre besten fotos während des baldachinbaus stellt sie heute im dachgeschoss des burgerspital aus.

postkarte42.JPGpostakrte71.JPGpostkarte61.JPG

dabei kommen die schweren brummer in gelb, die kabel in blau, der beton in grau und die bauarbeiter in orange vorzüglich zu geltung. bravo, jungle-jill! mein berner postkartenpreis ist dir sicher.

stadtwanderer

wenn sich der stadtwanderer mit den landwandererInnen trifft

es ist zwar schon eine weil her, aber ich erinnere mich gut: letzten herbst ging ich mit dem kurs der exkursleiterInnen des bernischen natur- und vogelschutzes den mont vully besuchen. und ich entschied mich spontan, ihnen die kulturgeschichte des berges erzählen. mit vollem erfolg: jetzt ist die rede in der sondernummer des “turmfalken”, der hauszeitschrift der natur- und vogelfreunde erschienen.

2255489453_6b533d4c50.jpg

foto: stadtwanderer-flickr

die exkursionsleiterInnen machen sich mehrfach im jahr an einem sonntag morgen auf und davon, um all das, was sich in der natur bewegt, zu beobachten. erstmals dabei, hörte ich den spezialistInnen unter den landwandererInnen gebannt zu, als es um schmetterlinge, käfer und vögel ging, die ich alle noch nie gesehen hatte.

und ich revanchierte mich: während der mehrstündigen exkursion entschied ich mich, am hang des mont vully mit herrlichen blick über den murtensee den wanderer-kollegInnen die kulturgeschichte des berges zu erzählen, dessen natur sie soeben studiert hatten. manche staunt zuerst nicht schlecht, doch immer mehr öffneten sich nun ihnen die augen für sache und zusammenhänge, die sie sonst übersehen hätten.

der “turmfalke”, das publikationsorgan der natur- und vogelschützer, hat dieser tage eine sondernummer zum mont vully herausgegeben, und meine verschriftlichte rede über einen meiner lieblingsberge abgedruckt.

wen es interessiert, die zusammenhänge zwischen natur und kultur, zwischen sesshafter und wandernder bevölkerung, zwischen verkehrs- und stadtgeschichte, zwischen römischer und germanischer zivilisation von der kuppe des mont vully aus erzählt zu erhalten, der lese ganz einfach unter dem nachstehenden link weiter!

stadtwanderer (in gedanken wieder mal auf dem land)

turmfalke.pdf

meine geschichte, die ich damals über die wanderung auf dem stadtwanderer erzählte


bagdad in bern ?

nun ist er in aller leute mund, der neue baldachin auf dem berner bahnhofplatz. schade nur, dass sich niemand gedanken macht, was woher das wort und sein sinn nur kommen!

2517870837_160ba99926.jpg

ich will es gleich sagen: der neue baldachin auf dem berner bahnhofplatz gefällt mir gut. ich habe die aufregung während der ausschreibung, der planung und der entscheidungen resp. dem rekurs zum bau nie richtig verstanden. gut, während des baus selber bin ich als quasi-nachbar des bahnhofplatzes manchmal auch genervt gewesen. jedenfalls war ich froh, als sich das ende abzeichnete.

in einsamen studen bin ich dabei den wortbedeutung von baldachin nachgegangen, und habe folgendes herausgefunden:

erstens, baldachin, im italienischen baldacchino, steht für einen stoff, konkret für den brokatstoff, der fest und gemustert ist, aus seide besteht, und in den dem goldfäden eingewoben wurden. verkauft wurde dieser stoff, der aus dem fernen osten kam, am häufigsten in badgad, auch baldach genannt, womit die überleitung klar ist.

zweitens, der brokatstoff wurde in der regel als dach über einem bett aufgemacht und diente den ruhenden als schutz. diese bedeutung des wortes hat sich später auf die architektur übertragen, wenn auch nicht für so profane dinge wie das bett und den schlaf. vielmehr meint der baldachin hier die prunkvolle überdachung von thronen und kanzeln, die dem kaiser oder dem papst gehörten. selbst wenn diese herrschaften unterwegs waren, hatten sie gerne einen baldachin dabei, gestützt von dienern, der die würdenträger und ihre pferde vor hitze und regen abschirmen sollte.

drittens, das wort baldachin ist im 17. jahrhundert auch ins deutsche übertragen worden, nicht zuletzt von vermögenden bauern, die etwas auf sich hielten und jetzt wie die herrschaften von damals ein himmelbett hatten. gerne versteckten sie in den dicken stoffen über dem bett auch das ersparte, das sie auf die “hohe kante” legten.

natürlich: bern ist nicht bagdad. unser duo tschäppät&rytz, das beim bau des berner baldachins federführend war, hat keine diener mehr, die sich schützend über die rotgrünen herr&frauschaften stellen würden. die reichen bauern aus dem emmental wiederum werden mit sicherheit nichts im berner baldachin verstecken, denn dafür ist ist der glasbau viel zu transparent.

doch der neue baldachin gefällt, was auch immer man mit ihm symbolisieren wollte, – auf jeden fall dem

stadtwanderer

foto: stadtwanderer

programm zum eröffnungsfest vom 31. mai 2008

alles echt

img-blumenteppich1.jpg

ob die farben der burgunderteppiche echt seien, wurde ich heute im berner historischen museum gefragt. spontan musste ich passen. deshalb hole ich hier die antwort nach.

peter jetzler ist direktor des historischen museums zu bern. damit ist der oberste hüter einiger der zentralen stücke aus der burgunder-beute. und er gibt eine klar antwort auf die gestellte frage: ja, die farben sind echt.

denn bern hütet die teppiche sorgsam. meist vor licht geschützt aufbewahrt, werden sie nicht dauerhaft ausgestellt. der berühmste teppich in der berner sammlung ist die tausend-blumen-tapisserie. in der gegenwärtigen ausstellung kann mann aber auch beispielsweise die vier teppiche sehen, die das wirken von caesar im gallischen krieg zeigen.

herzog karl soll 200 solcher teppiche besessen haben. auf italienisch nennt man sie “arrazzi”, weil die berühmteste werkstatt im französischen arras stand. mehrere webstühle produzierten dort parallel einen teppich. tapisserien von 5 metern höhe und 10 metern breite waren keine seltenheit.

jeder teppich ist ein kunstwerk. und jedes kundstwerk hat einen künstler. die machte die entwürfe; doch dann musste ein reicher einen vorschuss bezahlen. denn das gold und der seidenfaden, die eingewoben wurden, musste in grossen mengen im voraus beschafft werden. und das ging ordentlich ins geld.

in frankreich und in den niederlanden gibt es keine originale mehr. in bern schon. und peter jetzler ist stolz darauf, die farbigsten im berner museum zu wissen.

stadtwanderer

ps:

selbstverständlich darf man die tapisserien im museum nicht einfach fotografieren, weshalb ich mich hier auf eine billige wiedergabe aus google beschränken muss.

wenn bernfans burgunderfans werden

baernfan.gifeigentlich war eine private führung meinerseits durch die grosse burgunder-ausstellung geplant. doch dann wurde der kleine kreis der zuhörerInnen immer grösser, bis …

ich hielt heute morgen punkt 10 uhr im foyer des berner historischen museums die rede, die ich gestern auf dem “stadtwanderer” entwickelt habe. prompt vergrösserte sich mein anhang geladener gäste. das war zwar nicht vorgesehen. unangenehm war es aber auch nicht!

im ersten stock erzählte ich dann spontan über die familie der herzöge von burgund und merkte, wie sich der kreis der interessiert horchenden von saal zu saal vergrösserte. bei den ausführungen zum treffen von herzog karl mit kaiser friedrich war der anhang schon ganz ordentlich, sodass ich lauter sprechen musste. als ich dann im grossen saal mit den prächtigen burgunder-tapisserien die osterfeier von karl in der lausanner kathedrale inszenierte, hatten ich das publikum endgültig auf meiner seite.

schliesslich wurde ich gefragt: “werter herr longchamp, wo kann man sie für solche führungen buchen?” – ich antwortete, das sei eigentlich privat. man gab mir zu verstehen, das habe man an der rezeption auch schon gehört. dennoch möchte man eine ganze führung erhalten.

so sag ich’s auf diesem weg: wenn sie wollen, schreiben sie dem stadtwanderer! wenn ich zeit finde, mach’ ich das noch das eine oder andere mal. zum beispiel während der euro 08, da ziehe ich kulturelle veranstaltungen dem biergelage ohne lernwert vor.

und: es macht mir spass, wenn aus bärnfans nun auch burgunderfans werden!

stadtwanderer

PS:

Die Spezialseite von Radio DRS zur Burgunder-Ausstellung mit vielen O-Tönen

wenn zeitalter sterben

keine hat sich so stark mit dem burgundischen lebensgefühl beschäftigt wie der niederländer johan huizinga. mit dem “herbst des mittelalters” prägte der kulturhistoriker aus leiden unsere vorstellungen einer epoche, genauso wie er das bild ihrer markanten repräsentanten, den herzögen von burgund, zeichnete.

3a-jan-van-eyck-madonna-del-cancelliere-rolin-1439-parigi-louvre.jpg

jan van eyck: die madonna des kanzlers rolin (um 1437, heute im louvre, paris)

“herbst des mittelalters” erschien unmittelbar nach dem ersten weltkrieg, der mit seinem stellungskrieg zwischen deutschen und franzosen schrecklich viele tote in einem grausam geführten krieg gebracht hatte. auch wenn die herzöge von burgund alles andere als zimperlich waren, ihr verständnis von macht und herrschaft war nicht das der generäle über den maschinengewehren des frühen 20. jahrhunderts.

mit den herzögen von burgund verbindet man seit johan huizinga zurecht vor allem das höfische leben. die schöne illusion ist es, was die menschen von damals trieb. dabei mischten sich asketische weltabgewandtheit einerseits mit ein draufgängerischer lebensgier anderseits.

genau diese schöne illusion suchte huizinga in seinem “herbst des mittelalters”, einem standardwerk der kulturgeschichte, mit quellen aus literatur und kunst aufzuzeigen. maler wie jan van eyck wurden dabei neu interpretiert.dessen werke sind nach huizinga nicht mehr nur der frühling vor der neuzeitlichen renaissance. vielmehr sind sie die vollendung des mittelalterlichen herbstes, der dabei verblühte.

melancholie und schwermut in der kunst mischen sich nach johan huizinga mit genuss- und prunksucht im höfischen leben. das ist für den kulturhistoriker typisch, wenn epochen sterben und der horror vacui, die angst vor der kommenden leere, entsteht. mit dieser these im hinterkopf liefert huizinga das portrait der epoche, in der die herzöge von burgund als vollendung der kultur erscheinen.

bis heute gilt herbst des mittelalters in der literatur als preisgekröntes standardwerk. das in zahllose sprachen übersetzt wurde. derweil meckern viele fachhistoriker seit seinem erscheinen unverändert an diesem unkonventionellen geschichtsbuch herum. eine einfühlsamere interpretation des lebensgefühls, mit dem karl, der arbeitsam und kühn zugleich war, gelebt haben könnte, habe ich bei ihnen aber nicht gefunden.

stadtwanderer

mehr über johan huizinga

mehr über jan van eyck

was sie morgen in der bz lesen – und worüber sie übermorgen nachdenken sollten!

“Immer, wenn Bern in Schwierigkeiten steckt, ruft es Adrian von Bubenberg zu Hilfe.” so eröffnet der historiker-journalist stephan von bergen in der morgigen “bz” seine berühmt-berüchtigte “zeitpunkt”-beilage. und er spart nicht mit seitenhieben in die gegenwart und vergangenheit, an die geschichtsschreiber und politiker, wie der stadtwanderer heute schon weiss!

adi3.gif

der vordergründige aufhänger ist klar: am sonntag eröffnet das schloss spiez seine “bubenberg-ausstellung“. es sieht fast ein wenig nach trotz-reaktion aus. denn jetzt, wo karl der omnipräsente post festum das mittelländischen bern in beschlag genommen hat, scheint adrian von bubenberg von seinem unbekannten grab wieder auferstanden zu sein, um wenigstens seinem rittersitz am oberländischen thunersee aufrecht zu verteidigen.

doch stephan von bergen wird uns morgen nicht nur diese pointe präsentieren. vielmehr nimmt er den jüngst erfolgten aufruf der liberalen in der berner svp, ihren stammplatz in der schweizer politik aufrecht gegen christoph den omnipräsenten verteidigen zu wollen, zum anlass für einen grossen artikel über meinen “ädu“.

zu viele legenden rankten um das wirken von adrian von bubenberg, seit ihn historiker und politiker für alles mögliche modelliert hätten, ist von bergens these. und: als urvater der aufrechten tauge er nichts, modelliert der polithistoriker mit blick auf die “operation bubenberg” der liberalen svpler gleich weiter! warum das nach ansicht der bz so sei, kann man, wie gesagt, morgen nachlesen.

und bis dann mache man sich bittschön gedanken zu meiner these: zu wenig weiss man über das reale wirken der “operation bubenberg” in der berner svp, die zu einer neuen politischen partei in der schweiz führen soll, um sich wirklich ein bild der gegenwärtigen vorgänge in der schweizer politik machen.

in der hoffnung, die bz vom übernächsten samstag trage etwas dazu bei, um die legendenbildung in dieser sache genauso kompetent wie morgen aufzudecken, sage ich: stephan von ber(ge)n übernehmen sie!

stadtwanderer

hier noch der ganze artikel aus der bz.

die klosterstadt schaffhausen

mittelalterliche städte wie schaffhausen entstehen in der regel an verkehrsknotenpunkten. die traditionelle west/ost-achse, gegeben durch den rhein, und die neu aufkommenden nord/süd-achse gaben den ausschlag, dass schaffhausen im 11. jahrhundert als stadt entstand. ihre gründung hat jedoch nicht nur profane gründe; sie ist teil eines machtvollen aufschwungs der klosterbewegung des hochmittelalters.

2501769947_5a72b593df.jpg

kleine und grosse zusammenhänge der stadtgründung

wer im 11. jahrhundert von basel nach konstanz oder anders gesagt von bischofssitz zu bischofssitz wollte, nahm mit vorteil die rheinroute. sie garantierte ein schnelles fortkommen, – ausser beim grossen und kleinen laufen, den beiden wasserfällen bei den heutigen städten schaffhausen und laufenburg. da musste man das schiff verlassen und die mitgebachten gäste und waren für einige kilometer auf dem landweg transportieren.

der ort der heutigen altstadt schaffhausen war diese umladestelle oberhalb des rheinfalls. im 11. jahrhundert existierte schon eine siedlung mit kleiner kirche genau an der stelle, an der heute die schaffhauser stadtkirche st. johann steht. doch sollte nicht diese die stadtwerdung schaffhausens bestimmen, sondern der überregionale weltliche und kirchliche zusammenhang.

1045 erhielt eberhard, seit 9 jahren graf im südlilch des rheins gelegenen zürichgau das münzrecht für den flecken schaffhausen. das sicherte ihm die herrschaft über den handel an der umladestelle. seinen sitz verlegte der graf nun in die nähe des handelsplatzes, genau genommen auf die nellenburg. hinfort nannte er sich graf eberhard I. von nellenburg.

könig heinrich iii. auf dem weg anch süden, der kaiserkrone entgegen

verliehen erhielt eberhard das münzrecht von könig heinrich iii. in köln. dieser hatte grosses vor: er wollte nichts geringes als, gleich wie sein 1039 verstorbener vater, kaiser des römischen reiches werden. dafür musste er nach rom, um gesalbt und gekrönt zu werden.

1045 ging heinrich daran, auf seine rechte als herzog von schwaben zu verzichten. wer, wie graf eberhard, vom könig privilegiert werden wollte, musste sich jedoch verpflichten, mit dem könig nach rom zu reisen.

die römische kurie befand sich, wieder einmal, in einem desolaten zustand. gleich drei römische adelige beanspruchten, papst zu sein. in der synode von sutri, nahe der stadt rom, die der kaiseraspirant am 20. dezember 1046 einberief, erklärte heinrich innert dreier tage alle drei römischen päpste für abgesetzt: ein einmaliger vorgang in der krichengeschichte. dafür liess er den mitgebrachten bamberger bischof suitger am weihnachstag zum neuen papst clemens ii. inthronisieren, und anderstags erhon dieser heinrich und seine frau agnes zum neuen kaiserpaar.

heinrich, hoch gebildet, tief religiös und von seltener tatkraft, nahm nun grundlegende reformen vor. kardinäle, von überall her kommend, sollten nach seinem willen die christen in rom vertreten und den papst wählen. kirchlicher ämterkauf sollte verboten sein, genauso wie die priesterehe.

der kaiser hat damit jedoch nicht auf anhieb erfolg. clemens ii. wurde als papst gestürzt, und damasus ii., heinrichs neuer favorit, war gerade 24 tage papst, bevor er starb.

papst leo ix. auf dem weg nach norden, den klosterweihungen entgegen

anfangs des jahres 1049 leitete heinrich erneut ein verfahren ein, das in der kirchengeschichte einmalig blieb: bruno, bischof von toul, den er seit langem kannte, sollte neuer papst werden. bestimmt wurde er für dieses amt jedoch nicht im unübersichtlichen rom, sondern in kaisers nähe in worms. doch verlangte bruno, dass er sein kirchenamt im lothringischen nur dann abgeben würde, wenn kurie und volk in rom ihn anerkennen würdem. das schaffte bruno auch, sodass er sich papst leo ix. nannte.

papst leo ix. pflegte eine ganzen neuen stil. dauernd war der germane unterwegs. in rom hielt es sich nur kurz auf. drei ausgedehnte reisen unternahm er in den ersten drei jahren als papst, – alle nördlich der alpen. dabei erwies er sich als herausragender prediger, der volksnah sprechen konnte. er versammelte die kirchenleute in synoden, die überall die grundsätze der kirchenreform des kaisers diskutierten. und er weihte zahlreiche stellen, an denen neue klöster enstehen sollten.

auf seiner ersten reise nördlich der alpen weihte papst leo ix. im jahren 1049 auch den ort schaffhausen. die nellenburger grafen sollten es stiften, bauen und bewachen 1064 wurde es eingeweiht. anfänglich führte dieses kloster den namen des salvatorenklosters, später wurde es allerheiligen genannt, dem namen, unter dem es auch heute noch bekannt ist, selbst wenn es seit der reformation von 1529 nicht mehr als kloster dient.

stadt- und weltpolitische bilanz zu den gründern von stadt und kloster schaffhausen

heinrich war 10 jahre kaiser, leo 5 jahre papst. beide waren damit nicht sonderlich lange im amt. doch hinterliessen sie nicht nur in schaffhausen bleibende spuren; sie sollten auch im kaiserreich unvergesslich bleiben: beide gelten als ganz bewusste förderer des gottesfriedens, der ersten friedensbewegung, die im 10. jahrhundert in der auvergne ihren anfang nahm und sich gegen die vorherrschende germanische selbstjustiz mit racheakte und bauernfehden wandte. 1495 wurde dieser gottesfriede in form des landfriedens geltendes recht des kaiserreiches, dem vorbild für das gewaltmonopol des heutigen staates. beide lancierten aber auch die hochmittelalterliche klosterreform, die 910 im burgundischen cluny ihren anfang nahm und in deutschen sprachraum. mit dieser setzte sich das bewusstsein durch, dass die führenden benediktiner-klöster nicht mehr von adeligen bestimmt, sondern nur noch vom stellvertreter gottes, dem papst, geleitet werden sollten.

mit den beiden erwähnten grössen des kaiserreiches im 11. jahrhundert verbindet man aber auch die definitive trennung der christlichen kirche in eine griechisch-orthodoxe und einer römisch-katholische. denn heinrich und leo verfolgten ursprünglich gemeinsam das ziel, die normanen aus süditalien zu vertreiben, um freien weg zum mittelmeer zu erhalten. doch half der kaiser schliesslich nicht mit, während leo setzte alles auf eine karte setzt – und verlor: die verhandlungen mit dem patriachen von byzanz, gemeinsame sache gegen die normanen zu machen, scheiterten derart gründlich, dass man sich im tiefen streit trennte und bis heute nicht mehr zueinander fand. leo wurde bei seinem krieg gegen die normannen gar verhaftet und verstarb 1054 nur kurz nach seiner freilassung. heinrich wiederum lebte noch bis 1056, ohne einen erwachsenden sohn zu haben, sodass die kleriker, deren selbstbewusstsein dank der kirchen- und klosterreform neu erwacht war, die macht nördlich der alpen übernehmen. als der designierte könig, heinrich iv. diese zurückverlangte, brach der berühmte investiturstreit aus, der papst und kaiser während 50 jahren entzweien sollte. zu den rückwirkungen davon auf schaffhausen später mehr!

(müder) stadtwanderer

bild: aus dem innern des münsters beim schaffhauser kloster allerheiligen (aufnahme: stadtwanderer)

die ausnahme von der regel, die ihrerseits die ausnahme von der regel ist, die die falsche annahme widerlegt

bild-391.jpgnatur, kultur und herrschaft sind komplizierter miteinander verhängt, als man denkt.

caesar teilte die ihm bekannte welt nördlich der alpen entlang des rheins in einen linken, romanischen und einen rechten germanische teil. doch er irrte mit der annahme, die natur alleine bestimme die kulturen.

die regel statt der annahme

widerlegt wurde caesar spätestens im 3. jahrhundert nach christus, als die germanischen völker über den rhein setzen. als sie blieben, wurden sie unterschiedlich stark in die römische welt aufgenommen: die burgunder im rhonetal ganz, die franken am unteren und mittlere rhein halb und die alamannen gar nicht. bis heute spricht man links des rheins überall deutsch, oder ist man im nahen stromgebiet zweisprachig

klöster und städte waren die zentren der römisch-germanisch-katholische brückenkultur, die im mittelalter als regelfall auf beiden seiten des rheins entstand. das kloster allerheiligen in schaffhausen gehört mustergültig dazu. fast 500 jahre sollte es die entstehende stadt schaffhausen am rhein prägen und den durchgang der kaiserlichen truppen von norden nach süden sichern.

die ausnahme von der regel

alle diesen leistungen zum trotz ist der oberrhein von basel an aufwärts heute weitgehend eine politische grenze. es gibt also eine ausnahme von der regel.

anfangen hat alles mit dem investiturstreit am ende des 11. jahrhunderts, der die anhänger des kaisers und jene des papstes im damaligen herzogtum schwaben spaltete. die zähringer organisierten die linksrheinischen gebiete schwabens im päpstlichen sinne, die staufer die rechtsrheinischen im kaiserlichen. nach ihrem aussterben 1218 griff der kaiser friedich II. nach den perlen in ihrem südwestschwäbischen erbe. städte wie bern und zürich, aber auch länder wie uri und schwyz wurden zu reichsstädten oder ländern erhoben, um sie dem zugriff des lokalen adels zu entziehen.aus dem verbund eben dieser perlen entstand im 14. und 15. jahrhundert die eidgenossenschaft als territorium, die nach dem friedensvertrag von 1450, der den ersten innereidgenössischen bürgerkrieg regelt und die nötige geschlossenheiten gegen habsburg brachte, um rhein als innerschwäbischen grenze grenze zu verlangen. und tatsächlich 1499 trennte man sich im schwabenkrieg entlang des rheins zwischen eidgenossenschaft und habsburg definitiv.

die ausnahme von der regel, die die ausnahme von der regel ist

nicht ganz, muss man beifügen, wenn man in schaffhausen über den rhein sieht. denn die stadt ist bis heute die prominente ausnahme von der ausnahme. denn spätestens mit der reformation, die 1529 auch schaffhausen erfasste und das ende des klosters allerheiligen bedeutete, fiel der neu entstandene stadtstaat schaffhausen aus dem schwäbischen he- und klettga, der katholisch blieb, heraus.

fortan sollte er den entwickeltesten eidgenössischen brückenkopf jenseits des rheins bilden, der sich jenseits des rheins nicht vermehren sollte.

schaffhausen ist also die ausnahme von der regel, die ihrerseits die ausnahme von der regel römisch-germanisch-christlichen regel ist, die der falschen annahme caesars über romanen und germanen am rhein widerspricht.

kapiert?

stadtwanderer

(in schaffhausen)

die 10 goldenen faustregeln des stadtwanderns

416872976_853ccec62f2.jpg1. einen unbefangenen rundgang durch den neuen ort machen und sich beeindrucken lassen.

2. geschichte des ortes im überblick aufarbeiten.

3. themen eines rundganges festlegen.

4. orte zu den themen suchen.

5. gedanklich einen zusammenhängenden weg durch die orte und themen finden.

6. den weg ein erstes mal alleine abmarschieren und die zusammenhänge verbessern.

7. eine stadtwanderung machen und die geschichten an den ausgewählten orten andern erzählen.

8. wieder von vor lesen, um die geschichte vertiefter kennen zu lernen.

9. erneut wanderern, um die neuen erkenntnisse in den rundgang einzubauen.

10. stufen 8 und 9 immer wieder wiederholen.

viel spass beim eigenen erkunden!

stadtwanderer

(in schaffhausen)

foto: flickr von isa d