von hundertstelsekunden und hunderten von jahren

den st. martinsturm in st. imier schmückt eine überdimensionierte uhr. sie steht gleichsam für die arbeit, die man in der stadt im suzetal findet. den turm selber nennt man im volksmund tour de la reine berthe, selbst wenn die anspielung auf die burgundische königin weit hergeholt ist. was solls, sagen sich die leute im erguel, denn sie haben gelernt, nach ihren eigenen uhren zu leben.

wer st. imier hört, denkt unweigerlich an uhrenindustrie. seit 1700 als erwerbszweig in der heimarbeit von st. imier bekannt, entwickelte sich diese branche im suzetal ab mitte des 19. jahrhunderts zur arbeitsteiligen fabrikarbeit. firmen wie tag-heuer, longines und breitling entstanden in st. imier oder produzieren unverändert vor ort. das hatte die bevölkerung bis zur wende zum 20. jahrhundert fast verzehnfacht. 8000 menschen lebten damals in st. imier; und das rasche wachstum des ortes sieht man dem schnell angelegten, geometrisch geordneten stadtgrundriss heute noch an, selbst wenn die bevölkerungszahl nach zwei uhrenkrisen um fast die hälfte zurückgegangen ist.

die stadt der anarchistischen internationalen
die historisch strassenschilder in st. imier erinnern an die umstände, unter dehnen die rasche instustrialisierung im juratal erfolgte. immer wieder stösst man dabei auf das massive alkoholproblem, das die familien beschäftigte. sozialreformen waren nötig, um die präzisionsarbeit in der uhrenindustrie zu gewährleisten. auf der infotafel am hotel central stösst man entsprechend auf niemand geringern als auf den russischen sozialrevolutionär mikael bakunin, der 1872 in st. imier die gegen karl marx gerichtete, anarchistische internationale der frühen arbeiterbewegung begründete.

dass bakunin mit seinem antiautoritären sozialismus im berner jura auf zuspruch stiess, sonst aber kaum erfolg hatte, hat einiges mit den verworrenen staatsverhältnissen in der gegend zu tun:

die stadt des basler bischofs

999 erhielt der basler bischof das kloster moutier-grandval von letzten burgundischen könig rudolf iii. geschenkt; damit wurde er im jura nicht nur zum obersten seelsorgern, sondern auch zum grössten grundherren. auch das kloster st. imier gehörte ihm fortan. bis 1792 blieb er als fürstbischof des kaiserreiches formell weltlicher herrscher, im jura wie in st. imier. erst napoléon bonaparte bereitete dem anachronismus ein ende, schlug das aufgelöste fürstbistum zu frankreich, bevor es, auf dem wiener kongress, als teil des kantons bern eidgenössisch wurde.

der basler bischof herrschte in den südlichen juratäler nicht direkt. zur verwaltung der weltlichen güter liess er neben dem kloster von st. imier eine burg bauen. das burgundische adelsgeschlecht d’arguel betraute er mit deren verwaltung. selbst wenn sie dem suzetal den bis heute gebräuchlichen namen “erguel” gegeben haben, ihren bischöflichen dienst quittiertem sie bereits ende des 13. jahrhunderts. darauf hin übergab der bischof seiner stadt biel 1335 das erguel zur verwaltung. doch hielt auch das nur bis zur reformation. denn von da an nahm die grosse unübersichtlichkeit ihren lauf.

die stadt der unklaren rechtsverhältnisse
die durchsetzung der reformation brauchte im erguel 80 jahre. 1610, als man soweit war, galt weder das wort des katholikenführers, der nach porrentruy geflüchtet war, viel, noch das der reformiertenführer in biel. das enteignete kloster hatte zwischenzeitlich im eidgenössischen solothurn zuflucht gefunden, und militärisch hatte man sich der erfolgreichen stadt bern angeschlossen. dank uhrenindustrie, vom neuenburgischen la chaux-de-fonds her eingeführt, war man seit dem 18. jahrhundert zudem in der lage, regelmässig gegen die herrschaft des basler fürstbischofes zu rebellieren, – und sich nach gewohnheitsrecht selber zu verwalten.

1815 verfügten die grossen aus österreich, russland und preussen, dass man in erguel und in st. imier schweizerisch werden sollte. zu bern hatte der süden konfessionell und militärisch beziehungen aufgebaut. mit der industrialisierung hatte auch die einwanderung aus bern eingesetzt. das alles fehlte dem nördlichen teil des ehemaligen fürstbistums, der katholisch geblieben, und wirtschaftlich rückständig geblieben war. in den volksabstimmungen zur gründung des kantons jura 1979 votierte man denn auch entsprechend, sodass man trotz ausgeprägt eigener politische logik in st. imier heute immer noch lieber mit berner als jura kennzeichen durch die stadt autofährt.

ein eigenes studium der verhältnisse wert
es ist tatsächlich so: dank uhren wie longines aus st. imier kann man bei ski- oder autorennen jeden ablauf der unmittelbarsten gegenwart in tausend teile gliedern, um zu bestimmen, wer sieger und wer verlierer ist. um die politische kultur der stadt st. imier zu begreifen, muss man sich schon kräftig hinknien. denn sonst versteht man das unikum im berner jura nicht.

lohnen tut es sich auf jedenfall, sagt der

stadtwanderer

der süsse erfolg

sie ist unterschiedlich lang, aber immer dreieckig. sei hat je nach grösse eine variierende zahl an zacken. doch jeder ist so majestätisch wie die schweizer berge. und die verpackung ist seit menschengedenken gleich. genau deshalb ist sie ein klassiker der werbewelt.


das fest “100 jahre toblerone” dauert noch an (fotos: stadtwanderer)

die rede ist von der toblerone. jede(r) kennt sie. viele schätzen die schoggi. und alle wissen, dass sie eine einmalige form hat, die in speziell gelb silhouette und roter aufschrift verpackt ist.

erfunden hat die toberlone-verpackung der berner unternehmer theodor tobler im jahre 1908. man produzierte damals gute schokolade. doch man wollte sich von allen anderen vergleichbaren produkten unterschieden. deshalb setzte man im berner unternehmen frühzeitig auf werbung und marketing. der berner bären stadt für die lokale verbundenheit, das matterhorn für die globale ausstrahlung der alpen.

100 jahre danach kann man sagen: das unterfangen ist gelungen! toblerone ist eine weltmarke. in 120 ländern der welt wird die schokolade vertrieben. sie steht für schweizer schoggi schlechthin.

auch wenn der familienbetrieb zwischenzeitlich der kraft food company gehört, produziert wird unverändert in bern. einen substanziellen teil zum welterfolg des qualitätsproduktes hat die markenpolitik beigetragen. mögen die berner als konservative, fanatsielose und risikoscheue zeitgenossen gelten. die toblerone zeigt, dass das unzulässig verallgemeinerungen sind. denn theodor tobler hat mit mut, unvoreingenommenheit und zukunftsblick 1908 eine weltmarke geschaffen, die sich sehen lässt.

nicht wenige bernerInnen gedenken heute vor dem münster dieser innovation. musik wird gespielt, und informationen werden verteilt. kühe, die gemolken werden können, fehlen genauso wenig wie bienen, die den süsstoff zur schokolade liefern.

nur kaufen kann man das erfolgsprodukt heute nicht, hiess es eben vielsagend von der bühne. geniessen jedoch schon, fügte der sprecher der schoggiveranstaltung bei, wenn man sich auf das fest in der berner altstadt einlässt …

stadtwanderer

wochenrückblick: was war “radikal” an der schweiz?

ich war diese woche sehr viel unterwegs. stadtwandern, berufsreisen, präsentationen und tagungen lösten einander nahtlos ab. eine wortvariation ist mir dabei an den verschiedenen orten immer wieder begegnet. ein semantischer und historischer wochenrückblick!

schlacht von geltwil im sonderbundeskrieg von 1847: ausdruck des radikalen politikverständnisses und voraussetzung für den heutigen sonderbund
schlacht von geltwil im sonderbundeskrieg von 1847: ausdruck des radikalen politikverständnisses und voraussetzung für den heutigen sonderbund

radikal
den deutschen intellektuellen sei der diskurs der berner liberalen ungenügend gewesen, habe ich am dienstag während der stadtführung gesagt. gemeint war die weiterentwicklung des liberalen gedankenguts in den 1830er und 1840er jahren durch die deutschen professoren an der neu gegründeten berner universität. ihnen ging es nicht nur um handels- und gewerbefreiheit. ihnen genügte es auch nicht, der reaktionären elite eine liberale gegenüber zu stellen. radikal nannten sie ihr programm, weil sie einen umbau der gesellschaft wollten. der soziale wandel, schnell und abrupt, war ihr ziel. denn aus der feudal-aristokratischen gesellschaft sollte endlich eine bürgerlich-demokratische werden. die kleinräumigkeit des handelns sollte durch die grosszügigkeit des wissens abgelöst werden. der diskurs der politik sollte nicht für das volk, sondern mit dem volk geführt werden.
dieses programm war anspruchsvoll, und seine umsetzung war nicht ohne hefitgen widerstand. selbst wenn sie nicht vollständig gelang und der freisinn von 1848 ein mix aus liberalen und radikalen ideen war: die radikale bewegung in der schweiz war es, die entscheidendes zum werden des bundesstaates beitrug. sie war es, welche die einzig erfolgreiche staatsgründung während des revolutionsjahres 1848 vorbereitet, den sonderfall schweiz begründete. das hat dazu geführt, dass der begriff “radical” bis heute akzeptiert ist. die welschen freisinnigen (les radiacaux”) wollen bis nicht darauf verzichten, selbst wenn sich die fdp schweiz von ihrer eigenen geschichte distanziert.

radikalisierung
dem wortstamm bin ich diese woche in einem workshop begegnet. es ging nicht um geschichte, sondern um zukunft. verhandelt wurde die frage, was für globale entwicklungen experten erwarten und wie sich das auf die schweiz auswirken könnte. bisher unbekannte migrationen und neue religionen waren beispielhafte stichworte dazu. ein teilnehmer meinte, er gehe davon aus, dass sich angesichts solcher veränderungen des politische diskurs noch mehr als bisher radikalisieren werde.
was war damit gemeint? symptomatische veränderungen sind heute schon, das der der respekt vor dem gegenüber schweindet. vorstellungen des andern dominieren, nicht selbstbilder. die vorurteile legitimieren nicht selten verbale gewalt. gewisse medien (auch blogs) multiplizieren diese tendenzen, ohne dass ein ende der entwicklung bereits jetzt sichtbar wird. das löst zukunftsängste aus!
bemerkbar macht sich, dass der scwheizerische pragamatismus an bedeutung verliert, dafür die klar bekundete überzeugung wichtiger wird. polarisierungen waren seit der ewr-debatte angesagt, und sie haben unversöhnliche ideologische ausrichtungen wie den nationalkonservatismus oder den linksliberalismus zum ausdruck gebracht.

radikalismus
diese woche war in meinem umfeld auch von radikalismus die rede. es war wieder auf meiner stadtführung für medienschaffende. unsere teilnehmenden aus taiwan hatten schwierigkeiten, sich vorzustellen, was in der schweiz des 19. jahrhunderts geschah. radikal, wie oben besprochen, bedeutet efür sie unmittelbar gewalttätig.
das ist auch nicht ganz falsch. denn radikalismus wird häufig mit extremismus gleichgesetzt. und für den extremismus ist konstitutiv, dass er gewalt befürwortet oder seine anwendung auf bestimmte ob- oder subjekte toleriert. die juristische grenzen, die im rechtstaat gewalt von bürgern untersagen und ein gewaltmonopol des staates stipulieren, gelten dabei nicht mehr trennscharf. es werden auch die moralischen standards, welche die meisten gesellschaften hierzu haben, abgebaut. die enttäuschung, die wut, die angst sind die emotionalen basen der politik, welche den extremismus begründen, bei dem die physische gewaltanwendung möglich wird.

die radikale wurzel des schweizerischen bundesstaates
auch der liberale radikalimus aus der mitte des 19. jahrhunderts kannte seine zu gewalt als politischem mittel. die antworten blieben durchaus verschieden. ein teil befürwortete gewalt, um überkommende gesellschaftliche verhältnisse abzuschaffen. andere waren friedlicher eingestellt, wollten keinen militärischen sieg, sondern einen politischen.
ausgangspunkt hierfür waren die auseinandersetzungen nach der liberalen französischen revolution von 1830, während der die bourbonen gestützt und durch den bürgerkönig abgelöst wurden. den gemässigtere genügten in der folge die neuen verfassungsrechte und das zensuswahlrecht. die radikaleren wiederum kritisierten genau das, denn für sie ging es um die ablösung der feudallasten und die einführung eines allgemeinen (männer)wahlrechtes.
genau diese diskussion fand in der schweiz nach den 1830er umstürzen in den regenerierten kantonen statt. der sich radikalisierende diskurs in den 1840er jahren führten schliesslich in den freischarenzügen zu unkontrollierter gewaltanwendungen mit politischen zielen, zu antiliberalen reaktionen im katholischen milieu und schliesslich zum sonderbundeskrieg.
so werflich dieser bürgerkrieg war: er war der befreiungsschlag, der den freisinnigen bundesstaat erst ermöglichte! das ist mir diese woche bei den begriffsrekonstruktionen wieder klar geworden.

stadtwanderer

bern als spionagezentrum

allen welsh dulles war unter präsident dwight d. eisenhower legendärer cia-direktor und treibende kraft im kalten krieg gegen die sowjeunion. während des zweiten weltkrieges war derselbe allen w. dullas chef-spion in der amerikanischen botschaft in bern.

ort des spionagegeschehens im zweiten weltkrieg: berner herrengasse (foto: stadtwanderer)
ort des spionagegeschehens im zweiten weltkrieg: berner herrengasse (foto: stadtwanderer)

allen w. dullas von damals
der angriff der japaner auf pearl harbour veränderte auch das leben des früheren diplomaten allen welsch dullas, der, wie sein bruder john foster, in die privatwirtschaft gewechselt und als wall-street-anwalt gearbeitet hatte. er wurde zum leiter des amerikanischen office of strategic studies in bern. hier pflegte gute kontakte zu deutschen emigranten, die den spion mit informationen unter anderem über die rüstungsindustrie belieferten. eng verbunden war mit den wiederstandkämpfern, die am 20. juli 1944 einen erfolglosen putschversuch gegen hitler unternahmen. 1945 schliesslich vermittelte er die bedingungslose kapitulation italiens gegenüber den aliierten.

nach dem krieg dienten sich die gebrüder dullas dem republikanischen präsidentschaftkandidaten thomas dewey an, der jedoch unterlag. erst unter dwight d. eisenhower machten sie auf seiten der republikanischen partei karriere: john f. wurde aussenminister, und allen w. cia-direktor.

legendär sind allen w. dullas’ empfehlungen an die spionage während des kalten krieges, die vor politisch motivierten morden, inszenierten umstürzen, falschinformationen der öffentlichkeit, völkerrechtswidrigen angriffen oder drogeneinsätzen zur informationsbeschaffung nicht zurückschreckten. von präsident john f. kennedy 1961 entlassen, wurde dulles nach dessen ermordung einflussreiches mitglied der kommission, welche den hergang des attentates zu rekonstruieren hatte und die bis heute umstrittenen alleintäterthese postulierte.

mister x. von heute
es hat also schon ein wenig tradition, dass die amerikaner bern als cia-standort benutzen und mit prominenten spionen besetzen. damals war die gemütliche herrengasse schauplatz des geschehens. heute ist es die amerikanische botschaft an der sulgeneckstrasse. wer damals kopf der spionage war, wusste man in bern. heute ist das anders. den neuen mister x. kennt man nicht.

“not amused” zeigten sich über die fortschreibung der geschichte in die gegenwart diese woche die schweizer demokraten der stadt bern. angesichts der pressemitteilung über das neue hauptquartier der cia in bern verlangten sie mit einer interpellation vom berner gemeinderat, stellung zur neutralitätsverletzung auf ihrem grund und boden zu nehmen.

stadwanderer

siehe auch
im namen der freiheit

gelungener wurf

keines der geschichtslehrbücher über die schweiz, die in den letzten jahren erschienen sind, hat mir auf anhieb so gefallen wie dieses: „auf zur schweiz. geschichte – mythen – legenden“. besser noch: selbst nach der ersten lektüre bin ich über den gelungenen wurf entzückt.

das buch ist vorbildlich kurz. es umfasst nicht einmal ganz 100 seiten. der zeitraum, der dabei abgedeckt wird, ist dennoch umfassend. erzählt wird nicht etwa die geschichte der eidgenossen, sondern jene des heute schweizerischen raumes. die zeittafel mit wichtigen stationen auf dem weg in diesem gebiet umfasst denn auch nicht 700, sondern 7000 jahre.

natürlich kann der rütlischwur nicht fehlen. doch kommt er gerade mal auf sieben zeilen vor. wilhelm tell wiederum ist vor allem bildlich präsent. eher als witzfigur denn als nationalarmbruster. damit ist klar, was autor grégoire nappey und seine beiden illustratoren mix und remix für eine botschaft haben: legenden sind das, die uns eine bestimmte schweiz vermitteln wollen.

in diesem büchlein geht es aber um eine andere, um die kulturelle schweiz. deshalb werden keltische bauern, die vor 2000 jahren hier lebten genauso vorgestellt wie ihre beherrscher, die römischen adligen. man erfährt einiges über völkerwanderung und christianisierung und über das kaiserreich des mittellalters, zu dem unser gebiet lange gehörte. dann geht es in fünf etappen um das werden der schweiz: ihre entstehung als eidgenossenschaft im kaiserreich (1291-1516), ihre unabhängigkeit vom reich (1517-1798), ihr aufbruch in die moderne (1798-1847), ihre souveräne staatsgründung (1848-1914) und ihre weiterentwicklung bis zur gegenwart (1914-2002).

das gut gegliederte, reich illustrierte werk, das seinen französischsprachigen hintergrund nicht verbirgt, erscheint nun, herausgegeben von der interkantonalen lehrmittelzentrale, erstmals auch auf deutsch. es wird hoffentlich bald im schulunterricht, bei schweiz reisenden, eingebürgerten und gestressten stadtwanderer-leserInnen verwendung finden. denn es ist ein volltreffer zur zeitgemässen geschichtswissenschaft über die schweiz und ihre geschichte.

stadtwanderer

grégoire nappey; mix&remix: auf zur schweiz. geschichte – mythen – legenden. zürich 2008, 15 chf 60.

gestörte harmonie

zu weihnachten bekam der berner schultheiss einen truthahn und zwei orangen. beides galt im 18. jahrhundert als die delikatesse. die 24 kleinräte, die das stadtoberhaupt täglich umgaben, erhielten je eine gans und zwei citronen, erzählt françois de capitani während dem essen wie zu albrecht von hallers zeiten, das im berner restaurant “harmonie” stattfindet. ich habe die köstlichkeiten genossen, und im buch “albrecht von haller”, das diese woche erschienen ist, nachgelesen.

haller sei kein geniesser gewesen, der gerne gegessen habe, fügt der spezialist de capitani für die kulturgeschichte berns im ancien régime bei. dafür galt haller 1777, als er verstarb, weitherum als universalgelehrter. so viele briefe hat er geschrieben, dass es bis heute schwierig ist, den überblick zu bekommen. so viele bücher hat er gelesen und rezensiert, dass man mehrjährige forschungsprojekte machen musste. daraus haben nun verschiedene professoren der uni bern, an deren vorläuferschule, der berner akademie haller nie lehren durfte, nun ein buch zu seinem leben, seinem werk und seiner epoche herausgegeben.

bern zu hallers zeiten
liesst man das kapitel über hallers bern nach, das françois de capitani beigesteuert hat, bekommt man einen eindruck, weshalb haller, trotz seiner grossen liebe zu bern, der appetit vergangen sein könnte. die zahl der wirklich regierenden familien begann sich zu verringern, als sich das berner patriziat in den 1740er jahren mehr und mehr abzukapseln begann. aufklärung, bürgerliche öffentlichkeit und freie presse, die in der folge europäisch entstanden, waren nicht ihr ding. herrschaft durch gezielte heimliche absprachen, heiratspolitiken, und gütertausch unter sich wurden zum bestimmenden merkmal der berner republik. wer sich nicht anpasste, wurde ausgegrenzt. und wer damit nicht umgehen konnte, blieb nur, wie auch haller, die emigration.

massgeblich zur einigelung der herrschenden schicht in bern beigetragen hat der wahlmechanismus in die behörden. schultheiss wurde man, nachdem man in den zünften zum venner aufgestiegen und im kleinrat das amt des säckelmeisters versehen hatte. in den kleinen rat wurde man durch den grossen rat gewählt. und den grossen rat ergänzten meist alle zehn jahre auf vorschlag des kleinrates, zusammen mit einem ausschuss der zünfte. die zahl der familien, die so im bernischen senat vertreten waren, reduziert sich in der zweiten hälte des 18. jahrhundert auf rund 70.

der arzt albrecht von haller, der in göttingen während sieben jahren eine beispielslose akademische karriere gemacht hatte und den es in seine vaterstadt zurück drängte, schaffte es trotz edler herkunft nur in den grossen rat. all seine versuche, auch bernischer kleinrat zu werden, scheiterten am widerstand der herrschenden, denn der aufklärer haller, der zu fragen der natur, der gesellschaft und der politik in bern und umgebung dichtend und schreibend stellung bezogen hatte, war für sie suspekt. auf die weihnachtsgans mit citronensalat musste man in hallers hause also stets verzichten.

die moral der geschichte
heute gedenkt man hallers 300. geburtstag. zwischenzeitlich hat er die aufnahme in den olymp der bernischen grössen geschafft. büsten zu seinen ehren werden vor der universität aufgestellt. erinnerungstafel an häusern, in denen er gewohnt hatte, stehen mancherorts in der stadt. sogar dicke bücher zu seinen unkonventionellen gedanken in zahlreichen fachgebieten werden herausgegeben.

und der stadtwanderer besucht sogar festmähler, die speziell zu hallers gedenken verantstaltet werden. gestern und am kommenden freitag in der harmonie. im gegensatz zur arbeitssamen askese hallers war der abend ein erholsamer genuss. doch sollte man bei all dieser aktivität zu hallers ehren nicht vergessen: hallers grosser geist bedeutet zu seine lebzeiten in der kleinen stadt bern vor allem gestörte harmonie.

stadtwanderer

albrecht von haller. leben – werk – epoche, göttingen 2008, 49 chf.

foto: françois de capitani, fotografiert vom stadtwanderer

berns burgergemeinde (in der fremddarstellung)

die stellung, das wirken und die herrschaft der berner burgergemeinde sind umstritten. deshalb unterscheiden sich die selbst- und fremddarstellungen erheblich. heute: die aussensicht, die katrin rieder in ihrer vieldiskutierten doktorarbeit skizziert hat.

700 seiten stark ist die dissertation der historikerin katrin rieder. sie in 70 blogzeilen abzuhandeln, ist nicht einfach, aber allemal ein versuch wert.

drei zugänge zum thema verschafft einem die jüngst publizierte doktorarbeit. die institutionengeschichte, die geschichte des netzwerks der burger und die geschichte des ungebrochenen konservatismus.

das soziale und symbolische kapitel der bernburger
für die kulturwissenschafterin rieder sind das soziale und symbolische kapital der burger entscheidend. sie stellen in bern ein weitreichendes netzwerk dar. die zugehörigkeit verspricht vorteile für berufsleute wie juristen, architekten oder denkmalpfleger. denn die burgergemeinde besitzt einen drittel des städtischen bodens, vergibt bauaufträge, bestimmt bei der stadtentwicklung mit und definiert, was schützenswert ist und nicht.

die anerkennung durch das netzwerk kann auch künstlerInnen und kulturschaffenden vorteile bringen. der kulturpreis ist für hiesige verhältnisse ausgesprochen gut dotiert; an zahlreichen ausstellungen, veranstaltungen und publikationen zur berner geschichte beteiligen sich die burger finanziell.

der eintritt ins netzwerk ist allerdings nicht gratis. bürgerliches leben, guter leumund und ein ansehnliche einkaufssumme sind die voraussetzungen, wenn man nicht durch heirat bernburgerIn wird. doch die mitgliedschaft in der burgergemeinde alleine bringt noch nicht das erwünschte netzwerk. massgeblich ist der zugang zu informellen gruppen wie die grand société, die bogenschützengesellschaft oder den johanniterorden. denn da trifft sich der kern der bernburger, der in gesellschaft und wirtschaft in position ist.

überhaupt sind nach rieder die 17000 burgerInnen gar nicht das entscheidende. sie profitieren von den privilegien bei der altersvorsorge, auch ohne zum engeren kreis der einflussreichen zu gehören. gesteuert wird die burgergemeinde, schreibt die historikerin, nicht durch die formaldemokratischen strukturen, sondern durch die informellen, vordemokratisch geprägten.

damit ist man nahtlos beim symbolischen kapital, das die bernburger mit ihren traditionsbewusstsein pflegen. es ist das überleben des konservatismus trotz der moderne. dass burgergemeinden auch unter demokratischen verhältnissen entstehen konnten und sich auch halten, interpretiert die historikerin rieder als unvollständigen sieg der liberalen, demokratischen und sozialen kräfte im 19. jahrhundert. deshalb habe sich das selbstverständnis der gnädigen herren bis in die gegenwart retten können: das bewusstsein, von besonderer herkunft zu sein und dies mit ausgeklügelten stammbäumen zu beweisen. das gestalten von familienbanden und heiratsverhalten, um in zentrale positionen zu gelangen. und natürlich die pflege der sprache, des unverwechselbaren sozioloektes der bernburger.

adeliges selbstverständnis ist nach rieder nicht parteigebunden, kennt auch verschiedene weltanschauliche richtungen. sie beinhalten rechtskonservative, reaktionäre und autoritäre elemente, deren gemeinsamkeiten die innere ablehnung von demokratie, gleichheit und freiheit sind. sie bauen auf der vorstellung eines starken staat auf, das hierarchisch-ungleiche im leben betont und über dissidente, die gefährlich werden können mit sozialkontrolle reagiert.

die öffentliche reaktion bei der publikation
die dissertation von katrin rieder hat bei ihrer veröffentlichung in bern hohe wellen geschlagen. tagelage beschäftigten sich die berner medien mit dem buch, und die burgergemeinde ging in die gegenoffensive über.

umstritten waren vor allem drei folgerungen, die sich aus der herleitung ergaben:

. die nähe gewisser exponenten der konservativen bernburger zu den antidemokratischen fronten der 30er jahre, die selbst dann kein thema waren, als die gleichen personen später ins präsidium der burgergemeinde aufstiegen;
. der einfluss auf die stadtentwicklung, bei der, wie die veränderungen im vilettenquartier zeigt, nicht die bewahrung des äusseren wichtig war, sondern die realisierung der interessen als grundeigentümer;
. und der ausscheidungsvertrag zwischen bürger- und burgergemeinde, der für den reichtum der burgergemeinde wesentlich ist.

das alles führte die historikerin dazu, am ende ihres die auflösung der burgergemeinde zu postulieren. dass sie das zu beginn des wahlkampfes in der stadt machte, wurde automatisch als politische wertung gelesen, und füllte die leserbriefspalten in ungewohnt heftiger art und weise.

ganz unabhängig davon lohnt es sich aber, die generellen these zur herrschaftsform des konservativen netzwerkes, das bin die gegenwart existiert, zu diskutieren. auch auf dem

stadtwanderer

katrin rieder: netzwerke des konservatismus. berner burgergemeinde und patriziat im 19. und 20. jahrhundert, zürich 2008.

berns burgergemeinde (in der selbstdarstellung)

über berns burgergemeinde wird diskutiert. seit neuestem auch auf dem stadtwanderer. zeit also, sich damit zu beschäftigen. heute: die burgergemeinde in der selbstdarstellung.

mittelalterlicher ursprung
die mittelalterliche gesellschaft kannte keine territorialgemeinde. vielmehr leitete sich der gemeindebegriff aus der zugehörigkeit zu personalverbänden ab: zünfte regelten das berufsleben, und das burgerrecht erhielten die dauerhaft niedergelassenen mit besitz und bereitschaft, gemeinschaftliche dienste übernahmen. im 17. jahrhundert schloss sich diese gesellschaft mehr und mehr ab, und definierte sich nun durch herkunft in ausgewählten familien, die das recht hatten, öffentliche ämter im stadtstaat zu bekleiden.

1798, mit dem einmarsch der revolutionär gesinnten franzosen wurde das patrizische burger- und staatsverständnis erschüttert. 1831 dankte das patriziat im liberal gewordenen kanton bern politisch ab. in der stadt schuf man in der folge zwei organisationsreglement: je eines für die bürger- und die burgergemeinde. 1852 trennten sich beide gemeinde vertraglich, wobei geregelt wurde, wem was gehören soll.

die basis der mitgliedschaft in der burgergemeinde war lange ausschliesslich über die zugehörigkeit zu einer der 13 zünfte oder gesellschaften der stadt geregelt. seit 1888 ist es möglich, burger auch ausserhalb dieser organisationen zu sein. heute zählt berns burgergemeinde 17000 mitglieder. rund 13000 leben in der schweiz, 5500 in bern und umgebung. sie alle sind in der stadt bern heimatberechtigt.

demokratische personalgemeinde
die volljährigen, in der schweiz wohnhaften burger bilden die burgergemeindeversammlung, die persönlich oder brieflich den präsidenten, den vizepräsidenten sowie die mitglieder des kleinen resp, grossen burgerrates wählt. die burgergemeindeversammlung beschliesst über alle geschäfte von grosse tragweite. der grosse burgerrat wacht über die burgerlichen institutionen, und der kleine burgerrat ist die vollzugsbehörde. rund 240 personen sind in der verwaltung der burgergemeinde vollzeit, weitere 320 teilzeit angestellt.

die burgergemeinde erhebt keine steuern. sie lebt ausschliesslich vom eigenen geldquelle. die domänen, die dc bank und die forsten gehören dazu. zu den domänen gehören der grundbesitz, der im baurecht abgegeben wird, die liegenschaften der burgergemeinde und rund 50 landwirtschaftliche pachtbetriebe. insgesamt besitzt die burgergemeinde an die 4000 hektaren wald in der umgebung berns. die dc bank verwaltet das vermögen der burgergemeinde und besorgt deren finanzverkehr.

die sozialen institutionen der burgergemeinde sind das burgerspital (alters- und pflegeheim), das jugendwohnheim (ehemaliges waisenhaus) und burgerheim (alterswohn- und -pflegeheim). zu den weiteren aktivitäten der burgergemeinde gehören das kultur-casino, die burgerbibliothek und das naturhistorische museum. gemeinsam mit dem kanton und der einwohnergemeinde trägt die burgergemeinde das bernische historische museum sowie die stadt- und universitätsbibliothek. sie beteiligt sich auch an der finanzierung des botanischen gartens und des kunstmuseums in bern. seit 20 jahre verleiht die burgergemeinde zudem einen kulturpreis.

nebeneinander von bürger- und burgergemeiden

mehrfach haben im 19. und 20. jahrhundert freisinnige und linke politische kräfte die abschaffung der burgergemeinden im kanton bern angestrengt. bis heute sind alle versuche gescheitert; die geltende kantonsverfassung anerkennt die burgergemeinden als öffentlich-rechtliche körperschaften. die breviere der burgergemeinden halten mit schöner regelmässigkeit zwei merkmale in eigener sache fest:

burger sind “als Angehörige alteingesessener Geschlechter und später aufgrund ihrer Verbundenheit mit Bern aufgenommener Familien besonders geeignet, Trägerinnen und Träger einer Tradition zu sein, die bei aller Aufgeschlossenheit Neuem gegenüber die innere und äussere Eigenart der Bundesstadt bewahren will.”

und: “Die Partnerschaft zwischen Bürger- und Burgergemeinde (wirkt sich) zum Wohle aller Bernerinnen und Bern aus: Während sich die eine oft nur allzu sehr mit Alltagsproblemen herumschlagen muss, kann ihr die andere bei der Bewahrung jener Werte helfen, die eine Stadt erst zu Heimat macht.”

stadtwanderer

bild: büro des präsidenten der burgergemeinde, franz von graffenried, im burgerhaus an der amtshaushausgasse 5 (foto: stadtwanderer)
quelle: berner burgerbrevier. was man von der burgergemeinde bern wissen sollte, bern 1999.

von rektoren und kanzlern im schweizerischen bildungswesen …

die herbstsaison des stadtwanderns in bern begann letzten donnerstag mit einem abwechslungsreichen abendspaziergang bei spektakulärem wetter. die sonne hatte tagsüber die stadt wunderbar erwärmt, und sie erhellte uns fast auf dem ganzen weg die strassen. das beförderte die tour zum angenehmen bildungserlebnis, – auch für den vom publikum herausgeforderten stadtwanderer von bern.

die vorgabe
die besetzung der ersten herbstwanderung war prominent. organisiert von der cohep nahmen rektoren der schweizerischen hochschulen und ihre wichtigsten stabsmitarbeiterInnen am spaziergang teil. natürlich liess ich mir bei diesem publikum die pointe nicht nehmen, die etablierung des präsidiums/kanzleisystems in der schweiz in meine ausführungen speziell miteinzubauen.

1803, bei der mediation durch napoléon bonaparte zwischen dem progressiven und reaktionären lager in der helvetischen republik bestimmte le premier consul à paris, dass die schweiz einerseits einen landammann bekommen solle, der identifikation stiftend, aber jährlich ausgewechselt werde, derweil der kanzler dahinter still und dauerhaft agieren müsse – wenn auch am jeweiligen wohnort des landammanns.

das wirkte hierzulande stilbildend, indem die stabilität der politisch-administrativen systeme in der schweiz durch die arbeit im hintergrund gewährleistet wird, während personen im vordergrund ihr amt auf zeit inne haben, sich eine weile darin sonnen dürfen, dann aber wieder abtreten müssen. eine eigentlich demokratische tugend mit vordemokratischer verstärkung!

der einspruch
fast schon eine kleine trübung der tollen atmosphäre provozierte ich – wenigstens bei einem teil meiner gäste – mit meine aussage, die universitätsgründungen in zürich und bern 1833 resp. 1834 hätten um den anspruch gebuhlt, die erste nicht-feudale hochschule der welt zu sein. denn vorher hätten alle universitäten entweder unter den fittichen der kirche, eines monarchen oder des adels gestanden.

die kleinstkontroverse im werdenden schweizerischen bildungswesen von damals, die bekanntlich zugunsten von zürich und zuungunsten von bern ausging, rief selbst im jahre 2008 die anwesenden basler auf den plan: das sei alles nur legendenbildung durch das rektorat in zürich, erklärte man mir eilenden schrittes durch bern, die jüngst entstanden sei, um die 175 jahrfeier in zürich medial aufzuwerten. in tat und wahrheit, beschied mir ein hochrangiger generalsekretär, sei basel die erste nicht-feudale universitätsgründung der welt, denn als das konzil von basel 1449 zu ende ging, sei das gewerbe arbeitslos gewoden, sodass man sich mit der gründung einer universität 1460 neue arbeit verschaffen wollte.

der widerspruch
so ganz überzeugt hat mich das argument bis jetzt noch nicht. zwar ist unbestritten, dass die basler universität zu einem frühen zentrum des buchdruckergewerbes wurde, welche die basis für den humanismus, die reformation, später auch für die chemie und pharma legte. doch geht mindestens die formale gründung der ältesten hochschule auf dem boden der heutigen schweiz auf die bulle von papst pius ii. aus dem jahre 1459 zurück und funktionierte die bildungsstätte danach administrativ fest an den basler bischof angebunden. das wenigstens ist bei den liberalen hochschulgründungen der 1830er jahre in schweiz klar. sie waren antiklerikal, wollten gar nichts vom papsttum in rom wissen, frönten dem wissenschaftlich-wirtschaftlichen fortschritt, suchten professoren in deutschland und hatten einen weltlichen kanzeler, der das ganze im hintergrund führte.

und trotzdem: ein bildungserlebnis für den stadtwanderer, und hoffentlich auf für seine gäste!

stadtwanderer

foto: sonja rosenberg

leiche im eis

am anfang steht der heisse sommer 2003. es schmilzt das eis in den alpen. zum beispiel auf der lenk zwischen bern und wallis. auf einem feld von 100 mal 100 meter kommen zahlreiche instrumente und kleidungsstücke zum vorschein. sie sind aus holz, bast und leder. spektakulär ist vor allem ein köcher mit pfeilen. nun weiss man, dass es sich dabei um den ältesten seiner art aus dem alpenraum handelt, den man heute noch hat.

fundstelle auf dem schindejoch (foto: archäologischer dienst)
fundstelle auf dem schindejoch (foto: archäologischer dienst)

diese woche trafen sich in bern 120 spezialistInnen aus den bereichen archäologie und prähistorie, um die fundstücke zu diskutieren. sie staunten nicht schlecht, als sie die ergebnisse der neuen altersbestimmung mit der radiokarbonmethode vernahmen. gefertigt wurden die gegenstände, die man auf dem schindejoch vorfand, vor rund 7000 jahren. damit sind utensilien wohl 1500 jahre älter als angenommen; sie übertreffen sogar die zeit, aus der der 1991 gefunde “ötzi” stammt.
da man in der gefundenen lederhös auch spuren von menschen fand, stellt sich jetzt die frage, wo der “schindi” begraben liegt. denn er könnte noch berühmter werden als der ötzi.
eine hütte auf der passhöhe hat man nicht identifiziert, sodass man nicht nach einer leiche im keller suchen wird. aber man hofft, dass beim nächsten heissen sommer die leiche im eis entdeckt wird.
ein solcher passwanderer wäre dann der älteste vorfahre des stadtwanderers aus dem bernbiet …

stadtwanderer

wo warst du am 21. august 1968?

es gibt momente in der zeitgeschichte, die brennen sich in die menschlichen erinnerung ein, ohne dass sie je vergessen gehen. die niederschlagung der tschechoslowakischen reformbewegung innerhalb der kommunistischen partei, die am morgen des 21. august 1968 sichtbar einsetzte, ist so ein moment.


der prager wenzelsplatz, einem zentrum des widerstandes gegen die auffahrenden panzer aus der udssr, den ich kürzlich besucht habe (foto: stadtwanderer)

nicht nur der schlachtrufe im westen für dubcek und svoboda sind mir unvergesslich im ohr geblieben; ich weiss auch noch genau, wo und wie ich von der einfahrt der panzer in prag erfahren habe.
ich war damals 11 und in der vierten primarschulklasse. am diesem tag hatten wir von 11 bis 12 turnen, draussen, auf der wiese des schulhauses in buchs (ag). leichtatheltik war angesagt: 80 m schnellauf, hochsprung und speerwerfen. in der ersten disziplin war ich gut, der rest ist nicht der rede wert.
am schluss mussten wir, zu unserer überraschung, einen 1000 meter lauf absolvieren. ich habe gewonnen. ich war stolz.
der lehrer schickte die durchschwitzten schüler vor dem mittagessen noch rasch unter die dusche. wir rannten gemächlich zur turnhalle. auf der treppe in die garderobe stand ein 5. klässer, der uns zurief: “es ist krieg, es ist krieg. die russen haben die tschechoslowakei besetzt.”
ich rannte sofort nach hause, wollte wissen, was geschehen war. denn ich verstand nicht, was passiert war. einen krieg hatte ich noch nie mitbegenommen.
zuhause wir hörten nachrichten, 1230 radio drs. danach sagte mein vater, das gäbe ein zweites ungarn.
nun verstand ich erst recht bahnhof! die bedeutung von ungarn ’56 kannte ich damals noch nicht. so dachte ich effektiv, es würde jetzt ein zweites ungarn geben.
ich war als 11jährigen passionierter puzzle-spieler. eines meiner lieblings-puzzles war zur schweiz, mit den kantonen. und ein anderes zu europa, mit den ländern. ich weiss noch genau, wie ich erschrak, als mein vater die anspielung auf ungarn machte. ich hatte angst um mein kindliches zusammensetzspiel von europa, dass es nicht mehr gültig sein würde, weil man die länder neu einteilen und einfärben würde.
die veränderung meines kindlichen weltbildes durch den 21. august 1968 habe sofort begriffen. für das, was damit gemeint war, brauchte ich etwas länger.
und was hat du an diesem tag erlebt, das dir in erinnerung geblieben wäre?
stadtwanderer

platz der urbanen geometrie

mein zug aus bern hält in kerzers. ich muss ihn verlassen, denn er geht nach neuchâtel. ich jedoch möchte ins papillorama. das liegt richtung lyss, wobei der zug dorthin aus payerne kommt.

das ist typisch für den bahnhof kerzers: in der kleinen station gibt es nicht nur weichen, nein, es kreuzen sich zwei bahnlinien richtig gehend. man kann vom süden in den norden, aber auch vom westen in den osten. und auch jede andere kombination ist möglich, denn es hat weichen von norden nach westen und von süden nach osten. jede andere kombination, überfordert mich, selbst wenn es sie geben sollte.

das komplexe schienenkreuz von kerzers ist eine bahntechnische rarität in ganz europa. entstanden ist es 1901. genauso wie das stellwerk dazu. es steht stellvertretend für den übergang des seelandes von gemüseanbaugebiet mit dem grossen moos zu den angebundenen aussengemeinden der hauptstädte berns und neuenburgs.

noch heute werden die schienen aus vier himmelsrichtungen, die sich in kerzers begegnen, durch vier läutewerke symbolisiert. sie stehen unmittelbar vor dem stellwerk und sind unauffällig beschriften. früher kannte man in kerzers ihre unverkennbaren tonlagen, die anzeigten, welcher zug von woher einfahren wird.

die vergangenheitsform in meiner situationsbeschreibung ist notwendig. denn das stellwerk wurde 2004 definitive stillgelegt. seither wird es von einem verein unterhalten. genauso wie seine umgebung, die öffentlich zugänglich geworden ist.

“historisches stellwerk” steht deshalb auf der tafel in der unterführung zum bahnhof. von der passerelle aus, die vormals benutzt wurde, um die geleise überirdisch zu queren, war das sicher viel übersichtlicher. denn vier richtungen ohne tageslicht von unten her unterscheiden zu können, ist nicht immer ganz einfach.

man könnte die kreuzungen, schienen, niveauüber- und untergänge auch als lehrpfad der urbanen geometrie bezeichnen. denn die eröffnet sich einem mustergültig, wenn man den blick, den man als umsteiger oder umsteigerin im untergrund von kerzers hat, die betontreppe hochwandern lässt, um ihn ganz oben, bei der letzten treppenstufe, beim stellwerk mit seinen weissgrauen backsteinen und seinem brauen holzaufsatz enden zu lassen.

wahrlich, ein einmalige platz, auf dem das historische stellwerk kerzers steht!

stadtwanderer

der stedtlibrand

in aarberg ist die welt noch in ordnung. eine stadt ist man nicht, nur eine kleinstadt. und städtli nennt man sie nicht, sondern ganz im regionalen dialekt stedtli. und wenn man in aarberg etwas zum feiern hat, ist das ein stedtlifescht. wie jenes von heute zum stedtlibrand vor 150 jahren.


unter hilfsbereiten kameraden (fotos: stadtwanderer)

geschichte und gegenwart

viel prominenz war gekommen, um an die grösste katastrophe in der stedtligeschichte zu erinnern. so der seeländer bundesrat samuel schmid, aber auch die regierungspräsidentin des kantons, barbara egger-jenzer, waren anwesen.

vorgefahren wurden die ehrengäste in einer kutsche – bis auf den stedtliplatz. ihnen folgten spritzwagen aus früheren zeiten, teils von pferden, teils von traktoren gezogen.
im festzelt musste das organisationskomitee vor dem mehrheitlich einheimischen publikum nicht lange rechtfertigen, warum man zu einem unglück eine feier verstalte. weil man sich für die vorbildliche unterstützung danach allseits bedanken wolle, lautete die präsidiale begründung.
da hackte yvonne pfäffli, eine junge historikerin, welche die spenden von damals aufgearbeitet hatte, schon kritischer nach. nicht alle, die damals ein haus verloren hätten, seien gleichmässig entschädigt worden. so habe der schlosser, der keine werkstatt mehr gehabt habe, 400 mal mehr erhalten als die magd, die nach der feuersbrunst ohne bleibe gewesen sei.
barbara egger zog es vor, über die solidarität von heute zu sprechen. wie werde man die solidarität mit den hochwassergeschädigten der letzten jahre beurteilen, sollte man in knapp 150 jahren auch hierzu eine gedenkfeier veranstalten, wollte sie wissen. an ihr solle es jedenfalls nicht liegen, zu einer positiven bilanz zu kommen, erklärte die sozialdemokratische baudirektorin.
und auch samuel schmid beschäftigte sich mit der gegenseitigen hilfe, die unser staatswesen begründe. feuerwehr, polizei, sanität und zivilschutz seien bei unfällen für die schnelle hilfe zuständig. die armee greife dann ein, wenn das ausmass der schäden gross oder der hilfsbedarf anhaltend sei. der auftrag der armee sei im übrigen entgegen allen kritiken durch zeitgenossen klar, fügte der bdp-bundesrat an. er gelte auch in zukunft, falls man ihr die nötigen mittel hierfür zur verfügung stelle, schob er rasch nach, denn er wusste: im seeland muss er nicht deutlicher werden, da versteht man seine botschaft parteiübergreifend.

das erfolgserlebnis von sämi schmid

richtig stimmung im festzelt kam jedoch erst auf, als sämi, “üse sämi”, wie die meisten in aarberg bundesrat schmid nennen, das manuskript zur seite legte, sich umdrehte, und zu den drei katastrophenhunden samt ihren betreuern sprach, die im hintergrund spalier standen. seine sechs “kameraden”, erläuterte der verteidigungsminister hätten, soeben an der armeeweltmeistschaft die goldmedaille in einzel- wie im teamwettkampf der katastrophenhunde gewonnen. dafür spendiere er schon mal cervelats, wenigstens für die hunde. die überraschend herbei geschafften nationalwürste fütterte der bundesrat den braven armeeangehörigen zur gaudi des publikums gleich selber. sichtlich entspannt genoss der magistrat unter vielseitigem druck die unterstützung, die er in seinem heimspiel erfuhr. nach dem strengen sommer, mit teilweise dünner luft, mochte man ihm die verschnaufpause fast schon gönnen!

unterstützungswelle auch für die bdp?

politisiert wurde am stedtlifescht nicht wirklich. getuschelt wurde aber schon: denn “üse sämi” wurden den ganzen tag “vo siner noie chefin” im stedtli begleitet. beatrice simon, gemeindepräsidentin im benachbarten seedorf und seit kurzem erst kantonalpräsidentin der bügerlich-demokratischen partei, fuhr schon mal keck auf einem der alten spritzwagen sitzend in aarberg ein, fast so, als wolle sie sagen: jetzt bin ich der feuerwehrkommandant, der unterstützung weitherum braucht. 2010, bei den nächsten grossratswahlen, wird man sehen, ob es einen stedtlieffekt im ganzen kanton gibt.

stadtwanderer

weitere informationen hier.

die mythen der realität

also bin wieder da. doch noch immer bin ich nicht ganz angekommen. das macht mich aufmerksamer für das, was real und was fiktiv ist. eine aufforderung zu selbstbefragung!

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meist meint man ja, das internet virtuell, und das andere sei dann reell. ich ist das viel zu einfach: das internet wird vielerorts eine virtuelle realität (so auf dem” stadtwanderer”), genauso, wie wir seit langen bei vielen gelegenheiten reelle virtualitäten kennen.

wenn wir sie nur sensibel genug wahrnehmen!

da ist mir natürlich bei meinem ersten besuch in einer berner buchhandlung das buch “die 101 einflussreichsten personen, die es nie gab” aufgefallen. drei kauzige amerikaner sind den vorbildern ihrer (oder der westlichen) kultur nachgegangen, und haben sich gefragt, wer davon auf andere gewirkt hat, obwohl er (oder auch sie) nie gelebt hat.

dafür eigenen sich natürlich vorerste die vergangenen helden. bei ihnen ist es bisweilen ganz schwer zu unterscheiden, ob die kunden von ihnen auf eine wirkliches oder erfundenes leben zurückgreift. es kommen aber auch ikonen der gegenwart in frage. die werbung neigt dazu, uns projektsflächen anzubieten, die, wenn es keine lebenden menschen dafür gibt, vorstellungen davon zum leben erweckt. und wird aus dem buch, das hier besprochen wird, eine sammlung populärer mythen, die teil unserer kultur geworden sind, auch wenn wir sie nicht realen ursprungs sind.

gerade weil das buch von dan karlan, allan lazar und jeremy salter eine echte innovation auf dem buch- und ratingmarkt ist, sind seine aussagen ungewohnt. das fordert fast automatisch zu diskussionen heraus: wer hat die auswahl bestimmt? wie weit spielen da die präferenzen der autoren, nicht die vorlieben der untersuchten kultur eine rolle? wie wurde die reihenfolge bestimmt? was sind verallgemeinerbare faktoren des fiktiven einflusses? das liegt an sich auf der hand. die autoren wissen das, und bemühen sich um transparenz. letztlich aber wissen sie, dass ihr unterfangen keine höhere moral, nur eine unterhaltsame selbstbespiegelung ist.

im einzelfall wundert man sich darüberhinaus über die porträts. gelegentlich ist man begeistert, dann wiederum schüttelt man den kopf, wenn man in eine fiktion eingeführt wurde. doch das macht ein buch anregend. man beginnt selber nachzudenken, wer in der kindheit einflussreich war, der lebensphase, in der man in märchenbüchern, abendteuer- und monstergeschichten, fast unmöglich zwischen realem und fiktivem unterscheiden kann. beim schmökern im neuen, soeben aus dem englischen ins deutsche übersetzte buch wird man auch herausfordert, seine aktuellen vorstellung von wirklichkeit zu prüfen: gibt es in der agentenwelt den james-bond-typ wirklich nicht? king kong ist er nicht am 11. september 2007 auferstanden? und cinderella oder ödipus, sind sie fiktiv vorlagen für populäre psychologische menschendeutungen, mit denen man gutes geld verdienen kann?

unsere drei autoren, alles aussteiger aus dem amerikanischen karrierejobsystem, wissen wie man provoziert: von ihrer rangierung mit den nummer 1 bis 101 gebe ich deshalb hier mal die ersten 10 wieder:

1. der marlboro-mann

2. big brother

3. könig artus

4. st. nikolaus

5. hamlet

6. frankensteins monster

7. siegfried

8. sherlock holmes

9. romeo und julia

10. dr. jekyll und mr hyde

auch für den den stadtwanderer haben die drei amis eine überraschung parat: der in diesem blog so oft zitierte wilhelm tell findet sich, ohne jede problematisierung, an 42. stelle der einflussreiche menschen, die es gar nie gegeben hat. das wird hierzulande nicht allen gefallen, selbst wenn die österreicher die problematik, die mich hier interessiertl, so treffend zusammengefasst haben: ob tell gelebt hat, ist nicht sicher; sicher ist nur, dass er gegen habsburg gekämpft hat!

ich kann da nur noch nachfragen: wenn hätte ihr zu den supereinflussreichen gezählt, die nur in eurer vorstellung real sind?

stadtwanderer

dan karlan, allan lazar, jeremy salter: die 101 einflussreichsten personen, die es nie gab. wie barbie, james bond und hamlet uns verändert haben, aus dem englischen von barbara först, bergisch gladbach 2008

die ganze liste

schweizer diplomatie und lübecker altstadt

er ist ehrenbürger der stadt lübeck. das hat auch aus lübscher sicht auch gute gründe. selbst wenn man in der schweiz zwischenzeitlich kritischer über ihn denkt, als dies in lübeck der fall ist.

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carl jakob burckhardt lebte von 1891 bis 1974 in der schweiz und irgendwo auf der welt. er lebte fast zeitgleich wie mein grossvater väterlicherseits. der generation meines vaters war er weitgehend noch ein begriff. meiner generation ist er weitgehend vergessen gegangen, nicht zuletzt, weil seine fachkollegen ihn immer kritischer würdigten.

lübeck wurde anfänglich von den kriegshandlungen verschont. doch am palmsonntag des jahres 1942 krachte es gewaltig über der stadt, als englische flieger sie bombardierten. die mächtigen glocken des grossen kirchturms bohrten sich damals in sekundenschnelle in den stadtboden, und sie sind da heute noch zu sehen. der dompfarrer predigte, das sei ein gottesurteil. die nazis verziehen ihm das nicht. er starb, nicht wegen den engländern.

1944 war das geschockte lübeck froh, von der kriegsdiplomatie zur offenen stadt erklärt worden zu sein. das machte sie zum umschlagplatz für lieferungen des roten kreuzes, und zum verhandlungsort für waffenstillstände. und es schützte die bevölkerung vor weiteren bombardierungen.

vermittelt hatte das lübecker abkommen von carl jakob burckhardt. der basler aus grossbürgerlichem hause hatte geschichte studiert und eine grossangelegte biografie von kardinal richelieu verfasst. zuerst wirkte er in zürich, dann in genf als professor für neue geschichte. schliesslich ernannte ihn der völkerbund zu ihrem hochkommissar in danzig. er sollte den speziellen status der freien stadt vermitteln, ohne dadurch einen krieg zu provozieren.

das hat burckhardt im ostseeraum gute beziehungen eingebracht und ihn auch geprägt. mit meiner “meine mission in danzig” hat er sein geschichtsträchtiges wirken gleich selber dargestellt. in lübeck verlieh man dem schweizer diplomaten nach dem krieg die ehrenbürgerschaft der stadt, und der publizist erhielt im kalten krieg auf den friedenspreis des deutschen buchandels. nicht viele schweizer sind in deutschland so geehrt worden!

während meiner eigenen ausbildung als historiker lernte ich die figur burckhardt erstmals kennen. ich schrieb eine diplomarbeit über schweizer aerzte, die mit den soldaten nach russland gingen, um für das rote kreuz tätig zu sein. faktisch waren sie aber ein teil der wehrmacht. das machte ihr humanitäres wirken politisch fragwürdig.

genau in diese schwierigkeit ist auch burckhardt, seit 1945 präsident des ikrks, geraten. in der schweiz kritisierten ihn publizisten und historiker, dass das rote kreuz den rassenmord im dritten reich nicht verurrteilt habe. burckhardts schweigen, seine zwiespältige haltung gegenüber dem antisemitismus sowie seine ablehnung von demokratie werden heute kritisch untersucht. vorgeworfen wird ihm, sein hass auf den kommunismus habe ihn so weit getrieben, den nationalsozialismus als das kleinere übel von beidem zu akzeptieren und sich mit ihm zu arrangieren.

selbst wenn ich das intellektuell auch teile: wenn man heute als schweizer in lübeck in der altstadt, die zum weltkulturerbe der unesco zählt, oder wenn man vor dem carl-jakob-burckhardt-gymnasium der stadt steht, wirkt die kritik schnell relativ.

stadtwanderer

der wilhelm tell schwedens

wer durch arboga spaziert, stösst unweigerlich auf engelbrekt engelbrektson, den wilhelm tell schwedens.

p7280227.JPGengelbrekt und wilhelm sind in ihren ländern populär. sie gehören zum jeweiligen nationalen mythos. jeweils verschiedenste bevölkerungsgruppen können sich mit den besagten figuren identifizieren, denn beide haben etwas kämpferisches. sie symbolisieren die nationale selbständigkeit, die gegen in der vergangenheit gegen ungeliebte herrschaften durchgesetzt werden mussten. typisch hierfür ist, dass beide gerne mit einer armbrust, der waffe des gemeinen mannes, in verbindung gebracht werden.

doch damit enden die gemeinsamkeiten. denn engelbrekt stammt nicht nur aus einem anderen umfeld als wilhelm, sie repräsentieren verschiedene epochen.

könig gustav wasa, der begründer der grossen wasa-dynastie, die schweden vom führen 16. bis mitte des 17. jahrhunderts regierte, steht, wie der jährlich durchgefuehrte vasa-langlauf erinnert, gleichsam für den durchbruch schwedens als selbständiger nationalstaat, der vorübergehend sogar eine führende rolle in der europa spielte. was ihm 1523 gelang, bereitete, fast ein jahrhundert zu vor, engelbrekt vor: die unabhängigkeit schwedens von dänemark.

begonnen hatte schwedens krisenzeit im mittelalter mit der grossen pest im 14. jahrhundert. Zuvor war man unter der herrschaft der folkunger ein flächenmässig riesiges königreich gewesen, das in seinen besten zeiten von grönland bis viborg im heutigen russland reichte und grösser, wenn auch nicht bedeutender war als das damalige kaiserreich.

doch die pest setzte dem norden arg zu. die bevölkerung ging massiv zurück, die kirchen wurden diskreditiert und die königreiche in die bedrouille. faktisch ging die macht an die hanse über, die, etwa von lübeck aus, für den handel in der städte lebenswichtig war.

unter der führung dänemarks konstitutierte sich ende des 14. jahrhundert die kalmarer union, die gegen die mächtige hanse gerichtet war. schritt für schritt wurden die königreiche von norwegen und schweden mit der dänischen krone vereinigt. Innenpolitisch blieb ihnen viel spielraum, aussenpolitisch wurde alles am dänischen hof bestimmt, wobei ein pommeraner auf dem thron sass.

könig erik hatte sich gegen den herzog von schleswig zu wehren, mit dem er sich nach 1410 währen eines vierteljahrhundert in einem regionalkrieg befand. In finanznot geraten, beschloss er 1429, eine öresundzoll zu erheben. wer die meerenge zwischen kopenhagen und malmö passiert, hatte ihn zu bezahlen.

selbstredend war das gegen die hanse gerichtet. die hatte jedoch nicht im sinn, den krieg des unionskönigs gegen den herzog in ihrem hinterland zu finanzieren. so blockierte die hanse den ostseehandel, was stockholm und dessen hinterland empfindlich betraf. namentlich der export von eisenerz und der import von stoffen und salz versiegten.

in den mittelschwedischen bergwerken von bergslagen waren die not und wut am grössten. Mobilisiert wurde diese durch den eingewanderten bergmann engelbrekt aus arboga. Er versammelte immer häufiger die bergleute, und er sucht sukkurs beim unionskritischen schwedischen adel und in der schwedischen kirche. 1434 vereinigte er diese stände zum ersten reichstag in der gut erreichbaren stadt arboga. von der vorform des schwedischen parlamentes liess er sich zum reichshauptmann ernennen, was offensichtlich gegen den unionkönig gerichtet war.

die opposition von argoba geriet jedoch rasch in wanken. könig erik arrangierte sich wieder mit der hanse, und beendete hierfür seinen kriegen gegen schleswig. Die forderungen der schwedischen stände negierte er indessen vorerst. doch nur vier jahre danach, wurde er in schweden als könig abgesetzt.

der bleibende erfolg der versammlung von arboga war, dass der keim des schwedischen unabhängigkeitsstrebens gesetzt war. schweden und dänemark gerieren (wieder einmal) in einen krieg, und nach 1471 regierten starke reichsverweser aus arboga schweden bis der dänische könig das 1523 das blutbad von schweden unter dem nach selbständigkeit strebenden adel und klerus anrichtete, aus dem der volksaufstand hervorging, der gustav ericsson vasa zum könig machte.

in arboga erinnert heute beispielsweise eine mächtige statue an egelbrekt und seinen beginn des schwedischen freiheitskampfes, der in den gassen der bergleutestadt ihren anfang nahm. aufgestellt wurde das monument 1935. in der frühen jahren der sozialdemokratischen herrschaft in schweden, die zum austrebenden naziregime in deutschland auf distanz ging. bis heute schaut der kämpferische engelbrekt genau hin, ob man seinen geist in veränderten umständen weiterhin pflegt.

wie gesagt, nebst der armbrust als gemeinsamkeit haben engelbrekt und wilhelm tell auch unterschiede. vor allem dass engelbrekt wirklich gelebt hat …

hej då

stadtwanderer

(bild: engelbrekt engelbrektsson, der freiheitsheld der schwedischen geschichte aus arboga, foto: stadtwanderer)

stadtwandern in arboga

stig ist der stadtwanderer von arboga. seit fünf jahren führt der pensionierte gymnasiallehrer für geschichte und religion interessierte durch die schwedische stadt mit grosser vergangenheit. doch heute ist keine normale führung. denn das schweizer radio berichtet über arboga. “metro” heisst die sendung von drs 2, die diesen sommer in loser folge berichte von auslandkorrespondenten über ihre lieblingsorte bringt.

einer der lieblingsorte unseres nordlandkorrespondenten

bruno kaufmann aus zofingen wirkt seit 2003 als nordland-korrespondet fuer radio drs. mit seiner schwedischen frau und seinen töchtern wanja und nina wohnt er in falun. den sommer aber verbringt er seit 10 jahren in einem waldstueck vor arboga.

seine frau elisabeth erzählt: als wir von genau 10 jahren beschlossen, schweden zu verlassen, kauften wir das ferienhaus. fuenf jahre lang, während denen die familie auf weltreise und arbeitshalber in der schweiz war, war arboge ist fester sitz in schweden. und seither verbringen sie jeden sommer hier. bruno hat sich sogar ein kleines studio im wald eingerichtet, von wo aus er seine beiträge fuer radio drs auch während den warmen monaten vorbereiten kann. “glocalnet” sendet dann alles in die zentrale nach bern. so auch die reportage aus arboga selber.

der lokalhistoriker berichtet

stig zeigt uns die geschichtsträchtigen orte der schwedischen stadt mit gut 10000 einwohnerInnen. er beginnt mit dem frueheren kloster, das aus der holzsiedlung eine streng geometrisch geformte stadt formte; er zeigt das rathaus, daskönig gustav wasa mit den steinen der abgerissenen stadtkirche bauen liess; und er verweist seine gäste auf auf stadtbibliothek mit ihrer umstrittenen architektur steht, die der sozialdemokratische bürgermeister bauen liess.

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das interview von bruno kaufmann für drs 2 mit dem stadtwanderer stig ericsson (foto: stadtwanderer) 

arboga war zu allen zeiten ein regionales zentrum mit nationaler bedeutung, erklärt der stadtwanderer. ueber flüsse und seen kommt man mit dem segel von hier aus ungehindert nach stockholm. auf dem landweg erreicht man leicht göteborg, und auch in den süden ist die anbindung über jönköping gut. das alles hat arboga zum idealen ausgangspunkt für den binnenhandel gemacht: eisenerze aus bergslagen wurden im kleinen hafen von arboga für den export verschifft; die schwedischen könige hatten hier eine ihrer wichtigsten militärbasen, und auch heute ist man daran, das ganze lager der schwedischen armee in arboga zu konzentrieren.

in arboga stand seit dem 13.jahrhundert auch das nördlichste franziskanerkloster schwedens. hier fand im 15. jahrhunderauch die erste versammlung des schwedischen reichstages statt. und in der kleinstadt verpflichtete der spätere könig karl ende des 16.jahrhunderts den schwedischen klerus definitiv, die grundsätze der reformation einzuhalten und nicht zur gegenreformation ueberzulaufen.

doch damit nicht genug: in arboga gab es im späten 19. jahrhundert erstmals eine telefonstation, und hier wurde im 20. jahrhundert der heutige weltkonzern asea, der später die bbc übernahm, in einer unauffälligen garage gegründet.

auf die heutige besucher wirkt arboga schwedisch-mittelalterlich. die pflastersteine haben es dem berner stadtwanderer schon vor zwei jahren bei seinem ersten besuch in arboga angetan. der stadtkern ist in weiten teilen gut erhalten. roter backstein gibt es seit dem 15., buergerlich geschäftshäuser seit dem 17. und sozialdemokratische bastionen seit dem 20 jahrhundert auf engstem raum.

der journalist fragt nach

bruno will es bei seiner reportage auch das 21. jahrhunder ausleuchten: “hat arboga eine zukunft?”, fragt er stig ericsson. der historisch bewanderte stadtführer zögert nicht lange. Er bejaht die frage vor laufendem mikrophon: stockholm sei als stadt zu gross geworden. da gäbe es schon mal eine gegenbewegung. die leute suchten mehr lebensqualität in dem land. so steige die einwohnerzahl von arboga seit 10 jahren wieder an. man könne hier arbeiten, die stadt mache viel fuer kultur, und das freizeitangebot deckt winter- und sommerbeduerfnisse ab.

da kann der skandinavienkorrespondent gar nicht mehr widersprechen. denn seit genau diesen 10 jahren ist er mit seiner familie selbst ein teil des revivals arboga mitten im bewóhnten teil schwedens. und der stadtwanderer aus bern, der in arboga mitgewandert ist, staunt, wie gut man die gegenwärtgien beduerfnisse des lebens in schweden aus historischer perspektive beantworten kann.

stadtwanderer

ps:
die sendung ueber arboga wird am mittwoch morgen, den 30. juli, auf drs 2 ausgestrahlt.

jeder ein kleiner könig, jede eine kleine königin

früher ging ich mit meinen eltern in den süden in die ferien. das meer, der sand und die sonne lockten. doch die toiletten schockten. „abfahrer-schiissi“ nannte ich löcher, über man lange huren mussten, als würde man widersinnig mitten im sommer den sieg am lauberhorn anstreben. jetzt fahre ich mit meiner partnerin seit 10 jahren in den norden in die ferien. das mehr haben wir gegen den wald vertauscht, und die vielen beeren ersetzen uns den sand. geblieben ist nur die sucht nach der sonne. denn selbst mein staunen ueber die nordischen toiletten ist heute verschwunden.

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politische überzeugungen an den privatesten orten – typische für schwedens plumsklos ausser haus (foto: stadtwanderer)

ein schwedisches sommerhaus hat bis heute keine eigenes „wc“. dafür geht man in den wald, wo es, an einem stillen örtchen, nach gut altgermanischer sitte ein gemeinschaftsklo hat. eine kleine hütte reicht dafür, versehen mit einem brett, indem es ein loch hat. plumpsklo in freier wildbahn nennt man das wohl am besten.

und das ist in schweden fast schon kult! denn ein schwedisches plumpsklo ist nicht einfach ein plumpsklo. es ist wie eine kleiner thron. denn in schweden sind jede und jeder ein kleiner könig oder eine kleine könig. lässt man etwa die hüttentüre in der einsamkeit offen, sieht man in den wald, auf die wiese oder über den see. die ganze herrlichkeit der natur ist vor einem. was die götter den menschen geschenkt haben, gibt es in hülle und fülle um einen herum.

hie und da sterben ein paar der leibeigenen. so ist der zeiten lauf! dann werden sie, wie es sich gehört, der erde zurück gegeben. das ist keine klinisch saubere operation in einem emailierten labor. nein, es ist ein ganz normaler teil des lebens in natürlicher umgebung. und um den verwesung zu stoppen, gibt man den abgegangen noch etwas kalk und holzspäne mit auf den langen weg.

das ist nicht nur ein erfundener vergleich. unsere toilette im schwedischen wald, die ich nicht selber gemacht habe, ist, seit ich sie benutze, eine art thronsaal. links und rechts hat es überall bilder aufgehängt von der königsfamilie, die gut auf ihren untertanen achten!

anders als im süden, wo ich mich an die toilette nie gewöhnen konnte, finde ich die im norden zwischenzeitlich hygienisch sehr sinnvoll. vielmehr lässt mich, regelmässig bei unserer rückkehr in die schweiz staunen, dass man ein „wc“ in den eigenen vier wänden für ganz normal hält.

stadtwanderer

besuch bei der grossen alten dame

mårbacka ist in schweden ein häufiger ortsname. doch marbacka bei sunne in värmland ist für die schweden einmalig. 5 millionen gäste waren in den letzten gut 50 jahren hier. denn diese mårbacka ist der ort, von dem aus selma lagerlöf geschrieben hat.

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selma lagerlöf, das ist zuallerst nils holgerson, der kleine junge der auf einer gans durch ganz schweden fliegt, um alle wunderbaren orte des landes kennen zu lernen. elma, die ausgebildete lehrerin, hat das buch für den geografieunterricht geschrieben, und es ist zu einem der erfolgreichsten jugendbücher des 20. jahrhunderts geworden. debütiert hatte sie mit göste berlings saga, einem roman, der in der umgebung von mårbacka spielt. für dieses, in der schwedischen literatur bahnbrechende buch hat sie 1909 als erste frau überhaupt den literaturnobelpreis bekommen.

1858 wurde die kleine selma in mårbacka geboren, 1940 verstarb sie im gleichen haus, in dem sie auch die meiste zeit gelebt hatte. der familienbesitz war immer schon stattlich, und er ist während und nach selmas wirken angewachsen. heute umgeben ein grosser park mit seltenen vögeln und alten pflanzen, mit einem teich, gartenwirtschaft und einer bücherbutik das lebenszentrum der vielfach übersetzen und ausgezeichneten schriftstellerin aus värmland.

im sommer kommen die leute gerne hierher aufs land hinaus, um zu sehen, wo die beliebte selma gewirkt hatte. wer den weg in die hügeligen moorlandschaft nicht scheut, kommt auf seine rechung. denn das haus wurde in der form und in dem zustand belassen, indem es war, als die produktive hausherrin verstarb.

die kundige führung beginnt unten im haus. gezeigt werden der öffentliche bereich mit dem salon, dem esszimmer und der küche, indem auch die gäste waren. dann steigt man die treppe hoch, in den privateren bereich. Man sieht die bibliothek, das schlafzimmer, um endlich in die schreibstube der schriftstellerin zu treten. ganz hinten, an einem hellen ort, steht unverrückt ihr pult. der kalender zeigt noch immer märz 1940. und selbst ihr gehstock liegt noch griffbereit neben der schreibfläche. dazwischen findet sich ein schreibblock und die alte adler-schreibmachine, auf der die grosse dame der modernen schwedischen literatur schrieb.

der einblick in das leben der grossen schwedischen schriftstellerin endet mit einer tonbandaufnahme ihrer kurzen rede, die sich zu ihrem 80.geburtstag im nationalen radio hielt. sie dankt darin allen schweden und ihren kindern, die ihr so viel geschenkt haben, und sie wünscht sich, dass ihr andenken weiter geht, auch wenn sie den weg in ihre tod gegangen sein werde.

weniger als 2 jahre danach verstarb selma lagerlöf. sie erlebte noch den anfang des zweiten weltkrieges, der in schweden mit dem krieg zwischen russen und finnen verbunden war. selma stiftete, das sie gerade kein kleingeld übrig hatte, ihre goldmedaille, die sie bei der überreichung des literaturnobelpreises bekommen hatte. später wurde aus der region das geld gesammelt, um das gedenkstück zurückzukaufen, und um es in wirklichen mårbacka auszustellen.

hej då

stadtwanderer

bild: ausblick aus dem garten von selma lagerlöf über die ebene von marbacka, foto: stadtwanderer

wenn der kampf ums überleben erst mit dem tod endet

es brennt der wald. es lodert das feuer. es krachen die bäume, und es riecht nach verbranntem. man wähnt sich mitten in einer katastrophe. doch man ist in der eingangshalle des finnskogen-museum, dem zentrum für finnische forstkultur im schwedischen torsby, das an das leben und sterben der finnischen waldnomaden in värmland erinnert.

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der stolze anfang

der einstieg in die ausstellung ist dramatisch und typisch zu gleich: dem urwald menschliches leben abzugewinnen, ist ein knallharter überlebenskampf. er beginnt mit rodungen des unendlichen waldes, die in den wind gelegt werden muss, damit sie sich nicht unkontrolliert ausbreiten. derkampf setzt sich mit der aussaat des roggens fort, der in die noch heisse erde gestreut wird. geerntet werden kann er erst im übernächsten herbst. dafür ist sein wachstum siche, sodass nahrung für den übernächsten winter in aussicht steht, und auch das nur einmal. schwendewirtschaft nennt man das schrittweise vorgehen beim getreideanbau bis heute, das für die finnischen siedlerInnen in den mittelschwedischen wäldern lange zeit charakteristisch war.

die angepasste waldkultur

die volkskundliche ausstellung über das leben der finnischen siedlern im schwedischen wald zeigt nebst den rodungen auch den hausbau und den volksglauben den waldfinnen, die im 16. jahrhundert erstmals von könig gustav wasa aus karelien geholt wurden, um den urwald im schwedischen hinterland zu erschliessen. die schliesslich rund 20’000 menschen zogen namentlich im 17. jahrhundert schichtweise rodend und hausend bis in die norwegische berge. niedergelassen haben sich die meisten von ihnen im nördlichen teil der heute schwedischen provinz värmland, wo auch das städtchen torsy ist.

die finnenhöfe unterscheiden sich von den typisch schwedischen bauernhäuser. zunächst sind sie kleiner und einfach, dann auch in andere haustypen aufgeteilt. im zentrum steht das wohnhaus, rauchstube genannt. das ist durchaus ernst gemeint: denn der lebensmittelpunkt besteht aus einem ofen ohne abzug. die rauchentwicklung ist gewollt, denn sie hält die wärme länger als sonst in der holzhütte. nach dem gleichen prinzip funktioniert das erste nebenhaus, das der hygiene gewidmet und bei uns als sauna bekannt ist. im zweiten nebenhaus, der darre, wird das getreide getrocknet.

eine eigentliche landwirtschaft, die nicht auf neue rodungen setzte, entstand bei den waldfinnen erst im 18. jahrhundert, als die besitzer mächtiger eisenhütten ebenfalls anspruch auf den wald erhoben. viehzucht und ackerbau, der mit einfachsten mitteln im steinigen gelände betrieben wurde, bildeten nun nebst der waldwirtschaft die grundlage der existenzsicherung.

die waldfinnen wurden erst im 19. jahrhundert christianisiert. sie blieben aber auch danach waldmystiker, die im einklang mit der natur lebten, denn gutes wetter, reiche ernten, jagd- und fischerglück bestimmten seit jeher das fortkommen der waldmenschen. weisse magie schützte sie selber und ihre tiere, schwarze bekämpfte ihre feinde. originelle gesänge und beschwörungen mit eigenem versmass wurden hierfür entwickelt, welche die forscherin kajsa henriksson vilhuinen in der ersten hälfte des 20. jahrhunderts ausführlich dokumentiert hat.

die assimilierung in schweden

1608 föderte der schwedische könig karl ix. die ansiedlung der waldfinnen mit privilegien. wer den wald bewirtschaftete, wurden vorerst von steuern befreit. jedoch nur wer einen eigenen hof hatte, konnte in der neuen umgebung gleichberechtigt mit den einheimischen bauern leben, und musste dafür steuern bezahlen. im 20. jahrhundert schickten die sesshaft gewordenen waldfinnen ihre kinder in schwedische schulen. ihre sprache durfte sie nicht mehr sprechen; auch neue namen bekamen sie, sodass die ausstellung am ausgang sie als erwachsende, vollwertige schweden anspricht.

das bittere ende

das ist wohl richtig und dennoch traurig: in den 60er jahren des 20. jahrhunderts verliessen die letzten waldfinnen ihre siedlungen mangels nachwuchs. der kampf ums überleben im wald war gewonnen, wenn auch mit dem sozialen tod bezahlt. seit 1988 unterhält man die schönsten verbliebenen gebäude als besucherattraktionen im wald und klärt man über die verloren gegangene kultur in der ausstellung von torsby auf.

so dramatisch die ausstellung beginnt, so melanacholisch verlässt man sie. sie ist lebensnah und ganzheitlich gemacht. die texte sind spärlich, aber mehrsprachig, das gezeigte steht im dunkeln, erhellt aber das leben im finnskogen. das visuelle führt einen durch die exposition, doch prägend sind die töne. so bleibt einem der laute der kantele, dem traditionellen saiteninstrument in den finnenwäldern, auch in erinnerung, wenn man vom gang durch die vergangenheit wieder in der gegenwart angekommen ist.

hej då

stadtwanderer

mehr dazu
http://www.finnkulturcentrum.com/

foto: stellvertretend für das das einfache leben der waldfinnen im finnskogen, bild: stadtwanderer