regierungsratswahlen in bern und anderswo

adrian vatter ist ein fleissiger und zuverlässiger schweizer politologe. er hat 2002 eine habilitationsschrift zu kantonalen demokratien im vergleich vorgelegt. untersucht hat er hierfür kantonale politsysteme (regierung, parlamente, parteien, direkte demokratie), aktuell und historisch, qualitativ und quantitativ. und dafür ist er in konstanz professor geworden, – das heisst im ausland (wenn die schweizer im 15. jahrhundert nicht so antiurban gewesen wären, wären dem heute nicht so!).

das buch gehört zum nützlichsten, was die politikwissenschaft der resp. in der schweiz in den letzten jahren hervorgebracht hat. hab natürlich nochmals dring gelegen, als vorbereitung auf den heutigen wahlsonntag. was gibt mir vatter hierfür auf den weg.

zunächst, dass regierungsratswahlen seit mitte der 70jahren des 20. jahrhunderts wieder unverhersehbarer geworden sind. die zahlen der parteipolitischen wechsel durch kantonale exekutivwahlen hat markant zugenommen. das gilt nicht nur generell, sondern auch für bern, das insgesamt eine mittlere stabilität kennt. instabil waren insbesondere die späten 80er jahre, bedingt durch die staatskrise, welche die schwarzen kassen im zusammenhang mit den jurabstimmungen ausgelöst hatte. und dann kamm es zu den denkwürdigen wahlen von 1986, mit dem totalen sieg der freien liste über die fdp, und von 1990, mit dem verkleinerter regierungsrat und der rückkehr der fdp. regierungs- und parlamentsmehrheit stimmten jetzt wieder überein. die zusammensetzung von 1990, 3 svp, 2 sp und 2 fdp, galt auf jeden fall bis heute.

heute ist vieles unvorhersehbar: totaler svp sieg, pleite für die fdp, gäng wie gäng, oder linke als lachende sieger im jura? 4 rücktritte gibts zu ersetzen. alle bisherigen regierungsparteien müssen neue ins rennen schicken, die fdp nur solche. sie beansprucht auch den jura-sitz nicht mehr. der könnte an die svp oder sp gehen. und die grünen wollen wieder zurück auf die regierungsbank.

was aber wird geschehen? adrian vatter hat sich direkt nicht geäussert, indirekt aber schon. vatter klassiert die berner regierung zu den typisch schweizerischen “surplus coalitions”, das heisst den grossen koaltionen, die rechnerisch nicht nötig sind, um die mehrheit im parlament zu repräsentieren. sie entstehen aus der konkordanzregel, die in bern als freiwilliger proporz bekannt wurde. nachdem bei den regierungsratswahlen 1946 die sp ihre vertretung in der kantonsregierung zu steigern wusste, einige man sich auf eine neue, dauerhaft proportionale vertretung. damit es bei der abgemachten sache nicht stets zwei wahlgänge brauchte, senkte man das absolute mehr: es zählen die ausgefüllten linien, nicht die abgegebenen stimmzettel. sie ist das absolute mehr unter 50 prozent, häufig bei rund 35 prozent der stimmenden, und das macht es blöcken wie der svp/fdp oder der sp/grünen einfacher, ihre personen selber zu bestimmen. das hat aber den wahlcharakter verändert.

solange der freiwillige proporz spielt, vereinfacht es die sache. wenn der aber aufgekündigt wird, macht es die wahlvorhersage unübersichtlich. und genau dem ist heute so. die svp beansprucht neu vier regierungsratssitze, die absolute mehrheit also, obwohl sie als partei nur gerade einen drittel der wählenden repräsentiert. die fdp hat das spiel mitgemacht, weil sie auf die stimmen der svp angewiesen ist. 1986 hat sie gesehen, wie schwer es ist aus eigener kraft regierungsräte bestimmen zu wollen. und so kandidiert nun ein bürgerlicher sechser für sieben sitze. die linke, in bern recht gut in der regierung vertreten und verankert, könnte neu in die juniorrolle verdrängt werden.

vatter hat zahlreiche hypothesen entwickelt, die regierungsstabilität/instabilität auch ausserhalb dieser taktischen überlegungen voraussagen. die instabilität, das heisst die chance auf einen parteipolitschen wechsel, stieg in der nachkriegsgeschichte mit folgenden 10 faktoren systematisch an (s. 108):

1. umstrittener wahlgang
2. tiefer anteil, den die regierungsparteien zusammen vertreten
3. hohe zahl an regierungsparteien
4. hoher anteil deutschsprachiger
5. hohe elektorale volatilität
6. höher anteil im tertiären sektor tätig
7. erhöhung der arbeitslosenrate
8. polarisierung des parteiensystems
9. fraktionalisierung des parteiensystems
10. geringe offenheit der direktdemokratischen instrumente.

einiges davon (wie etwa faktoren 10 und 3, wohl auch 2) kann man mit den heutigen wahlen einideutig nicht in verbindung bringen. anderes jedoch schon.

mal sehen, was wird, und was mit die checkliste heute hilft.

gehe nun stadtwandern, ins regierungsgebäude als

politwanderer!


quelle: espace.ch

zwei generationen hochrechner bei ihrer sonntagsarbeit: gregor lutz, uni-bern, für die hochrechnung 2006 verantwortlich, und claude longchamp, gfs.bern, vor 20 jahren (mit hans hirter) begründer der hochrechnung bei berner wahlen.

blog zu den berner wahlen: Konkordanz-Blog

anna feodorowna und die elfenau

eigentlich hiess sie juliane henriette ulrike von sachsen – coburg – saalfeld. doch unter diesem namen kennt man sie in bern nicht.

wenn man dagegen von anna feodorown spricht, dann machts schnell click: russische grossfürstin, verheiratet mit konstantin pawlowitsch, dem bruder von zar alexander i., und schwester des belgischen königs leopold i. sie kam, nach unglücklicher ehe und mit einem unehelichen kind von oberhofmeister rudolf abraham von schiferli, 1813 nach bern, erwarb 1814 die elfenau, pfelgte und hegte das landgut, das heute die stadtgärtnerei ist, bevor sie nach genf ging. vor ihrem tod kam sie nach bern zürück, wo sie 1860 verstarb.

sie machte aus der elfenau, der sie den namen gab, ein gut im empirestil mit englischem garten, ein zentrum für musik und ein treffenpunkt für die gehobene gesellschaft aus dem in- und ausland. später lebten andere bekannte künstler in der elfenau, so robert walser, bevor es 1928 der sitz der berner stadtgärtner mit eigenem bauernhof wurde.

heute ist die elfenau mit dem Naturschutzgebiet an der Aare eine der beliebtesten naherholungszonen der stadt bern, und seit neuesten auch schauplatz gehässigter kämpfe rund um die aarekorrektur und ihren folgen für die anwohnenden, besucherinnen badelustigen.

das alles nimmt stattland in ihrer neuesten führung durch berns geschichte auf. toll, – ein mutiger schritt an den rand der stadt und auch rand der tradierten geschichte bern! die führung ist stark personenbezogen, erzählt wird das private leben von anna, aber auch, was aus ihrem landsitz geworden ist. die ausführungen reichen bis in die nahe zukunft …

man hätte sich vielleicht ein wenig mehr geschichte gewünscht, was das für eine zeit war, als anna in bern lebte, was ihr schwager alexander für die verkleinerung des kantons bern auf dem wiener kongress getan hat, was der geist der restauration war, aber auch wie sich die stadt erstmals seit dem 30jährigen krieg wieder vergrösserte und wie zum aufstieg der eisenbahnen und die frühe industrialisierung kam, die das leben der adligen in bern und anderswo immer unzeitgemässer erscheinen liess. gerne hätte ich auch etwas vernommen von der geschichte des gutes, das mal das frauenkloser brunnadern war, und das sicher auch weitere zugänge zu den geschichten um die auenwäldern an der aare eröffnet hätte.

die sicherheit im text und auftritt kommt sicher noch, das programm mit dem beiden jungen schauspielerinnen ist aber jetzt schon eine bereicherung des stattland-programms. und wie der aufmarsch bei der prömiere gestern zeigte, auch ein echtes bedürfnis: rund 150 personen liessen sich durch anna feodorowna in der elfenau rumführen!

stadtwanderer

www.stattland.ch
www.bern.ch/stadtverwaltung/tvs/gaertnerei

schloss münchenwiler

also, die saison in münchenwiler ist eröffnet. wunderbare ambiance in historisch wertvoller umgebung, ausgezeichnetes essen von einem kreativen koch, und nette unterhaltung, wie immer, mit frau juri. einen solchen dialekt gibts sonst nirgends!

münchenwiler ist eine der preziosen im bernischen staatsbesitz. 1080 als priorat des klosters cluny gegründet und uim rahmen der expansion nach westen gegründet, kennt es sein besten tage im hochmittelalter. von daher rührt auch der name: villars-les-moines, mönchenwiler. mit der reformation kommt das kloster in bernischen besitz, wird eine der begehrtesten trophäen für das hiesige patriziat, bis es sich niemand mehr leisten kann. dann greift der kanton in der not ein, ohne rübu grimm, dem sozi, historiker und baudirektor in der berner regierung, würden die gebäude heute wohl nicht mehr stehen. er vermachte es der volkshochschule, und heute ist es vorzugliches schlosshotel, besonders geeignet für kongresse und tagung.

ich halte meine retraiten des verwaltungsrates dort ab. was ich dann den anderen mitgliledern ausserhalb der sitzung erzähle, habe ich unter materialien (romandie-tour) dokumentiert. was das schlosshohtel sonst noch an kulturellem bietet, listet die webseite regelmässig auf:

www.schlossmuenchenwiler.ch

der welschlandwander