spinnst du auch?

2465733106_0c01ec848f1.jpg“klar”, antwortet bärbi, stellvertretend für die spinngruppe frienisberg. und sie ist stolz darauf. zurecht, meine ich.

der mühlentag im benachbarten hofen gab dieses jahr erstmals einblick das handwerk des spinnens. bärbi, hedi, rösli und andere frauen kamen auf ihrem spinnrad vorgefahren. im nur waren die wunder-instrumente betriebsbereit, sodass der feste fuss rhythmisch gas geben und der faden aus den flinken fingern fliessen konnte. nein, lärm wie beim autofahren, macht das nicht! es erzeugt nur leise schwingungen, die einen sofort angenehm ziehen.

spinnen ist nicht nur ein traditionelles handwerk. es ist auch meditation und unterhaltung gleichzeitig. bisweilen sieht man die frauen wie wild treten, fleissig spinnen und toll schwatzen, – und dann ist eine von ihnen alleine, und man merkt wie sie es still und leise geniesst, etwas mit hand&fuss zu machen.

die ganztägige vorführung in hofen der spinnerinnen vom frienisberg war die attraktion des tages. sofort bildeten sich menschentrauben rund um die spinnräder, und mann&frau war interessiert zu erfahren, wie man kardet und färbt, sodass am schluss bunter faden für mancherlei sachen von hut bis strumpf entsteht.

ich kann da nur eines sagen: bärbis idee, die mühlen- mit den spinnrädern zu kombinieren, war eine runde sache. beides hat gefallen und das seine zum stimmigen tag beigetragen.

stadtwanderer

mehr bilder zum hofener mühlentag 2008 hier.

ps: bärbi will nun auch bloggen. über die vogelwelt, aus der fernen slowakei. und das in wenigen tagen. ich glaube, jetzt spinne ich auch …

das tagtägliche chaos: skala des bösen

wer kennt das nicht: man hat zeit zum lesen, reisst seiten aus der zeitung, die man gerne vertieft studieren möchte, und dann … klingelt das telefon! danach ist der faden gerissen, den man zu spinnen begonnen hatte, der artikel landet auf der grossen beige um ende woche ungelesen entsorgt zu werden, sodass der traum, die zeit, in der wir leben, besser verstehen zu können, einmal mehr vertagt wird. jetzt ist fertig damit: ich eröffne die rubrik “das tagtägliche chaos verstehen”, – und hoffe, ihr, meine geneigten leserInnen, helft mir bei der verarbeitung der lektüre!

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drei seiten, die mich heute beschäftigt haben: die skala des bösen, die operation bubenberg und die zeitzeichen für die ewigkeit (foto: stadtwanderer, anclickbar)

am meisten beschäftigt hat mich heute der inzest-skandal in österreich. was es braucht, dass man ein so schreckliches leben führt wie josef fritzl, ist mir unerklärlich. michael stone, professor für forensische psychiatrie, hingegen befasst sich, wie die nzz am sonntag schreibt, seit 30 jahren mit dem widerwertigsten verhalten von menschen. also muss er es wissen.

als seinen schlimmsten fall bezeichnet stone den kannibalen von montana. der verkleidete sich als polizist, schleppte jungs ab, vergewaltigte, tötete, koche und ass sie auf. in seinem haus fand man verschlüsselte kochbücher mit rezepten für die eintopf aus menschenfleisch. stone hat aus solchen fällen eine skala des bösen entwickelt. 22 stufen kann er zwischenzeitlich unterscheiden. fritzl, vermutete er, sei auf der 16. von 22. stufen: “psychopaths committing multiple vicious acts”, heisst sie im fachjargon.

die hauptsächlichen ursachen, die für schwerst abweichendes verhalten in frage kommen, sind genetische defekte, gewalt in der kindheit und deformationen durch unfälle. was bei fritzl den ausschlag gab, weiss aber auch der experte nicht.

aus meiner sicht bleibt die frage, was geschehen muss, dass alle grenzen, die der normale mensch kennt, um zwischen drang und verhalten zu unterscheiden, fallen.

stone spricht in diesem zusammenhang davon, dass sexuell motivierte serienmorde, die 17. stufe, seit den 60er jahren des 20. jahrhunderts zunehmen würden. er gehe davon aus, dass mehrere serienmörder unerkannt unter uns leben würden. seine these für diese entwicklung lautet: “Seit der feministischen Bewegung, seitdem die Frauen eine grössere Freiheit erlangen konnten und sich schneller scheiden lassen, sitzen immer mehr sexuell frustrierte Männer alleine zu Hause. Sie kompensieren ihre «verlorene» Macht und Dominanz, indem sie überreagieren und Frauen brutal behandeln.”

da frage ich: stimmt das alles? oder ist es medial überzeichnet? muss ich jetzt die skala des bösen auswendig lernen, um im alltag schwere psychopathen zu erkennen, wenn ich mich auf der strassse bewege, in einem restaurant esse, oder mich an einem fremden ort vergnüge?

stadtwanderer

zu allem seinen senf abgeben

marcel_ospel.jpgsie sind wie die kleinaktionäre der berner bloggeria ag. denn sie sind das rückgrat des aufstrebenden unternehmens. und also solche treffen sie sich einmal im monat, um als betriebsräte ihren senf zu allem und jenem abzugeben.

neuerdings ist das berner desperado beim bahnhof ihr bevorzugtes lokal. da fachsimpeln die betriebsräte dann über die konjunkturentwicklung in der blogosphäre und handeln am selbstgeschaffenen ring eifrig mit ihren eigenen blogs. die mittlere zahl der eingegangene links bestimmt die stimmungslage, die der berner-blog-index treffsicher wiedergibt.

ihr virtueller börsenplatz ist der blgmndybrn. kein mensch versteht, was das ist, doch das ist ein wenig die absicht der trendigen börsianer. denn sie wollen die avantgarde unter den nutzniessern der gegenwärtig blogosphären bleiben, weshalb sie ihren tauschplatz als wurst&brot-ecke, an der jeder und jede, wo bärndütsch cha, seinen oder ihren sänf dazu geben kann.

in der rubrik “före luege” wird für das nächste treffen der kleinaktionäre ein ganz gewagter tommy angekündigt. dem vernehmen nach ist es marcel ospel, weiland präsident der mächtigen ubs, der ebenfalls erscheinen will. seit seiner abwahl ist auch er eine art desperado, der zu allem und jedem seiner bisherigen mitstreiter insgeheim seinen senf abgibt. wie man hört, soll er mit hauptsitz in bern seinen eigenen www.mein-leben-nach-der-ubs-blog.desp gegründet haben, womit er in der berner bloggeria ag stimmberechtigt geworden ist.

wer nun seinerseits seinen sänf zu marcel ospel abgeben möchte, der oder die sei herzlich eingeladen, ebenfalls auf ein bier, ein paar tapas und scharfe saucen zu kommen, sofern er oder sie einen blog mit bezug zu bern hat, dessen linkwert durch den besuch an der desperado-bar bald erhöht sein wird.

ihr kleinstaktionär der neuen stadtwanderer ag.

bildquelle: iris stutz

schweizer mühlentag 2008 in hofen …

die geschichtsträchtige hofenmühle in wohlen bei bern öffnet morgen samstag ihre pforten. es hat für gross und klein etwas: das Angebot reicht von brotbacken im holzofen bis zum spinnen mit spinnrädern.

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mühle hofen in wohlen bei bern, wo die familie baumgartner bald schon hochwertige energie produzieren will (foto: stadtwanderer, anclickbar)

die hofenmühle ist die einzige mühle meiner wohngemeinde, die noch erhalten ist. die häusergruppe aus dem 18. jahrhundert ist weitherum eine der imposantesten. bevor die aare 1920 zum wohlensee gestaut wurde, lag unterhalb der hofenmühle die kleine gewerbesiedlung “Hofensäge” mit knochenstampfe, hanf- und flachsreibe, sägerei und käserei. bis zu dieser zeit drehten sich sechs grössere und kleinere wasserräder im weiler. ernst baumgartner war der letzte müller, der jedoch 1994 den betrieb einstellen musste. die familie baumgartner lebt seither von der landwirtschaft.

die baumgartners haben grossen vor: sie haben die mühleanlage renoviert. namentlich wurde der wasserzufluss saniert, damit wieder genug wasser fliesst. denn die ehemaligen müller planen, ein kleines, modernes kraftwerk einzurichten. am morgigen mühlentag, der gesamtschweizerisch stattfindet, kann man den stand der arbeiten besichtigen.

der tag der offenen türe bei den baumgartner lässt auch einblicke in die verarbeitung von wolle zu. karden, spinnen, färben, filzen – alle diese schritte der wollproduktion werden vor ort von der spinngruppe “Frienisbärg” gezeigt und können auch selber ausprobiert werden.

der hofener mühlentag 2008 dauert von 9 bis 17 uhr. der eintritt beträgt 8 franken, kinder können gratis hinein. die anreise von bern erfolgt am besten mit postauto bis wohlen, dann sind es 15 minuten zu fuss hinunter nach hofen an den see.

selbstverständlich wird auch der stadtwanderer anwesend sein.

stadtwanderer

mein bericht vom mühlentag 2007 in hofen

wir sind viele!

“wir sind viele?” das war die zentrale botschaft der heutigen sympathie-kundgebung für bundesrätin eveline widmer-schlumpf, eine eigentlich republikanischen manifestation der verschiedensten gesinnungen.


“so nicht!”, motto, das das volk auf dem bundesplatz einte

die mitteilungen

mindestens wenn man die kurzfristig aufgestellte infrastruktur als massstab nimmt, müssen die organisatorinen aus der alliance f mit deutlicher weniger teilnehmenden gerechnet haben. mikros und lautsprecher waren nämlich völlig ungenügend, um die mehrere tausned menschen, die sich trotz strömendem regen in bern versammelt haben, akustisch zu erreichen.

wer mitten auf dem platz stand, höre die stimmen auf den kleinen bühne genauso wenig, wie er oder sie die rednerInnen sehen könnte. doch hörte man das periodische klatschen, dass sich von den bühnennahe menschen wie eine lola über den ganzen bundesplatz bis in die seitengassen ausbreitete. am lautesten war es wohl, als judith stamm, alt-nationalrätin und selber einmal bundesratskandidatin klar und deutlich sagte: “es gilt, die wahl zu akzeptieren, ohne wenn und aber!”.

ansonsten verstand man heute vor allem die sprache der vielen körper. von regenschirmen gedeckt, in regenmäntel eingehüllt, von dicken pullovern in allen farben gewärmt, kommunizerten sie gemeinsam: “so nicht!”. gemeint waren die anmassungen der letzten tage, die mobilisiert hatten. eveline widmer-schlumpf erhielt, viel persönlich gemeinten zuspruch, “das” durchzustehen. eingie der mitgebrachten transparente waren politischer und hegten offenen zweifel an der demokratischen gesinnung des gegners.

die mitteilenden

am anfang erschrak man noch, als ballone in allen partei- und lebensfarben im gedrängte krachten. angst, es könnte scharfmacher in der masse haben, schwang mit. doch dann wurde klar: das publikum, das aufmarschiert war, war ausgesprochen friedlich, sodass die polizei, rund um den platz aufgestellt, soweit feststellbar nicht eingreifen musste.

“gottseidank”, dürften sich alle auf dem bundesplatz gesagt haben. einige der anwesenden waren es gewohnt, an politischen demonstrationen anwesend zu sein. zu ihnen zählten bekannte parlamentarierInnen auf bundes- und kantonsstufe, und auch einige mitglieder von heutigen und früheren städtischen exekutiven wurden persönlich gesichtet. für die meisten der heutigen kundgebungsteilnehmerInnen war das erlebnis indessen wohl weniger vertraut: junge frauen, die selbstbewusst, aber unpolitisch auftraten, standen neben landleute, die vom leben gebückt in ihrem hohen alter einfach da standen, und gemeinsam republikanischen geist gegen machtansprüche aller art verkörperten.

höhepunkt war ohne zweifel, als sie, die neue bundesrätin selber auf den platz kam, und sich, in ihrer direkten, menschlichen art für die sympathie und unterstützung bedankte.

was bleibt

das publikum an der heutigen grossdemonstration war ausgesprochen gemischt, um wohl eines ausdrücken: wir sind viel, die im regen standen, um frau widmer-schlumpf und die demokratie nicht im regen stehen zu lassen!

stadtwanderer

mehr fotos in meinem flickr-album

anheizen

thema des tages war ohne zweifel das inserat, das alt.bundesrat rudolf friedrich (fdp) schalten lässt. es löste eine reihe von reaktionen und aktion aus, die ich hier kurz zusammenfasse.


das inserat sorgte heute für heissen gesprächsstoff

“Wehret den Anfängen!”, steht über dem halbseitigen inserat, das am mittwoch und donnerstag in zahlreichen zeitungen erscheint, und auch auf internet mehrfach geschaltet wurde. kritisiert wird darin das ultimatum der svp und den versuch, eine rechtmässig gewählte bundesrätin per parteibeschluss zum rücktritt zwingen zu wollen, was diktatorisch anmute. vorläufiger tiefpunkt der kampange, so friedrichs text, bilde die drohung mit einem anschlag auf die bundesrätin und die zunft, die sie ans zürcher sechseläuten eingeladen hatte. «Das erinnert an allerlei üble Vorbilder», heisst es in dem inserat.

prompt reagiert hat die svp. sie fordert friedrich und eine sekundanten zum wortduell heraus. vorne für die svp werde christoph blocher stehen, hinter parteipräsident toni brunner. friedrich reagierte gesprächsbereit, sodass wir mit einem showdown zwischen zwei alt-justizministern über die heutige justizministerin rechnen können.

bei den frauen war man heute für direkte unterstützung von eveline widmer-schlumpf besorgt. mehr als 50000 protestnoten wurden bis heute abend auf der website von alliance f unterzeichnet. weniger glück scheint die spezialwebsite “www.forza-eveline.ch” gehabt zu haben. auch sie sammelte unterschriften zugunsten der angegriffenen justizministerin, wurde aber, wie sie schreibt, im verlaufe des tages durch eine professionelle hackerattacke ausser betrieb gesetzt.

zur sprache kam das thema auch in der wochensitzung des bundesrats. sprecher oswald sigg fasst das so zusammen: «Selbstverständlich hat es der Bundesrat mit Freude zur Kenntnis genommen, dass ein demokratisch gewähltes Mitglied und damit auch die Institution Bundesrat derartig unterstützt wird.»

und ich sage dem so: die männer-tenöre der parteien rüsten zum direktkampf, die frauenchöre sind mit direktunterstützung für eveline beschäftigt, und der bundesrat steht wieder direkt im zentrum der angeheizten aufmerksamkeit!

für morgen sind übrigens neue inserate und weitere aktionen angekündigt, sodass ich raschestens schlafen gehen muss

stadtwanderer

der entscheidungstag

der 11. april wird vieles in der schweizerischen regierungspolitik entscheiden:

. bundesrätin eveline widmer-schlumpf hält ihre pressekonferenz nach 100 tagen im amt ab.
. gleichentags läuft das ultimatum ihrer partei, der svp, an sie ab, aus dem bundesrat und der partei auszutreten.
. und auf dem bundesplatz wird für den verbleib von frau widmer in der landesregierung mobilisiert.


aufruf zur tat! flyer der alliance f für den entscheidungstag.

ohne zweifel, das wir ein wichtiger moment in der turbulenten geschichte werden. denn frau widmer-schlumpf hat bereits angekündigt, bleiben zu wollen, im bundesrat sowieso und in der partei auch. damit hat sie auf das ultimatum reagiert, und den ball zurückgegeben!

zu hoffen ist, dass es ihr an diesem tag gelingt, auch ihre programmatische arbeit als neue justizministerin vorzustellen, und damit auch in inhaltliches profil zu bekommen. das wäre dann ihr beitrag zur versachlichung der debatte. vielleicht würde man da auch besser sehen, wie stark sie mit der linie des bundesrates und der der svp übereinstimmt.

sicher wird auch die svp, momentan ebenso unter medialem druck wie ihre bundesrätin unter politischem druck, an diesem tag reagieren. ich habe auf dem stadtwanderer schon mal der hoffnung ausdruck gegeben, es möge von der svp aus bewegung in die sache kommen, damit das äusserst vermieden werden kann. was die partei anbelangt, ist es ihre sache. was den bundesrat angeht, ist die ultimatum eine provokation.

wenn der konflikt am 11. april eskalieren sollte, bleibt wohl nur der druck der strasse. einen hauch von volksbewegung kündigt schon mal die alliance f an. der dachverband der frauenorganisation ist dabei, eine sympathiekundgebung zugunsten der frauen in der landesregierung, stellvertretend für die frauen in der politik aufzubauen. sie soll die antwort an die svp werden, wenn sie bei ihrer totalen kampfansage bleibt.

ich werde schauen, dass ich die verschiedenen arenen des entscheidungstag von nahem beobachten kann,

der stadtwanderer

ein ganz spezieller sonderfall

wenn wir unter uns sind, ist jede(r) von uns gerne etwas spezielles. wenn wir aber unter anderen sind, sind wir lieber sonderfälle. das hebt uns, oder wenigstens teile von uns, die spezielle sonderfälle sind, von den normalfällen ab.


normalratspräsident andré bugnon lobte alt-bundesrat christoph blocher als speziell zu titulierenden sonderfall (foto: stadtwanderer)

von alt-bundesräten

zum beispiel unsere bundesräte, die nicht mehr im amt sind. sie heissen im normalfall “alt-bundesräte”. in der regel sind diese auch ruhig ruhig, obwohl unverändert politische tiere. jetzt sind sie speziell unruhig, wegen eines ganz speziellen politischen tiers unter ihnen.

dieser ist seit neuestem auch ein ganz speziell schwieriger sonderfall. dernn er will “abgew. bundesrat” (sprich: “abgewählter b.”) heissen. das sichert ihm den status eines ganz speziellem sonderfalls unter all den speziellen sonderfällen.


der spezielle sonderfall war wirklich speziell: für einmal sprach er nicht über sich und die politik, sondern über sich und die kunst (der politiker) (foto: stadtwanderer)

… bis zum conseiller fédéral non réélu

schlimmer noch, seit heute ist das alles nicht nur spezielle spielerein, sondern ganz offiziell der fall. denn unser ganz spezieller präsident der vertreter der normalfälle, quasi der speziellste normalfall unter allen normalfällen, ist flux zum ganz besonders schwierigen spezialfall geworden: nannte er doch bei der eröffnung der speziellsten ausstellung über den speziellsten maler, bestückt mit den speziellsten bildern unseres ganz speziellen sonderfalls unter den speziellen sonderfällen ganz speziell einen “conseiller fédéral non réèlu”.


vor lauter dagewesener spezialfälle verschwinden die speziell notwendigen grenzen in unserer unterscheidungskraft (foto: stadtwanderer

der sonderbare zwischenfall

ein bisher nie dagewesener spezialfall, dieser sonderbare zwischenfall, unseres ganz normalen normalratspräsidenten, der mir heute ganz speziell aufgefallen ist.

stadtwanderer

mit denis de rougemont nach st. gallen unterwegs

war heute in st. gallen. seit neuestem unterricht an der hsg “empirische politikforschung in der praxis”. und ich will demnächst als stadtwanderer in der gallus-metropole beginnen!


denis de rougemont in seiner studierstube, heute mein unglücklicher zugspatron, der mich zum nachdenken anregte

doch schon in zürich blieb ich heute auf dem weg von bern nach st. gallen stecken. musste unerwartet aus- und umsteigen. so hatte ich ein wenig mehr zeit zum nachdenken.

die lokomotive meines alten zuges war “denis de rougemont” gewidmet. “ausgerechnet!”, reif ich aus. dem konservativen schweizer politphilosphen aus dem neuenburgischen, der 1985 verstarb.

denis de rougement war zeit seines lebens ein intellektueller, – in der schweiz nicht gerade etwas häufiges. er war europäer. auch das eher etwas seltenes.

aber de rougemont war kein grosser anhänger eines vereinten europas. ein wenig wie jean-françois bergier, dem grossen schweizer historiker der gegenwart. de rougemont war ein überzeugter vertreter des europas de kulturen.

in der nachkriegszeit lebte de rougemont zuerst in genf, dann in paris. über schob er kulturelle begegnungszentren für menschen unterschiedlicher herkunft an. in seinem lebenswerk, “die zukunft ist unsere sache” betitelt, dass erst 1977 erschien, bilanziert er “sein” 20. jahrhundert: nation, technik und wachstum waren seine grossen themen, die er kritisch anging. sie hatten für den denker aus der westschweiz etwas gefährliches an sich, denn sie wirkten (und wirken!) seiner auffassung nach wie eine religion. und sie kennen die gleichen erscheinungen wie die institutionalisierten religionen: homogenisierung der kulturen und konzentration der macht.

dagegen empfahl der schweizer politische philosoph des 20. jahrhundert die dezentralisierung: das europa der kulturen, denn nur dieses erlaube bürgerbeteiligung und -mitbestimmung.


die lok “denis de rougemont”, die in zürich stehen blieb (foto: stadtwanderer)

doch dann musste ich mich beeilen. die technische panne ist unlösbar, wir bekamen einen neuen zug. denis de rougemont blieb symbolischen aussen vor. ich fuhr mit dem zug “alice rivaz”, einer welschen schriftstellerin, nach st. gallen.

dort wartete, als ich eintraf, schon der unterricht an der kaderschmiede für die schweizer wirtschaft. einen moment noch staunte ich, dass ausgerechnet die sbb denis de rougemont gedenkt. denn die eisenbahnpolitik der schweiz litt im 19. jahrhundert darunter, dass die schweiz 1848 keine nation, sondern ein bundesstaat wurde. eine nationalen eisenbahnpolitik hat das während jahrzehnten verunmöglicht. erst das gotthard-projekt brachte die gesamtschweizerische dimension in die linienführung der kantonalen eisenbahnen und legte den grundstein für die verstaatlichung der privaten eisenbahnen.

denis de rougemont blieb heute nicht nur symbolisch auf der strecke. doch vielleicht wollte der zugsausfall von heute mir mit auf den weg geben, den neuen managerInnen der schweiz in der globalen welt mitzugeben, nebst aller modernisierung auch die kulturellen eigenheiten der regionen schätzen.

technik braucht grosse räume, um erfolgreich zu sein. doch kultur bleibt gerade in europa regional bestimmt, – und ist genau deswegen erfolgreich geblieben!

stadtwanderer

berns einwohnerzahl und ihre lebensqualität sollen wachsen

da habe ich mich gestern gefragt, wo berns zentrum liegt. und heute erfahre, ich dass es in zukunft noch schwieriger wird, dies zu bestimmen: denn bern soll wieder wachsen.

stadtpräsident alexander tschäppät geht in die offensive. er peilt eine stadt mit 140’000 einwohnerInnen an. deshalb sollen im osten wie im westen grünflächen umgezont werden; in der innenstadt soll das verdichtete bauen gefördert werden.

denkt man ans jahr 2020, wird die jetzige bevölkerung von rund 130’000 den neubestand von 2600 wohnungen aufbrauchen, der namentlich in bern-west entsteht. hauptgrund dafür ist das wachsende bedürfnis an wohnraum der menschen in städten. für den kanton unterdurchschnittliche 44 quadratmeter sind es gegenwärtig, – tendenz jedoch steigend.


realistische aussichten und potenziale der stadtentwicklung bern als wohnstadt bis 2020 (quelle: strategieberich der stadt bern)

mit verdichtetem bauen in der stadt will man deshalb 2700 weitere wohnungen schaffen. in frage kommen vor allem die areale weyermannshaus ost, kasernenareal und bern-mobil-tramdepot an der thunstrasse stehen. um das ziel von 10’000 einwohnerInnen zusätzlich zu erreichen, wird das aber nicht reichen. deshalb werden gebiete wie der riedbach im westen, die hintere schosshalde und witigkofen im osten sowie das viererfeld im norden als siedlungsräume zu diskussion gestellt.

die reaktion des berner gemeinderates kommt gerade recht. die stadt bern ist in den letzten 2 jahren in die defensive geraten: in städtevergleichen, im kanton, und auch ausserhalb. die letzten grossprojekte mit ausstrahlung, das stade de suisse für den sport, das paul-klee-museum für die kultur, liegen schon einiges zurück. zwar kommt bern-west bald, doch darf es dabei nicht stehen bleiben. die stadt braucht mehr einwohnerInnen, nicht zuletzt um den eigenen öffentlichen haushalt zu sanieren. das spricht für die offensive, die der stadtpräsident jetzt ergriffen hat.

einleuchtend ist die zentrale begründung: bern ist die einzige grössere stadt der schweiz, die mehr arbeitsplätze als einwohnerInnen hat. der erhöht den täglichen sog der stadt auf die umgebung für pendler, die am morgen in die stadt strömen, den tag hindurch sie bevölkerung, und am abend wieder abziehen, ohne in der stadt zu wohnen.

die zentrale frage, die sich tschäppät, seinen stadtplanern und dem gemeiderat stellen wird, ist durch eine neue siedlungspolitik die negativen auswirkungen des verkehrs zu verringern, ohne nachteilige konsequenzen für das wohnen zu erhöhen. denn lebensqualität bleibt das a und o, weshalb man in bern lebt, arbeitet, wohnt, – und ganz gerne stadtwandert!

stadtwanderer

der strategiebericht der stadt

zentralität

hatte heute ein interessante diskussion im stadtwanderer über das zentrum von bern. wo nur ist die berner city?


das suburbane bern der gegenwart: wo nur ist das zentrum? (auszug aus map.search)

wir kamen nach einigem hin und her zum schluss, …

. erstens, dass bern kein eigentliches zentrum hat;
. zweitens, dass aber die pendlerInnen-ströme ein zeichen sind, wo die arbeitsplatz-zentralitäten einer stadt sind; und
. drittens, dass die werbung, vor allem jene mit plakaten, genau diesen pendlerInnen-ströme folgt.

da fiel es mir wie schuppen von den augen: in der “city” der stadt bern gibt es regelmässig drei massierungen für (mobile) plakate:

. rund ums kornhaus,
. rund um den bahnhof und
. rund ums inselspital.

demnach hätte berns city oder die city von bern drei zentren:

. das zentrum der altstadt aus der agrargesellschaft, mit dem kornhaus, dem zytgloggen und dem (heutigen) bellevue

. das zentrum der stadt aus der industriegesellschaft, mit dem bahnhof und seiner umgebung, und

. das zentrum der stadt aus der dienstleistungsgesellschaft, mit der neuen insel und ihren zugängen.

ich werde mal vertieft darüber nachdenken, das heisst die gegenden erwandern, um meine neue arbeitshypothese zum zentrum in bern zu prüfen.

stadtwanderer

sattwanderer

sie versehen doch neutsch! bitte besen sie diesen kontext genau durch! ich habe ihn in aller weile im zehnfindersystem geschrieben. das erleichtert die schnelle lecktüre ungeheim, was ja heute, bei den vielen nettbewerbern, die man überschall hat, schrötig ist. denn ohne bahnstrengungen gibt es nirgends mehr einen zertifikater.


Haribo_Buchstaben

habe heute eine kuhsine getroffen, die an nagersucht leidet, genauso wie meine militante. seit beide nicht mehr so sick sind, passt nichts mehr aus ihrem kleiderkrank. “kain wunder!”, wag ich da, ist doch insalata nixda das einzige, was sie noch regelmässig hessen. voller zuversucht haben sie sich angesichts ihrer geschundheit jüngst einem eilpädagogen anvertraut, doch das hat auch nichts geschützt.

lassen wir das, ich muss jetzt ins brett, schafen! morgen geht’s in die gewinnerschweiz. ich halte da einen bissenschaftlichen vortag über die lebensversickerungen bei den findogermanen. ich hoffe, ich muss dann nicht gleich auswandern, nach sparaguay oder wo … bleib ja ganz bern in gern, obwohl ich gelegentlich auch ein fernsehnen habe!

und wer noch nicht genug von meiner schlechtschreibung hat, der schlage “bier” nach, dem hitzigsten blog im winterbett, auf den ich heute vorgestossen bin und auf den ich liebend gern eine merciflage verfasst habe!

euer sattwanderer

samstags in bern

der kiosk-verkäufer verwickelt mich sofort in ein gespräch: “wenn die polizei präsenz markiert ohne zu provozieren, klappt das schon. demonstrationen müssten weiterhin erlaubt sein in bern, aber die veranstalter müssten klipp und klar den tarif kennen.” bevor ich etwas sagen kann, fährt er gleich weiter: “ich lebe vom zeitungsverkauf. aber ich nerve mich, wie man nur darauf wartet, dass es krawalle gibt, über die man berichten kann”. ich kaufe ihm eine zeitung ab, sie ist auch für mich an einem samstagnachmittag lebenswichtig.


präsenz markieren, botschaft platzieren und spuren hinterlassen – fast schon ein ritual der anti-wef-demonstrantInnen am heutigen nachmittag (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

nach angaben der verantstalter sollen sich 1500 menschen zur zweiten anti-weg-demo innert wochenfrist in bern zusammengefunden haben. ich würde da nicht übertreiben: zwischen dem chindlifrässerbrunnen (reformatorische strenge), dem kornhaus (merkantilistische grösse) und dem restaurant “pyri” (ex-stammbeiz des verstorbenen anwaltes der schwachen daniele jenni) haben sich maximal einige hundert personen eingefunden. sie verhalten sich, wie angekündigt, demonstrativ friedlich.

aber sie markieren präsenz. gegen das wef.
sie zeigen ihre botschaft. für’s publikum.
und sie hinterlassen ihre spuren. zulasten der stadt.

gegen die machtvolle demonstration der wef-organisatoren in davos, die in die halbe welt ausstrahlen, kommt die fast schon rituell wirkende gegenversammlung in der berner altstadt nicht an. es ist wie david gegen goliath. aber auch david scheint nicht richtig vorbereitet zu sein. seine demonstration will heute irgendwie nicht richtig gelingen.

ich nehme denn auch kein eigentliches argument mit auf meinen stadtwandererweg. denn das mikrophon der sprecher überschlägt sich regelmässig. und wenn man einmal etwas versteht, dann beklagt man nicht die ungerechtigkeit der welt, sondern wettert über die polizeieinsätze von turin bis bern.

und die gelangweilten medienleute verhalten sich genauso, wie mein kiosk-verkäufer es prognostiziert hatte. wenn es keine krawalle gibt, weiss nicht recht was machen. das gilt am meisten für den hobby-fotografen vom “winkelried”-blog, der mir krampfhaft nachstellt, um ein “beweis-bildli” von mir zu schiessen.

sorry, herr krankfurter, die unterstellung auf ihrem blog, den stadtwanderer heute als vermummten chaoten an amtl. bewilligten krawallen entdeckt zu haben, entbehrt einer jeder grundlage. wie jeden freien samstag, wandert er in bern wann und wohin er will, und posiert er nicht vor ihrer linse, damit sie ihre vorurteile bestätigen können.

stadtwanderer

das www des kommunikationsministers

das freut den stadtwanderer: denn der bloggende kommunikationsminister der schweiz schreibt ihm sein “www”:

“wacker weiter wandern,
wünscht moritz 2007 / 2008”.


die guten neujahrswünsche von bundesrat moritz leuenberger, bloggerkollege, an den stadtwanderer (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

ich kann mich dem nur anschliessen: auch ich wünsche dir, werter moritz, dass du das nächste jahr behende bleibend bloggst und deine alten und neuen kollegInnen in der schweizer regierung bald für die blogosphäre gewinnst.

und sollte der neue oppositionssturm aus herrliberg im kommenden jahr sand ins getriebe der regierung winden, bis dass es kracht, lade ich dich auf eine meiner reellen stadtwanderungen in ein. ich verspreche dir, sie beruhigen und öffnen einen die augen für das nur wenig bekannte bundesbern!

stadtwanderer

ps:
sollten noch weitere gratulanten moritz leuenberger folgen, kann man sich liebend gerne unter den comments eintragen. selber werde ich in den nächsten tagen irgendwo wandernd unterwegs sein und nicht jeden tag zugang zum www haben. es sind also auch tage der (funk)stille meinerseits angesagt.

bestimmen sie 10 momente des politkulturellen wandels der schweiz!

ich wollte einen beitrag schreiben, quasi als zeitgeschichtliches dokument, für die kommenden historikerInnen, für die bewusstseinsarbeiterInnen, und für alle die sich mit der gegenwart respektive mit unserer politischen kultur beschäftigen. basismaterial sollten die reden sein, die ruth metzler-arnold und christoph blocher bei ihrer verabschiedung vor der bundesversammlung hielten.

doch dann kam der auswanderer aus der gascogne. in der blogosphäre gibt es keinen distanzschutz mehr. die kleinbauern wissen, dass das zunehmend auch ausserhalb der virtualität gilt!

und so war der auswanderer schneller als der stadtwanderer: “chapeau, mon cher!” ich erlaube mir dennoch, mit “seinem” material “meine” idee zu realisieren.

***

“bestimmen sie 10 unterschiede in den beiden nachstehenden bundesratsreden!
versuchen sie genau herauszufinden, was vor vier jahren war und was heute ist.
machen sie auf dieser basis aussagen zum wandel der politischen kultur in der schweiz der gegenwart!”

das wäre meine fragestellung gewesen. und das bleibt sie, vorerst für sie, liebe leserInnen des stadt- und/oder auswanderers.


Metzler-Arnold Ruth, Bundesrätin:

“Herr Nationalratspräsident, Herr Ständeratspräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren National- und Ständeräte, Sie haben im Sinne der Konkordanz entschieden, anstelle von zwei CVP-Vertretern zwei SVP-Vertreter in den Bundesrat zu wählen. Die CVP soll weiterhin mit Herrn Bundesrat Joseph Deiss vertreten sein. Ich akzeptiere diesen demokratischen Entscheid und stehe für weitere Wahlgänge nicht mehr zur Verfügung.

Vor fast fünf Jahren haben Sie mir die Chance gegeben, eine der höchsten Aufgaben in unserem Staat wahrzunehmen. Diese Aufgabe war faszinierend, und ich habe mich voller Elan und voller Freude dafür eingesetzt. Sie haben mir die Möglichkeit gegeben, bereits im jungen Alter wichtige und anspruchsvolle Herausforderungen in unserem Staat anzugehen. Dazu gehörte auch die Befriedigung, zahlreiche Volksabstimmungen zu gewinnen. Es schmerzt mich, dass dies nun nach fast fünf Jahren zu Ende geht; allzu gerne hätte ich meine Aufgabe weiter wahrgenommen, und ich wäre auch allzu gerne bereit gewesen, das Präsidialjahr zu erfüllen.

Sie haben heute anders entschieden. Nach wochenlangen öffentlichen Diskussionen und Konfrontationen wünsche ich, dass der Weg frei ist für eine konstruktive Zusammenarbeit in der Bundesversammlung und mit dem neuen Bundesrat. Der Geist der Konkordanz, der in den vergangenen Wochen arg strapaziert worden ist, soll neu aufleben und für die Lösung der schwierigen Fragen der Zukunft wegweisend sein.

Ich gehe ohne Verbitterung, mit einer reichen Erfahrung, die mich auch in Zukunft begleiten wird. Ich habe immer gewusst: Es gibt ein Leben nach dem Bundesrat. Dass es bereits jetzt beginnt, hätte ich mir nicht gewünscht.

Ich möchte noch danken, allen voran meinem Mann Lukas, meiner Familie und meinen Freunden, vor allem aber auch meinen politischen Wegbegleitern, die mich insbesondere in den letzten Wochen begleitet haben. Ich danke der Bundesversammlung, die mir ermöglicht hat, während fast fünf Jahren in dieser Funktion zu wirken.” (Stehende Ovation)


Blocher Christoph, Bundesrat:

“Vor vier Jahren wurde ich von diesem Parlament zum Bundesrat gewählt. Ich habe die damalige Wahl als Auftrag angenommen und mich mit ganzer Kraft und nach bestem Wissen und Gewissen in den Dienst für unser Land und unser Volk gestellt. Die Bilanz meines Schaffens lege ich nicht hier vor; ich werde es dann am 28. Dezember tun. Heute haben Sie mich wieder aus diesem Amt entfernt – durch eine Wahl und vor allem durch eine Nichtwahl, ohne eigentlich zu sagen, was der Hintergrund ist.

Für mich ist klar – und das ist das Schöne in diesem Land -: Das Parlament kann zwar Leute aus der Regierung entfernen, aber nicht aus der Politik und nicht aus dem politischen Schaffen im Lande. (Teilweiser Beifall)

Ich schwanke zwischen Erleichterung und Enttäuschung und Empörung; das werden Sie verstehen. Warum Empörung? Eigentlich weniger, weil Sie einen anderen Bundesrat gewählt haben, als darüber, wie Sie es getan haben. Erleichterung, weil ich von jetzt an – ich muss es zuerst noch etwas lernen – wieder sagen kann, was ich denke, und weil ich in Zukunft über Dinge reden kann, die mir eigentlich unter den an sich guten Titeln wie Kollegialität, Konkordanz usw. verboten wurden, auch wenn sie eigentlich nicht hätten verboten werden sollen. Das ist der Vorteil, dass jetzt über alles gesprochen werden kann. Der gestrige Tag hat mir die Notwendigkeit gezeigt, dass es so sein muss.

Was habe ich in den letzten Monaten nicht alles gehört – ich spreche hier vor allem die CVP an: Konkordanz – fast ein heiliger Tempel; Toleranz – die grösste Tugend; Kollegialität – bis zur Selbstverleugnung; Amtsgeheimnis – sehr oft, um viel Dreck und Dinge zuzudecken, die niemand sehen durfte. All das aufzudecken ist in der Opposition – “Opposition” kommt ja von “opponere”, “ponere” heisst “legen”, “ob” heisst “entgegen”, “opponere” bedeutet also “entgegenlegen” – jetzt möglich, sofern es nach dem gestrigen Tag noch nötig ist.

Leistungsausweis, Volkswillen, Volkswohl – das war auf keinen Fall das Motiv dieser Wahl, sondern es sollte etwas unterdrückt werden.

So scheide ich hier aus dieser Regierung aus, aber nicht aus der Politik. All die besorgten Briefe, die ich gestern und in dieser Nacht bekommen habe und in denen befürchtet wurde, ich verlasse jetzt die Politik und ziehe mich irgendwo an die Riviera zurück – da macht man die Rechnung mit dem Falschen! Ich werde mich voll und ganz in den Dienst der Politik stellen – ausserhalb der Regierung. (Teilweiser Beifall)

Was daraus wird, werden wir sehen. Vielleicht wird es ja dazu führen, dass die Regierung und, möchte ich sagen, vor allem auch das Parlament das Richtige tun, weil sie Angst haben, es würde sonst durch eine gute Opposition aufgedeckt. Das wäre ja das Allerbeste.

Sie begnügen sich heute mit einer Regierung aus drei Parteien und mit zwei Vertretern, die nicht mehr Mitglied einer Fraktion sind. Ich wünsche Ihnen dabei sehr viel Glück, und ich kann diejenigen, die Angst haben, ich scheide aus, beruhigen – ich scheide nicht aus -, aber meine Gegner auch entsprechend beunruhigen!” (Stehende Ovation der SVP-Fraktion)

***

warum ich das mache? auf eine wesentliche veränderung im verhalten von alt-bundesräten hat bisher niemand hingewiesen: bisher galt es als stille, aber verbindliche regel, das man sich nach dem rücktritt aus dem bundesrat nicht mehr zur politik äussert. die landesväter und -mütter durften bleiben, solange sie wollten. sie hatten ihr amt quasi auf lebzeiten bekommen. wer es früher aufgabe, hatte die vornehme pflicht die rolle nicht zu wechseln. das hat sich in jüngster zeit immer mehr geändert: vor allem bundesräte, die mit druck aus dem amt wichen, deren leistung nicht gewürdigt worden waren oder die mit sich resp. bei denen das parlament mit ihnen nicht im reinen waren, mochten nicht einfach schweigen.

auch ruth metzler-arnold schrieb nach ihrem ausscheiden in der landesregierung ein buch. als sie einmal das parlament in bern besuchte, stieg der puls bei verschiedenen politikerInnen merklich. doch das alles ist passé. christoph blocher denkt nicht im traum daran zu schweigen. er wird reden, und der puls wird steigen, gerade weil er nicht ins parlament kommen will!

stadtwanderer

die rebellion des bedrohten wortes

weihnachtsessen bei den fdp-frauen des kantons bern. keinen kuscheliger jahresausklang versprechen die organisatorinnen. denn sie haben jene referentin ausgewählt, die mit sicherheit im betuchten saal des äusseren standes in bern für einen grossen wirbel sorgt.

es spricht regula stämpfli: die “lara croft der schweizer politologie”. die “nervensäge aus brüssel”. die “virtuosin des punktes”. das alles gehört zu ihrem ruf, den ihr die medien, gewollt oder ungewollt, zugeschrieben haben. doch das kümmert sie wenig: sie kennt den mechanismus, macht ihn selber zum thema und trägt lob und tadel gleich selber vor.


das ereignis, das zum schweizer foto des jahres 2007 geführt hat: der nackte stein unter dem schwindenden gletscher, mit wortlosen, aber nackten körpern gegen den klimawandel und seine folgen in der schweiz inszeniert (quelle: greenpeace)

die verschmelzung von privatem und öffentlichem

eigentlich soll sie über “leben, freiheit und eigentum” reden. doch daraus wird nur wenig: regula stämpfli, eine woche in der schweiz, um die premiere ihres neuesten buches vorzubereiten, hat vor allem die premiere im kopf. also redet sie an diesem abend nicht von freiheit, wie die fdp-frauen hoffen. dafür vom leben, von ihrem leben und ihrer lebensphilosophie. und vor allem vom eigentum.

“das eigentum entsteht aus der trennung von öffentlichem und privatem”, lehrt die dozentin in politik, geschichte, medien und design. doch genau diese trennung wird heute vielfach bedroht. angesichts der privatisierung der öffentlichkeit und der veröffentlichung vom privatem weiss niemand mehr, was sein wirklich eigen ist.

schuld daran sind, so stämpflis zeitdiagnose, die massenmedien, die der gegenwärtigen bilderflut erlegen sind: “die eroberung der welt durch das bild”, ist an diesem abend einer der kernsätze, den die buchautorin in anlehnung an martin heidegger prägt. mit dem deutschen philosophen der nazis widerlegt sie auch gleich karl marx, den deutschen philosophen der arbeiterschaft, dialektisch:

heute prägt nicht mehr das sein unser bewusstsein.
das sein der kapitalistischen warenwelt prägt nur noch das bewusstsein der unterhaltungsindustrie.
die aber prägt unser ganzes leben!

voilà! hollywood und cannes, bilderdatenbanken und designerschule, aber auch inserate mit kinderwerbung und migros-plakate mit halbnackten nationalratskandidatInnen sind die heutigen tatorte gegen die menschwerdung, vor allem die der frauen.

das bild – die neue form des totalitarismus

stämpflis angriff auf den “pictorial turn”, wie die fachleute die dominanz zum bild beschreiben, ist knallhart. ganz bestimmt durch hannah arendt wittert sie darin eine neue form des totalitarismus:

wir hören politikerInnen nicht mehr zu; wir mustern sie nur noch nach dem schauwert, rüttelt stämpfli uns auf.

wir fragen nicht mehr nach dem besten argument; wir laden uns nur noch den clip mit dem flappsigsten versprecher in der sache runter, diagnostiziert die buchautorin.

und wir alle googeln uns nur noch durch die bildergalerien, statt selber politisch zu handeln, weiss die zeitkritikerin.

die tendenz ist klar; wir alle erliegen der macht des bild: fotos aus der schweizer illustrierten, gadjets aus eu-kampagnen und sequenzen aus porno-videos. sie alle verdichtet die referentin in ihrem vortrag zu einer eigentlichen präsentation gegen das zeigen! und es wirkt, denn die botschaft kommt an: wir sind gegenwärtig dabei, einen kulturelle schwelle zu überschreiten, die nichts gutes verspricht!


das buch zu medien und bildern: die diagnose der zeitkritikerin regula stämpfli gibt nach 4 jahren arbeit auch in buchform.

geballte ladung – aber kein raum zum verhandeln

doch da möchte man dazwischen rufen: ist das schlecht? oder gut? – ich würde nicht so schnell urteilen. und, meine meinung neigt in die andere richtung als die der referentin. ich bin eher opitmist.

klar, wir sind die ersten menschen, die mit 9/11 live erlebt haben, wie eine neue epoche anbricht. europa brauchte dreihundert jahre, um die entdeckung der neuen welt zu verdauen. wir begriffen in drei sekunden, dass dies ein einschnitt war.

doch sind wir des medienkonsums wegen alle verblödet? wir wissen doch genau, dass weder die uno, noch der kreml oder das bundeshaus die entscheidenden arenen der gegewartspolitik sind. vielmehr haben wir schritt für schritt gelernt, via internet, fernsehen und kino politik zu verfolgen, zu rekonstruieren, und uns eine meinung zu bilden, ohne in die arena zu gehen, ohne im säli des bären zu hocken und ohne dem bundeshaus einen obligaten besuch abzustatten.

denn wir haben die sprengkraft der mohammed-karikaturen erlebt, auch wenn wir die dänische zeitung jyllands posten nie in unserem leben in den händen gehalten haben. und wir wissen längst, dass der zorn der zeit medial entfacht, emotional angeheizt zur kollektiven hype führt.

doch für den aufgestauten zwischenruf ist an diesem abend kein platz. die referentin ist zu schnell und zu absolut: sie kritisiert das generelle fehlen der urteilskraft in der heutigen zeit. und dann haut sie noch einen drauf: die menschen sind überhaupt nicht mehr in der lage zu denken!, spitze ich das zu: selbst wer denkt, er oder sie denke, erliegt der verführung durch das bild. rené descartes “cogito, ergo sum” verkomme zum generellen “in media, ergo sum.” – bum!

das geschriebene zum gesprochene wort

die schnelle diagnose der postmodernen krise hat regula stämpfli bewogen, selber nicht mehr nur auf das gesprochene wort zu setzen. sondern auch gleich ein buch darüber zu schreiben. das jedoch ging einiges länger. vier jahre hat sie “die macht des richtigen friseurs. über bilder, medien und frauen” gearbeitet und dabei ein ziel verfolgt: die zurückgebliebene alphabetisierung unseres blicks voranzutreiben. gefragt sei mehr urteilskraft, um sich bewusst zu werden, was man sehe. denn das was ist, sei einem angesichts der vielen welten, in den wir lebten, nicht mehr klar. und mit der welt verschwinde das wort. es zu stärken, sei der sinn ihres ganzen schaffens.

in sieben kapiteln erörtert stämpfli deshalb wie immer geistreich und unterhaltsam, weshalb jahreszahlen zu geburt und tod kein leben erzählen würden, weshalb mit dem szientismus der neuzeit das denken verloren gehe, weshalb der mensch zum sprechenden tier verkomme, weshalb man im zeitalter des live-fetischismus’ für nichts berühmt werde, weshalb man im zeitalter der grausamkeit dennoch lieben solle, und weshalb die blindspirale durchbrochen werden muss.

das ist dann auch ein ganzes philosophisches programm, gespickt mit einsichten aus geschichte, politik und medien, die zur handlungsanweisung werden sollen. ob das alles schon gelingt, weiss man jedoch noch nicht: gut ding will weile haben – gerade in der philosophie!

würdigung nicht als schnellschuss sinnvoll


an diesem abend wäre ich auch nicht mehr in der lage gewesen, das geschenkte buch zu lesen. mit den fdp-frauen assen wir noch etwas feines (“pouletschenkel”), sprachen wir noch über kindererziehung (“sex mit sechs”), und musste ich, beim gang an die frische luft, fdp-männern an der bar berichten, was ihre frauen besprochen hätten (“kommt nach dem versagen des patriarchates das matriarchat”).

ich hätte es aber auch anderntags nicht geschafft, das buch zu lesen. denn regula stämpfli war trotz heiserkeit laut und deutlich, wegen des bildeinsatzes mit powerpoint-unterstützung heftig und deftig, und sie war kreativ und chaotisch. sie hat uns ihren geistigen zettelkasten der vierjährigen recherche an ihrem buch in weniger als zwei stunden ausgeleert und wie schneeflocken von ihrem himmel fallen lassen.

der abend war beeindruckend, aber auch erschwerend. er war aufregend, aber auch blockierend. er war unterhaltsam, – aber noch nicht wirklich erhellend!

um diese sich ausbreitende rebellion des bedrohten wortes wirklich zu verstehen, werde ich mehr als diesen abend brauchen. das buch steht mir ja noch bevor!

stadtwanderer

winkelried.info: das orakel des absurden

er liebt den kampf. am besten gegen den feind. denn der ist überall. am häufigsten bei den journalisten. gefolgt von den beamten, den untersuchungsrichtern und der antifa/grüne/juso. denn sie bilden das sozialfaschistische netzwerk. das finanziert sich aus staatlichen mitteln und ernährt damit die linke klientel: anwälte, sozialberater, therapeuten, lehrer, künstler, gewerkschafter und auftragnehmer.


das “sozialfaschistische netzwerk in der schweiz”: ein typisches feindbild auf dem blog “www.winkelried.info”

beispielsweise die reaktorInnen von sf drs. sie sind in seinen worten schlicht “haldimanns hammertruppe”.
beispielsweise die hochrechner auf dem statistischen amt des kantons zürich. sie apostrophiert er pauschal als “roten welle”, die durch die medien rolle.
beispielsweise die meinungsforscher von isopublic. sie sind zählt er zur familie der “dummtröter”; das seien die, die in der unterwanderten welt von heute mit dummheit geld verdienten.

da überrascht es kaum mehr, dass auch der “stadtwanderer” (“Senf”-Tube) regelmässig sind fett abbekommt. ich gebs zu, ich bin ein wenig vorbelastet!

der winkelried der eigenen anschauung

er, das ist winkelried. doch ist nicht der held von sempach aus dem jahre 1386. vielmehr handelt es sich dabei um einen aggressive blog aus nationalistisch-konservativer warte.

betrieben wird winkelried.info von rechtsaussen. präsident des winkelrieds ist richard flühmann aus zug, der politisch bei den schweizer demokraten aktiv war. mit denen hat er sich aber überworfen, und er ist aus der partei ausgeschlossen worden. deshalb führt er jetzt die bewegung der konservativen schweizer demokraten des kantons zug an.

über den polischen stellenwert der gruppierung konnte man bei den letzten wahlen einiges erfahren. die konservativen schweizer demokraten erreichten in zug 0 promille!

doch richard flühmann blogt, als winkelried, der der meinungsfreiheit eine gasse bahne. oder als dibbidumm.ch, nach eigenen angaben, dem einzigen ort im internet, wo die ganze wahrheit stehe.

dabei erklärt er kaum je, was die konservativen schweizer demokraten wollen. vielmehr greift er alles an, was ihm, links von ihm, nicht passt!

protokoll des sonntäglichen desasters

das tat “winkelried.info” auch bei den ständeratswahlen von diesem wochenende. und lic.oec.publ. HSG, wie sich flühmann auf der firmenseite seines finanzinstituts rühmt, wagte schon mal eine prognose: von den drei sitzen, die es zu haben gibt, “geht mindestens einer an die SVP.”

mitnichten!

die fdp, die cvp und die glp machten heute das rennen!

da blieb sogar dem wortreichen winkelried das eigene wort im halse, resp. der angefangene satz in der blogosphäre stecken. aus dem grossartig ankündigten live bloggen entlang der news ticker vom tage entwickelte sich zusehends das desaster des winkelrieds. hier das protokoll.

da frage “hofmae” unterwegs schon mal im comment (nur auf voranmeldung) besorgt, ob “winkelried” für toni brunner überhaupt noch eine chance sähe. und es antwortete winkelried: “Hmmm, wird schwierig … was mich noch mehr ärgern würde wäre, wenn der Toni Brunner wegen dem Manser (sd) nicht gewählt würde.”

die gasse nach absurdistan

hmmm, werter winkelried, das war nicht alles an diesem tag, der nicht der ihre war:

recht hatte isopublic, dass diener bei den zürcher wahlwilligen besser ankommt als maurer.
korrekt war die hochrechnung vom statistischen amt des kantons zürich.
und die medienmeldung vom nachmittag waren allesamt zutreffend.

nur ihr orakelspruch war ganz falsch! mit verlaub: die gasse, die sie sich bahnen, führt direkt nach absurdistan …

stadtwanderer

tells grosser auftritt

es war der 18. november. man schrieb das jahr 1307.

wilhelm tell, der bergler, der jäger und der familienvater aus bürglen, begab sich nach altdorf. dort hatte der landvogt, der im namen des königs, dem habsburger albrecht I., regierte, einen hut als symbol der herrschaft auf dem dorfplatz aufstellen lassen. wer an ihm vorbei ging, musste ihn mit entblöstem haupt grüssen. wer es nicht tat, risikierte viel, gar sein eigenes leben.

tell indessen ging achtlos und ehrbezeugung über den altdorfer platz.

am tag darauf stellte hermann gessler, der herbeigerufene landvogt, den bergler wilhelm tell. er wolle ihn am leben lassen, gabt es ihm bescheid, wenn er beweise, was man von ihm sage. er solle einen apfel auf dem haupt seines sohnes walter mit pfeil und armbrust wegschiessen.


der apfelschuss in altdorf

tell zögerte. er bot sein leben an, um das seines sohnes zu schützen. doch der landvogt entgegnete ihm unwirsch: wenn er nicht schiesse, müssten vater und sohn ihr leben lassen.

tell schoss, und der schuss gelang!

doch tell hatte einen zweiten pfeil aus dem köcher genommen. für den fall, dass der schuss auf den apfel misslungen wäre, hätte er mit dem zweiten pfeil den landvogt umgebracht.

dieser zürnte und liess den rebellischen untertanen verhaften. er wurde in flüelen auf ein schiff gebracht, das ihn ins gefängnis bringen sollte.


der tellsprung am ufer des vierwaldstättersees

als auf dem see zu altdorf ein sturm losbrach, band man den gefangenen los. er wurde ans ruder gesetzt, denn er soll ein guter schiffsmann gewesen sein.

doch als man am ziel angekommen war, sprang tell ans ufer und versetzte dem boote einen kräftigen stoss. seine schergen mussten sich jetzt selber helfen.

tell versteckte sich tags hinter einem baum an der hohlen gasse bei küssnacht. er wusste, dass der landvogt auf seinem weg nach zürich genau hier durch kommen musste.


der tyrannenmord in küssnacht

als gessler kam, zielte tell nur kurz. ohne zu zögern, tötete er mit seinem pfeil den verhassten landvogt.

tell zog sich nach dieser tag in seine berge zurück. er hatte seine freiheit gerettet.

stadtwanderer

ps:
lesen sie morgen: tells wahre geschichte aus den kalten novembertagen

als ich ein schwarzes schaf war

es ist der 3. oktober 2007. der tag, an dem die sondersession der eidgenössischen räte zum gpk-bericht stattfindet. 4 wochen hat uns das thema in atem gehalten; 4 wochen des wahlkampfes hat es hat es besetzt gehalten; 4 wochen hat es emotionalisiert und auch mich politisiert.

wie fast jeden morgen mache ich mich auf den weg in die stadt. es geht, vom berg, wo ich wohne, hinunter an die aare. zu den schafen. denn ihnen gegenüber hält das postauto.


die ersten lebewesen am morgen des 3. oktober 2007 (foto: stadtwanderer, anklickbar)

die schafe! wie haben sie uns nur beschäftigt. die uno-menschenrechtskommission hat verlangt, das svp-plakat zu entfernen. entrüstet hat man sich bei den nationalkonservativen: “wehret dem feind!”, hat man gerufen; und dennoch waren sie auffällig schnell verschwunden.

die schafe vor mir sind gottseidank alle weiss. keines ist schwarz. keines gibt anlass zu spekulationen, was man damit alles meinen könnte: einfach verbrecher? oder gar verbrecher mit einer bestimmten hautfarbe? – auf jeden sollte man sie bannen, sich rein halten, gegenüber den andersartigen, war jüngst der tenor!

“ich war hier das schwarze schaf; doch jetzt werde ich weiss und brav!”, schrieb ich bei meiner matur in mein notizbuch, als ich auf meine gymnasiumszeit zurückschaute. sie hat mir den zugang zum studium gebracht; darüber bin ich froh. aber sie hat mir schlecht getan. denn ich habe drastisch erlebt, was es heisst, nicht dazu zu gehören, ausgeschlossen zu werden.

ich war redaktor der schülerzeitung, der inoffiziellen: “zeus” hiess sie, so wie der göttervater der griechen. die offizielle hiess “puma”, politisch unabhängige mittelschüler aarau. die trug auf ihre weise etwas zur politischen bildung bei. sie erklärte uns begriffe wie amerikanismus, antikommunismus, antitotalitarismus. doch wurde man den verdacht nicht los, das, was sie schriebe, sei anti-kommunistisch und pro-amerikanisch und selber totalitär.

ich kannte die texte, die man ohne quellenangabe abgedruckt – und manipuliert – hatte. ich veröffentlichte in unserer schülerzeitschrift, was man gestrichen hatte. ich wollte zeigen, wie man aus lexikonerklärungen durch weglassungen politische kampfbegriffe geschaffen hatte.

das hat man mir in der schulleitung, in bürgerlichen politikerkreisen, bei meinen konservativen kommilitonen dauerhaft übel genommen. als gebildet-gefährlich galt ich hinfort; als belesen-bewaffnet, kam ich den andern jetzt vor.

und sie haben mich ausgegrenzt und observiert. bis ganz hinauf, selbst der selbsternannte staatschützer ernst cincera beschäftigte sich mit mir.

seither weiss ich, wie fein die mechanismus beginnen, die zum ausschluss aus der gesellschaft führen. und seither weiss ich auch, dass schwarze schafe im übertragenenen sinne nicht einfach schwarz geboren werden, sondern zu solche werden. da ist aktio und reaktio gleichermassen beteiligt.

ohne ihre vertreiber gibt es keine schwarzen schafe an sich. —

ich schiesse noch rasch ein bild, – von meinen unschuldigen weissen schafen, die, hungrig wie sie jeden morgen sind, am liebsten über den hag fressen. sollen sie doch!

dann kommt das poschi, das mich in die stadt fährt. kein mensch spricht heute mit mir über die schafe. niemand interessiert sich für meine deutung: rassistisch ist das plakat der svp nicht per se, der national-konservative charakter der restauration spricht aber aus ihnen. die errungenschaften des rechtsdenkens, das mit der französischen revolution entstanden ist, sind so bedroht!

was ich von der debatte zum “geheimplan gegen blocher” erwarte, werde ich dafür gefragt. ich antworte: da sind die rollen der treiber, getriebenen, selbsttreibenden und selbstgetrieben so verteilt, das wohl noch über den tag hinaus eine breite grauzone der interpretationen bleiben wird.

stadtwanderer

gesellschaftsspiele in und über bern

als ich nach bern kam, gabs ein gesellschaftsspiel, das “sherlock holmes in bern” hiess. ich habe das gerne gespielt. damals, in den frühen 80ern, kannte ich bern noch kaum. so schlecht, dass ich bei meinem ersten date eine gasse verschoben gestanden bin, und den termin und die auserwählte verpasst habe. sherlo spielen hat mir dann geholfen, bern und bernerinnen besser kennen zu lernen.
seither gibts verschiedenste spiele über bern. meine mitarbeiterInnen haben mit zum 49. geburtstag, dem 127. von altert einstein …, “wer kennt bern. spielen, entdecken, wissen” geschenkt; ganz schön knifflig, die fragen, hab bei weitem nicht alles gekonnt. werde also wandern und spielen.
jetzt gibts sogar ein brettspiel von “glückschmiede”. geht über bern, und biel/bienne, der zweiten stadt des kantons. werde mir das ansehen müssen, auch wenn die berner zeitung eher kühl reagiert hat, denn das spiel sei zu ereignisarm, genauso wie bern: wie kann man nur so was schreiben: die stadtgeschichte ist ereignisreich, jedenfalls im tollen 15. jahrhundert. erst dann sind die sittenmandate gekommen, die das würfeln, tanzen und dönkle der weiber in den brunnen verboten haben. seither ist es etwas ereignisarmer geworden, muss aber nicht so bleiben. selbst die fasnacht kehrt, seit den 68er unruhen wieder ins protestantische bern zurück.

www.glueckschmiede.ch